Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Berlin
Entschließung des Bundesrates zur Eröffnung der Möglichkeit, Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen freihändig zu vergeben

Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 10. März 2011

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Berlin haben beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage mit Begründung beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Eröffnung der Möglichkeit, Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen freihändig zu vergeben einzubringen.

Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der 881. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2011 zu setzen und eine Entscheidung in der Sache herbei zu führen.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck

Entschließung des Bundesrates zur Eröffnung der Möglichkeit, Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen freihändig zu vergeben

Der Bundesrat möge beschließen:

I. Der Bundesrat stellt fest:

II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,

durch entsprechende Rechtsänderungen dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesagentur für Arbeit künftig wieder Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen an Integrationsfachdienste freihändig vergeben kann.

Begründung:

Integrationsfachdienste sind für die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben schwerbehinderter Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil. Mit ihnen hat der Gesetzgeber eine Struktur von Dienstleistern geschaffen, die kontinuierlich und umfassend besonders intensive und zielgruppenspezifische Hilfestellung für schwerbehinderte Menschen erbringen und gleichzeitig für die regionalen Arbeitgeber kompetente Ansprechpartner sind.

Mit Inkrafttreten der Vergabeverordnung (VgV) am 1. Mai 2010 ist die Verdingungsordnung für die Ausschreibung von Leistungen (VOL/A) wirksam geworden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sieht es deshalb für notwendig an, Vermittlungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit auszuschreiben.

Ausschreibungen von Leistungen sind aber nicht geeignet, erfolgreich die individuellen Dienstleistungen der Vermittlung und Begleitung schwerbehinderter Menschen am Arbeitsmarkt zu organisieren. Erfolgreiche Arbeit in diesem Bereich setzt Kontinuität der Ansprechpartner beginnend von der ersten Kontaktaufnahme über die Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bis hin zu Begleitenden Hilfen, Erfahrung und die Einbindung in formelle und informelle regionale Netzwerke voraus. Die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen basiert nicht selten auf dem Vertrauen beider Seiten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers -, dass mit dem Integrationsfachdienst ein verlässlicher Ansprechpartner besteht.

Demgegenüber führen Ausschreibungen zu wechselnden Anbietern, was Übergangszeiten und neu zu knüpfende Kontakte zu Unternehmen und Verwaltung erforderlich macht und in der Sache den Vermittlungserfolg behindert.

Die Einführung der Ausschreibungspflicht für Leistungen der Vermittlung von schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gefährdet daher das grundlegende Ziel, mit den Integrationsfachdiensten einen umfassend zuständigen und für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen verlässlichen Ansprechpartner zu haben.

Das Vergaberecht lässt unter Beachtung des EU-Rechts grundsätzlich die Möglichkeit der freihändigen Vergabe zu. Besonders für den sozialen Bereich ist es dringend geboten, von dieser Befugnis der Mitgliedstaaten des EU-Rechts Gebrauch zu machen und begründete Ausnahmeregelungen im Vergaberecht beizubehalten. In diesem Zusammenhang wird auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Februar 2009 zur Sozialwirtschaft (BR-Drs. 250/09 (PDF) ) hingewiesen. Darin stellt das Europäische Parlament fest, "dass für sozialwirtschaftliche Unternehmen die Wettbewerbsvorschriften nicht in der gleichen Weise angewandt werden sollten wie für andere Unternehmen und dass sie einen sicheren Rechtsrahmen benötigen, der auf der Anerkennung ihrer besonderen Werte basiert." Dieser Ansicht schließen sich die Länder an.