Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG)

890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011

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Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2011 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 4 KKG i.V.m. § 134a SGB V)

Die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung nach dem SGB V für Hebammenleistungen ist zeitlich auf sechs Monate zu verlängern, ohne dass eine gesonderte ärztliche Anordnung unter Angabe einer medizinischen Indikation notwendig ist.

Begründung:

Hebammen können Familien, zu denen sie typischerweise einen guten Zugang haben, frühzeitig unterstützen; damit können sie eine wichtige Brückenfunktion zur Jugendhilfe erfüllen.

Da viele gesundheitliche Schwierigkeiten (Wochenbett-Depressionen, Schreikinder, Fragen der Ernährung des Kindes usw.) erst nach dem zweiten Monat auftreten, ist die Ausweitung der Hebammenleistungen seit längerem eine Forderung der Länder. Eine bei Bedarf mögliche zeitliche Verlängerung der Hebammenleistungen kann einen wichtigen Beitrag zur Prävention vor gesundheitlichen Schäden des Kindes auch durch Vernachlässigung oder Misshandlung leisten. Die Ausweitung zielt auf die Förderung des gesunden Aufwachsens des Kindes. Sie erspart gesundheitliche Folgekosten und ist daher gesundheitspolitisch sinnvoll und geboten. Der Bundesrat fordert daher, die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung nach dem SGB V für Hebammenleistungen zeitlich auf sechs Monate zu verlängern (ohne die Zahl der 36 abrechenbaren Besuche zu erhöhen).

2. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 4 KKG)

Die befristete Finanzierung eines Modellprojekts "Bundesinitiative Familienhebammen" ist angesichts des jeweiligen Sachstandes in den Ländern weder bedarfsgerecht noch nachhaltig. Als Aufgabe des primärpräventiven Kinderschutzes ist vielmehr neben der medizinischen auch eine psychosoziale Unterstützung durch Hebammen oder Familienhebammen dauerhaft auf der Ebene des Bundes finanziell zu sichern.

Begründung:

Besonders qualifizierte Hebammen ("Familienhebammen") haben - wie alle Hebammen - bereits während der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt einen unmittelbaren, selbstverständlichen und vertrauensvollen Zugang zu jungen Familien und erbringen medizinische Leistungen der Hebammenhilfe. Ausgehend von ihrem gesundheitsorientierten Grundberuf sind sie mit ihrer Zusatzqualifikation darüber hinaus im Hinblick auf einen psychosozialen Unterstützungsbedarf von Familien, der kindlichen Entwicklung und der Eltern-Kind-Interaktion fortgebildet und können gerade Familien in belastenden Lebenslagen in den ersten Lebensmonaten des Kindes auch psychosozial im Interesse des Kindeswohls begleiten.

Diese Hebammen unterstützen also Mütter und Väter mit Säuglingen nicht nur medizinisch (z.B. zu Pflege und Ernährung des Kindes), sondern können auch auf besondere Bedürfnisse von Familien in belastenden Lebenslagen eingehen (z.B. psychische Erkrankungen, Paarkonflikte, Störungen in der Eltern-Kind-Beziehung) bzw. diese erkennen und angemessene Hilfe vermitteln.

Allerdings ist ein zeitlich befristetes Bundesprogramm zum Auf- und Ausbau von Familienhebammen, wie in Artikel 1 § 3 Absatz 4 des Gesetzentwurfs vorgesehen, wenig nachhaltig. Fast alle Länder haben in den vergangenen Jahren Programme zur Qualifizierung von Hebammen bzw. Familienhebammen aufgelegt. Die Konzepte und Zugänge unterscheiden sich zwar, treffen sich jedoch an der Stelle, an der es darum geht, die nichtstigmatisierenden Zugänge von Hebammen zu Familien zu nutzen, ihre Wahrnehmungskompetenz für belastete Lebenslagen (z.B. psychisch kranke Mütter) zu stärken und Hebammen als Brückenbauerinnen zu anderen Systemen (z.B. Jugendhilfe) zu nutzen. Ein erneutes Bundesprogramm für vier Jahre mit 120 Millionen Euro würde zwangsläufig zu Doppelstrukturen führen und gleichzeitig Länder und Kommunen nach Ablauf des Modellzeitraums mit der Finanzierung neu aufgebauter Strukturen alleine lassen.

Erforderlich ist eine dauerhafte nachhaltige Finanzierung dieser Leistungen von Hebammen oder Familienhebammen auf der Ebene des Bundes.

3. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 4 KKG) i.V.m. Artikel 3 (SGB V)

Zur Absicherung primärpräventiver Leistungen regionaler Netzwerke "Frühe Hilfen" und zum Aufbau weiterer regionaler Netzwerke zur Förderung der Gesundheit und des Wohls von Kindern ist eine gesetzliche Regelung in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch aufzunehmen, welche die Krankenkassen zu einem angemessenen Zuschuss zu den von diesen Netzwerken erbrachten präventiven Leistungen verpflichtet.

Begründung:

Die Krankenkassen sollen im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen in den Ländern und Kommunen, unbeschadet der Aufgaben anderer, gemeinsam und einheitlich regionale Netzwerke nach § 3 KKG und die von dem Netzwerk erbrachten primärpräventiven Leistungen zum Erhalt von Kindergesundheit fördern.

4. Zu Artikel 2 Nummer 21 (§ 79a SGB VIII)

Regelungen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung sind zwar grundsätzlich sinnvoll, um den Qualifizierungsprozess in der öffentlichen Jugendhilfe weiter voranzubringen. Damit die Regelungen aber praxistauglich und unbürokratisch umsetzbar sind, besteht in der konkreten Ausgestaltung, insbesondere bei § 79a SGB VIII, Veränderungsbedarf mit dem Ziel, die bundesrechtlichen Vorgaben auf das Notwendige zu beschränken.

Begründung:

Die verbindliche bundesrechtliche Vorgabe zur Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe sollte nicht überreguliert und zu bürokratisch ausgestaltet werden. Insbesondere sind die in § 79a Absatz 2 SGB VIII vorgesehenen Vereinbarungen verzichtbar.

5. Zu den Kosten des Gesetzes

Der Bundesrat erwartet, dass der Bund die infolge des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen den Ländern direkt und indirekt entstehenden finanziellen Mehrbelastungen dauerhaft und vollständig ausgleicht.

Begründung:

Eine sachgemäße Umsetzung der neuen Vorschriften stellt große finanzielle Anforderungen an die öffentlichen Träger. Laut Begründung zum Gesetzentwurf sollen für die Länder einmalige Umstellungs- und Aufbaukosten in Höhe von 25,08 Millionen Euro im Jahr 2012 und 25 Millionen Euro im Jahr 2013 sowie jährliche Mehrkosten von 64,03 Millionen Euro entstehen. Diese Darstellung der Kosten des Gesetzes genügt nicht der vom Bundesrat geforderten, transparenten und vollständigen Darlegung in nachvollziehbaren Rechenschritten und es ist zu befürchten, dass höhere Mehrkosten entstehen werden. Die umfassende Realisierung der gesetzlichen Vorgaben steht und fällt mit den Mitteln, die den Kommunen für Personal, Konzepte und Maßnahmen zur Erfüllung der an sie gestellten Anforderungen zur Verfügung stehen werden.

Die Jugendämter stehen derzeit schon vor schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen und müssen um die Bereitstellung der Mittel für eine qualitätsorientierte Aufgabenerledigung ringen. Den Kommunen müssen im Rahmen der Finanzordnung weitere Mittel durch den Bund zur Verfügung gestellt werden.

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