Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ein schwerwiegendes, seit Beginn der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise zunehmend virulenter werdendes Problem darstellt, das die Ergreifung effektiver, differenzierter und umfassender Gegenmaßnahmen erfordert. Der Bundesrat begrüßt daher die von der Kommission angestoßene Initiative "Chancen für junge Menschen". Unter Betonung der Zuständigkeit und Verantwortung der Mitgliedstaaten würdigt er in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Mehrwert der europäischen Kooperation in der Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik sowie der europäischen Kohäsionspolitik.
- 2. Mit Blick auf das Kompetenzgefüge in den EU-Verträgen bekräftigt der Bundesrat jedoch seine Haltung, dass die EU hinsichtlich des bildungsbezogenen Kernziels der Europa-2020-Strategie über keine formalen Steuerungs- oder Überwachungsinstrumente verfügt (vgl. BR-Drucksache 113/10(B) (2). Darüber hinaus entzieht sich die Bildungspolitik aufgrund der eng gefassten Unionskompetenzen im Bildungsbereich der in der Mitteilung vorgeschlagenen Koordinierung auf EU-Ebene.
- 3. Der Bundesrat stimmt der Kommission in ihrer Einschätzung zu, dass die Verhinderung von frühzeitigen Abgängen aus der Schule oder aus der Ausbildung ein wichtiges Ziel für die Prävention von Jugendarbeitslosigkeit darstellt, und würdigt in diesem Zusammenhang die präventiven, intervenierenden und kompensierenden Maßnahmen, über die sich die Mitgliedstaaten in der Empfehlung des Rates für politische Strategien zur Senkung der Schulabbrecherquote vom 28. Juni 2011 verständigt haben. Er verweist jedoch darauf, dass die konkrete Umsetzung der Empfehlung ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten bzw. in Deutschland der Länder ist.
- 4. Der Bundesrat teilt grundsätzlich die Auffassung der Kommission, dass Bildung die Aufgabe hat, junge Menschen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren und ihnen hierfür relevante Kompetenzen zu vermitteln. Der Bundesrat weist darauf hin, dass primäres Mittel zur Reduzierung der (Jugend-)Arbeitslosigkeit sein muss, möglichst viele Jugendliche in Ausbildung zu bringen und dabei zu unterstützen, diese Ausbildung auch erfolgreich abzuschließen. Der Bundesrat lehnt eine Orientierung von Bildungsmaßnahmen und -inhalten an deren bloßer Verwendbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ab und erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Bildung sich nicht darin erschöpft, die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern, sondern das umfassendere Ziel haben muss, Werte zu vermitteln und die gesamte Persönlichkeit zur Entfaltung zu bringen (vgl. BR-Drucksache 597/10(B) ).
- 5. Der Bundesrat würdigt die überaus positive Bewertung der dualen Berufsausbildung, die auf einer gelungenen Verbindung von Theorie und Praxis fußt, und verweist in diesem Zusammenhang auf die seit langem etablierte und auch im europaweiten Vergleich sehr erfolgreiche Tradition der dualen Berufsausbildung in Deutschland.
- 6. Zur Ankündigung der Kommission, im Laufe des Jahres 2012 einen europaweiten Qualitätsrahmen für die Bereitstellung und Inanspruchnahme hochwertiger Praktika vorzulegen, weist der Bundesrat darauf hin, dass Bedingungen und spezifische Bestimmungen für Praktika in den einzelnen Mitgliedstaaten und auf nationaler Ebene sogar von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich sind.