Der Bundesrat hat in seiner 864. Sitzung am 27. November 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
Die Kommission hat im Hinblick auf die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik im Jahr 2012 am 22. April 2009 ein Grünbuch vorgelegt und einen öffentlichen Konsultationsprozess bis Ende des Jahres eingeleitet.
Zur Begründung stellt die Kommission fest, dass die heutige Realität der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) aus Überfischung, Flottenüberkapazität, wirtschaftlicher Anfälligkeit und rückläufigen Fängen der europäischen Fischer besteht und dass die derzeitige GFP bei der Verhinderung dieser Probleme versagt hat.
In den Ansätzen für die Reform folgt die Kommission jedoch weitgehend den seinerzeitigen Zielen für die Reform 2002, die zu einem großen Teil nicht erreicht wurden. Sie beabsichtigt, die Kernprobleme Überkapazitäten, Überfischung und Kontrolle nicht direkt, sondern mittelbar über andere Instrumentarien zu lösen, und stellt dabei u. a. den Eckpfeiler der relativen Stabilität in Frage.
Vor dem Hintergrund der Entwicklung der GFP in der letzten Dekade und der Ansätze im Grünbuch erscheinen die Erfolgsaussichten der anstehenden Reform zweifelhaft. Es besteht die Sorge, dass versucht wird, die Probleme mit weiteren Rechtsvorschriften zu lösen. Damit würde die GFP jedoch noch aufwändiger, intransparenter und komplizierter werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei den anstehenden Konsultationen zum Grünbuch vor allem für die Berücksichtigung folgender Punkte einzusetzen:
- Vereinfachung der GFP
Die heutige GFP ist in weiten Teilen zu kompliziert sowie unübersichtlich und überreguliert und überfordert zunehmend Fischer und Verwaltungen. Hier liegt einer der Hauptgründe für das Scheitern der bisherigen GFP. Dennoch fehlt es dem Grünbuch an einer Zielsetzung, die GFP einfacher, transparenter und damit durchführbarer zu machen. Das Grünbuch lässt außerdem eine deutliche Zielsetzung zur EU-weit einheitlichen Durchsetzung der GFP-Bestimmungen vermissen. Da sich weniger Vorschriften grundsätzlicher, einfacher und transparenter umsetzen lassen als die derzeit vorhandene große Zahl von Regelungen, muss es auch hier zu Änderungen kommen.
Die künftige Fischereipolitik muss daher - wenn sie erfolgreich sein soll - einfacher, transparenter und durchführbarer werden. Diese Zielsetzung muss Eingang in die Diskussion finden und zu einem maßgeblichen Grundsatz der GFP-Reform werden. Der Abbau von Vorschriften und ernsthafte Vorschläge zur Entbürokratisierung müssen als ein wichtiges und vorrangiges Ziel Eingang in die Grünbuch-Diskussion finden.
- Problem der Überkapazitäten
Überkapazitäten gibt es nicht in allen Fischereien und Mitgliedstaaten. Eine Lösung des Problems wird daher nur über eine Identifizierung und Analyse der tatsächlichen Überkapazitäten sowie ein differenziertes Herangehen möglich sein.
Das Grundproblem der Überkapazitäten muss gelöst werden. Hierzu ist es erforderlich, dass dieses Problem direkt angegangen wird. Im Grünbuch fehlt es jedoch an entsprechenden Vorschlägen; es soll vielmehr zur Anwendung mittelbarer Instrumentarien kommen, die eine andere Gewichtung möglich machen.
Von der Kommission müssen daher geeignete Vorschläge zum Abbau von Überkapazitäten eingefordert werden, die differenziert und direkt an dem Kapazitätsproblem ansetzen und den bisherigen Kapazitätsabbau in den Mitgliedstaaten berücksichtigen. Ein Ausweichen auf mittelbare Instrumentarien ist abzulehnen.
- Relative Stabilität
Zu den Grundpfeilern der GFP gehört das Prinzip der relativen Stabilität einschließlich der nationalen Quoten und des Rechts auf Quotentausch. Das System von nationalen Quoten, die von den Mitgliedstaaten entsprechend den nationalen Gegebenheiten bewirtschaftet werden, hat sich aus deutscher Sicht bewährt. Dieses stellt bei effizienter Fischereikontrolle zusammen mit den Fischereipartnerschaftsabkommen sowie der Mitgliedschaft der EU in Regionalen Fischereiorganisationen am ehesten sicher, dass die Mitverantwortung der Mitgliedstaaten für die nachhaltige Fischerei gewahrt bleibt und die europäische Fischerei in allen EU-Küstenstaaten eine verlässliche Zukunftsperspektive hat.
Das Prinzip der relativen Stabilität und das System der nationalen Quoten ist und bleibt aus deutscher Sicht ein Eckpfeiler der GFP, der nicht verhandelbar ist. Jeder Ansatz der Kommission, das Problem der Überkapazitäten durch eine Neuverteilung der Quoten zu lösen oder Quoten durch ein rein aufwandsbasiertes Management zu ersetzen, ist daher strikt abzulehnen.
- Handwerkliche Küstenfischerei und Zugang zu den Küstengewässern
Im Rahmen der GFP spricht die Kommission häufig von der handwerklichen (kleinen) Küstenfischerei. In der Realität der einschlägigen Vorschriften wird jedoch den regionalen Besonderheiten dieser Fischereien, zu denen z.B. auch die unquotierte Krabbenfischerei gehört, kaum Rechnung getragen. Auch fehlt es bisher an einer Definition der handwerklichen Küstenfischerei.
Die Besonderheiten der handwerklichen (kleinen) Küstenfischerei müssen künftig in den Gemeinschaftsvorschriften verstärkt berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit dieser Fischereien sollte auch die Möglichkeit von Beihilfen für Neubauten erneut geprüft werden.
Die 12-Seemeilen-Regelung, mit der die Küstengewässer eines Mitgliedstaats grundsätzlich seiner eigenen Flotte vorbehalten werden, muss beibehalten werden.
- Regionale Beratungsgremien
Die Stärkung regionaler Beratungsgremien wird grundsätzlich positiv gesehen. Entscheidungen müssen jedoch der europäischen Ebene vorbehalten bleiben.
- Nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung
Das Ziel einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Ressourcen ist zu unterstützen. Hierzu gehören auch die schrittweise Einführung von Rückwurfverboten und Anlandegeboten, Anreize zugunsten selektiver Fischereien sowie die Stärkung der Eigenverantwortung der Fischerei auf freiwilliger Basis.
Ferner sollten im Sinne einer nachhaltigen Resourcenbewirtschaftung und zur Stabilisierung wichtiger Fischbestände auch aquakulturgestützte Fischereimanagementmaßnahmen im Bereich der Meeresaquakultur einbezogen werden.
Regelungen zur binnenländischen Aquakultur und Binnenfischerei sollten jedoch von der Gemeinsamen Fischereipolitik ausgenommen und den Mitgliedstaaten überlassen werden.