874. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2010
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bedauert, dass die Anhebung der reduzierten Steuersätze und Einschränkung des Spitzenausgleichs gemäß EStG und StromStG im "Gesetz zur Reduzierung von Subventionen aus der ökologischen Steuerreform (Haushaltsbegleitgesetz 2011)" enthalten sind und dieses erst im nächsten Durchgang im Bundesrat beraten werden kann.
Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass in den weiteren Beratungen die vorgeschlagenen Maßnahmen dieses Gesetzentwurfs im Kontext der geplanten Einsparungen durch Einschränkung des Ausgleichs für energieintensive Unternehmen im Rahmen der Ökosteuer neu bewertet werden.
Begründung:
Die mit diesem Gesetzentwurf intendierte Vermeidung von praktischen Umsetzungsschwierigkeiten bei der Energiesteuer wird grundsätzlich unterstützt. Diese sollte jedoch aufkommensneutral gestaltet sein.
Da die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen jährlichen Steuermindereinnahmen von insgesamt rund 358 Mio. Euro im Kontext zu den geplanten Einsparungen durch Einschränkung des Ausgleichs für energieintensive Unternehmen im Rahmen der Ökosteuer zu sehen sind, wäre jedoch eine gemeinsame Beratung der beiden Gesetzesvorschläge wünschenswert gewesen.
Diese zusätzlichen Vergünstigungen von rund 358 Mio. Euro stehen im Widerspruch zur Absicht der Bundesregierung, steuerliche Vergünstigungen im Rahmen der Energiebesteuerung wie z.B. bei der Ökosteuer abzubauen. Durch Minderung der Ausgleichsregelungen für energieintensive Betriebe sollen ab 2011 insgesamt 1 Mrd. Euro bei den Betrieben des verarbeitenden Gewerbes eingespart werden, ab 2012 sogar 1,5 Mrd. Euro. Diese Einsparungen können für viele energieintensive Betriebe Existenz gefährdend wirken.
Entlastungen bei der Energiesteuer für landwirtschaftliche Betriebe und Schiffe sind mit gleichzeitigen Belastungen für energieintensive Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes nicht vereinbar.
2. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 2 Absatz 4a EnergieStG)
In Artikel 1 Nummer 4 ist Buchstabe b zu streichen.
Folgeänderungen:
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 4 ist der einleitende Satzteil wie folgt zu fassen:
" § 2 Absatz 3 Satz 1... weiter wie Vorlage ... "
- b) In Nummer 16 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa, Nummer 18 und Nummer 19 sind die jeweiligen Verweise auf § 2 Absatz 4a zu streichen.
Begründung:
Mit Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 2 Absatz 4a) und den entsprechenden Folgeänderungen soll die Besteuerung von Ersatz- und Sekundärbrennstoffen neu geregelt werden. Vor einer Beschlussfassung sollten nach Auffassung des Bundesrates die Auswirkungen dieser Regelungen nochmals geprüft werden. Um das Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der darüber hinaus vorgesehenen Änderungen aber nicht zeitlich zu verzögern, sieht der Änderungsvorschlag lediglich die Streichung der Regelungen bezüglich der Ersatz- und Sekundärbrennstoffe aus dem Gesetzentwurf vor. Nach Prüfung folgender offener Fragen kann ggf. die Neuregelung in dem zweiten bereits geplanten Gesetzgebungsverfahren zur Energie- und Strombesteuerung aufgenommen werden:
- 1. Wie überlagern die bestehenden Sonderregelungen für Unternehmen (Steuerbefreiung für bestimmte energieintensive Prozesse, allgemeine Steuerbegünstigung, Spitzenausgleich, Befreiung der Einsatzstoffe in der Stromerzeugung) die explizit neu einzuführende Steuer auf Sekundär- und Ersatzbrennstoffe
- 2. Welche realen Mehrbelastungen sind für Nutzer von Sekundär- und Ersatzbrennstoffen zu erwarten Dabei ist zwischen
- a) energieintensiven Industrien (z.B. Zementindustrie),
- b) Kohlekraftwerken,
- c) Thermischen Ersatzbrennstoff-Feuerungsanlagen und
- d) Müllverbrennungsanlagen zu differenzieren.
- 3. Anders als bei dem Erlaubnisscheinverfahren, mit dem Kohle zur Stromerzeugung steuerfrei bezogen werden kann, sieht die Regelung im Gesetzentwurf bei Ersatz- und Sekundärbrennstoffen eine Steuerpflicht mit ggf. anschließender Rückerstattung vor. Dies hat Auswirkungen auf die Liquidität und verursacht Verwaltungsaufwand. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bei Ersatz- und Sekundärbrennstoffen nicht das Erlaubnisscheinverfahren gewählt
- 4. Welche Steuermehreinnahmen erwartet die Bundesregierung für die Einführung einer Steuer auf Sekundär- und Ersatzbrennstoffe, d.h. welcher Anteil der in den finanziellen Auswirkungen für eine Gruppe von Änderungen ausgewiesenen 7 Millionen Euro (S. 13 der BR-Drs. 483/10 (PDF) ) entfällt auf die Steuer auf Sekundär- und Ersatzbrennstoffe
- 5. Soll die Energiesteuer nur bestimmte Abfälle umfassen - beispielsweise nur feste und flüssige, nur aufbereitete, heizwertreiche - oder jeglichen Abfall, bei dessen Verwertung oder Beseitigung Strom erzeugt oder Wärme abgegeben und genutzt wird
- 6. Wie soll der biogene Anteil von Sekundär- und Ersatzbrennstoffen - der konzeptionell als erneuerbare Energien nicht besteuert werden sollte - herausgerechnet werden In welchem Verfahren und mit welchem Aufwand soll dies geregelt werden
- 7. Wie soll bei mehrstufigen Entsorgungsverfahren und gemeinsamer Behandlung von Abfällen mit unterschiedlichem Heizwert die Höhe der Steuer ermittelt und umgelegt werden (Untersuchungs- und Verwaltungsaufwand)
- 8. Besteht die Gefahr einer Besteuerung von Abfällen, für die bereits Gebühren entrichtet worden sind (beispielsweise Hausmüll, hausmüllähnlicher Gewerbeabfall)
- 9. Welche Regelungen bezüglich der Besteuerung von Sekundär- und Ersatzbrennstoffen gibt die EU-Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG) vor
3. Zu Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe a (§ 28 Satz 1 Nummer 1 EnergieStG) In Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe a sind in § 28 Satz 1 Nummer 1 vor dem Komma am Ende folgende Wörter einzufügen:
", sowie gasförmige Kohlenwasserstoffe, die bei abgelagerten Abfällen (Deponiegas) oder bei der Abwasserreinigung (Klärgas) anfallen"
Begründung:
Es ist kein fachlicher Grund erkennbar, weshalb Deponiegas und Klärgas entgegen der bisherigen Regelung von der Steuerbefreiung ausgenommen werden sollen. Der Wegfall der Steuerbefreiung hätte negative Auswirkungen auf die Umwelt, da die Anstrengungen im Bereich der Abfallentsorgung und der Abwasserbehandlung, die Emission klimaschädigender Gase zu reduzieren und gleichzeitig fossile Energieträger zu substituieren, bei Wegfall der Steuerbefreiung reduziert würden.
B
- 4. Der federführende Finanzausschuss und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.