Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in dem Entwurf des gemeinsamen Fortschrittsberichts 2012 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des strategischen Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020) einen insgesamt sachangemessenen und gemäßigten Ansatz bei der Darstellung und Bewertung der Ergebnisse der EU-Bildungskooperation im Arbeitszyklus 2009 bis 2011 verfolgt.
- 2. Ferner begrüßt der Bundesrat grundsätzlich das Bestreben der Kommission, mit einer engeren Verzahnung der europäischen Bildungskooperation im strategischen Rahmen (ET 2020) und im Rahmen des bildungsbezogenen Kernziels der Europa-2020-Strategie zwei hinsichtlich ihrer Ziele im Bildungsbereich zum Teil parallele Prozesse enger zusammenzuführen. Unbeschadet dessen bekräftigt der Bundesrat seine grundsätzliche Ablehnung von EU-Vorgaben für die Setzung quantitativer nationaler Ziele im Bildungsbereich über die unverbindlichen europäischen Durchschnittsbezugswerte im Rahmen der europäischen Bildungskooperation hinaus, vor allem, wenn diese mit einer formalisierten Überwachung und Bewertung verbunden werden (vgl. u.a. BR-Drucksache 113/10(B) (2).
- 3. Der Bundesrat stellt mit Blick auf die eng gefassten Unionskompetenzen im Bildungsbereich fest, dass die im strategischen Rahmen (ET 2020) gesetzten Impulse für die Gestaltung der Bildungspolitiken der Mitgliedstaaten bzw. der Länder in der Bundesrepublik Deutschland nicht verbindlich sind. Darüber hinaus kann auch das bildungsbezogene Kernziel der Europa-2020-Strategie aufgrund des Kompetenzgefüges in den EU-Verträgen keine Verbindlichkeit für die Bildungspolitiken in den Mitgliedstaaten bzw. in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland entfalten und keine formale Steuerung oder Überwachung seitens der EU nach sich ziehen.
- 4. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass er die deutsche Beteiligung sowohl am neuen strategischen Rahmen ET 2020 wie auch an der darin vereinbarten Berichterstattung nach wie vor als freiwilligen Prozess ansieht, der sich aufgrund der vertraglichen Bestimmungen jedweder Vorgabe durch die europäische Ebene entzieht (vgl. zuletzt BR-Drucksache 866/09(B) ).
- 5. Der Bundesrat verweist darauf, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2010 im Rahmen der Bildungsziele der Europa-2020- Strategie neben Hochschulabschlüssen auch weitere "gleichwertige Abschlüsse" anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat in Abschnitt 2.3 des vorliegenden Entwurfs die durchgehende Berücksichtigung auch der gleichwertigen Abschlüsse entsprechend der im Rahmen der Europa-2020- Strategie national gesetzten Ziele im Bildungsbereich. In Bezug auf Deutschland sind daher aufgrund der hiesigen Situation im Hinblick auf das berufliche Ausbildungssystem ISCED-4-Abschlüsse bei der Darstellung der erreichten nationalen Prozentwerte durchgehend einzubeziehen.
- 6. Mit Blick auf die von der Kommission für das Jahr 2012 angekündigte Mitteilung über ein neues Kompetenzprofil sowie zu möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Schlüsselkompetenzen betont der Bundesrat erneut seine kritische Haltung gegenüber den nun für das Jahr 2012 geplanten europäischen Durchschnittsbezugswerten für die Beschäftigungsfähigkeit und verweist im Übrigen auf seine Stellungnahme in BR-Drucksache 786/10(B) .
- 7. Mit Nachdruck weist der Bundesrat darauf hin, dass die Anpassung der Indikatoren und europäischen Durchschnittsbezugswerte, die in den Schlussfolgerungen des Rates vom 25. Mai 2007 betreffend einen kohärenten Rahmen von Indikatoren und Benchmarks zur Beobachtung der Fortschritte im Hinblick auf die Lissabonner Ziele im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung genannt sind, gemäß dem strategischen Rahmen ET 2020 von der Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu prüfen ist. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Bundesrates der in dem Entwurf des Fortschrittsberichts 2012 enthaltene Hinweis auf eine Aktualisierung des Rahmens von Indikatoren und Benchmarks in dem nur in englischer Sprache vorliegenden Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, das den Entwurf ergänzt, nicht dienlich. Der Bundesrat fordert daher eingehende Beratungen hierzu im zuständigen Ausschuss für Bildungsfragen. In diesem Zusammenhang lehnt der Bundesrat neue bzw. erweiterte Berichtspflichten ab.
- 8. Der Bundesrat anerkennt die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung der Qualität der Bildungs- und Ausbildungssysteme in Europa und würdigt in diesem Zusammenhang ausdrücklich den europäischen Mehrwert der europäischen Bildungskooperation. Mit Blick auf die von der Kommission zur Anpassung der Arbeitsinstrumente und der Governance der europäischen Zusammenarbeit im strategischen Rahmen (ET 2020) vorgeschlagenen vielfältigen Maßnahmen warnt der Bundesrat jedoch vor allem mit Blick auf den entstehenden bürokratischen und personellen Aufwand vor der Etablierung neuer Strukturen, etwa in Form eines neuen Forums für die allgemeine und berufliche Bildung.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen innerstaatlich in die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung (einschließlich der Lehrerausbildung und der Organisationshoheit für das Bildungssystem) fällt. Er bittet die Bundesregierung daher, die Stellungnahme gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen und die Verhandlungsführung gemäß § 6 Absatz 2 EUZBLG auf die Länder zu übertragen.
Die Mitteilung befasst sich sowohl bei einer quantitativen als auch bei einer qualitativen Bewertung im Schwerpunkt mit schulischer Bildung, Lehrerausbildung und Hochschulbildung. Die Themen berufliche und Erwachsenenbildung sowie lebenslanges Lernen und Hochschulzulassungen nehmen sowohl in der Menge als auch in der Substanz der Vorschläge einen deutlich geringeren Raum ein und bauen zudem teilweise auf den konkreter formulierten Vorschlägen für den schulischen Bereich auf. Der Schwerpunkt des Vorhabens liegt damit eindeutig in der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis der Länder.
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.