A. Problem und Ziel
- § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 der Strafprozessordnung (StPO) billigt Verteidigern und Rechtsanwälten, einschließlich ihnen gleichgestellten sonstigen Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, in gleicher Weise ein Zeugnisverweigerungsrecht zu über das, was ihnen in dieser beruflichen Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist.
- Dies dient dem Interesse der Mandanten. Diese sollen sich Verteidigern und Rechtsanwälten ohne die Sorge anvertrauen können, dass der Verteidiger oder der Rechtsanwalt später über den Inhalt der Kommunikation Zeugnis abgeben muss.
- § 160a StPO greift dies auf und schränkt strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, mit denen Erkenntnisse gewonnen würden, die dem Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 StPO genannten Berufsgeheimnisträger unterliegen, ein, differenziert hierbei jedoch: Für Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete gilt gemäß § 160a Absatz 1 StPO ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot hinsichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen. Für andere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger - und damit auch für Rechtsanwälte, die im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verteidigungsmandats tätig werden - greift nach § 160a Absatz 2 StPO ein Erhebungs- und Verwertungsverbot nur nach Maßgabe einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall ein.
- Diese Differenzierung wird insbesondere im Verhältnis Verteidiger - Rechtsanwalt vielfach als nicht sachgerecht erachtet, zumal der Übergang vom Anwalts- zum Verteidigermandat in der Praxis mitunter fließend sein kann.
B. Lösung
- Der absolute Schutz des § 160a Absatz 1 StPO vor strafprozessualen Beweiserhebungs- und Verwertungsmaßnahmen wird auf Rechtsanwälte (einschließlich der niedergelassenen oder dienstleistenden europäischen Rechtsanwälte), nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen sowie Kammerrechtsbeistände (§ 209 BRAO) erstreckt.
C. Alternativen
- Beibehaltung des jetzigen Rechtszustandes, der jedoch aus den zu A. genannten Gründen nicht befriedigt.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
- Keine.
2. Vollzugsaufwand
- Keiner.
- Vorhandene strafprozessuale Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote werden lediglich erweitert.
E. Sonstige Kosten
- Die vorgesehene Regelung verursacht keine sonstigen Kosten. Sie wird auch keine direkten oder indirekten Kosten für die Wirtschaft zur Folge haben und auch nicht die Entwicklung der Preise beeinflussen.
F. Bürokratiekosten
- Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht, oder abgeschafft.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 23. April 2010
Die Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
DrAngela Merkel
Fristablauf: 04.06.10
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung
§ 160a der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I ...), geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- a) Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig."
- b) Satz 5 wird wie folgt gefasst:
"Die Sätze 2 bis 4 gelten entsprechend, wenn durch eine Ermittlungsmaßnahme, die sich nicht gegen eine in Satz 1 in Bezug genommene Person richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt werden, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte."
- a) Satz 1 wird wie folgt gefasst:
- 2. Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
"Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Rechtsanwälte, nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen und Kammerrechtsbeistände."
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I.
§ 53 der Strafprozessordnung (StPO) gewährleistet den dort genannten Berufsgeheimnisträgern ein Zeugnisverweigerungsrecht über ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung anvertraute oder bekanntgewordene Informationen. Dieses Recht, das Zeugnis im Rahmen einer Vernehmung verweigern zu dürfen, ist durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) als solches unangetastet geblieben und sogar gestärkt worden: Mit dem neu in die Strafprozessordnung eingefügten § 160a StPO hat der Gesetzgeber unter uneingeschränkter Beibehaltung sowohl der Zeugnisverweigerungsrechte als auch dem mittelbaren Schutz des Berufsgeheimnisses dienenden Sonderregelungen in § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 100c Absatz 6 StPO (Verbot der akustischen
Wohnraumüberwachung) erstmals eine Regelung geschaffen, wonach auch alle anderen Ermittlungsmaßnahmen Einschränkungen unterworfen wurden, wenn sie zu Erkenntnissen führen die in einer Vernehmungssituation dem Zeugnisverweigerungsrecht eines Berufsgeheimnisträgers unterfallen würden.
§ 160a StPO enthält indessen eine wesentliche Differenzierung: Für Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete gilt gemäß § 160a Absatz 1 StPO ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot hinsichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen. Für andere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger - und damit auch für Rechtsanwälte, die im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verteidigungsmandats tätig werden - greift nach § 160a Absatz 2 StPO ein Erhebungs- und Verwertungsverbot nur nach Maßgabe einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall ein.
Ungeachtet des mit § 160a StPO im Vergleich zur früheren Rechtslage für alle Vertrauensverhältnisse zu Berufsgeheimnisträgern geschaffenen zusätzlichen Schutzes wurde und wird die Ausdifferenzierung in absolut und relativ geschützte Vertrauensverhältnisse als unbefriedigend erachtet (vgl. Hassemer, AnwBl 2008, 413, 419).
II.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz von Berufsgeheimnisträgern insgesamt weiter zu verbessern. Sie greift deshalb mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die teilweise geäußerte Kritik auf und schlägt vor, in einem ersten Schritt die als problematisch erachtete Differenzierung zwischen dem Vertrauensverhältnis zu einem Verteidiger einerseits und demjenigen zu einem (sonstigen) Rechtsanwalt sowie ihm weitgehend gleichstehenden Berufsgeheimnisträgern mit anwaltlichen Aufgaben (in die Rechtsanwaltskammer aufgenommene ausländische Rechtsanwälte nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie Kammerrechtsbeistände) andererseits zu beseitigen - und zwar zugunsten eines jeweils absoluten Schutzes im Rahmen des § 160a Absatz 1 StPO. Eine einheitliche Behandlung beider Vertrauensverhältnisse erscheint gerechtfertigt, weil sowohl die anwaltliche als auch die strafverteidigende Tätigkeit ganz überwiegend von derselben Berufsgruppe (Anwälte, Kammerrechtsbeistände) ausgeübt wird und der sich dabei im Einzelfall vollziehende Übergang von einem Anwalts- zum Verteidigermandat in der Praxis oftmals fließend ist.
In einem weiteren Schritt wird die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob die Einbeziehung weiterer Berufsgeheimnisträger in den absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO angezeigt und im Hinblick auf die Durchsetzung des Strafverfolgungsanspruches des Staates vertretbar ist.
III.
Der mit dem vorliegenden Entwurf zu verbessernde Schutz der anwaltlichen Berufsausübung liegt im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege. Dem Anwalt als unabhängigem Organ der Rechtspflege (vgl. § 1 BRAO) kommt eine besondere Bedeutung zu. Er soll die Teilhabe am Recht gewährleisten und der Verwirklichung des Rechtsstaats dienen (§ 3 Absatz 1 BRAO, § 1 Absatz 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte). Die herausgehobene Stellung des Anwalts manifestiert sich auch in seiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht. Diese zählt seit jeher zu den anwaltlichen Grundpflichten (Henssler, NJW 1994, S. 1817, 1818). Der im öffentlichen Interesse liegende ungehinderte Zugang zu Anwälten setzt die Vertraulichkeit der Beziehungen zu ihren Mandanten voraus.
Sowohl die Tätigkeit des Verteidigers als auch diejenige des nichtverteidigenden Anwalts setzt gleichermaßen das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zum Mandanten voraus.
Für diesen ist die Inanspruchnahme der anwaltlichen Dienste mit einem hohen Maß an Vertrauen in deren Sachkunde, Diskretion und Sorgfalt im Umgang mit vertraulichen Informationen verbunden. Der Eigenwert der anwaltlichen Tätigkeit wird geschmälert, wenn Maßnahmen der Strafverfolgung sie beeinträchtigen können. Das ist wiederum der Fall, wenn wegen der Möglichkeit des Einsatzes etwa von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen ein Mandatsverhältnis von Beginn an mit Unsicherheiten hinsichtlich seiner Vertraulichkeit belastet wird. Sobald ein Mandant die Möglichkeit fürchten muss, dass Ermittlungsmaßnahmen, die sich gegen seinen Anwalt richten, nach Maßgabe des § 160a Absatz 2 StPO als verhältnismäßig angesehen werden könnten, wird er seinem Anwalt möglicherweise kritische Informationen nicht mehr ohne weiteres anvertrauen.
Die bisherige Differenzierung zwischen Strafverteidigern und Anwälten setzt überdies eine Abgrenzung der beiden Tätigkeiten voraus, die sich in der Praxis angesichts der Tatsache, dass ein Strafverteidiger in der Regel zugleich auch Rechtsanwalt ist, oftmals nicht durchführen lässt (vgl. Ignor, NJW 2007, S. 3403, 3405). Der Bürger, der die Leistungen eines Anwalts in Anspruch nimmt, vermag ohnedies bei einem relativen Schutz in Gestalt einer Einzelfallabwägung im Vorhinein nicht für sich abzuschätzen, welcher Schutz etwa mit dem Anwalt geführten fernmündlichen Beratungsgesprächen vor verdeckten Ermittlungsmaßnahmen zukommt. Wenn jedoch bereits zu Beginn der Übernahme eines Mandats die latente Gefahr eines Einsatzes von solchen Maßnahmen besteht, wird sich oftmals das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nur schwerlich aufbauen lassen (vgl. Paeffgen, FS für Rieß, 2002, S. 433).
IV.
Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 160a Absatz 1 StPO auf Rechtsanwälte stellt auch unter Berücksichtigung der damit einhergehenden entsprechenden Beschränkung der Ermittlungstätigkeit und möglichen Beeinträchtigung der Wahrheitsforschung noch einen angemessenen Ausgleich zwischen den Erfordernissen einer effektiven Strafverfolgung als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger am Schutz der Vertrauensverhältnisse zu Rechtsanwälten, die als Organ der Rechtspflege eine unabhängige Interessenvertretung der Mandanten gewährleisten, dar.
Zum einen haben rechtstatsächliche Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg keine Hinweise darauf ergeben, dass Berufsgeheimnisträger in der Praxis beispielsweise in Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen einbezogen werden (vgl. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, Freiburg 2003, S. 275). Zum anderen stellt die Verstrickungsregelung in § 160a Absatz 4 StPO sicher, dass bei einem Tatverdacht, der sich auch gegen den Berufsgeheimnisträger richtet, Ermittlungsmaßnahmen auch gegen diesen weiterhin möglich sind.
V.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (gerichtliches Verfahren). Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
VI.
Im Hinblick auf § 1 Absatz 2 des Bundesgleichstellungsgesetzes, wonach die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen sollen, wurde erwogen, anstelle der Bezeichnung "Rechtsanwalt" eine geschlechtsneutrale Bezeichnung oder die Bezeichnung "Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin" in § 160a Absatz 1 und 2 StPO-E zu verwenden. Im Ergebnis sieht der Entwurf davon ab, weil der Begriff "Rechtsanwalt" nicht nur in der Strafprozessordnung, z.B. in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, sondern auch im (sonstigen) Recht der Rechtsanwaltschaft, insbesondere in der Bundesrechtsanwaltsordnung, durchgängig unter Einbeziehung sowohl weiblicher als auch männlicher Personen, die diesen Beruf ausüben, verwendet wird und sich eine umschreibende Bezeichnung aufgrund der differenzierenden Regelungen im Zugang zu rechtsberatenden Berufen nicht anbietet.
VII.
Die gesetzlichen Änderungen erschöpfen sich darin, im Grundsatz bereits vorhandene strafprozessuale Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote vorsichtig auszudehnen.
Hierdurch werden weder Kosten noch Vollzugsaufwand für die öffentlichen Haushalte verursacht ebenso sind Auswirkungen auf die Wirtschaft oder das Verbraucherpreisniveau nicht zu erwarten. Auch werden weder für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger noch für öffentliche Stellen Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Das Vorhaben berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung § 160a Absatz 1 und 2 StPO)
Mit der Änderung zu Nummer 1 werden Rechtsanwälte und bestimmte, ihnen hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gleichstehende Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer künftig von § 160a Absatz 1 Satz 1 und 5 StPO mit erfasst und damit in den absoluten Schutz, den § 160a Absatz 1 StPO vor strafprozessualen Erhebungs- und Verwertungshandlungen gewährt einbezogen. Ermittlungsmaßnahmen, die sich gegen einen Rechtsanwalt richten und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die der Rechtsanwalt das Zeugnis verweigern dürfte, werden damit nach § 160a Absatz 1 Satz 1 StPO-E unzulässig; dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nach § 160a Absatz 1 Satz 2 StPO nicht verwertet werden. Dieses Verwertungsverbot gilt nach § 160a Absatz 1 Satz 5 StPO-E auch für den Fall, dass sich die Ermittlungsmaßnahme zwar nicht gegen den Rechtsanwalt richtet sie aber dazu führt, dass unmittelbar von ihm Erkenntnisse erlangt werden, über die er das Zeugnis verweigern dürfte. Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn im Rahmen einer gegen einen Mandanten gerichteten Telekommunikationsüberwachung Gespräche zwischen Mandant und Rechtsanwalt erfasst werden. Von dem Verwertungsverbot nicht erfasst werden hingegen Erkenntnisse, die von einer dritten Person, an die der Rechtsanwalt die Information weitergegeben hat, erlangt wurden.
Nummer 2 enthält lediglich eine Folgeänderung: Durch die Einbeziehung von Rechtsanwälten und bestimmten, ihnen gleichstehenden Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer in § 160a Absatz 1 StPO ist es notwendig, diese Personengruppen aus dem Anwendungsbereich des § 160a Absatz 2 StPO herauszunehmen; dies wird durch die in Nummer 2 vorgesehene Änderung sichergestellt.
Als Rechtsanwalt kann nach § 4 BRAO nur zugelassen werden, wer die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat oder die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (EuRAG, BGBl. I S. 182) erfüllt oder die Eignungsprüfung nach dem vorbezeichneten Gesetz bestanden hat. Mit der Zulassung ist die Mitgliedschaft in der zulassenden Rechtsanwaltskammer verbunden (§ 12 Absatz 3 BRAO) und die betroffenen Person darf ihre rechtsberatende Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Rechtsanwältin" oder "Rechtsanwalt" ausüben (§ 12 Absatz 4 BRAO). Mit der Bezugnahme auf "Rechtsanwälte" in § 160a Absatz 1 StPO sind hiernach ohne weiteres sowohl der mit der Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz ausgewiesene und die Kammermitgliedschaft innehabende "deutsche" Rechtsanwalt als auch der nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland in die Rechtsanwaltskammer aufgenommene niedergelassene europäische Rechtsanwalt (§ 2 EuRAG) erfasst. Darüber hinaus umfasst des Begriff des Rechtsanwalts aufgrund der Regelungen in den §§ 25 ff. EuRAG auch den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt (vgl. hierzu unter dem Aspekt der Verteidigung: Lüderssen/Jahn in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Aufl., § 138 Rn. 7c ff.).
Der Entwurf bezieht ferner auch weitere Personen, die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind, in den Anwendungsbereich des § 160a Absatz 1 StPO ausdrücklich ein. Es handelt sich hierbei um (sonstige) ausländische Rechtsanwälte, die nach Maßgabe des § 206 BRAO die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer innehaben, sowie um die in die Rechtsanwaltskammer aufgenommenen Inhaber einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (Kammerrechtsbeistände, § 209 BRAO). Bereits nach derzeitiger Rechtslage kann Angehörigen dieser beiden Personengruppen im Einzelfall der absolute Schutz des § 160a Absatz 1 StPO zuteil werden, nämlich dann, wenn sie als "andere Personen" gemäß § 138 Absatz 2 StPO in einem Strafverfahren mit Genehmigung des Gerichts als (Wahl)Verteidiger zugelassen worden sind (vgl. Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 138 Rn. 7, 13; Lüderssen, in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Aufl., § 138 Rn. 26; Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO; § 138 Rn. 26 f.).
Das geltende Recht der Zeugnisverweigerung stellt in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 letzter Halbsatz StPO die vorgenannten Personen Rechtsanwälten gleich. Diesen Personen steht damit nicht nur das Recht zur Zeugnisverweigerung zu, sondern sie nehmen auch an dem mittelbaren Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts durch die §§ 97, 100c Absatz 6 und § 160a StPO in gleicher Weise teil, wie dies bei Rechtsanwälten der Fall ist.
Dies begründet sich mit der weitgehenden Identität ihrer beruflichen Rechte und Pflichten mit denjenigen des Rechtsanwalts. Es ist deshalb sachgerecht und entspricht der bisherigen gesetzgeberischen Wertung, die Berufsausübung dieser Personen auch künftig in derselben Weise zu schützen wie die Berufsausübung von nach § 4 BRAO zugelassenen Rechtsanwälten. Gründe, die eine Abweichung hiervon rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Nicht einbezogen werden hingegen Rechtsanwaltsgesellschaften und deren Geschäftsführer (§§ 59a ff. BRAO), die nach Maßgabe des § 60 Absatz 1 BRAO ebenfalls Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sein können. Die Nichteinbeziehung gründet in dem Umstand, dass die in der Rechtsanwaltsgesellschaft tätigen Rechtsanwälte und Angehörigen der in den §§ 206 und 209 Absatz 1 BRAO genannten rechtsberatenden Berufe bereits selbst unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 160a Absatz 1 StPO-E einbezogen werden so dass eine darüber hinausgehende Einbeziehung Auswirkungen nur hinsichtlich anderer Berufsgruppen hätte, denen nach §§ 59e Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 59a Absatz 1 Satz 1 BRAO die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltsgesellschaft offen steht (Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer). Die etwaige Einbeziehung dieser Berufsgruppen in den absoluten Schutz des § 160a Absatz 1 StPO soll indessen - wie im Allgemeinen Teil unter II. ausgeführt - einer gesonderten Prüfung vorbehalten blieben.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1123:
Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht
Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.
Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine neuen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig | Bachmaier |
Vorsitzender | Berichterstatter |