Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva auf der Basis von Levonorgestrel - Pille danach -

Der Bundesrat hat in seiner 912. Sitzung am 5. Juli 2013 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva auf der Basis von Levonorgestrel - Pille danach -

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in der nächsten Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung die Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff Levonorgestrel in Zubereitungen zur oralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Konzentration bis zu 1,5 mg je abgeteilter Arzneiform für die einmalige Einnahme zur Notfallkontrazeption innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder im Fall des Versagens einer Kontrazeptionsmethode vorzusehen.

Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass es durch die Aufhebung der Verschreibungspflicht nicht zu Verschlechterungen bei der Kostenübernahme für Notfallkontrazeption mit diesem Wirkstoff durch die Krankenversicherung kommt.

Begründung:

Nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, die Verschreibungspflicht für Arzneimittel aufzuheben, wenn auf Grund der bei der Anwendung des Arzneimittels gemachten Erfahrungen die Voraussetzungen für die Verschreibungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegen.

Seit längerem wird über die Freigabe der "Pille danach" mit dem Arzneistoff Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht diskutiert. Das Arzneimittel wird als Notfallkontrazeptivum eingesetzt und unterdrückt oder verzögert den Eisprung. In nahezu allen europäischen Ländern ist das Arzneimittel inzwischen rezeptfrei erhältlich, um einen niedrigschwelligen Zugang zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften in Notfallsituationen, insbesondere bei jungen Frauen, zu ermöglichen.

Die Abgabe der "Pille danach" in Apotheken ohne ärztliche Verschreibung soll auch in Deutschland einen niedrigschwelligen und schnellen Zugang zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft ermöglichen. Die derzeitige Praxis der Verschreibungspflicht führt dazu, dass mit der Rezeptausstellung durch eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen zu viel Zeit verstreichen kann, insbesondere am Wochenende, da ein Rezept für die "Pille danach" nur in Krankenhausambulanzen oder durch den ärztlichen Notdienst ausgestellt werden kann.

Die "Pille danach" kann vor allem jungen Frauen helfen, ungewollte Schwangerschaften beziehungsweise Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Voraussetzung hierfür ist die rechtzeitige Einnahme der Pille, die ohne Arztbesuch eher zu gewährleisten ist. Außerdem wird damit Frauen in ländlichen Regionen oder Frauen, für die der Arztbesuch eine große Hürde darstellt, der Zugang zu einer Notfall-Nachverhütung erleichtert.

Aus frauenpolitischer Sicht ist die "Pille danach" ein wichtiges Instrument der selbstbestimmten Reproduktion von Frauen. Der gesicherte und vor allem eigenverantwortliche Zugang zur Familienplanung - inklusive der "Pille danach" - gehört zu den sexuellen und reproduktiven Menschenrechten, wie sie 1994 auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo festgeschrieben wurden.

Durch die Apothekenpflicht des Präparates wird auch nach der Entlassung aus der Verschreibungspflicht die notwendige Beratung der Patientinnen kompetent gewährleistet, bei der gegebenenfalls an die Ärztin oder den Arzt weiter zu verweisen ist.

Die wissenschaftlichen Studien der Weltgesundheitsorganisation, die Empfehlungen des Europarates sowie die positiven Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass es keine sachlichen Gründe gibt, die rezeptfreie Vergabe der "Pille danach" abzulehnen. Medizinische Risiken in der Anwendung sind bisher nicht bekannt geworden. Bedenken im Hinblick auf eine eventuelle Vernachlässigung der Langzeitverhütung sowie mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen bei zu häufiger Einnahme und fehlender ärztlicher beziehungsweise gynäkologischer Begleitung haben sich in langjähriger Anwendung ebenfalls nicht bestätigt.

In vielen Ländern wie in den USA, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Finnland, Portugal, Dänemark und in der Schweiz liegen gute Erfahrungen mit der Aufhebung der Verschreibungspflicht vor. Untersuchungen in diesen Ländern zufolge hat die Freigabe geholfen, Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Auch habe der erleichterte Zugang zur "Pille danach" keinen Einfluss auf die Verwendung regulärer Verhütungsmittel und das Sexualverhalten. Weder sei die Zahl ungeschützter Sexualkontakte gestiegen, noch habe eine Zunahme von Geschlechtskrankheiten beobachtet werden können.

Vor diesem Hintergrund ist die Freigabe, wie sie der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG bereits 2003 befürwortet hat, unter Arzneimittelsicherheitsaspekten geboten.

Die Kosten für die Anschaffung der "Pille danach" sollen - wie bisher - für Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr übernommen werden. Mit der Aufhebung der Verschreibungspflicht soll daher zugleich dafür Sorge getragen werden, dass ein Versorgungsanspruch im Sinne des § 24a Absatz 2 SGB V weiterbesteht.