Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes - Antrag des Landes Schleswig-Holstein -

904. Sitzung des Bundesrates am 14. Dezember 2012

A

Der federführende Ausschuss für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der (Wirtschaftsausschuss Wi) empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a (§ 7 Absatz 3 Satz 1)

In Artikel 1 ist Nummer 1 Buchstabe a zu streichen.

Folgeänderung:

In der Begründung Teil "B. Im Einzelnen" Nummer 1 ist die Begründung "Zu Nummer 1a) - § 7 Absatz 3 Satz 1 -" zu streichen.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Es ist nur erforderlich, für Leistungsreaktoren die Möglichkeit des sicheren Einschlusses neu zu regeln. Das ist gesetzestechnisch besser in der neuen Sonderregelung des § 7e zu regeln.

2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 7 Absatz 3 Satz 2)

In Artikel 1 Nummer 1 ist Buchstabe b zu streichen.

Folgeänderung:

In der Begründung Teil "B. Im Einzelnen" Nummer 1 ist die Begründung "Zu Nummer 1b) - § 7 Absatz 3 Satz 2" zu streichen.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die zusätzlich in § 7 Absatz 3 einfügte Begriffsbestimmung kann in dieser Form das erklärte Ziel der Präzisierung nicht erreichen. Die Legaldefinition ist aus sich heraus keineswegs verständlich; in dieser Form würde sie mehr Fragen aufwerfen als Klarheit herbeiführen. Es ist z.B. von einem "Stilllegungsziel" die Rede, ohne dass erkennbar ist, was der Gesetzgeber sich darunter vorstellt. Derzeit stehen in § 7 Absatz 3 Satz 1 AtG verschiedene Genehmigungserfordernisse nebeneinander, von denen der Gesetzentwurf lediglich die Alternative des sicheren Einschlusses streichen möchte. Es verbleiben die Alternativen der Stilllegung (i.e. S., definiert vom Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung des Jahres 1988), des Abbaus der Anlage und der Abbau von Anlagenteilen. Alles zusammen wird als Stilllegung im weiteren Sinne verstanden.

Die vorgesehene Legaldefinition will nun auch Maßnahmen des Abbaus der Anlage oder von Anlagenteilen in den Stilllegungsbegriff einbeziehen, was in einem Spannungsverhältnis zu dem verbleibenden Satz 1 führen würde.

3. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 7e Absatz 1, 2, 3 Satz 1 und 2)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 7e wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

In der Begründung Teil "B. Im Einzelnen" Nummer 1 ist die Begründung "Zu Nummer 2 - § 7e Absätze 1 bis 3" wie folgt zu fassen:

'Mit der Regelung in Absatz 1 werden die Pflichten eines Genehmigungsinhabers einer Anlage nach § 7 zur Stilllegung konkretisiert und präzisiert. Zum einen werden Genehmigungsinhaber in zeitlicher Hinsicht verpflichtet, unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Eintritt der in § 7e Absatz 1 genannten Voraussetzungen die endgültige Stilllegung herbeizuführen. Nicht erforderlich ist allerdings, dass die Handlung absolut zwingend sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes und der genannten Rechtsfolgen vorgenommen wird. Dem Handelnden steht eine angemessene Überlegungsfrist zur Vorbereitung der Antragsunterlagen zu. Diese Frist bemisst sich z.B. auf Grund der Erarbeitung der für die Öffentlichkeitsbeteiligung nach UIG erforderlichen Unterlagen. Für Anlagen, deren Berechtigung zum Leistungsbetrieb nach § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 bis 6 erlöschen wird, besteht eine ausreichende Vorlaufzeit zur rechtzeitigen Vorbereitung qualifizierter Stilllegungsanträge; mit der Festschreibung des Tatbestandsmerkmals "grundsätzlich" bleibt auch hier Raum, abweichend von der Regel Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.

Zum anderen werden Betreiber mit der Regelung zum vollständigen Abbau {und zur Beseitigung} der Anlage verpflichtet. {Die Anlage muss also bis zur "grünen Wiese" abgebaut und beseitigt werden.} Falls dem Abbau auf Grund objektiver Gründe ein befristeter sicherer Einschluss vorausgehen soll, muss hierfür ein entsprechender Antrag vorgelegt werden. Diesen bescheidet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine solche vorübergehende Zulassung eines sicheren Einschlusses soll jedoch die absolute Ausnahme für die Fälle bleiben, in denen wichtige Gründe des Allgemeinwohls und einer geordneten Stilllegung dem sofortigen Abbau entgegen stehen.

Mit Satz 5 wird klargestellt, dass die Regelung nicht für nach § 7 Absatz 1 genehmigte Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität gilt, für die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Genehmigung nach § 7 Absatz 3 erteilt worden ist.

Mit Absatz 2 wird klargestellt, dass Genehmigungsanträge entsprechend den Regelungen der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung (insbesondere §§ 2 ff., § 19b AtVfV) und unter Berücksichtigung des einschlägigen untergesetzlichen Regelwerks mit qualifizierten, prüffähigen Genehmigungsunterlagen vorgelegt werden müssen. Detaillierte Aussagen dazu enthalten insbesondere der am 26. Juni 2009 vom Länderausschuss für Atomkernenergie verabschiedete "Leitfaden zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau von Anlagen oder Anlagenteilen nach § 7 des Atomgesetzes" (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 12. August 2009, BAnz 2009, Nr. 162a) sowie die Empfehlung der Entsorgungskommission des Bundes "Leitlinien zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen" (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 11. November 2010, Nr. 187). Ein Antrag auf einen befristeten sicheren Einschluss bedarf einer besonderen Begründung.

Mit Absatz 3 Satz 1 wird den zuständigen Behörden das notwendige Instrumentarium zur Verfügung gestellt, die Erfüllung der Betreiberpflichten durchzusetzen. Insbesondere kann danach die zuständige Behörde einem Betreiber verbindlich Fristen für den Beginn von Rück- und Abbaumaßnahmen setzen bzw. die Dauer des befristeten sicheren Einschlusses begrenzen.

Absatz 3 Satz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass einem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Absatz 3 grundsätzlich sämtliche zur Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen beizufügen sind und diese sehr umfangreich sein können. Die zuständige Behörde kann im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens auf Antrag die Frist zur Vorlage von Detailunterlagen angemessen verlängern und einer sukzessiven Vorlage von Teilunterlagen zustimmen.

Ein wesentliches Ziel muss es sein, die Anlagen nach § 7 Absatz 1 nach der Abschaltung und der anschließenden Nachbetriebsphase möglichst zeitnah zurückzubauen. Das ursprüngliche Argument für den "sicheren Einschluss", durch ein Abklingen der Radioaktivität den späteren Abbau der Anlage zu erleichtern und ggf. zwischenzeitliche technische Fortschritte zu nutzen, zieht auf Grund des heute weit fortgeschrittenen Standes von Wissenschaft und Technik und der vorliegenden Erfahrungen beim Rückbau von Kernkraftwerken heute nicht mehr. Vor allem auch der Verlust der mit den Eigenheiten der Anlage vertrauten Belegschaft steht dem entgegen. Deshalb soll grundsätzlich der sofortige Rückbau der Anlage das primäre Ziel sein.

Die Verantwortung für die Planung und Durchführung des Stilllegungsbetriebs einschließlich des geordneten Rückbaus der Anlage muss jedoch gleichwohl in der Verantwortung des Betreibers bleiben. Es sollte durch den Gesetzgeber nicht zu starr reglementiert werden und für Sondersituationen die Möglichkeit flexibler Reaktionen zugelassen werden. Deshalb ist es zur Klarstellung angezeigt, im AtG den "sicheren Einschluss" als Ausnahmefall modifiziert zu regeln und die Abbauverpflichtung als gewollt auszuweisen. Die Notwendigkeit für einen zeitlich befristeten sicheren Einschluss, der in einem entsprechenden Antrag gemäß § 7 Absatz 3 vom Betreiber zu begründen wäre, ist unter bestimmten Randbedingungen möglicherweise sinnvoll oder ggf. sogar notwendig. Es sind Situationen denkbar, in denen ein zumindest vorübergehender "sicherer Einschluss" (temporäre Versiegelung) eine sicherheitsgerichtete Maßnahme sein kann. Beispielsweise dann, wenn wie vorliegend z.B. alle zum 6. August 2011 stillgelegten Kernkraftwerke in enger zeitlicher Folge zurückgebaut würden und es deshalb

B