896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012
A
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Sondergutachten der Monopolkommission wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass der Referentenentwurf für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Stand November 2011) keine Regelungen zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - enthält. Die Kritik der Monopolkommission weist der Bundesrat insoweit zurück.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass § 69 SGB V in seiner aktuellen Fassung abschließend die Frage nach einer Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die gesetzliche Krankenversicherung beantwortet. Weiterer Regelungen bedarf es nicht.
- 3. Der Bundesrat bekräftigt daher seine in der Stellungnahme vom 24. September 2010 in Ziffer 8 der BR-Drucksache 484/10(B) bereits geäußerte Auffassung, dass die parallele Rechtsaufsicht nach dem Sozialrecht und die Missbrauchsaufsicht nach dem Kartellrecht zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen würden.
- 4. Der Bundesrat weist entschieden die Behauptung der Monopolkommission zurück, es gebe eine "wettbewerbliche Schutzlücke" im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht sind Krankenkassen keine Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne und als Teil der mittelbaren Landes- beziehungsweise Bundesverwaltung ("organisatorisch verselbständigte Teile der Staatsgewalt", Bundessozialgericht, 24.01.2003, B 12 KR 19/01 R, zitiert nach juris, Randnummer 108) mit Rechtsaufsicht in ein konsistentes System eingebettet, das insbesondere durch das Genehmigungserfordernis von freiwilligen Vereinigungen von Krankenkassen durch die Rechtsaufsicht den Bedarf an einer "Fusionskontrolle" vollständig befriedigt.
- 5. Der Bundesrat spricht sich mit Nachdruck dafür aus, dass das Verhalten der Krankenkassen weiterhin nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben und allein durch die für die Rechtsaufsicht über die jeweilige Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde beurteilt wird. Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die im Verhältnis untereinander und zu ihren Mitgliedern zudem vom Solidarprinzip geprägt sind, sind nicht mit freien Unternehmen vergleichbar.
- 6. Der Bundesrat hält es darüber hinaus für möglich, dass die direkte Anwendung des Kartellrechts auf Vereinigungen von gesetzlichen Krankenkassen dem Prinzip der Selbstverwaltungsautonomie widersprechen und zur Verhinderung von beabsichtigten Synergieeffekten führen könnte.
- 7. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass jede weitere Ausdehnung der Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts nach europäischem Recht eine Einstufung der Krankenkassen als Unternehmen mit sich bringen wird. Er weist überdies darauf hin, dass einer Beteiligung des Bundeskartellamts bei Vereinigungen von landesunmittelbaren Krankenkassen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, von Bestrebungen Abstand zu nehmen, die Anregungen der Monopolkommission umzusetzen, wie es mit der aktuellen Ergänzung des Referentenentwurfes beabsichtigt ist.
Insbesondere die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung, dass das Bundeskartellamt zukünftig eine Freigabe erteilen muss, bevor die zuständige Aufsichtsbehörde die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen genehmigen darf, wird abgelehnt. Der Bundesrat bekräftigt diesbezüglich seine Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 in Ziffer 57 der BR-Drucksache 755/06(B) . Bislang ist das Fusionsverfahren nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch vor allem auf die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen ausgerichtet und erhielte durch die beabsichtigte Änderung eine völlig neue Zielrichtung. Vor allem aber läge durch ein Freigaberecht durch das Bundeskartellamt ein sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff in das den Krankenkassen gesetzlich eingeräumte Recht auf Vereinigung sowie in die Aufsichtskompetenz der Aufsichtsbehörden vor.
B
- 9. Der federführende Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von dem Sondergutachten der Monopolkommission Kenntnis zu nehmen.