Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur KOM (2011) 416 endg.; Ratsdok. 12516/11 Drucksache: 411/11 (PDF) und zu411/11 und
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gemeinsame Fischereipolitik KOM (2011) 425 endg.; Ratsdok. 12514/11 Drucksache: 414/11 (PDF) und zu414/11 und
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die externe Dimension der Gemeinsamen Fischereipolitik KOM (2011) 424 endg. Drucksache: 412/11 (PDF)
Der Bundesrat hat in seiner 886. Sitzung am 23. September 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zu den Vorlagen insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ihre Legislativvorschläge zur Reform der Fischereipolitik zeitnah vorgelegt hat. Er unterstützt das Ziel einer nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung mit langfristig angelegten Bewirtschaftungsplänen nach dem Prinzip des maximalen Dauerertrags.
Er begrüßt, dass die Eckpfeiler der Gemeinsamen Fischereipolitik erhalten bleiben, nämlich "das Prinzip der relativen Stabilität", das System von nationalen Quoten sowie die Fischereiabkommen mit den Drittländern, fordert allerdings eine konsequentere Umsetzung der beschlossenen Regelungen in allen Mitgliedstaaten.
Er erwartet jetzt eine intensive Diskussion mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament und bekräftigt seine Stellungnahme vom 27. November 2009 (BR-Drucksache 386/09(B) ) zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik.
Die Legislativvorschläge bedürfen an vielen Stellen noch einer genaueren Erläuterung und der Korrektur. Der Bundesrat erwartet hier auf der Grundlage des EUZBLG vom Bund einen engen Dialog mit den Ländern.
Der Bundesrat vertritt grundsätzlich vor allem folgende Positionen:
- 2. Eine Ausweitung des Regelungsbereichs der EU-Fischereipolitik auf die Binnenfischerei und lebende Süßwasserressourcen wird abgelehnt. Dagegen hält es der Bundesrat für sinnvoll, die Binnenfischerei in die Konsultationsmöglichkeiten auf EU-Ebene besser als bisher einzubeziehen.
- 3. Eine Neuregelung der Rückwürfe bzw. des Anlandegebots ist dringend erforderlich. Der Bundesrat trägt grundsätzlich ein Rückwurfverbot mit. Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung (Anlandegebot) muss aber mit dem Quotensystem verknüpft werden. Für einzelne Fischereien, wie z.B. die Krabbenfischerei, sind in begrenztem Rahmen besondere Regelungen bezüglich der Rückwürfe erforderlich. Ein totales Rückwurfverbot wäre hier nicht sinnvoll, weil ein Großteil der wieder über Bord gegebenen Mengen in der Krabbenfischerei aus überlebensfähigen kleinen Krabben und Plattfischen besteht.
- 4. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass das vorgeschlagene System "übertragbarer Fischereibefugnisse" zu einer Beschleunigung des Strukturwandels und einer Konzentration auf wenige kapitalkräftigere Fischereiunternehmen führen kann. Eine Handelbarkeit wird abgelehnt.
- 5. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den regionalen Ansatz bei der Festlegung der erforderlichen Bestandserhaltungs- und technischen Maßnahmen. Dies darf jedoch nicht zu zusätzlichen bürokratischen Strukturen führen.
- 6. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Bestandserhaltungsmaßnahmen sich generell auf solide wissenschaftliche Grundlagen stützen müssen, in die die aktuellen Kenntnisse und Erkenntnisse der Fischereiverbände und "Regional Advisery Councils (RAC"S)" einzubeziehen sind.
- 7. Der Bundesrat stellt klar, dass die Einhaltung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik durch eine wirksame Fischereikontrollregelung einschließlich des Kampfes gegen die illegale Fischerei gewährleistet werden muss. Er verweist jedoch darauf, dass bislang unklar ist, was unter einer voll dokumentierten Fischerei verstanden wird. Ein System der obligatorischen vollständigen Kameraüberwachung auf jedem Fischereifahrzeug ist unpraktikabel und wird abgelehnt. Pilotprojekten zum Test neuer Kontrolltechnologien steht der Bundesrat jedoch zunächst offen gegenüber.
- 8. Der Bundesrat fordert, dass die anstehenden Beschlüsse eine möglichst unbürokratische Umsetzung ermöglichen müssen. Dies gilt insbesondere auch für die vorgesehenen Kennzeichnungspflichten.
- 9. Der Bundesrat sieht es als erforderlich an, dass Rat und Parlament weiterhin die Entscheidungshoheit bei wesentlichen Fragen der Gemeinsamen Fischereipolitik behalten, und fordert daher, die Anzahl der auf die Kommission delegierten Rechtsakte stärker zu begrenzen. Er verweist diesbezüglich auf seine Stellungnahme vom 18. März 2011 (BR-Drucksache 097/11(B) ).
- 10. Der Bundesrat begrüßt, dass die nachhaltige und marktorientierte Entwicklung der Aquakultur einen zentralen Punkt bei der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik darstellt. Er weist jedoch darauf hin, dass der Einbezug der Süßwasseraquakultur in die Gemeinsame Fischereipolitik sich auf grenzüberschreitende Regelungen beschränken muss.
- 11. Der Bundesrat hält es für erforderlich, die Rolle der Erzeugerorganisationen weiter zu stärken, damit sie ihren Aufgaben angesichts eines globalisierten Marktes besser gerecht werden können.
- 12. Im Übrigen erwartet der Bundesrat in allen Mitgliedstaaten eine zügige Anpassung der nationalen Fangkapazitäten an die nationalen Quoten.
Zu BR-Drucksache 411/11 (PDF)
- 13. Der Bundesrat teilt die von der Kommission gesehene Notwendigkeit zur Überprüfung und Novellierung der gemeinsamen Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und Aquakultur, insbesondere um der zunehmenden Verdrängung von EU-Erzeugnissen durch Importe entgegenzuwirken.
Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass der Vorschlag die Bedeutung der Instrumente zur Marktbeobachtung und -kontrolle überbetont. Er stellt daher in Frage, ob eine verstärkte Marktbeobachtung und -kontrolle geeignet ist, Menge und Vielfalt des Angebots von EU-Importen nachhaltig entgegenzuwirken und die Marktposition für EU-Produkte zu verbessern. Diese Maßnahmen führen vielmehr zu weiteren bürokratischen Belastungen der EU-Betriebe und der nationalen Behörden anstelle von notwendigen Entlastungen, um dadurch die Erzeugungsbedingungen für EU-Betriebe zu verbessern.
Der Bundesrat weist zudem darauf hin, dass die erweiterten obligatorischen Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten den regionalen Bedingungen der heimischen Binnenfischerei und der Süßwasseraquakultur nicht gerecht werden und von diesen Bereichen nicht erbracht werden können.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene sicherzustellen, dass die obligatorischen Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten gegenüber den bisherigen Regelungen nicht erweitert werden.
Zu BR-Drucksache 414/11 (PDF)
- 14. Der Bundesrat hält die vollständige Einbeziehung des Mittelmeeres in die Regelungen der Gemeinsamen Fischereipolitik unter dem Aspekt der Gleichbehandlung und der Akzeptanz der Gemeinsamen Fischereipolitik für geboten.
Er fordert die Abschaffung des vor einigen Jahren parallel zum Quotensystem eingeführten Fangaufwandsystems, da es einen hohen Bürokratie- und Verwaltungsaufwand verursacht. Beispiele, in denen Quoten heraufgesetzt werden, gleichzeitig aber der Fangaufwand herabgesetzt wird, zeigen die Probleme und die Entbehrlichkeit dieser Doppelregelung.
Er sieht spezifizierend zu vorstehender Ziffer 10 die in den Artikeln 12, 15, 20, 24, 35, 36, 37, 47, 52 und 54 vorgesehene Ermächtigung der Kommission, delegierte Rechtsakte zu erlassen, als grundsätzlich kritisch und im Einzelfall zu prüfen an. Auch wenn die Befugnisübertragung vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden kann, werden die zehn vorgesehenen Ermächtigungen als zu weitgehend angesehen. Sie umfassen Bereiche - wie z.B. die Festlegung fischereibezogener Maßnahmen zur Minderung der Auswirkungen des Fischfangs in besonderen Schutzgebieten -, die von ihrer Bedeutung her in die Grundverordnung gehören.