863. Sitzung des Bundesrates am 6. November 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung des Richtlinienvorschlags, die Wirksamkeit der Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003) zu erhöhen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung jedoch, im Verlauf der Beratungen in den Gremien der EU im Hinblick auf Artikel 1 (Änderung der Prospektrichtlinie) auf folgende Punkte hinzuweisen:
- 2. Die unter Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe j der Prospektrichtlinie fallenden Nichtdividendenwerte sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, wobei eine Obergrenze von 50 Mio. Euro maßgebend ist. Der neue Absatz 4 des Artikels 1 der Prospektrichtlinie sieht vor, dass die Obergrenze im Wege von Durchführungsmaßnahmen der Kommission angepasst werden kann, um den technischen Entwicklungen an den Finanzmärkten Rechnung zu tragen und die einheitliche Anwendung der Richtlinie zu gewährleisten. Es sollte geprüft werden, ob die Obergrenze von 50 Mio. Euro, die sich offenbar in der Praxis als zu niedrig erwiesen hat, in der Richtlinie selbst deutlich nach oben angehoben werden sollte. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass der Anlegerschutz nicht beeinträchtigt wird.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass Artikel 1 Nummer 5 des Richtlinienvorschlags (Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2003/71/EG) eine inhaltliche Erweiterung der Prospektzusammenfassung um Informationen vorsieht, die für eine fundierte Anlageentscheidung und Vergleichbarkeit mit anderen Anlageprodukten notwendig sind.
- 4. Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass den Anlegern neben der Prospektzusammenfassung, die mehrere Seiten umfassen kann, ein übersichtliches und standardisiertes Produktinformationsblatt mit den wesentlichen Anlageinformationen zur Verfügung gestellt werden sollte. Nur so scheint es möglich, eine kurze und leicht verständliche zentrale Informationsquelle für den Anleger zu schaffen, wie sie gemäß Erwägungsgrund 10 des Richtlinienvorschlags angestrebt wird. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich für eine entsprechende Ergänzung in Artikel 5 der Richtlinie 2003/71/EG einzusetzen. Hinsichtlich des Inhalts des Produktinformationsblattes wird bei späteren Rechtsakten, wie dem von der Kommission in ihrer Mitteilung vom 30. April 2009 - Anlageprodukte für Kleinanleger, KOM (2009) 204 endg. - angekündigten horizontalen Rechtsinstrument betreffend Anlageprodukte für Kleinanleger, auf eine kohärente Ausgestaltung zu achten sein.
- 5. Der Bundesrat weist außerdem darauf hin, dass unabhängig von der Größe des Emittenten eine ausreichende Information der Anleger über die wesentlichen Eigenschaften und Risiken des angebotenen Wertpapiers sichergestellt sein muss. Auch sollte bei einer Verlängerung der Gültigkeit von veröffentlichten Prospekten von 12 auf 24 Monate gemäß Artikel 1 Nummer 9 des Richtlinienvorschlags (Artikel 9 der Prospektrichtlinie) beachtet werden, dass mit der Verlängerung die Gefahr der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts zunimmt.
Begründung zu Ziffern 3 bis 5 (nur gegenüber dem Plenum):
Die geltende Regelung in Artikel 5 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2003/71/EG ("Prospektrichtlinie") enthält nur sehr knappe Vorgaben für die Gestaltung der Prospektzusammenfassung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Zurückhaltung des Gesetzgebers in der Praxis zu sehr unterschiedlichen Gestaltungen und Umfängen der Prospektzusammenfassungen führt. Ähnliche Erfahrungen bestehen auch bei der Gestaltung der Produktinformationsblätter für Versicherungsverträge. Eine Zusammenfassung mit 20 Seiten oder mehr erfüllt nur bedingt den Anspruch an eine einfache, kurze und leicht verständliche Produktinformation. Da eine mehr als 20 Seiten umfassende Zusammenfassung außerdem die Gefahr birgt, dass selbst die Anlageberater und -vermittler nicht alle wesentlichen Informationen erfassen, wird eine übersichtliche und transparente Darstellung in Form eines standardisierten Produktinformationsblattes für erforderlich gehalten.
Ein Abwarten des von der Kommission angekündigten horizontalen Rechtsinstruments für Anlageprodukte, die an Kleinanleger vertrieben werden, erscheint nicht geboten. Die vorgeschlagene Verankerung eines standardisierten Produktinformationsblattes in der Prospektrichtlinie kann und soll Vorbildfunktion für andere Anlageprodukte entfalten. Allerdings müsste bei späteren Rechtsakten auf Kohärenz geachtet werden.
Im Übrigen sollte darauf hingewiesen werden, dass Erleichterungen bei den administrativen Anforderungen nicht zu höheren Risiken der Anleger führen dürfen. Andernfalls müssten den in der Folgenabschätzung angenommenen Einsparungen auf Emittentenseite höhere Schadensrisiken auf Anlegerseite gegenübergestellt werden.
- 6. Artikel 18 Absatz 1 der Prospektrichtlinie regelt das Notifizierungsverfahren, das zu durchlaufen ist, damit ein gebilligter Prospekt nach Artikel 17 der Prospektrichtlinie in den Aufnahmemitgliedstaaten Gültigkeit erlangt. Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates übermittelt den zuständigen Behörden der Aufnahmemitgliedstaaten eine Bescheinigung über die Billigung des Prospekts, aus der hervorgeht, dass dieser gemäß der Richtlinie erstellt wurde. Dem Emittenten oder der für die Prospekterstellung zuständigen Person wird die Bescheinigung über die Billigung zur gleichen Zeit übermittelt wie der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaates. In der überarbeiteten Fassung des Artikels 18 der Prospektrichtlinie ist nicht vorgesehen, dass die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaates dem Emittenten eine Bescheinigung über den Abschluss des Notifizierungsverfahrens übermittelt. Es sollte geprüft werden, ob dies aus praktischen Gründen erforderlich ist, um dem Emittenten die notwendige Klarheit und Rechtssicherheit im Hinblick darauf zu verschaffen, dass er den Vertrieb im Aufnahmemitgliedstaat aufnehmen kann.
B.
- 7. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.