948. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2016
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Allgemeines
- 1. Der Bundesrat dankt der Kommission für ihre Initiative zur Erhöhung des Bildungsniveaus in der EU. Er befürwortet, dass die Mitteilung das Thema der Kompetenzen hervorhebt und auch auf europäischer Ebene die Bedeutung der Kompetenzförderung in den Fokus rückt. Die in der Mitteilung genannten Themen stehen auch auf nationaler Ebene auf der Agenda. Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass die Mitteilung der Kommission keine gemeinsame Agenda für die EU, die Mitgliedstaaten und die Interessenträger auf allen Ebenen vorgeben kann, zumal die EU weder für einzelne Interessenträger noch die Mitgliedstaaten Prioritäten und Handlungsfelder im Bildungsbereich festzulegen vermag.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Artikel 165 und 166 AEUV die Verantwortung für den Bereich der allgemeinen Bildung einschließlich der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung den Mitgliedstaaten zuweisen. Vor diesem Hintergrund stellt der Bundesrat klar, dass aus der "Europa 2020 Strategie" keine verbindlichen Vorgaben für diesen Bereich abgeleitet werden können, die von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind.
- 3. Mit der Kompetenzagenda verbindet die EU, ausgehend von arbeitsmarktpolitischen Erwägungen, umfangreiche neue Vorgaben und Empfehlungen für den Bildungsbereich, für den ihr in den Artikeln 165 und 166 AEUV nur eine sehr begrenzte Regelungszuständigkeit zugewiesen wurde. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Europa sollte auf die Wahrung mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten besonderer Wert gelegt werden.
- 4. Der Bundesrat verkennt nicht die im Bereich der Kompetenzen notwendigen europaweiten Anstrengungen zur Erreichung der Europa-2020-Ziele. Er bittet jedoch die Bundesregierung, bei den weiteren Beratungen der Agenda und der Beratung der einzelnen sich daraus ergebenden Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Maßnahmen auf europäischer Ebene die bestehende Kompetenzordnung hinreichend berücksichtigen und sich auf das notwendige Maß beschränken. Insbesondere sind umfassende und aufwändige Entwicklungen nationaler Strategien und Berichtspflichten zu vermeiden, wenn der damit verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu dem sich daraus ergebenden Nutzen steht.
- 5. Der Bundesrat hat sich bereits im Vorfeld ihrer Veröffentlichung zu der nun vorgelegten Mitteilung geäußert (BR-Drucksachen 116/16(B) , 196/16(B) und 510/15(B) ). Damals war diese als "Agenda für neue Kompetenzen" in der Übersetzung der EU-Dokumente bezeichnet worden. Der Bundesrat hält aus Gründen der Konsistenz und aus Überzeugung von der Richtigkeit dieser Übersetzung an dieser Terminologie fest, auch wenn die "New Skills Agenda for Europe" nunmehr in der deutschen Übersetzung der Kommissionsdokumente als "Neue Agenda für Kompetenzen" bezeichnet wird. Er bittet die Kommissionsdienststellen, in Zukunft mehr Sorgfalt auf Übersetzung und sprachliche Gestaltung zu verwenden.
- 6. Der Bundesrat sieht kritisch, dass das umfassende Bildungspaket der sogenannten "Agenda für neue Kompetenzen" federführend in der Generaldirektion für Beschäftigung, Soziales und Integration entworfen wurde. Dass diese ein rein beschäftigungsfokussiertes Verständnis von Bildung hat, spiegelt sich klar in der Mitteilung wider. Vor diesem Hintergrund betont der Bundesrat erneut, dass die Bildungskooperation auf europäischer Ebene einen ausschließlich freiwilligen Prozess darstellt und sich der Bildungsbereich hierin elementar von dem stärker vergemeinschafteten Beschäftigungsbereich unterscheidet. Er sieht mit großer Sorge, dass Bildungsthemen auf EU-Ebene von anderen Bereichen, insbesondere dem Bereich Beschäftigung und Soziales, zunehmend vereinnahmt werden. Umso mehr begrüßt der Bundesrat, dass die slowakische Ratspräsidentschaft die Federführung für die Verhandlungen der Dokumente der sogenannten "Agenda für neue Kompetenzen" korrekterweise dem Bildungsministerrat zugewiesen hat.
- 7. Der Bundesrat erkennt den beschäftigungspolitischen Grundtenor der europäischen Kompetenzagenda insbesondere mit den Vorschlägen zur Verbesserung der Kompetenzförderung und Kompetenzerfassung einschließlich von informell und nichtformal erworbenen Kompetenzen an.
- 8. Er kann unter anderem geeignet sein, den Zugang zu Kompetenzentwicklung und kompetenzadäquater Beschäftigung auch von Personen zu verbessern, die aufgrund von Sorgearbeit noch keinen oder einen niedrigen formellen Schuloder Berufsabschluss haben. Außerdem kann er Menschen unterstützen, die ihre Berufstätigkeit unterbrochen bzw. (danach) zeitweise in anderen Tätigkeitsfeldern gearbeitet haben. Davon können insbesondere Frauen und Migrantinnen (inklusive geflüchtete Frauen) profitieren.
- 9. Der Bundesrat sieht allerdings kritisch, dass die Kommissionmitteilung nahezu komplett "geschlechtsblind" ist. Erfahrungen in den Mitgliedstaaten zeigen die Notwendigkeit einer geschlechtersensiblen Ausrichtung von (Aus)-Bildungsmaßnahmen bzw. vom Studium, damit Frauen und Männer gleichermaßen von ihnen profitieren und die Fachkräftepotenziale der Frauen besser erschlossen werden können. Diese Erfahrungen sollten auch bei den vorgeschlagenen Kompetenzfeststellungs- und Kompetenzfördermaßnahmen sowie bei der Aufbereitung und Vermittlung von Informationsgrundlagen für die Berufsentscheidung von Einzelnen und Beteiligten genutzt werden. Frauen wie Männer sollen ohne geschlechtsspezifische Stereotype ihre beruflichen Potenziale tatsächlich ausschöpfen können.
- 10. Der Bundesrat sieht die Ungleichgewichtung der Ziele der Mitteilung kritisch. Die Stärkung der Aus- und Weiterbildung sowie der Beschäftigungs- und Wettbewerbsfähigkeit sind in Europa von großer Bedeutung. Aufgrund von gestiegenen Kompetenzanforderungen auf dem Arbeitsmarkt ist auch in Deutschland ein Bedarf an Höherqualifizierung zu verzeichnen. Der Bundesrat erinnert jedoch daran, dass Bildung kein bloßes Instrument zur Erreichung von Wachstum und Beschäftigungsfähigkeit darstellt. Vielmehr handelt es sich um einen deutlich umfassenderen Bildungsanspruch, der auch die gesellschaftliche und politische Teilhabe des Einzelnen mit einbezieht.
Einrichtung einer Kompetenzgarantie
- 11. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel der Förderung der Kompetenzen und Grundfertigkeiten sowie des Zugangs zu Bildungsangeboten. Er bezweifelt jedoch, dass die sogenannte "Kompetenzgarantie" das richtige Instrument zu dessen Erreichung darstellt, und plädiert aus formalen wie fachlichen Gründen dafür, die "Kompetenzgarantie" grundlegend zu überdenken.
- 12. Jedenfalls lehnt der Bundesrat die vorgeschlagene Empfehlung der Kommission zur Einführung einer Kompetenzgarantie im Sinne eines Rechtsanspruches ab, da sich hieraus erhebliche Auswirkungen auf die nationalen Haushalte und Verwaltungen ergeben können. Dies kann allenfalls als politische Absichtserklärung verstanden werden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass hier in Deutschland bereits ein breites Angebot für die betroffenen Zielgruppen vorliegt.
Schlüsselkompetenzen und höhere, komplexere Kompetenzen
- 13. Die Kommission kündigt in der Mitteilung an, mit den Interessenträgern weiter an der Entwicklung von Instrumenten zur Bewertung und Validierung von Schlüsselkompetenzen, digitalen und unternehmerischen Kompetenzen arbeiten zu wollen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich gerade die angemessene Überprüfung des Erwerbs der Schlüsselkompetenzen äußerst schwierig gestaltet. Vielfach geht es dabei um Haltungen oder Einstellungen, die sich weitgehend erst nach der schulischen und beruflichen Bildung vollumfänglich und lebensprägend zeigen.
- 14. Bezüglich des im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Referenzrahmens für Schlüsselkompetenzen formulierten Ziels der Einbindung von Schlüsselkompetenzen in die Lehrpläne der allgemeinen und beruflichen Bildung erinnert der Bundesrat an die in den Artikeln 165 und 166 AEUV eng gefassten Kompetenzen der EU und die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten, in Deutschland der Länder, für die Lehrpläne.
Umsetzung der Schlussfolgerungen von Riga
- 15. Der Bundesrat nimmt wohlwollend zur Kenntnis, dass die berufliche Bildung in der sogenannten "Agenda für neue Kompetenzen" stark hervorgehoben und die Berufsausbildung als erste Wahl gefördert werden soll. Er bedauert gleichzeitig, dass sich dies nur bedingt im Text der Mitteilung widerspiegelt.
- 16. Der Bundesrat begrüßt die Stärkung der Berufsausbildung, insbesondere auch die Integrierung praktischer Arbeitserfahrungen in den Lernprozess, und sieht das duale System hier als wegweisend an. Dass die Kommission jedoch ankündigt, Möglichkeiten für Auszubildende zu schaffen, in unterschiedlichem Rahmen gesammelte Lernerfahrungen miteinander zu kombinieren - und zwar unter Zuhilfenahme der vorhandenen Instrumente für die Qualitätssicherung und für Leistungspunkte in der beruflichen Aus- und Weiterbildung und im Einklang mit dem Empfehlungsvorschlag zur Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) - steht weder im Einklang mit der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten noch mit dem in Deutschland etablierten, erfolgreichen dualen System. Die in Deutschland erfolgreiche Verknüpfung von theoretischer und praktischer Berufsausbildung basiert auf einem ganzheitlichen Bildungs- und Berufsverständnis, einer Orientierung an Berufsbildern, dem die Orientierung an Modulen und Teilqualifikationen zuwiderläuft. Eine zu starke Modularisierung sowie zeitlich und räumliche Aufsplitterung von Lernerfahrungen wäre kontraproduktiv. Zudem kann die Verwendung von Credit-Systemen allein auf freiwilliger Basis erfolgen.
- 17. Der Bundesrat nimmt die Ankündigung der Kommission zur Kenntnis, eine stärkere Koordinierungsrolle des beratenden Ausschusses für Berufsbildung prüfen zu wollen. Er stellt fest, dass die Rolle, die dem beratenden Ausschuss zugewiesen werden soll, unklar bleibt, und fordert die Kommission auf, eine mögliche Ausweitung des Mandats des Ausschusses eingehend mit den Mitgliedstaaten zu beraten und abzustimmen. Keinesfalls darf durch die Etablierung neuer Strukturen eine Schwächung der Ratsgremien erfolgen.
Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze
- 18. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass nationale Koalitionen grundsätzlich einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Vermittlung und des Erwerbs digitaler Kompetenzen leisten können. In einer sich wandelnden Arbeitswelt werden entsprechende Kompetenzen zunehmend benötigt und der Erwerb digitaler Kompetenzen ist auch ganz grundlegend für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe. Bezüglich der angekündigten "Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze" gibt der Bundesrat jedoch Folgendes zu bedenken:
- - Da die Ausgangssituation in den einzelnen Mitgliedstaaten stark divergiert, sind passgenaue Maßnahmen durch die relevanten Akteure vor Ort erforderlich.
- - Zudem ist zu beachten, dass bereits erfolgreiche bzw. erfolgversprechende Initiativen in den Mitgliedstaaten bestehen, die einen umfassenden Ansatz verfolgen[, während der Kommissionsvorschlag einen sehr stark auf die berufliche Qualifizierung zielenden Fokus aufweist]. Eine gegenüber einer nationalen Strategie nachgelagerte Initiative zur Förderung digitaler Kompetenzen auf europäischer Ebene im Zuge der "Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze" darf den nationalen Initiativen nicht zuwiderlaufen.
- 19. Der Bundesrat gesteht zu, dass durch den Einsatz von EU-Mitteln Fortschritte auf nationaler Ebene erzielt werden könnten, der pauschale Verweis auf "verfügbare EU-Mittel" aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds, der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen sowie "Erasmus+" ist aus Sicht des Bundesrates jedoch nicht ausreichend. Diese Mittel sind entweder bereits verplant oder müssen einer Vielzahl anderer Ziele dienen. In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat auch um Klärung, was unter den in der Mitteilung angesprochenen Gutscheinsystemen zu verstehen ist, wie diese ausgestaltet sein und mit welchen Mitteln sie finanziert werden sollen.
- 20. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Mitgliedstaaten bis Mitte 2017 umfassende nationale Strategien für die Vermittlung und den Erwerb digitaler Kompetenzen auf der Grundlage von Zielen entwickeln, die bis Ende 2016 festzulegen sind. Der Bundesrat hält die zeitlichen Vorgaben für äußerst ambitioniert.
Empfehlung zur Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens
- 21. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission in ihrem Vorschlag eine weitreichende Umgestaltung des EQR anstrebt, die er kritisch sieht, zumal einige der angestrebten Änderungen auch Auswirkungen auf die nationalen Bildungssysteme haben können. Bedenken hegt er vor allem bezüglich der Festlegung von Qualitätssicherungsgrundsätzen, der Verknüpfung von Credit-Systemen mit dem EQR, der Aufnahme der Drittstaatenkooperation und der Änderung der Governance-Strukturen.
Frühzeitige Erfassung der Kompetenzen und Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten
- 22. Die Kommission legt dar, dass sie ein Instrument zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige entwickele. Dieses soll Dienststellen in den Aufnahmeländern helfen, Kompetenzen, Qualifikationen und Erfahrungen neu eingetroffener Drittstaatsangehöriger zu ermitteln und zu dokumentieren. Der Bundesrat erinnert daran, dass Instrumente auf EU-Ebene einen Mehrwert aufweisen müssen und ihre Verwendung nur auf rein freiwilliger Basis erfolgen kann. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die von der Flüchtlingskrise am stärksten betroffenen Staaten über entsprechende Instrumente verfügen.
- 23. Einige der in diesem Zusammenhang vorgestellten Maßnahmen sieht der Bundesrat kritisch, so unter anderem die Unterstützung der Ausbildung des Personals in den Aufnahmeeinrichtungen, um die Anerkennungsverfahren zu beschleunigen. Er hinterfragt den Mehrwert eines solchen Vorgehens kritisch und fordert die Kommission auf, ihre Pläne weiter darzulegen. Außerdem weist er darauf hin, dass Anerkennungsverfahren und die Schulung des Personals ausschließlich in nationaler Zuständigkeit liegen.
Überarbeitung des Europass-Rahmens
- 24. Die von der Kommission angekündigte Überarbeitung des Europass-Rahmens, die mit einer Schaffung einer intuitiven und integrierten Plattform für Online-Dienste verknüpft werden soll, sieht der Bundesrat mit Bedenken. Der Europass soll nach seiner Grundkonzeption ein einheitliches, gemeinschaftliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz bei Qualifikationen und Kompetenzen durch Einführung eines persönlichen, koordinierten Portfolios von Dokumenten schaffen, das Bürgerinnen und Bürger auf freiwilliger Basis benutzen können, um ihre Qualifikationen und Kompetenzen in ganz Europa leichter ausweisen und präsentieren zu können. Dies soll der Sichtbarmachung von Kompetenzen und Qualifikationen dienen. Gegenüber einer Ausweitung des Europass-Instruments hegt der Bundesrat Bedenken.
Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen
- 25. Die Kommission kündigt an, eine "Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen" ins Leben rufen zu wollen, um unter anderem Möglichkeiten höherer beruflicher Aus- und Weiterbildung zu entwickeln und gegebenenfalls Branchenvereinbarungen zur Anerkennung von Qualifikationen und Zertifikaten zu fördern. Der Bundesrat stellt fest, dass dies Kernbereiche mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten berührt, und lehnt die Schaffung von Parallelsystemen außerhalb des staatlichen Systems ab. Er warnt zudem vor einer Vermengung der "Blaupause" mit dem EQR und vor einer Thematisierung der Referenzierung der internationalen sektoralen Qualifikationen zum EQR. Hierdurch würde die bisherige Funktion des EQR als Transparenz- und Vergleichsinstrument zumindest in Teilen um Anerkennungskomponenten ergänzt, was der Bundesrat ablehnt.
Initiative zur Nachverfolgung des Werdegangs von Hochschulabsolventinnen und -absolventen
- 26. Bezüglich der in der Mitteilung angekündigten Initiative zur Nachverfolgung des Werdegangs von Hochschulabsolventinnen und -absolventen mahnt der Bundesrat, dass hierdurch keine zusätzlichen Verwaltungslasten für nationale und regionale Behörden und Hochschulen sowie Belastungen für Studierende entstehen dürfen. Zudem weist der Bundesrat auf die Notwendigkeit der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen hin. Davon abgesehen erscheint die Idee, Steuer- oder Sozialversicherungsinformationen für das Vorhaben zu verwenden, fragwürdig.
Weitere Maßnahmen
- 27. Die Kommission kündigt an, die Modernisierung des Hochschulwesens unterstützen zu wollen und dabei insbesondere die Entwicklung von Bewertungsrahmen für verschiedene Hochschuldisziplinen, um die Kompetenzen der Studierenden und Absolventen vergleichend bewerten zu können. Der Bundesrat steht diesem Projekt mit großer Zurückhaltung gegenüber und erinnert in diesem Zusammenhang an das Scheitern des OECD-Projekts "Assessment of Higher Education Learning Outcomes" (AHELO/"HochschulPISA"). Dies beruhte darauf, dass weder ein fachlicher Konsens über die Zielrichtung und die Adressaten der Untersuchung bestand, noch die OECD-Mitgliedstaaten hinreichendes Interesse an dem Projekt hatten.
- 28. Bezüglich der Ankündigung der möglichen Entwicklung eines Qualitätsrahmens für Berufsausbildungen zur Unterstützung der Sozialpartner gibt der Bundesrat zu bedenken, dass die Systeme der beruflichen Bildung in den Mitgliedstaaten äußerst vielgestaltig und unterschiedlich sind, und hinterfragt vor diesem Hintergrund die Legitimation zur sowie die Machbarkeit und den Mehrwert der Erstellung dieses Rahmens.
- 29. Mit Blick auf die in der Mitteilung erwähnte Langzeitmobilität von Auszubildenden weist der Bundesrat darauf hin, dass sich Auslandsaufenthalte längerer Dauer gerade in der beruflichen Bildung aus praktischen Gründen als schwierig erweisen. Dies gilt nicht nur für den einzelnen Auszubildenden, dessen längere Absenzen seinen Lernerfolg schmälern können, sondern auch für den ausbildenden Betrieb, insbesondere wenn es sich dabei um KMU handelt.
Umsetzung der Agenda
- 30. Der Bundesrat fordert, dass sich die Kommission in ihren Mitteilungen belastbar und nachvollziehbar zur geplanten Finanzierung angekündigter Aktivitäten äußert (siehe auch Ziffer 5 der Stellungnahme vom 8. Juli 2016, BR-Drucksache 196/16(B) ). In der Mitteilung der Kommission wird hingegen nur pauschal unter anderem auf EU-Programme wie "Erasmus+" und "Horizont 2020" sowie die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, hier insbesondere den Europäischen Sozialfonds (ESF), verwiesen. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass die ESF-Programme für den laufenden Programmplanungszeitraum 2014 bis 2020 bereits aufgestellt sowie genehmigt sind und somit sämtliche Mittel bereits verplant sind. Er betont, dass der Hauptzweck des Programms "Erasmus+" in der Mobilitätsförderung bestehen sollte und das Programm nicht vornehmlich der Finanzierung von weitreichenden und kostenintensiven Initiativen im Rahmen der sogenannten "Agenda für neue Kompetenzen" dienen kann.
- 31. Insbesondere stehen der EU keine Festlegungen über diesbezügliche Prioritäten der nationalen Haushalte zu. Deutschland hat in den letzten Jahren die öffentlichen Bildungsausgaben stark erhöht, wobei die Länder mit rund 70 Prozent den Hauptteil der Ausgaben tragen. Die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse verlangt von den Ländern ab dem Jahr 2020 einen Verzicht auf neue Kredite. Eine Finanzierung zusätzlicher Bildungsausgaben durch eine höhere Neuverschuldung ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.
- 32. Die Kommission kündigt in der Mitteilung an, dass das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung weiterhin eine wichtige Rolle bei der Überwachung politischer Reformen in den Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung und Kompetenzen spielen wird. Der Bundesrat weist nachdrücklich darauf hin, dass der Bildungsbereich nicht verstärkt in die wirtschaftspolitische Koordinierung mit einbezogen werden kann. Formalisierte Kontrolle, Überwachung, Bewertung und damit Steuerung durch die europäische Ebene würden dem Grundsatz der Freiwilligkeit der europäischen Bildungskooperation widersprechen (vergleiche Ziffer 9 der Stellungnahme vom 6. Februar 2015, BR-Drucksache 583/14(B) ).
- 33. Zudem legt die Mitteilung Pläne der Kommission zu einer Vereinfachung der derzeitigen Verwaltungsstrukturen offen. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Strukturänderungen keinen Selbstzweck darstellen und letztendlich einen Mehrwert generieren müssen.
- - Dass die Kommission anstrebt, eine Reihe von Expertengruppen auf EU-Ebene, die sich mit Kompetenzen und Qualifikationen auseinandersetzen, zusammenzufassen, sieht der Bundesrat mit großer Sorge: Eine etwaige Zuweisung sämtlicher Fragen, die mit dem Themenkomplex der Fertigkeiten in Verbindung stehen, an ein einziges Expertengremium würde dieses in zeitlicher wie fachlicher Hinsicht überfordern. - In der Mitteilung wird die Koordinierung zwischen den von der EU unterstützten nationalen EQR-Koordinierungsstellen, Europass-Zentralstellen und Euroguidance-Zentren angeregt, um eine einzige Schnittstelle für mehrere europäische Kompetenzinitiativen für die nationalen Interessenträger zu fördern und den Zugang für die Nutzerinnen und Nutzer zu erleichtern. Diese Vereinfachung soll - so der Wortlaut der Mitteilung in Absprache mit den Mitgliedstaaten erfolgen. Vor diesem Hintergrund kritisiert der Bundesrat den Versuch der Kommission, bezüglich der Entscheidung über die nationalen Strukturen mittels budgetärer Vorgaben im Arbeitsprogramm 2017 für "Erasmus+" Tatsachen zu schaffen, noch bevor der Rat politisch über eine Veränderung der Strukturen entschieden hat. Er weist eine Vorwegnahme der Entscheidungen des Rates als nicht akzeptabel zurück. Der Bundesrat unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass die nationale Durchführung und Verwaltung in der alleinigen Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt und in Deutschland auch an den föderalen Strukturen ausgerichtet sein muss (vergleiche Ziffer 27 der Stellungnahme vom 10. Februar 2012, BR-Drucksache 767/11(B) ).
- - Auch der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Schnittstelle für verschiedene Instrumente steht der Bundesrat mit großer Zurückhaltung gegenüber. Er hegt Zweifel, ob dies für den Einzelnen tatsächlich von Vorteil wäre, und weist darauf hin, dass die Nutzerfreundlichkeit nicht aus dem Blick geraten darf.
- 34. Der Bundesrat wird, soweit notwendig, zu den Einzelmaßnahmen jeweils gesondert Stellung nehmen.
Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme
- 35. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, seine Stellungnahme gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen. [Die Vorlage betrifft im Schwerpunkt die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder in den Bereichen schulische Bildung und Hochschulbildung.]
Direktzuleitung an die Kommission
- 36. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 37. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.