Der Bundesrat hat in seiner 943. Sitzung am 18. März 2016 beschlossen, zu dem Jahreswirtschaftsbericht 2016 der Bundesregierung gemäß § 2 Absatz 1 StabG wie folgt Stellung zu nehmen:
Die Projektion der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Entwicklung
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass sich die deutsche Wirtschaft trotz eines schwierigen internationalen Umfeldes in einer guten Grundkonstitution befindet. Träger des Wachstums wird auch im laufenden Jahr die Binnennachfrage sein. Die Einkommen der privaten Haushalte wachsen weiter, weil die Beschäftigung zunimmt, weil Löhne und Gehälter steigen. Hinzu kommen die zunehmenden staatliche Konsumausgaben sowie die Wohnungsbauinvestitionen.
- 2. Zu Recht weist die Bundesregierung auf die bestehenden Risiken hin. Dazu zählen die Wachstumsverlangsamung in China, die Rezession in Russland und in Teilen Lateinamerikas sowie die zunehmend schwierigere Lage der rohstoffproduzierenden Länder im Nahen Osten. Hinzu kommen geopolitische Spannungen und ungelöste Probleme im Euroraum. Als zentrale Annahme ihrer Projektion unterstellt die Bundesregierung, dass die Finanzmärkte stabil bleiben und es im Euroraum sowie in der Weltwirtschaft zu keinen negativen Entwicklungen kommt, in deren Folge die Verunsicherung markant steigen würde.
- 3. Im Ergebnis erwartet die Bundesregierung ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland von 1,7 Prozent. Diese Erwartung liegt im Mittelfeld aktueller Prognosen wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute und internationaler Organisationen.
- 4. Insgesamt steht die Wirtschaft 2016 vor großen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen. Über eine Million Flüchtlinge sind zu integrieren und es muss an den Ursachen der Flüchtlingsströme angesetzt werden, um den weiteren Zuzug erfolgreich begrenzen zu können. Der Bundesrat stimmt der Einschätzung zu, dass sich Deutschland in einer Phase des Wandels und der Herausforderungen befindet und wir heute die Zukunftsfähigkeit sichern müssen. Vor diesem Hintergrund muss es das Ziel der Wirtschaftspolitik sein, das Wachstumspotenzial weiter zu erhöhen und das Wirtschaftswachstum zu verstetigen, um Risiken begegnen zu können.
Die Chancen des digitalen Wandels nutzen, aktuelle Herausforderungen angehen, den Ordnungsrahmen weiterentwickeln
- 5. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass der digitale Wandel eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft ist und dass der Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft für eine digitale Welt in einem offenen und kontinuierlichen Dialogprozess mit Wirtschaft, Tarifpartnern, Zivilgesellschaft und Wissenschaft weiterentwickelt werden muss. Dabei gilt es, die rechtlichen Voraussetzungen etwa im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht, einen effektiven Verbraucher- und Datenschutz oder den Schutz des geistigen Eigentums auf dem bei uns erreichten Niveau zu erhalten und bei Bedarf anzupassen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich hierfür auch auf europäischer Ebene einzusetzen.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass auch die Arbeitswelt durch die zunehmende Digitalisierung starken Veränderungen ausgesetzt wird und unterstützt die Position der Bundesregierung, dass die Digitalisierung die Chance bietet, Arbeitsplätze attraktiver, effizienter, flexibler und auch barrierefrei auszugestalten. Gleichzeitig dürfen die Herausforderungen, die dieser Wandel insbesondere für Geringqualifizierte mit sich bringt, nicht vernachlässigt werden. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, in einem intensiven Dialogprozess mit allen relevanten Akteuren und insbesondere den Sozialpartnern die erforderlichen arbeitsrechtlichen Anpassungen fortzuentwickeln.
- 7. Der Bundesrat stimmt der Ansicht der Bundesregierung zu, dass der digitale Wandel insbesondere durch Startups angetrieben wird. Gründungen und schnell wachsende junge, technologieorientierte Unternehmen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit des Standorts Deutschland und zukünftiges Wirtschaftswachstum. Für diese Unternehmen ist ein leistungsfähiger Wagniskapitalmarkt von zentraler Bedeutung. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode zum Beispiel mit der Steuerfreistellung des INVEST-Zuschusses für Wagniskapitalfinanzierungen, der Neuauflage und Weiterentwicklung des EXIST-Programms und der Rückkehr der KfW als Ankerinvestor an den Wagniskapitalmarkt erste wichtige Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen umgesetzt hat. Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Wagniskapitalmarktes in Deutschland notwendig sind und zeitnah realisiert werden. Die Bundesregierung hat am 16. September 2015 bereits Eckpunkte zum Wagniskapital beschlossen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Beschlüsse zeitnah umzusetzen.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass neben Startups auch innovative bestehende Unternehmen ganz wesentlich zum digitalen Wandel beitragen und ebenfalls unterstützt werden müssen. Die Förderung von Basistechnologien für Industrie 4.0, wie zum Beispiel die Mechatronik oder die Mikroelektronik, sowie der anschließende Technologietransfer in kleine und mittelständische Wirtschaftsunternehmen und Betriebe ist dabei ein wichtiger Ansatzpunkt.
- 9. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft im April 2015 die Plattform Industrie 4.0 geschaffen hat, um die Potenziale der Industrie 4.0 auszuschöpfen. Er befürwortet insbesondere, dass es hier einen engen Austausch mit den Ländern gibt und erwartet, dass dieser weiterhin produktiv fortgesetzt wird.
- 10. Die weltweite Digitalisierung wird unser Leben und unsere wirtschaftlichen Prozesse weiter massiv verändern. Die Digitale Agenda der Bundesregierung bündelt die wichtigsten Maßnahmen. Dazu gehört auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Um im internationalen Wettbewerb des digitalen Zeitalters bestehen zu können, ist der Glasfaser-Ausbau und der direkte Anschluss der Nutzer besonders in Wirtschafts- und Außenhandelszentren fundamental.
- 11. Der Bundesrat betont, dass das Breitbandziel von Bund und Ländern (bis 2018 50 Mbit/s für alle Haushalte) sehr ambitioniert ist und ohne öffentliche Mittel nicht zu erreichen ist. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb dazu auf, die Auswirkungen der Breitbandförderung zeitnah auszuwerten und bei Bedarf ergänzende Fördermaßnahmen zu konzipieren. Der Breitbandausbau ist jedoch in erster Linie Aufgabe der Telekommunikationsunternehmen. Die Unternehmen der Netzallianz haben ein jährliches Investitionsvolumen von acht Milliarden Euro zugesagt, welches tatsächlich nicht nur für den Netzausbau, sondern auch für die Netzmodernisierung und die Instandhaltung verwendet wird.
- 12. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es einer technologieneutralen Vorgehensweise im Bereich der Zugangsnetze bedarf, um möglichst schnell und wirtschaftlich hohe Bandbreiten anbieten zu können. Der langfristig vorteilhaftere Umbau der Netze zu Glasfasernetzen erfolgt dabei schrittweise. Die Unternehmen orientieren sich am Bedarf, das heißt wenn regional ein Glasfaserausbau rentabel ist, weil er auf eine ausreichende Zahlungsbereitschaft der Kunden trifft, findet er auch statt.
- 13. Durch die schnelle Vergabe der 700-MHz-Frequenzen hat Deutschland die Grundlage für ein leistungsfähiges mobiles Breitbandnetz geschaffen. Nach Angaben des Breitbandatlasses können bereits 94 Prozent der Haushalte über den derzeit leistungsstärksten Mobilfunkstandard LTE verfügen. Der Bundesrat betont jedoch, dass für die nächste Mobilfunkgeneration 5G weitere Frequenzkapazitäten zur Verfügung stehen müssen, um das Potenzial dieser Technologie auch voll ausschöpfen zu können.
Investieren in moderne Infrastruktur, Innovationen systematisch fördern
- 14. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass insbesondere auf kommunaler Ebene und dort vor allem in finanzschwachen Kommunen in den vergangenen zehn Jahren öffentliche Investitionen reduziert und wichtige Sanierungsaufgaben vernachlässigt worden sind. Aber auch im Bereich der Infrastruktur auf Bundes- und Landesebene besteht Nachholbedarf. Öffentliche Investitionen haben stets auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Standorts Deutschland.
- 15. Der Bundesrat begrüßt den Aufbau einer kommunalen Beratungsagentur für die Umsetzung und Finanzierung von Investitionsprojekten. Dabei ist allerdings zu verhindern, dass redundante Strukturen geschaffen werden. Zur Schaffung eines neutralen Angebots müssen die Grundprinzipien der Beratungsleistung in der Satzung einer neu aufzustellenden Einrichtung verankert werden.
- 16. Der Bundesrat weist weiterhin darauf hin, dass die Rahmenbedingungen für Produktivitätssteigerungen bei privaten Investitionen kontinuierlich verbessert werden müssen. Die Bundesregierung sollte - wie sie es in Teilen angekündigt hat - eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein höheres Produktivitätswachstum mit den Stichworten Gründung, Innovation, Digitalisierung anstreben, anstatt zu versuchen, private Investitionsprojekte zu subventionieren, die ansonsten aufgrund mangelnder Ertragsaussichten nicht getätigt worden wären.
- 17. Der Bundesrat spricht sich grundsätzlich dafür aus, durch ein erhöhtes Beschaffungsvolumen von Elektrofahrzeugen durch öffentliche Stellen die Elektromobilität zu fördern. Bei betrieblich genutzten Elektrofahrzeugen sollte über eine Sonderabschreibung die Attraktivität der Beschaffung für Unternehmen zusätzlich gesteigert werden. Eine Prämie für Endkunden zum Kauf von Elektromobilen unter bestimmten Voraussetzungen sollte geprüft werden.
- 18. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass mehr Investitionen in eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur zur Qualitätsverbesserung erforderlich sind, um Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Zur Zukunftsstrategie gehört die Finanzierung von Verkehrswegen, Flughäfen, Häfen und Logistik auf hohem Niveau. Als international verflochtenes Land braucht Deutschland starke Häfen und eine leistungsfähige Verkehrsanbindung ins Hinterland.
Solide Finanzpolitik schafft Handlungsspielräume
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf der Basis des Vorschlags der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen zur Reform der Bund-LänderFinanzbeziehungen ab 2020 zeitnah mit den Ländern Verhandlungen aufzunehmen, um ein gemeinsames Konzept zu erreichen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Vorschlag der MPK vom Dezember 2015 die Basis für einen tragfähigen Kompromiss zwischen den Ländern und dem Bund bildet und den Bund mit Blick auf die Entwicklung der Finanzströme zwischen Bund und Ländern nicht überfordert.
- 20. Der Bundesrat stellt fest, dass Länder und Kommunen in den kommenden Jahren vor gewaltigen Herausforderungen stehen, insbesondere im Hinblick auf die flüchtlingsbedingten Ausgaben. Daher bedarf es eines deutlich stärkeren finanziellen Engagements des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen.
- 21. Der Bundesrat ermutigt die Bundesregierung darin, sich noch stärker für mehr internationale und europäische Steuergerechtigkeit und -fairness einzusetzen. Um die konsistente Implementierung der Empfehlungen der OECD gegen grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen international operierender Unternehmen in das Steuerrecht möglichst aller Länder sicherzustellen, sind weitere Anstrengungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene notwendig und zeitnah durch gesetzliche Anpassungen zu realisieren. Die Transparenz zwischen den nationalen Steuerbehörden der jeweils betroffenen Staaten und eine intensivere Kooperation bei internationalen Steuerfragen sind dafür unabdingbare Voraussetzung.
- 22. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, wonach die Bund-Länder Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) das einzige wirtschaftspolitische Instrument ist, mit dem Bund und Länder gemeinsam den Abbau der regionalen Disparitäten gezielt fördern. Der Bundesrat unterstützt die Absicht, darauf aufbauend ein gesamtdeutsches System zur Förderung strukturschwacher Regionen zu entwickeln. Der Bundesrat sieht auch künftig die Notwendigkeit, bei der Ausgestaltung der nationalen Regionalpolitik darauf zu achten, dass die EU-Strukturpolitik und die nationale Regionalpolitik in einem sich in weiten Teilen unterstützenden und ergänzenden Verhältnis stehen.
Sozialen Zusammenhalt stärken, Flüchtlinge bestmöglich integrieren
- 23. Der Bundesrat unterstützt den Willen der Bundesregierung, Asylbewerber/innen und Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zügig und nachhaltig in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Vor diesem Hintergrund ist das Bestreben der Bundesregierung zu begrüßen, die Asylverfahren zu beschleunigen, damit Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive ein zügiger Arbeitsmarktzugang gewährt werden kann. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es noch weiterer Anstrengungen bedarf und die Aufwendungen des Bundes für Maßnahmen der Integration erheblich ausgeweitet werden müssen, um schon rein quantitativ den steigenden Bedürfnissen nach Integrationsleistungen gerecht zu werden.
- 24. Um die soziale und ökonomische Integration voranzutreiben, müssen die Eintrittshürden auf den Arbeitsmarkt für Asylbewerber/innen und Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive nach Auffassung des Bundesrates weiter gesenkt werden. Dies gilt jedoch nicht für das Unterschreiten sozialer Mindeststandards wie dem gesetzlichen Mindestlohn. Der Bundesrat sieht keinen Anlass, weitere Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn zuzulassen. Hinsichtlich einer Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns vertraut der Bundesrat auf die Entscheidungskompetenz der Mindestlohnkommission, die sich im Wesentlichen aus Vertretern der Sozialpartner zusammensetzt.
Energiewende effizient vorantreiben
- 25. Der Bundesrat nimmt den Bericht zur Kenntnis und erkennt die Zielsetzung an, den Klimaschutz zu stärken.
- 26. Der Bundesrat bestärkt die Bundesregierung darin, das energiepolitische Zieldreieck aus Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit als Richtschnur der Energiepolitik beizubehalten. Bei der Umsetzung der Energiewende ist insbesondere darauf zu achten, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auch langfristig zu sichern.
- 27. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das 2014 reformierte ErneuerbareEnergien-Gesetz (EEG) die Förderung auf eine zukunftsfähige Basis stellt, in dem ab 2017 die Festlegung der Fördersätze grundsätzlich im Rahmen von Ausschreibungen erfolgt. Er fordert die Bundesregierung auf, in der anstehenden Novellierung des EEG zur Festlegung der spezifischen Ausschreibungsmodelle für die einzelnen Erneuerbare-Energien-Technologien sicher zu stellen, dass das neue Fördersystem weiterhin eine breite Akteursvielfalt gewährleistet und dafür sorgt, dass der Ausbaukorridor der erneuerbaren Energien eingehalten wird.
- 28. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf seine Entschließungen zum Erfordernis einer Regionalisierungskomponente für die Ausschreibung bei Wind an Land (BR-Drucksache 511/15(B) ), zur Stärkung der Stromerzeugung aus Biomasse im EEG 2016 (BR-Drucksache 555/15(B) ) und zum Erhalt des Vertrauensschutzes bei bestehenden Anlagen zur industriellen Erzeugung von Eigenstrom (BR-Drucksache 034/16(B) ).
- 29. Der Bundesrat betont, dass die Versorgungssicherheit weiter eine zentrale Bedingung für eine erfolgreiche Energiewende ist und dabei die Verlässlichkeit energie- und klimapolitischer Rahmenbedingungen, gerade für langfristige Investitionsentscheidungen im Industrie- und Kraftwerksbereich, eine besondere Rolle spielt. Er erwartet, dass das heutige hohe Niveau der Versorgungssicherheit und -qualität auch in Zukunft erhalten bleibt als wesentliche Voraussetzung für den Hochtechnologiestandort Deutschland.
- 30. Der Bundesrat weist auf die große Bedeutung des Strommarktdesigns für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands hin. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass eine Absicherung des Strommarkts 2.0 durch eine Kapazitätsreserve im Falle von Erzeugungsengpässen bzw. eine Sicherheitsbereitschaft in Ausnahmesituationen notwendig ist, um das gegenwärtig hohe Niveau der Versorgungssicherheit zu erhalten. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, das Versorgungssicherheitsniveau kontinuierlich zu überwachen, um gegebenenfalls frühzeitig weitere Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der hohen Versorgungssicherheit ergreifen zu können.
- 31. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die Finanzierung des Ausstiegs aus der Kernenergie so ausgestalten will, dass die Unternehmen auch langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen aus dem Kernenergiebereich zu erfüllen.
- 32. Eine Aufteilung der Verantwortung zwischen Unternehmen und Bund hinsichtlich der Finanzierung von Zwischen- und Endlagerung wird in diesem Zusammenhang nicht für sinnvoll gehalten.
- 33. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, den beschlossenen Netzausbau planmäßig voranzutreiben, da ansonsten die einheitliche deutsche Preiszone nicht zu halten sein wird.
- 34. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Bundesrat die zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen zum Vorrang der Erdverkabelung auf neuen Höchstspannungsgleichstromleitungstrassen und zur Entzerrung der bisher zeitlich überlappenden Netzentwicklungsplan (NEP)-Prozesse, die eine höhere Akzeptanz des Netzausbaus durch die Bevölkerung zum Ziel haben. Der Bundesrat sichert zu, dass die Länder die weiteren Arbeiten der Bundesregierung zum Erreichen der derzeitigen gesetzten energie- und klimapolitischen Zielsetzungen konstruktiv unterstützen und ihren Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten werden.
- 35. Der Bundesrat stellt fest, dass der beschriebene Ablauf zur geplanten Weiterentwicklung des Energieeinsparrechts bei Gebäuden der Zusage von Bundesseite gegenüber den Ländern widerspricht, gemeinsam eine Neukonzeption des Energieeinsparrechts unter Zusammenführung mit dem Recht zum Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden zu erarbeiten, das den Zielen des Klimaschutzes und des kostengünstigen Bauens Rechnung trägt.
- 36. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, diese Zusage umzusetzen und zu einer grundlegenden Vereinfachung der gesetzlichen Regelungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes von § 5 Energieeinsparungsgesetz zu gelangen.
Auf dem Weg zu einem stärkeren und stabileren Finanzsektor
- 37. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung und des Sachverständigenrates, dass ein europäisches Einlagensicherungssystem mit einem gemeinsamen Einlagensicherungsfonds, wie es von der Kommission vorgeschlagen wurde, zu einer Verlagerung finanzieller Risiken auf die europäische Ebene führt. Wie im Beschluss des Bundesrats vom 29. Januar 2016 dargelegt (BR-Drucksache 640/15(B) ), würde dies massive Fehlanreize entstehen lassen und das Vertrauen in die Sicherheit der Spareinlagen nachhaltig beschädigen. Der Bundesrat lehnt deshalb den Verordnungsvorschlag der Kommission weiterhin ab.
- 38. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ein zentraler Grundsatz der Finanzmarktregulierung sein muss. Denn es besteht die Gefahr, dass Regulierungsmaßnahmen, die bei großen Instituten gerechtfertigt sind, kleine Institute über Gebühr belasten. Dadurch entstehen Marktverzerrungen, die sich nachteilig auf die Vielfalt des Finanzsektors auswirken. In der Regel wird eine geringere Vielfalt der Marktteilnehmer die Finanzmarktstabilität negativ beeinflussen. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass der besonderen Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Ausgestaltung der Finanzmarktregulierung Rechnung getragen wird.
Wirtschaftswachstum und Lebensqualität
- 39. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass wirtschaftliches Wachstum eine wesentliche Grundlage für die Steigerung des Wohlstands und die weitere Verbesserung der Lebensqualität in Deutschland ist. Vor diesem Hintergrund ist eine qualitativ hochwertige und verlässliche Messung des Bruttoinlandsproduktes auf Bundes- und auf Länderebene von großer Bedeutung. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Messung des Wirtschaftswachstums und der wirtschaftlichen Aktivitäten zu prüfen. Dabei sollten auch Veränderungen berücksichtigt werden, die sich durch die Digitalisierung des Wirtschaftsgeschehens ergeben.
- 40. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die Aktivitäten der Bundesregierung, die auf eine stärkere Berücksichtigung der Qualität des Wirtschaftswachstums, zum Beispiel hinsichtlich ökologischer Faktoren oder sozialer Ungleichheit, zielen. Er begrüßt, dass im Rahmen der Strategie "Gut leben in Deutschland - Was uns wichtig ist" noch im ersten Halbjahr 2016 Vorschläge für ein die Ziele und Indikatoren der Nachhaltigkeitsstrategie ergänzendes Indikatoren- und Berichtssystem zur Lebensqualität vorgelegt werden sollen. Ungeachtet der Notwendigkeit der Entwicklung solcher Indikatoren bleibt die traditionelle Messung der Wirtschaftsleistung nach Auffassung des Bundesrates auch zukünftig von großer Bedeutung.