Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts
(Wirtschaftsstrafgesetz 1954)

A. Problem und Ziel

Der Schutz von Mieterinnen und Mietern vor überhöhten Mieten ist ein Ziel des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStrG). Nach zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) wird § 5 WiStrG nach bisheriger Rechtslage diesem Ziel nicht mehr gerecht. Denn der BGH hat an die Mieterinnen und Mieter Anforderungen an die erforderliche Beweisführung gestellt, die diese im Einzelfall kaum erfüllen können. Die Vorlage dient dazu, § 5 WiStrG wieder zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung zu machen, indem auf das Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens verzichtet und eine rein objektive Lösung vorgeschlagen wird. Um einer Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, ermöglicht der Gesetzentwurf zudem eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich der Frage des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum. Nach dem Gesetzentwurf kann auch eine Betrachtung eines Teilgebiets der Gemeinde erfolgen, wenn der Wohnungsmarkt zwar unter Berücksichtigung des gesamten Gebiets der Gemeinde entspannt, in bestimmten Teilgebieten aber angespannt ist. Die konkrete Abgrenzung und Definition der jeweiligen Teilgebiete bleibt der Rechtsanwendung überlassen.

B. Lösung

Zur Lösung der aufgeworfenen Fragen wird die betroffene Rechtsgrundlage geändert.

C. Alternativen

Im Sinne der Zielsetzung keine.

D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte

Auf den Bundeshaushalt keine.

Auswirkungen auf den jeweiligen Landeshaushalt des vollziehenden Bundeslandes sind nicht auszuschließen. Durch die Änderung der Rechtslage wird der Vollzug erleichtert. Dies kann sowohl zu höheren Ausgaben in Form von Personal- und Sachkosten, als auch zu höheren Einnahmen in Form von Bußgeldern führen.

E. Sonstige Kosten

Entsprechend der Zielsetzung des Entwurfs, dem Schutz vor überhöhten Mietforderungen, ist zu erwarten, dass der Anstieg des Mietpreisniveaus verringert wird, da die Novellierung von § 5 WiStrG im vorgeschlagenen Sinne im Einzelfall zur Behebung von Störungen unangemessener Mietpreisbildung führen kann.

F. Bürokratiekosten

Keine.

Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954)

Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg
Hamburg, den 5. März 2013

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, den als Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 908. Sitzung des Bundesrates am 22. März 2013 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954

Das Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 1975 (BGBl. I S. 1313), das zuletzt durch Artikel 55 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 5 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen in einer Gemeinde oder in einem Teil der Gemeinde die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Entgelte sind dann nicht unangemessen hoch, wenn sie zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen."

2. § 22 wird wie folgt gefasst:

" § 22 Übergangsregelung

§ 5 Absatz 2 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 vom ... [einsetzen: Datum und Fundstelle dieses Gesetzes] ist nur anzuwenden, wenn das Mietverhältnis nach dem ... [einsetzen: Tag vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes nach Artikel 2] abgeschlossen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bis dahin geltende Recht anzuwenden."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

I. Allgemeiner Teil

§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) hat nicht nur eine marktsichernde Funktion, sondern dient auch - insbesondere durch Einstrahlung in das Zivilrecht - dem Schutz von Mietern vor überhöhten Mieten. Aufgrund der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) wird § 5 WiStrG diesem Ziel kaum noch gerecht. Die Gesetzesänderung dient dazu, § 5 WiStrG - auch in zivilrechtlichen Verfahren - wieder zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung zu machen.

II. Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1 Nummer 1

Die in § 5 WiStrG geregelte Mietpreisüberhöhung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Im zivilrechtlichen Mietverhältnis spielt § 5 WiStrG aber als sogenanntes Verbotsgesetz im Sinne von § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Rolle. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ganz oder teilweise nichtig. Ein Verstoß gegen § 5 WiStrG führt mietrechtlich dazu, dass die in Rede stehende Vereinbarung insoweit nichtig ist, als die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt, der Vertrag aber im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Der Mieter kann über die Leistungskondition des § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Fall BGB zu viel gezahlte Miete vom Vermieter zurückfordern und diesen Anspruch in einem zivilprozessualen Verfahren geltend machen.

Aufgrund von zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH, Versäumnisurteil v. 28.1.2004 - Az. VIII ZR 190/03 und Urteil v. 13.4.2005 - Az. VIII ZR 44/04), in denen der BGH die im Zivilprozess relevanten Darlegungs- und Beweislastregeln zu § 5 WiStrG herausgearbeitet hat, kann der Mieter mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Fall BGB in Verbindung mit § 5 WiStrG kaum noch durchdringen. Um die Anforderungen an den Mieter gegenüber der bisherigen Rechtslage zu erleichtern, wird das Tatbestandsmerkmal des "Ausnutzens" gestrichen. Denn daran hat der BGH die kaum zu erfüllende Darlegungs- und Beweislast für den Mieter festgemacht. Danach muss der Mieter, der sich darauf beruft, der Vermieter habe eine Mangellage im Sinne des § 5 WiStrG ausgenutzt, im Einzelnen darlegen, welche Bemühungen er bei der Suche nach einer angemessenen Wohnung unternommen hat, weshalb die Suche erfolglos geblieben ist und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen war (BGH, Versäumnisurteil v. 28.1.2004 - Az. VIII ZR 190/03). Es ist dem Mieter zwar zumutbar vorzutragen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche unternommen hat. Im Bestreitensfall muss er diese Bemühungen jedoch beweisen, was in der Praxis Schwierigkeiten begegnet. Als Beweismittel kommt in der Regel nur der Zeugenbeweis in Frage mit der Folge, dass der Wohnungssuchende Zeugen zu Wohnungsbesichtigungen mitnehmen oder die Vermieter bzw. Makler der besichtigten Wohnungen als Zeugen benennen muss in der Hoffnung, dass diese sich in einem späteren Gerichtsverfahren in ausreichendem Maße erinnern. Nahezu unmöglich ist es für den Mieter, das subjektive Element des Tatbestandsmerkmals "Ausnutzen" auf Seiten des Vermieters zu beweisen. Dies erfordert den Nachweis, dass der Vermieter erkennt oder in Kauf nimmt, dass der Mieter sich in einer Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann (BGH, Urteil vom 13.04.2005, Az. VIII ZR 44/04). Nach dem Gesetzentwurf kommt es nunmehr lediglich auf das Vorliegen eines geringen Angebots an (objektive Lösung). Damit wird zugleich klargestellt, dass mit dem Gesetzentwurf im Einklang mit der Zielsetzung des § 5 WiStrG keine generelle Mietpreisbindung eingeführt werden soll (vgl. BT-Drs. 0VI/1549, S. 11).

Eine weitere Änderung betrifft die Frage des maßgeblichen Gebietes für die Feststellung des geringen Angebots an vergleichbaren Wohnräumen. Nach der Rechtsprechung zu § 5 WiStrG in seiner geltenden Fassung kommt es für die Frage, ob ein geringes Angebot auf dem Wohnungsmarkt besteht auf die Situation im gesamten Gebiet der Gemeinde an (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2005, Az. VIII ZR 44/04). Gerade in Ballungsgebieten gibt es aber, teils verstärkt durch eine steigende Attraktivität von Immobilien als Anlageobjekten, in bestimmten Stadtteilen einen erheblichen Mietaufwertungsdruck durch eine erhöhte Nachfrage. Dies betrifft insbesondere innenstadtnahe Lagen. Die gegenwärtige Betrachtung des gesamten Gemeindegebiets für die Feststellung des geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum führt gerade in Städten mit einem aussegmentierten Wohnungsmarkt für die Wohnungsuchenden zu der unbefriedigenden Situation, dass sie in den von ihnen nachgefragten Stadtteilen keine oder nur eine sehr teure Wohnung finden, aber dennoch kein geringes Angebot i.S.d. § 5 WiStrG besteht, weil es in anderen Teilen der Gemeinde immer noch freie vergleichbare Wohnungen gibt. Um einer Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, ermöglicht der Gesetzentwurf eine Teilgebietsbetrachtung. Der BGH stellt bereits nach geltendem Recht bei der Beantwortung der Frage, ob ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen vorliegt, auf den "Teilmarkt" ab, zu dem die Wohnung gehört, wobei sich der maßgebende Teilmarkt nach den in § 5 Abs. 2 Satz 2 WiStrG aufgeführten Merkmalen, die sich teilweise unmittelbar auf die Wohnung ("Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit"), teilweise auf das Umfeld ("Lage") beziehen, bestimmt (BGH, Urteil vom 25.01.2006, Az.: VIII ZR 56/04). Dies wird durch die Neufassung nunmehr dahingehend konkretisiert, dass es hierfür nicht zwingend auf die Marktlage im gesamten Gemeindegebiet ankommt; ausreichend für die Annahme einer Wohnraummangellage ist es danach vielmehr, wenn in dem Teil der Gemeinde, in dem die Wohnung belegen ist, ein geringes Angebot an Wohnraum vorliegt. Um den regionalen Besonderheiten hinreichend Rechnung zu tragen, wird von einer genauen gesetzlichen Bestimmung des Merkmals "Teil der Gemeinde" abgesehen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann es sich bei dem relevanten Teilmarkt um einen Stadt- bzw. Ortsteil ("Wohnquartier") oder auch um größere zusammenhängende oder nicht zusammenhängende Gebiete handeln, sofern diese vergleichbare Lagequalitäten aufweisen.

Wird für die Frage des Vorliegens eines geringen Angebots auf einen Teil der Gemeinde abgestellt, so ist dies bei der Bestimmung des vergleichbaren Entgelts über das Tatbestandsmerkmal "Lage" zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass das vergleichbare Entgelt für den betrachteten Teil der Gemeinde gesondert festgestellt wird. Es kann vielmehr z.B. auf der Grundlage eines die ortsüblichen Vergleichsmieten in der gesamten Gemeinde wiedergebenden Mietenspiegels unter besonderer Berücksichtigung von Lage und Struktur der Wohngegend bestimmt werden. Ein Verzicht auf die Teilgebietsregelung würde den Anwendungsbereich des § 5 WiStrG weiterhin stark einschränken. Je nach Wohnungsmarktlage könnte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass in Bezug auf die gesamte Gemeinde für den betreffenden Wohnungstypus kein geringes Angebot besteht. Durch eine Teilgebietsregelung ist gewährleistet, dass auch in angespannten Teilmärkten Mietpreisüberhöhungen punktuell verfolgt werden können.

Die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 2 WiStrG bleibt unberührt. Danach liegt keine Mietpreisüberhöhung vor, wenn der Vermieter lediglich einen kostendeckenden Mietzins verlangt.

Zu Artikel 1 Nummer 2:

Aufgrund der Übergangsregelung ist § 5 Absatz 2 in der neuen Fassung nur anzuwenden, wenn das Mietverhältnis nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bis dahin geltende Recht anzuwenden. Durch die Übergangsregelung wird verhindert, dass sich für laufende Mietverhältnisse im Nachhinein die Geschäftsgrundlage ändert und Mieten u.U. reduziert werden müssten.

Zu Artikel 2:

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.