Der Deutsche Bundestag hat in seiner 80. Sitzung am 2. Februar 2007 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) - Drucksachen 016/3100, 016/4200, 016/4247 - den beigefügten Entschließungsantrag auf Drucksache 016/4220 angenommen.
- I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
- 1. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wird sichergestellt, dass auch in Zukunft das Gesundheitswesen leistungsfähig, solidarisch und finanzierbar bleibt. Der mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingeleitete Weg wird hinsichtlich der
- - Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten,
- - der Intensivierung des Wettbewerbs um Qualität und Wirtschaftlichkeit sowohl zwischen den Kassen als auch den Leistungserbringern und
- - der Verbesserung der Transparenz von Angeboten, Leistungen und Abrechnungen konsequent fortgesetzt.
- 2. Durch die Einführung einer Pflicht zur Versicherung wird erreicht, dass künftig niemand in Deutschland mehr ohne Krankenversicherungsschutz ist.
- 3. Dort, wo es notwendig ist, werden Leistungen zielgerichtet ausgebaut, z.B. bei der palliativmedizinischen Versorgung von Schwerstkranken, bei der häuslichen Krankenpflege für Pflegebedürftige und Behinderte sowie bei der Rehabilitation.
- 4. Mit der Einführung eines Gesundheitsfonds wird der Wettbewerb zwischen den Kassen verstärkt und durch eine Beitragsrückerstattung oder über einen Zusatzbeitrag, der entweder prozentual oder pauschal erhoben werden kann, werden Anreize für innovative und leistungsfähige Angebote der Kassen gesetzt, Zum Schutz vor finanzieller Überforderung wird der Zusatzbeitrags auf maximal ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt. Zusammen mit der Vereinfachung und Verbesserung der Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs ist dies die Grundlage für einen intensivierten und chancengleichen Wettbewerb zugunsten einer hochwertigen und effizienteren gesundheitlichen Versorgung. Besonders durch die vielfältigen neuen Vertragsfreiheiten der Kassen für besondere Versorgungsformen, z.B. integrierte Versorgung, Hausarzttarife, sowie zusätzliche Wahltarife können die Kassen den Versicherten bessere und zielgenauere Versorgungsangebote machen und zugleich ihre Ausgabenstrukturen verbessern.
- 5. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Budgetierung der ärztlichen Honorare beendet und ab dem 1. Januar 2009 eine neue vereinfachte Vertragsgebührenordnung eingeführt. Die Ausgabensteigerung aufgrund erhöhter Krankheitshäufigkeit der Versicherten (Morbiditätsrisiko) wird auf die Kassen verlagert. Zentrales Ziel der neuen Vertragsgebührenordnung ist die leistungsgerechte Vergütung ärztlicher Leistungen. Um die Unterversorgung insbesondere in den neuen Ländern auch schon vor Einführung einer neuen ärztlichen Vergütung wirksam abzubauen, können zwischen den Kassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen Sicherstellungszuschläge in unterversorgten Regionen oder Gebieten mit drohender Unterversorgung in erforderlicher Höhe zu Lasten der Kassen vereinbart werden.
- 6. Das Gesundheitssystem wird auf allen Ebenen neu strukturiert, wettbewerblicher ausgerichtet und transparenter gestaltet. So werden die Vertragsfreiheiten der gesetzlichen Kassen, aber auch der Leistungserbringer im Bereich der besonderen Versorgungsformen, der Integrationsversorgung und der hausarztzentrierten Versorgung erweitert. Daneben wird der Wettbewerb bei den Hilfsmitteln durch die Möglichkeit zur Ausschreibung und im Bereich der Arzneimittelversorgung durch Verbesserung der Rahmenbedingungen für Preisverhandlungen zwischen pharmazeutischen Unternehmern und Kassen intensiviert. Die Einführung einer Kosten-Nutzen-Bewertung wird Anreize zur Entwicklung innovativer Medikamente setzen. Insgesamt verbessern die Maßnahmen die Qualität und die Effizienz der medizinischen Versorgung, und garantieren, dass die Menschen auch künftig alle notwendigen Leistungen nach aktuellem Stand des Fortschritts zu finanzierbaren Beiträgen erhalten.
- 7. Die Institutionen des Gesundheitswesens werden mit diesem Gesetz neu geordnet, damit sie ihre Aufgaben und Funktionen in einem stärker wettbewerblich geprägten Ordnungsrahmen besser erfüllen können.
- 8. Die Reformen der Versorgungsstrukturen, Organisation und Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Reform der privaten Krankenversicherung werden zu erheblichen Veränderungen im Gesundheitssystem führen.
- 9. Durch die Definition eines einheitlichen Verschuldungsbegriffes und die geplanten Regeln zur Insolvenz werden die Kassen veranlasst, ihre Schulden abzubauen und Rückstellungen aufzubauen. Dies ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
- 10. Künftig erhalten Versicherte der privaten Krankenversicherung mehr Wahlmöglichkeiten als bisher. Die Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung glätten den Anstieg der individuellen Prämiensteigerungen eines Versicherten im Lebensverlauf. Dass Versicherte die von ihnen aufgebaute und finanzierte Alterungsrückstellung bei Kündigung und Wechsel des Unternehmens bisher nicht mitnehmen konnten, hat den Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung stark eingeschränkt.
- 1. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wird sichergestellt, dass auch in Zukunft das Gesundheitswesen leistungsfähig, solidarisch und finanzierbar bleibt. Der mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingeleitete Weg wird hinsichtlich der
- II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
- 1. die mit den Umstrukturierungen verbundenen Auswirkungen vor allem auf die medizinische Versorgung und den Bereich der Ermessens- und Satzungsleistungen der Krankenkassen sorgfältig zu beobachten und zu analysieren;
- 2. Erkenntnisse über die Praktikabilität der Regelungen beim Entlassmanagement, insbesondere an der Schnittstelle von Krankenhaus und Pflege, zügig auszuwerten, damit gegebene Umsetzungsprobleme noch im Rahmen der Reform der sozialen Pflegeversicherung gelöst werden können;
- 3. zu prüfen, wie die neue Regelung über die Weiterverwendung von Betäubungsmitteln in Hospizen und Altenheimen (§ 5b Abs. 4 BtMVV) auf die Leistungserbringer der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (§ 37b Abs. 1 SGB V) ausgedehnt werden kann. Dabei sind die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs, die Qualität der Betäubungsmittel hinsichtlich ihrer Lagerung und Verwendung sowie die medizinischen Grundsätze der Betäubungsmittelverschreibung zu gewährleisten;
- 4. für den Fall, dass der Bewertungsausschuss der Verpflichtung, mit Wirkung zum 1. April 2007 die belegärztlichen Leistungen neu zu bewerten, nicht nachkommt, bis zum 1. Juli 2007 eine gesetzliche Regelung zur angemessenen Vergütung belegärztlicher Leistungen, insbesondere durch Abschläge auf Fallpauschalen einzubringen;
- 5. zu prüfen, ob die heutige Finanzierung sozialpädiatrischer Zentren über Fallpauschalen auch in Zukunft noch tragfähig ist und gegebenfalls die Finanzierung neu zu ordnen;
- 6. zu prüfen, inwieweit die landwirtschaftlichen Krankenkassen auch in den Genuss der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben durch Steuermittel in Zukunft kommen können. Zur Umsetzung wird die Bundesregierung gebeten, bis Ende 2008 ein Gutachten vorzulegen, welches die aktuelle Höhe und die voraussichtliche Höhe der so genannten "alten Last" (ungünstiges Verhältnis der Zahl der Altenteiler zur Zahl der beitragszahlenden Landwirte durch den andauernden Strukturwandel) darlegt, deren Tragung durch besondere Bundesmittel im Agrarhaushalt gerechtfertigt ist;
- 7. die Wirkungen der mit der schrittweisen Einführung der Portabilität der Alterungsrückstellungen im Umfang des neuen Basistarifs verbundenen Ausweitung der Wahl-und Wechselmöglichkeiten der privat Krankenversicherten nach einem angemessenen Zeitraum zu evaluieren;
- 8. das in § 171b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch vorgesehene Gesetz zur näheren Regelung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen sowie zu dem damit verbundenen Entfallen der Haftung der Länder nach der Insolvenzordnung spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesundheitsfonds und den weiteren damit im Zusammenhang stehenden Regelungen in enger Abstimmung mit den Ländern zu erarbeiten und bis zum 31. Dezember 2007 vorzulegen: Dabei geht der Deutsche Bundestag davon aus, dass dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf:
- 9. auf dem Gebiet der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung auf eine die Unterschiede der Geschlechter sowie unterschiedliche Lebenslagen und das Alter berücksichtigende medizinische Versorgung hinzuwirken, damit sich die Gesundheitspotentiale von Männern und Frauen entfalten können. Dazu gehören insbesondere die Ausrichtung der Gesundheitsangebote auf die unterschiedlichen Belastungen und Ressourcen von Männern und Frauen sowie die Verbesserung des Zugangs zu einer gleichwertigen Versorgung (Entwicklung von Arzneimitteln, Anwendung der Diagnostik. und Therapie von Krankheiten).
- III. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Notwendigkeit, die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen anwachsenden Bundeszuschuss zu sichern. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz setzt den entsprechenden Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung für die Jahre 2007 und 2008 auf jeweils 2, 5 Mrd Euro fest und sieht in den Folgejahren eine Erhöhung um jährlich 1,5 Mrd. Euro bis zu einer Gesamthöhe von 14 Mrd. Euro vor.
- IV. Die Länder werden aufgefordert, bei ihrer Entscheidung über die Berechtigung eines Krankenhauses zur ambulanten Erbringung von Katalogleistungen nach § 116b Abs. 2 bis 4 SGB V (hochspezialisierte Leistungen sowie Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen) die Belange der vertragsärztlichen Leistungserbringer durch Beteiligung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu berücksichtigen.
- V. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Wahrung der Interessen der Beschäftigten alsbald die Voraussetzungen schafft, die für die Wahlen der gesetzlich vorgesehenen Personalvertretungen (Personalrat, Gleichstellungsbeauftragte, Vertrauensperson für Schwerbehinderte und Jugend- und Auszubildendenvertretung) erforderlich sind, Bei der Auswahl und Einstellung des Personals hat der Spitzenverband Bund in vollem Umfang die Prinzipien sicherzustellen, die sich aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz, dem Bundesgleichstellungsgesetz und dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch ergeben. Der Spitzenverband soll im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen oder zugelassenen Möglichkeiten noch vor Erreichen des Schwellenwertes eine Gleichstellungsbeauftragte für eine Übergangszeit bis zu der nach dem Gesetz vorgesehenen endgültigen Wahl bestellen.