Der Bundesrat hat in seiner 885. Sitzung am 8. Juli 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a VWDG)
In Artikel 1 ist in § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a nach der Angabe "Absatz 1a," die Angabe "Absatz 2 Nummer 1," einzufügen.
Begründung:
Bei den in Artikel 1 § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a aufgeführten Katalogstraftaten fehlt § 95 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG (unerlaubte Einreise und Aufenthalt entgegen einer vorhergehenden Abschiebung, Zurückweisung etc.). Die in § 95 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG genannten Straftaten sind höher bestraft als die in § 95 Absatz 1 AufenthG genannten. Das hätte zur Folge, dass derjenige, der ein schwerwiegenderes Delikt begeht, nicht in der Warndatei gespeichert wird. Mit der Einfügung der Katalogstraftat des § 95 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG in Artikel 1 § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzentwurfs wird dies behoben.
2. Zu Artikel 2 Nummer 2 ( § 72a AufenthG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sicherzustellen, dass § 72a des Aufenthaltsgesetzes so abgefasst wird, dass
- a) die Sicherheitsbehörden nicht ausnahmslos dazu verpflichtet werden, das Vorhandensein relevanter Erkenntnisse zu offenbaren,
- b) im Falle einer Speicherung desselben Vorfalls in der Antiterrordatei durch mehrere Behörden Sicherheitsbehörden ohne originäre Erkenntnisse nicht zu Mitteilungen verpflichtet werden und
- c) den Auslandsvertretungen nur ein zwischen den Sicherheitsbehörden abgestimmter Hinweis übermittelt wird, wenn verschiedene Sachverhalte mehrerer Sicherheitsbehörden in der Antiterrordatei nachgewiesen sind.
Begründung:
Das Verfahren zum Umgang mit den Daten aus der Antiterrordatei ist noch nicht ausreichend durchdacht, wie die Begründung zu Artikel 2 § 72a Absatz 3 (Seite 39) deutlich macht. Danach will die Bundesregierung erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen, wie eine effiziente und einheitliche Datenübermittlung zwischen den beteiligten Behörden gewährleistet und der Daten- und Geheimschutz sichergestellt werden kann.
Dieser Vorbehalt ist jedoch zu eng, weil er Vorschläge nur "im Rahmen des hier gesetzlich vorgesehenen Verfahrens", also auf der Basis des aktuellen Gesetzentwurfs zulassen will. Es ist nicht ersichtlich, wie auf dieser Basis eine brauchbare Lösung zustande kommen könnte.
Folgende Probleme gilt es zu vermeiden:
- a) Nach Absatz 2 sind in den Abgleichbestand des Bundesverwaltungsamtes (BVA) ausnahmslos alle Datensätze aus der Antiterrordatei einzustellen, die für den Abgleich genutzt werden dürfen. Gleichzeitig verpflichtet Absatz 3 Satz 2 im Trefferfall ausnahmslos diejenigen Behörden, von denen die ATD-Daten stammen, der jeweiligen Auslandsvertretung über das BVA Mitteilung zu machen, wenn Sicherheitsbedenken gegen die Erteilung des Visums bestehen.
Daraus folgt, dass die Sicherheitsbehörden im Trefferfall beim Vorliegen gewichtiger Erkenntnisse keine andere Wahl haben, als ihre Erkenntnisse zu offenbaren. Die Möglichkeit, einen erkannten Terroristen mit dem Ziel weiterer Aufklärung kontrolliert einreisen zu lassen, wird damit verbaut. Zumindest wird eine kontrollierte Einreise nur noch unter Mitwirkung der Auslandsvertretung möglich sein, womit sich der Kreis der Eingeweihten unnötig vergrößert.
- b) Wie die Entwurfsbegründung zutreffend erkennt, werden in einem Trefferfall vielfach mehrere Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu der Person in der ATD gespeichert haben. Dabei wird es sich wiederum häufig um Erkenntnisse zu demselben Sachverhalt handeln, der von einer der speichernden Stellen stammt. Absatz 3 Satz 2 verpflichtet aber jede dieser Stellen, eine eigene Sicherheitsbewertung vorzunehmen und bei Sicherheitsbedenken die Auslandsvertretung zu unterrichten. Möglicherweise hält dabei der Besitzer der Ursprungsinformation den Sachverhalt für weniger kritisch als die davon unterrichtete Sicherheitsbehörde. Eine Einschätzung muss deswegen der Behörde vorbehalten bleiben, von der die Daten ursprünglich stammen.
- c) Liegen mehrere Sachverhalte vor, ist eine gemeinsame Einschätzung durch die betroffenen Sicherheitsbehörden erforderlich. Nur so kann verhindert werden, dass jede Behörde ihre Erkenntnisse als irrelevant einstuft und einen Hinweis unterlässt, während die Erkenntnisse in ihrer Gesamtheit bedeutsam wären. Eine Zusammenarbeit der speichernden Sicherheitsbehörden mit dem Ziel, zu einer gemeinsamen Einschätzung zu gelangen, dürfte derzeit ohne datenschutzrechtliche Grundlage sein.
Es wird daher für unumgänglich gehalten, die Modalitäten der Unterrichtung im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ohne Bindung an den Entwurfstext zu prüfen.