933. Sitzung des Bundesrates am 8. Mai 2015
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass der Vorschlag für eine Neufassung der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten einen Fokus auf beschäftigungs- und sozialpolitische Strukturreformen in den Mitgliedstaaten legt und damit im Einklang mit dem Jahreswachstumsbericht 2015 steht, in dem ein erneuertes Engagement für Strukturreformen angekündigt wird. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, die erforderlichen Strukturreformen in den Mitgliedstaaten insbesondere im Rahmen des Europäischen Semesters weiterhin intensiv zu begleiten, damit Wachstum und Beschäftigung entstehen können.
- 2. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine ausschließlich am Austeritätsgedanken orientierte Politik die soziale Situation in den Krisenländern nicht nachhaltig verbessern kann.
- 3. Angesichts der Zunahme von Armut und sozialer Ausgrenzung in der EU begrüßt der Bundesrat ausdrücklich, dass die Armutsbekämpfung, im Gegensatz zu den politischen Prioritäten des Jahreswachstumsberichts 2015, im Vorschlag für die beschäftigungspolitischen Leitlinien weiterhin explizit Erwähnung findet.
- 4. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Mitgliedstaaten die Einrichtung von Systemen des dualen Lernens sowie eine Aufwertung der beruflichen Bildung erwägen sollten. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis im Rahmen des dualen Ausbildungssystems bringt qualifiziertes und breit aufgestelltes Personal hervor. Insbesondere das deutsche duale Ausbildungssystem hat sich als krisenfest erwiesen und leistet einen Beitrag zu der im europäischen Vergleich niedrigen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.
- 5. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass der Entstehung von Teilarbeitsmärkten (Segmentierung) entgegengewirkt werden sollte. Der Bundesrat betont in diesem Zusammenhang, dass Maßnahmen zum Abbau von Arbeitnehmerrechten, insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes, nicht dazu geeignet sein können, die Funktionsweise der Arbeitsmärkte nachhaltig zu verbessern. Darüber hinaus sieht er es als sozialpolitisch kontraproduktiv an, im Bereich der Sozialschutzsysteme eine Unterscheidung vorzunehmen zwischen Personen, die am Arbeitsmarkt teilhaben können, und Menschen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind bzw. nicht in der Lage sind, sich daran zu beteiligen. Ein solcher Ansatz würde die Segmentierung des Arbeitsmarktes weiter verstärken, das Prinzip des Förderns und Forderns aushöhlen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden.
- 6. Der Bundesrat vermisst im Vorschlag der Kommission eine stärkere Betonung der Bedeutung von guter Arbeit für Wachstum und Beschäftigung in der EU. So ist beispielsweise bei der Umsetzung der Jugendgarantie auch auf die Qualität von Ausbildungsstellen zu achten, das heißt auf eine anerkannte Berufsausbildung, die auf dem Arbeitsmarkt verwertbar ist und anschließend ein die Existenz sicherndes Einkommen ermöglicht. Der Bundesrat begrüßt die Aufforderung der Kommission, Arbeitsplätze von hohem sozioökonomischen Standard zu gewährleisten. Insgesamt geht die Kommission aber zu wenig auf die Qualität der Arbeitsplätze ein, die für die Armutsbekämpfung eine fundamentale Grundlage bilden.
- 7. Der Bundesrat betont, dass die Zuständigkeit für die sozialen Sicherungssysteme bei den Mitgliedstaaten liegt. Die Entscheidung über eine Kopplung des gesetzlichen Rentenalters an die Lebenserwartung sollte nach Auffassung des Bundesrates den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleiben.
B
- 8. Der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Ausschuss für Kulturfragen und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.