Der Bundesrat hat in seiner 920. Sitzung am 14. März 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass der Schutz unseres Klimas eines der zentralen Handlungsfelder der EU ist. Die EU hat dies bislang in ihrer Vorreiterrolle bei den internationalen Klimaverhandlungen unter Beweis gestellt. Beigetragen haben hierzu die für 2020 beschlossenen, verbindlichen und ambitionierten Zielvorgaben auf europäischer und nationaler Ebene für die Minderung von Treibhausgasen sowie die Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien am Energieverbrauch.
- 2. Er begrüßt die Initiative der Kommission, einen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020 bis 2030 festzulegen. Mit der frühzeitigen Bekanntgabe künftiger politischer Zielvorgaben in der Klima- und Energiepolitik im kommenden Jahrzehnt gibt die EU den Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie den davon besonders berührten Industrien frühzeitig eine klare Orientierung und Planungssicherheit. Mit Blick auf die Weltklimakonferenzen 2014 in Lima (Peru) und insbesondere 2015 in Paris (Frankreich), bei denen ein neues internationales Klimaabkommen geschlossen werden soll, kann die EU ihren eigenen Vorstellungen für ehrgeizige Klimaschutzvorgaben besonderen Nachdruck verleihen und auch mit Blick auf die langfristigen Klimaziele für 2050 Planungssicherheit schaffen.
- 3. Die Energiewende wird letztlich nur gelingen, wenn eine europäische und wenn möglich globale Weiterentwicklung angestrebt und konsequent verfolgt wird. Dabei gilt es, verbindliche und ambitionierte Ziele auf EU wie auch nationaler Ebene zum Ausbau der erneuerbaren Energien, zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Energieeinsparung und zur Senkung der Treibhausgasemissionen festzulegen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit der vorliegenden Mitteilung den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020 - 2030 weiter konkretisiert. Er teilt die Auffassung, dass die 20-20-20-Ziele für die Treibhausgasemissionen, die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz die EU auf einen guten Weg und trotz der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise zur Sicherung der Arbeitsplätze in verschiedenen Umweltbranchen geführt haben.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt seine Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission BR-Drucksache 247/13(B) .
Zu den Zielvorgaben
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass die vorgesehenen Zielvorgaben hinter den Möglichkeiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten wie auch den Notwendigkeiten eines auf die Zukunft gerichteten und tragfähigen Klimaschutzes zurückbleiben. So entspricht die von der Kommission bis 2030 vorgesehene Minderung der Treibhausgasemissionen innerhalb der EU um 40 Prozent nicht dem Potenzial der tatsächlich verfügbaren und noch zu entwickelnden Technologien und nutzt nicht in ausreichendem Maß die Möglichkeiten und Chancen der modernen Industrien und Haushalte eines modernen und zukunftsgerichteten Klimaschutzes in Europa. Darüber hinaus wird die Erreichung des langfristigen Ziels von 80 bis 95 Prozent CO₂-Reduktion bis 2050 erschwert. Des Weiteren stellt der Bundesrat fest, dass auch der Ausbau der erneuerbaren Energien auf 27 Prozent zu kurz greift. Der vorgelegte Politikrahmen wird der Bedeutung der erneuerbaren Energien für das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie der Verringerung der Abhängigkeit von Importenergieträgern aus Drittländern nicht gerecht. Der Bundesrat kritisiert, dass in dem weiten Feld der Energieeffizienz mit erheblichen Potenzialen für einen dauerhaft wirksamen Klimaschutz keine Zielvorgaben gemacht werden. Das Europäische Parlament fordert dagegen eine Steigerung auch der Energieeffizienz um 40 Prozent. Für die europäische Einbettung der Energiewende reicht eine starke Fokussierung auf das vorgeschlagene Klimaziel nicht aus. Um die Transformation des Energiesektors voranzubringen, bedarf es sich gegenseitig verstärkender Klima- und Energieziele.
- 7. Eng aufeinander abgestimmte Ziele, die zu einem schlüssigen Gesamtkonzept verknüpft werden, sind entscheidend für Planungs- und Investitionssicherheit sowie letztlich für den Erfolg der Klimaschutzbemühungen. Sie ermöglichen EU-weit konsistente und gezielte Regelungen zur Förderung von Innovationen, deren frühzeitige Entwicklung sich mittel- und langfristig auszahlt.
- 8. Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind die umweltfreundlichsten und wirksamsten Maßnahmen zur CO₂-Minderung. Zugleich reduzieren sie die Abhängigkeit Europas von Energieimporten, verbessern damit die Leistungsbilanzen und schaffen neue Arbeitsplätze in verschiedenen Bereichen der europäischen Volkswirtschaften, von der Forschung und Entwicklung über die Industrie bis hin zum Handwerk.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass die Steigerung der Energieeffizienz eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der klimapolitischen Ziele spielt. Darüber hinaus trägt effiziente Energienutzung in einem hohen Maße zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Er bedauert in diesem Zusammenhang, dass der Kommissionsvorschlag neben dem Klimaschutzziel zur CO₂-Minderung und dem Ausbauziel für die erneuerbaren Energien kein verbindliches Ziel für die Energieeffizienz vorsieht.
- 10. Der Bundesrat sieht angesichts des bisherigen zu geringen Fortschritts bei der Steigerung der Energieeffizienz die dringende Notwendigkeit, die entsprechenden Anstrengungen in der EU zu verstärken.
Der Ausschöpfung der Potentiale der Energieeffizienz und der Energieeinsparung kommt auch auf europäischer Ebene eine große Bedeutung für den Umbau der Energieversorgung und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu. Aus diesem Grund muss zwingend eine ambitionierte Rahmenvorgabe für die Energieeffizienz bzw. Energieeinsparung aufgenommen werden. Hierfür sollte sich die Bundesregierung bei den weiteren Verhandlungen einsetzen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den Abstimmungen im Europäischen Rat darauf hinzuwirken, dass ein ambitioniertes und verbindliches Ziel für die Steigerung der Energieeffizienz in den Rahmen für die künftige Energie- und Klimapolitik der EU im Zeitraum 2020 bis 2030 aufgenommen wird.
- 11. Die Tatsachen, dass die EU schon heute ihr Klimaziel von minus 20 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2020 faktisch erreicht hat und ein hoher Zertifikatüberschuss aus dem Emissionshandel besteht, unterstreichen das Erfordernis ambitionierter Klimaschutzziele für 2030. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich im Zuge der weiteren Beratungen auf europäischer Ebene und auch in bilateralen Verhandlungen mit anderen Mitgliedstaaten aktiv dafür einzusetzen, dass ehrgeizigere Zielvorgaben für die Minderung der Treibhausgasemissionen ebenso wie für den Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen werden. Er fordert die Bundesregierung insbesondere auf, in der weiteren Beratung des Klima- und Energiepakets 2030 im Europäischen Rat auf entsprechend ambitionierte EU-weite und nationale Zielvorgaben bei der weiteren Minderung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken.
- 12. Für die Steigerung der Energieeffizienz sind außerdem verbindliche Zielvorgaben unerlässlich. Die bisherige Ausgestaltung der Ziel-Trias "Minderung der Treibhausgasemissionen - erneuerbare Energien - Energieeffizienz" ist der richtige Ansatz für eine fortschrittliche Klima- und Energiepolitik in Europa. Daran sollte sich die künftige Politik orientieren, um die sich hieraus ergebenden Chancen für die EU und die Mitgliedstaaten zu nutzen.
- 13. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich für die Anhebung des gesamteuropäischen Ausbauziels auf 30 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 einzusetzen, und verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss der Ausschüsse für Umwelt und Industrie des Europäischen Parlaments vom 9. Januar 2014. Es ist ferner von großer Bedeutung, dass die nationalen Ausbauziele der Mitgliedstaaten für den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch auf europäischer Ebene verbindlich festgelegt werden.
- 14. Er betrachtet es als nicht sachgerecht, wenn im Vorschlag der Kommission für den Ausbau der erneuerbaren Energien nur eine Zielvorgabe auf der Ebene der Staatengemeinschaft der EU getroffen wird. Er fordert die Bundesregierung dazu auf, sich nachdrücklich für einzelstaatliche Vorgaben für erneuerbare Energien einzusetzen und dass die im aktuellen EU-Recht bis 2020 vorhandenen Zielvorgaben auf einzelstaatlicher Ebene fortgeschrieben werden.
Nur ambitionierte EU-weite und länderspezifisch verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien ermöglichen eine europäische Energiewende und leisten einen entscheidenden Beitrag sowohl zur Erhöhung der Versorgungssicherheit als auch zum Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele.
- 15. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die EU nur mit ambitionierten Klimaschutzzielen bei den Verhandlungen für ein internationales Klimaschutzabkommen glaubwürdig auftreten und eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Da der Treibhausgasemissionshandel ein wesentliches Mittel bei der Erreichung des Treibhausgasminderungsziels darstellt, muss seine Weiterentwicklung sowohl in der noch laufenden 3. Handelsperiode wie auch für die Zeit nach 2020 jetzt klar geregelt werden.
Zur Biomasse-Politik
- 16. Er bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Arbeiten zur Umsetzung der in der Mitteilung skizzierten Strategie frühzeitig auf die Berücksichtigung nachstehender Punkte hinzuwirken:
- 17. Die Notwendigkeit einer ressourceneffizienten Biomassenutzung wird grundsätzlich anerkannt und unterstützt. Inwieweit der von der Kommission unterstellte Zusammenhang zwischen Ressourceneffizienz und Treibhausgasvermeidung tatsächlich immer gegeben ist, bedarf allerdings einer kritischen Überprüfung. Die Verfolgung dieses Ansatzes, der sich streng an der Ressourceneffizienz orientiert und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb garantieren soll, bedarf eines aufwändigen Prozesses: Nach einer aufwändigen Analyse und einer transparenten Festlegung des ressourceneffizientesten Nutzungspfades für jede Biomasse-Ressource muss dieser regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls neu festgelegt werden. Es ist fraglich, ob dieser aufwändige Prozess tatsächlich durchführbar ist. Sollte dieser Ansatz dennoch verfolgt werden, so ist entscheidend, dass die regionalen Besonderheiten ausreichend berücksichtigt werden und insoweit die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten im Vordergrund steht.
- 18. Die angedeutete Ausweitung des Konzeptes der indirekten Landnutzungsänderung, das bisher nicht wissenschaftlich belegt ist und für Biokraftstoffe entwickelt wurde, darf keinesfalls auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Vielmehr muss das System der indirekten Landnutzungsänderung (sog. iLUC-Faktoren), das mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist, zunächst grundlegend überarbeitet werden. Bereits im Jahr 2012 hat der Bundesrat eine kritische Überprüfung angemahnt (BR-Drucksache 618/12(B) ). In die gleiche Richtung zeigt die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. März 2012 zu einem Fahrplan "Wettbewerbsfähige CO₂-arme Wirtschaft bis 2050", Nummer 44. Darin fordert das Parlament die Kommission auf, bei der Frage der iLUC einen breiteren Ansatz zu verfolgen und einen angemessenen Schutz der Umwelt in denjenigen Drittländern auf bilateraler und multilateraler Ebene zu fördern, die von Landnutzungsänderungen betroffen sind, um die Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen, die auf eine Änderung der Flächennutzungsstrukturen zurückzuführen sind; dies ließe sich durch die Einführung zusätzlicher Nachhaltigkeitsanforderungen für bestimmte Kategorien von aus Drittländern eingeführter biogener Rohstoffe oder Produkte erreichen.
- 19. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zahlreiche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel (insbesondere die Stabilisierung der Wälder) hohe Synergieeffekte zum Klimaschutz aufweisen, und fordert, dies in der künftigen Klimaund Energiepolitik der EU angemessen zu berücksichtigen, z.B. im Hinblick auf die Verwendung der Erlöse aus dem Emissionshandel.
- 20. Die geplante Einbindung von Landwirtschaft und Landnutzung in das Treibhausgasemissionsziel 2030 würde zu flächendeckenden Ein- oder Beschränkungen in der Tierhaltung führen. Gerade in benachteiligten Gebieten und Randbereichen ist für die Bewirtschaftung und den Erhalt von Grünlandflächen jedoch auch eine entsprechende Tierhaltung notwendig.
Anders als in anderen Wirtschaftszweigen existieren in der Landwirtschaft keine einheitlichen Effekte bei der Freisetzung von Klimagasen. Je nach Naturraum und Wirtschaftszweig ergeben sich völlig unterschiedliche Ausgangssituationen und Einflüsse auf die Freisetzung von Klimagasen. Die geplanten Regelungen zur Verwirklichung von Klimazielen, die in ihrer Wirkung derzeit noch nicht abschließend erforscht sind, würden die Landwirtschaft und Landnutzung ohne jegliche Differenzierung flächendeckend treffen.