881. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2011
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Übertragungen der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte (Artikel 290 AEUV) in den bisherigen Vorschlägen der Kommission zur Anpassung von EU-Verordnungen an den Vertrag von Lissabon regelmäßig nicht den Bedingungen einer inhaltlichen und/oder zeitlichen Begrenzung genügen. Nummer 3 der Mitteilung der Kommission (KOM (2009) 673 endg.) sieht hierzu hinreichend klare inhaltliche und zeitliche Grenzen der Befugnisübertragung vor. Zudem werden vielfach Befugnisse im Wege von delegierten Rechtsakten in Fällen vorgesehen, bei denen eine Notwendigkeit einheitlicher Bedingungen für die Durchführung von EU-Rechtsakten besteht oder bestimmte für die Mitgliedstaaten wesentliche Vorschriften geregelt werden. Dies trägt den Vorgaben des Vertrags von Lissabon nicht ausreichend Rechnung.
- 2. Zudem vermisst der Bundesrat bei der Wahl zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten (Artikel 291 AEUV) eine einheitliche Vorgehensweise, um eine einheitliche Umsetzung der mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Möglichkeiten in allen EU-Rechtsakten zu gewährleisten.
Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, dass grundsätzlich in den Fällen die Befugnis zum Erlass von delegierten Rechtsakten vorgesehen werden kann, die bisher unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle fielen, da die Definition delegierter Rechtsakte in Artikel 290 Absatz 1 AEUV weitgehend der Definition dieser Rechtsakte entspricht. Sofern bestimmte nicht wesentliche Vorschriften im Wege von delegierten Rechtsakten festgelegt werden, sollen diese regelmäßig erst nach vorheriger Anhörung von Experten aus den Mitgliedstaaten erlassen werden. Geäußerte Bedenken sollte die Kommission ernsthaft prüfen und gegebenenfalls ihren Vorschlag entsprechend anpassen oder schlüssig darlegen, warum sie diesen Bedenken nicht folgt. Umgekehrt ist bei den anderen Verfahren des Komitologie-Beschlusses in der Regel eine Ersetzung durch Durchführungsrechtsakte indiziert.
- 3. Der Bundesrat bekräftigt seine zur "Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Umsetzung von Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" am 12. Februar 2010 angenommene Stellungnahme (BR-Drucksache 875/09(B) ). Er weist nochmals darauf hin, dass die Entscheidung über die Dauer der Befugnisdelegation gemäß Artikel 290 AEUV in den Ermessensspielraum des EU-Gesetzgebers fällt. Dieser hat im Einzelfall zu prüfen, ob die von der Kommission gewünschte unbefristete Befugnisübertragung sinnvoll erscheint. Der Bundesrat stellt nochmals ausdrücklich fest, dass Auslauf- oder Überprüfungsklauseln nicht nur gängige Bestandteile der europäischen Rechtsetzung, sondern auch wirksame Mittel zur allgemeinen Rechtsbereinigung und Entbürokratisierung sind. Die von der Kommission gewünschte vollständige Entfristung als Regelfall der Befugnisdelegation würde jedenfalls der Grundintention des Artikels 290 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV widersprechen, Delegationen nur auf begrenzte Dauer zu vergeben. Sollte im Einzelfall eine unbefristete Befugnisübertragung sinnvoll erscheinen, sollte diese jedenfalls hinreichend begründet werden.
- 4. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.