856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009
A.
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zur Vorlage insgesamt
- - Angesichts des besorgniserregenden Anstiegs der Arzneimittelfälschungen im europäischen Handel unterstützt der Bundesrat den Richtlinienvorschlag in seiner Zielsetzung und seinen wesentlichen Regelungsinhalten ausdrücklich.
- - Der Bundesrat bittet die Bundesregierung allerdings, im Rahmen des weiteren Beratungsverfahrens sowie bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie darauf hinzuwirken, dass der bürokratische Mehraufwand für die zuständigen Behörden sowie die an der Vertriebskette beteiligten Akteure so gering wie möglich gehalten wird und somit im Hinblick auf den Nutzen vertretbar bleibt. So sollte beispielsweise die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Möglichkeit erhalten bleiben, den Wirkstoffhersteller durch den Arzneimittelhersteller eigenverantwortlich zu überprüfen, sofern der Wirkstoffhersteller keiner eigenen Erlaubnis nach § 13 bzw. § 72 AMG bedarf.
- - Darüber hinaus bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei der Umsetzung der Richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass den Ländern auch in diesem Zusammenhang die Möglichkeit erhalten bleibt, den bei ihnen verursachten angemessenen Mehraufwand durch Gebühren zu refinanzieren.
- - Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, entschieden darauf hinzuwirken, dass auf europäischer Ebene auch die Maßnahmen gegen den ständig wachsenden Anteil illegaler Anbieter von Arzneimitteln intensiviert werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3 (Artikel 46 Buchstabe f Unterabsatz 1 Satz 2)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die in Artikel 1 Nummer 3 (Artikel 46 Buchstabe f Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG) vorgesehene Sicherstellung des Einsatzes GMP-gerecht hergestellter Wirkstoffe über die Durchführung von Audits durch Anbieter stattfindet, die keiner behördlichen Akkreditierung bedürfen.
Durch kommerzielle Auditanbieter durchgeführte Audits sind weder neutral noch unabhängig, denn die Rahmenbedingungen, unter denen sie durchgeführt werden, bestimmt in allen wesentlichen Punkten, z.B. in ihrem Umfang und ihrer Tiefe, der Auftraggeber. Die Beurteilung ihrer Grenzen und Möglichkeiten, sowie des Rahmens, innerhalb dessen sie im Einzelfall im Auftrag tätig werden, darf keinesfalls über eine Akkreditierung auf die zuständige Behörde übertragen werden. Insofern sollte die volle Verantwortung für die Beurteilung kommerzieller Audits - wie bisher - bei der Sachkundigen Person des Arzneimittelherstellers verbleiben.
Darüber hinaus entstünde den Ländern mit der zusätzlichen Aufgabe der Akkreditierung, die sicherlich bezüglich ihres Umfangs an die Verfahrensanweisungen der Länder zur Anerkennung von GMP-Inspektoren anzulehnen wäre, erheblicher Mehraufwand ohne erkennbaren Sicherheitsgewinn.
Zusätzlich sollte die Richtlinie um die Klarstellung ergänzt werden, dass die erfolgreiche GMP-Inspektion eines Wirkstoffherstellers durch eine zuständige europäische Behörde ein Nachweis dafür ist, dass der Wirkstoff nach den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis (GMP) produziert wird.
3. Zu Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe c (Artikel 80 Unterabsatz 2 und 3)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die mit Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe c (Artikel 80 Unterabsatz 2 und 3) eingeführte Pflicht der Großhandlungen, die Großhandlungen, von denen sie Arzneimittel beziehen und die bereits im Besitz einer behördlichen Erlaubnis sind, zusätzlich selbst zu auditieren oder von einer behördlich akkreditierten Stelle auditieren zu lassen, keinen Eingang in die Richtlinienänderung findet.
Hier wird eine Prüfung neu eingeführt, die zum Ziel hat, eine behördlich erteilte Genehmigung zum Betrieb eines Großhandels nochmals - diesmal durch die Rechtsunterworfenen selbst - überprüfen zu lassen. Die Überprüfung eines behördlich genehmigten Unternehmens durch ein Unternehmen der Privatwirtschaft ist überflüssig.
Für die Auditierung durch eine behördlich akkreditierte Stelle wird auf die Ausführungen zu Artikel 1 Nummer 3 des Richtlinienvorschlags Bezug genommen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 16 (Artikel 111a und 111b)
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, die Regelungen des Artikels 1 Nummer 16 (Artikel 111a und 111b) nicht in die Richtlinienänderung aufzunehmen.
Über das Vorliegen einer GMP-Bescheinigung und auch über das Vorliegen von Informationen, die einen kommissionsseitig zu erlassenden Verzicht auf GMP-Bescheinigungen begründen, kann nach den Erfahrungen beispielsweise der Hamburger Behörde im Drittland kein Rückschluss auf den GMP-Status einzelner Wirkstoffhersteller gezogen werden.
Die Betriebe stellen oft in derselben Betriebsstätte Wirkstoffe sehr unterschiedlicher Qualität (eine für sogenannte regulierte und eine andere für unregulierte Märkte) her; auch Zukäufe bei anderen Betrieben sind üblich. Beide Verfahren sind im Fall von Lieferengpässen gängige Praxis und entziehen sich der Überwachung durch die dort zuständigen Behörden.
Eine Lösung dieser Probleme ist nur über eine Vereinheitlichung der Importbedingungen möglich, die aber in der vorgeschlagenen Richtlinienänderung bisher nicht vorgesehen ist.
5. Zu den Bedingungen für den Import von Wirkstoffen zur Arzneimittelherstellung
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass europaweit gleiche Bedingungen für den Import von Wirkstoffen zur Arzneimittelherstellung geschaffen werden.
Dies sollte auf Basis der in Deutschland schon jetzt bestehenden Anforderungen geschehen. Es sollte Voraussetzung für den Import von Wirkstoffen sein, dass sich die für den Importeur zuständige europäische Behörde im Drittland von der GMP-gemäßen Herstellung besonders kritischer Wirkstoffe versichert hat. Besonders kritische Wirkstoffe sind die, die menschlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft sind oder auf gentechnischem Wege hergestellt wurden.
Der Vorschlag entspricht der in Deutschland seit einigen Jahren erfolgreich praktizierten Regelung. Im Vergleich zu den derzeit geltenden bzw. geplanten europäischen Regelungen, die lediglich den Einsatz GMP-gerechter Wirkstoffe bzw. Audits der Wirkstoffhersteller durch die europäischen Arzneimittelhersteller oder von diesen beauftragten Dritten vorschreiben, stellt das deutsche System der behördlichen Inspektionen besonders kritischer Wirkstoffe ein faktisch besseres Schutzniveau sicher.
Die theoretischen Anforderungen an die Qualität von Wirkstoffen sind auf europäischer und deutscher Ebene zwar identisch, unterscheiden sich in der Realität jedoch wesentlich voneinander: Wirkstoffe von Herstellern aus Drittländern, denen nach Inspektion deutscher Behörden kein GMP-Status bescheinigt werden konnte, kommen über andere Mitgliedstaaten, in denen das o. g. System der behördlichen Inspektionen nicht praktiziert wird, auf den Gemeinschaftsmarkt und werden frei gehandelt. Daher läuft nach der derzeitigen Rechtslage die für den Verbraucherschutz sinnvolle deutsche Regelung immer wieder ins Leere.
B.
- 6. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.