Der Bundesrat hat in seiner 908. Sitzung am 22. März 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe mit dem Ziel der Implementierung einheitlicher technischer Spezifikationen und des Aufbaus einer europaweiten Infrastruktur für alternative und umweltfreundliche Kraftstoffe.
- 2. Der Bundesrat hat jedoch Zweifel, dass der Richtlinienvorschlag in der vorliegenden Fassung zu allen vorgeschlagenen Vorschriften im Ergebnis einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leistet und der durch die Regelungen verursachte Aufwand in einzelnen Fällen in einem angemessen Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg steht. Er bittet daher die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf eine Überarbeitung des Richtlinienvorschlags hinzuwirken:
- 3. Die verbindliche quantitative Zielvorgabe für Ladestationen gemäß Anhang II des Richtlinienvorschlags (Artikel 4 Absatz 1) ist in eine unverbindliche Empfehlung abzuändern.
Hinsichtlich des Aufbaus von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sind die EU-Vorgaben zu den technischen Spezifikationen und die Festlegung des Typ-2-Steckers als EU-Standard ausdrücklich zu begrüßen. Parallel zum Markthochlauf bei den Elektrofahrzeugen wird mittelfristig der weitere Aufbau einer auf europäischer Ebene technisch harmonisierten, diskriminierungsfreien Zugang garantierenden öffentlichen und halböffentlichen Ladeinfrastruktur erforderlich, um den Markt für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zu stimulieren. Die verbindliche quantitative Zielvorgabe für Ladestationen gemäß Anhang II des Richtlinienvorschlags (Artikel 4 Absatz 1) wird dagegen kaum dazu beitragen, der fehlenden Marktdynamik abzuhelfen. Hier wäre es erfolgversprechender, durch die Mitgliedstaaten regelmäßig zu überarbeitende quantitative Ziele zu erarbeiten, die sich den nationalen und regionalen Entwicklungen, unter Berücksichtigung der Entwicklung in angrenzenden Mitgliedstaaten, am Elektrofahrzeugmarkt anpassen.
- 4. Die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Pflicht zur Errichtung einer vorgeschriebenen Anzahl an Tankstellen und Ladestationen bzw. die Vorgabe von Maximalentfernungen zwischen diesen - unabhängig von deren tatsächlicher Notwendigkeit vor Ort - führen im Einzelnen am Ziel vorbei und binden zudem Finanzierungsmittel, die an anderer Stelle besser eingesetzt werden könnten. Dies steht dem grundlegenden Ziel, dem vermehrten Einsatz alternativer Kraftstoffe, entgegen.
- 5. Anstelle der Vorgabe von H2-Tankstellen im Abstand von höchstens 300 km (Artikel 5 Absatz 1) sind zusätzliche Marktanreize für H2-Tankstellen zu schaffen.
Die Errichtung von H2-Tankstellen für den Individualverkehr im Abstand von höchstens 300 km an den TEN-Verkehrsachsen bis 2020 erfordert aufgrund des hohen Finanzierungsbedarfs in Höhe von ca. 1 Millionen Euro je H2-Tankstelle ein verstärktes Engagement der Wirtschaft, was in Deutschland aber nicht in allen Landesteilen, trotz des Angebots staatlicher Förderung, vorhanden ist. Ein Sicherstellen einer verbindlichen Anzahl öffentlich zugänglicher Tankstellen erscheint somit vorerst unrealistisch. Anstelle einer Vorgabe zur Anzahl von H2-Tankstellen wären zusätzliche Marktanreizprogramme für H2-Anwendungen zielführender.
- 6. Verbindliche Vorgaben, welche Versorgungsmöglichkeiten in Häfen im Einzelnen vorzuhalten sind (Artikel 6 Absatz 1 und 2) oder Randbedingungen dazu (Artikel 4 Absatz 4 und 5), sind zu streichen.
Das Vorhalten von Versorgungsstrukturen in den einzelnen Häfen ist abhängig von der Nachfrage aus der Schifffahrt, wobei die Versorgungseinrichtungen durch private Firmen nach wirtschaftlichen Kriterien betrieben werden. In der Folge gibt es schon für die heute gebräuchlichen Schiffsbrennstoffe (Schweröl, Diesel o. ä.) mangels Nachfrage in den einzelnen Häfen nicht in jedem Fall Versorgungsmöglichkeiten. Konkrete Vorgaben für jeden einzelnen Hafen für alternative Kraftstoffe oder Versorgungen sollten daher vermieden werden, wenn die Verfügbarkeit von alternativen Kraftstoffen in Häfen des Mitgliedstaats allgemein gewährleistet ist.
- 7. Eine Erläuterung zur aktuellen rechtlichen und wirtschaftlichen Lage bezüglich einer Landstromversorgung von Schiffen ist aufzunehmen (Artikel 4 Absatz 4 und 5).
Für die Zukunft wird die Versorgung mit Landstrom an Bedeutung und Umfang gewinnen. Dennoch muss hinsichtlich einer Landstromversorgung von Schiffen auf die gegenwärtige Rechtslage hingewiesen werden: gemäß Richtlinie 2005/33/EG dürfen Schiffe am Liegeplatz im Hafen Brennstoffe benutzen, wenn der Schwefelgehalt weniger als 1 Prozent beträgt. Nur wenn Schiffe diesen Grenzwert nicht einhalten können oder wollen, ist die Versorgung mit Landstrom gemäß Artikel 4b Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie 2005/33/EG eine Alternative. Darüber hinaus gibt es keine Vorschriften, die eine Landstromversorgung zwingend vorgeben. Vor diesem Hintergrund ist die Versorgung von Schiffen mit Landstrom nur unter bestimmten Rahmenbedingungen für bestimmte Verkehre sinnvoll. Sie ist insbesondere für die Betreiber von Häfen wirtschaftlich nur darstellbar, wenn sich die Schiffe langfristig verpflichten, eine solche Versorgung auch in Anspruch zu nehmen.
- 8. Das Angebot von finanziellen Anreizen für den Aufbau von Hafeninfrastruktur ist über den Richtlinienvorschlag in Einklang mit den Beihilfevorschriften zu schaffen (in Artikel 4 und 6).
Maßnahmen zur Förderung alternativer Kraftstoffe, wie z.B. steuerliche Erleichterungen, Förderprogramme oder die Möglichkeit, für die Eigentümer von Hafeninfrastruktur der Wirtschaft für die Errichtung solcher Anlagen besonders günstige Konditionen einzuräumen, sind in der vorgeschlagenen Richtlinie nicht enthalten. Eine Aufnahme wäre jedoch wünschenswert, weil die Mitgliedstaaten oder die Infrastrukturgesellschaften damit unmittelbar in die Lage versetzt würden, der angesprochenen Wirtschaft Hilfestellungen i.S. der Zielsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie zu gewähren, ohne damit in mögliche Konflikte zu anderen Rechtsvorgaben der EU zu kommen.
- 9. Beim Erlass delegierter Rechtsakte oder von Durchsetzungsrechtsakten durch die Kommission (Artikel 3 Absatz 7 und Artikel 6 Absatz 10) sind die Mitgliedstaaten und die betroffene Wirtschaft in geeigneter Weise zu beteiligen.
Der Ansatz, die zukünftige Verwendung alternativer Kraftstoffe auf europäischer Ebene zu fördern, ist grundsätzlich zu begrüßen. Das betrifft insbesondere die Vorgaben zu Standards (Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 6 Absatz 4), aber auch die unter Artikel 6 Absatz 10 aufgeführten Tatbestände. Hier muss jedoch darauf geachtet werden, dass für vorhandene Stromanschlüsse in den Häfen durch die Einführung neuer Normen (siehe Anhang III Nummer 1.3) keine übermäßigen zusätzlichen Kosten entstehen und hinsichtlich der Anwendbarkeit solcher Normen ausreichende Übergangsfristen gelten.