900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung die Notwendigkeit betont, frühzeitig Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien nach 2020 festzulegen, um längerfristige Investitionssignale zu setzen und verlässliche Rahmenbedingungen für einen starken Ausbau der Erneuerbaren Energien zu gewährleisten.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Vorlage als eine geeignete Diskussionsgrundlage zur Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien auf europäischer Ebene. Der Bundesrat betrachtet die Erneuerbaren Energien als zentrales Thema im Hinblick auf die künftige Energieversorgung, den Klimaschutz und die Förderung des ländlichen Raums.
- 3. Der Bundesrat unterstützt die Ansicht der Kommission, dass die Erneuerbaren Energien und der Strommarkt schrittweise und möglichst zügig besser aufeinander abgestimmt werden müssen. Im Hinblick auf eine Koordinierung der nationalen Förderregulierungen besteht Einigkeit, dass die Rahmenbedingungen des Strommarktes und die Förderung mit dem Ziel der Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit in adäquater Zeitspanne im Sinne des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) angepasst werden müssen, um Kostenvorteile abzuschöpfen und um eine Überförderung zu vermeiden. Die volle Entfaltung des Potentials erneuerbarer Energieträger wird auch zukünftig ein vernünftiges Maß an Flexibilität bei der Ausgestaltung der nationalen Fördersysteme erforderlich machen.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich in Deutschland das EEG als äußerst wirksames Förderinstrument im Stromerzeugungssektor bewährt und zu einem erfreulich zügigen Ausbau der einzelnen Erzeugungstechnologien geführt hat. Infolgedessen konnten auch die Stromgestehungskosten in verschiedenen Bereichen, allen voran bei der Photovoltaik, deutlich reduziert und die Förderung konnte entsprechend abgesenkt werden. Die gesetzlich verankerte Förderung für Solarstrom lag in Deutschland dadurch im Jahr 2012 für alle Anlagengrößen deutlich unter dem Strombezugspreis für Haushaltskunden. Der Bundesrat betont daher die Notwendigkeit, für die Ausgestaltung zukünftiger europäischer Vorgaben bereits bestehende und erfolgreiche Konzepte der Mitgliedstaaten einzubeziehen.
- 5. Der Bundesrat weist für die weiteren Beratungen darauf hin, dass Regelungen über Quoten- oder Mengenmodelle zur Förderung der Erneuerbaren Energien, die den Energieversorgern bestimmte Anteile oder Mengen erneuerbaren Stroms vorschreiben, nur vordergründig transparenter und leichter umsetzbar sind. Ein wesentliches Manko bei diesen Regelungen besteht darin, dass für den Anlagenbetreiber, anders als beim EEG mit dem gesetzlich verankerten Einspeisevorrang und der garantierten Einspeisevergütung über einen Zeitraum von 20 Jahren, wenig Planungssicherheit bzw. wenig Investitionssicherheit mit der Folge möglicher Risikoaufschläge bei der Finanzierung besteht. Der Energieversorger kann seinen Strombezug frei auswählen und wird entsprechend wenig Interesse an langfristigen Lieferverträgen haben, sondern je nach Angebotslage den günstigsten Anbieter auswählen. Der in Deutschland festgeschriebene Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien bewirkt hingegen eine vollständige Integration der erneuerbaren Energieanlagen in das Stromsystem.
- 6. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission, eine Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsvorschriften der EU vorzulegen und zu prüfen, wie die Bioenergie nach 2020 am sinnvollsten und im Einklang mit den Energie- und Klimazielen der EU für 2030 einzusetzen ist, wobei ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Erwägungen umfassend Berücksichtigung finden sollen. Der Bundesrat geht deshalb davon aus, dass vorrangig Biomasseressourcen wie Reststoffe und Abfallbiomasse sowie Biomasse möglichst als Kaskade (stoffliche und anschließende energetische Nutzung) genutzt werden und dass zusätzliche Potenziale der Biomassenutzung nicht einseitig über einen verstärkten Energiepflanzenanbau ausgeschöpft werden sollten.
- 7. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigungen der Kommission zur Weiterentwicklung des Strombinnenmarkts, um auch mengenmäßige Reaktionen auf das volatile Angebot der Erneuerbaren Energien zu erlauben. Der Bundesrat hält es jedoch für zweifelhaft, dass es möglich sein wird, in einem solchen System Preise zu generieren, die die notwendigen Amortisationen der Investitionen in Kapazitäten erlauben würden. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass sich die künftigen Marktstrukturen an den Erneuerbaren Energien orientieren müssen. Dabei sind die Grundentscheidungen und Kompetenzen der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des Energieträgereinsatzes zu beachten.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Marktintegration eng mit der Schaffung von Kapazitätsmärkten zusammenhängt. Dabei sollten neben den Potenzialen der Laststeuerung, der Stromspeicherung und der Regelung konventioneller Kraftwerke auch alle Möglichkeiten im Bereich der Erneuerbaren Energien, insbesondere Biogas, genutzt werden.
- 9. Bezüglich der Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Integration der Erneuerbaren Energien stimmt der Bundesrat der Kommission zu, dass sowohl der Ausbau der Übertragungsnetze als auch der Ausbau der Verteilernetze und die Entwicklung in Richtung "Smart Grids" notwendig sind. Auch der Ausbau europaweiter Fernleitungen muss bedarfsgerecht erfolgen, um grenzüberschreitend Speicher- und Vernetzungspotentiale zu nutzen.
- 10. Der Bundesrat hält es für notwendig, dass Möglichkeiten zur Mehrfach- bzw. Kaskadennutzung und zur Gewinnung wertvoller Koppelprodukte und Potenziale zur Effizienzsteigerung bestehender Anlagen zukünftig noch stärker als bisher in den Fokus gerückt werden und zentrale Aspekte bei einem Konzept zur Energiegewinnung mit Erneuerbaren Energien sein müssen, um Konkurrenzen um knappe Ressourcen nicht zu verschärfen.
- 11. Die von der Kommission nach wie vor vorgesehene finanzielle Unterstützung innovativer Technologien im Energiebereich wird vom Bundesrat ausdrücklich begrüßt. Insbesondere innovative Technologien, die Entwicklungspotentiale von zukünftigen Energiespeichern und von Stromübertragungsleitungen mittel- bis kurzfristig weiter voranbringen sowie zugleich umwelt- und sozialverträgliche Lösungen anstreben, sind Schlüsselelemente für die Energiewende und bieten zugleich in einem weltweit wachsenden Markt große Chancen für die Wirtschaft.
- 12. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Energiegewinnung mit Erneuerbaren Energien die Möglichkeit der lokalen und regionalen Wertschöpfung eröffnet und so zu einer Stärkung des ländlichen Raums führen kann. Die Energiegewinnung vor Ort ermöglicht die Einbindung lokaler Akteure in die Wertschöpfungskette auch bei Berücksichtigung umfassender und langfristiger Kosteneffizienzkriterien.
- 13. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass bei der Planung und Schaffung der notwendigen Infrastruktur auch die Akteure vor Ort frühzeitig einzubinden sind, um eine zügige Durchführung und Realisierung der Vorhaben zu gewährleisten.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf zu achten, dass der Entwicklung einer Erneuerbaren-Energien-Politik für die Zeit nach 2020 ein entsprechendes Gesamtkonzept zur Diversifizierung der zukünftigen Energieversorgung mit den Erneuerbaren Energien als Schlüsselbestandteil zu Grunde gelegt wird, das eng mit den Mitgliedstaaten abgestimmt wird, Verwerfungen zwischen Regionen vermeidet und Planungssicherheit zum weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien schafft.
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- 15. Der Finanzausschuss, der Ausschuss für Kulturfragen, der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.