in Verbindung mit Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel KOM (2008) 663 endg.; Ratsdok. 17499/08
856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Gesundheitsausschuss (G) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat lehnt den Vorschlag einer Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 mit dem Ziel, die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel EU-weit zu ermöglichen, [aus folgenden Gründen] ab:
- 2. - Der Richtlinienvorschlag ist nicht von der Kompetenznorm des Artikels 95 EGV gedeckt. Die bisher zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede in der Bereitstellung von Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Öffentlichkeit beeinträchtigen nicht den europäischen Binnenmarkt. Artikel 95 Absatz 3 EGV fordert die Einhaltung eines hohen Schutzniveaus im Bereich der Gesundheit. Bei der durch den Vorschlag hervorgerufenen Unsicherheit über die Abgrenzung von Werbung und Information ist dieses hohe Gesundheitsschutzniveau nicht mehr gewährleistet.
- 3. [Unabhängig davon] können die Mitgliedstaaten den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst regeln. EU-weit einheitliche Vorgaben sind nicht erforderlich, so dass der Richtlinienvorschlag auch das Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Absatz 2 EGV nicht ausreichend beachtet.
- Die in Deutschland bestehenden Regelungen (Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens) haben sich als sicher und wirksam bewährt. Sie sind klar und eindeutig und unterscheiden nicht zwischen Werbung für Arzneimittel und Information über Arzneimittel. Eine solche Unterscheidung wird für entbehrlich gehalten, weil sie zu Unschärfen führt. Die bestehenden nationalen Regelungen müssen gewahrt bleiben.
- 4. - Die Werbung für (und somit Information über) verschreibungspflichtige Arzneimittel ist in Deutschland nur innerhalb der Fachkreise (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker) gestattet. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln handelt es sich um Stoffe und Zubereitungen mit in der medizinischen Wissenschaft noch nicht allgemein bekannten Wirkungen und um Stoffe und Zubereitungen, die auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Gesundheit gefährden, wenn sie ohne ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Überwachung angewendet werden. Die Auswahl eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ist in Deutschland dem Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt vorbehalten. Eine Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel ist nicht notwendig.
- 5. - Pharmazeutische Unternehmer haben ein Absatzinteresse, das einem Erstellen von unbeeinflussten und objektiven Informationen zuwiderläuft. Eine Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel durch pharmazeutische Unternehmen wird zum Schutz und Wohl der von Krankheit betroffenen Patienten abgelehnt.
- 6. - Seit 2004 besteht in Deutschland das unabhängige wissenschaftliche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), zu dessen gesetzlich geregelten Aufgaben auch die Erstellung von hochwertigen qualitätsgesicherten Patienteninformationen gehört. Die vorgesehenen Regelungen sind daher überflüssig.
- Bei Umsetzung des Vorschlags kämen für die Überwachung und Durchsetzung der neuen Regelungen erhebliche dauerhafte Personal- und Sachkosten auf die Landesverwaltungen zu. Dies wird abgelehnt.
- 7. Diese Stellungnahme ist gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da der Richtlinienvorschlag im Schwerpunkt die Einrichtungen der Behörden der Länder und deren Verwaltungsverfahren betrifft. Die in den Artikeln 100e bis 100j des Richtlinienvorschlags geregelten Überwachungsaufgaben fallen in die Zuständigkeit der Länder.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union widerspricht dieser Ziffer mit folgender Begründung:
Der Anwendungsbereich für die maßgebliche Berücksichtigung gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG ist bereits nicht eröffnet. Das Recht der Arzneien unterfällt gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 GG der konkurrierenden Gesetzgebung. Durch den Erlass des ArzneimittelG hat der Bund von seinem Recht zur Gesetzgebung Gebrauch gemacht. Damit besteht grundsätzlich keine Länderzuständigkeit mehr. Für die Forderung nach einer maßgeblichen Berücksichtigung der Stellungnahme ist daher kein Raum.
Der Richtlinienvorschlag beinhaltet keine Vorschriften zur Einrichtung von Behörden, sondern Vorschriften, die nach der geltenden nationalen Kompetenzverteilung durch die Länder zu vollziehen sind. Die Pflicht zum Vollzug von Rechtsvorschriften rechtfertigt die Forderung nach maßgeblicher Berücksichtigung nicht, weil in diesem Fall keine schwerpunktmäßige Betroffenheit der Länder in einem der in Artikel 23 Absatz 5 Satz 2 GG genannten Bereiche erkennbar ist.