847. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2008
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
A
Konzeption der Ausschüsse EU, Wi
- (bei Annahme von Buchstabe A entfällt Buchstabe B)
- 1. Der Bundesrat erkennt die Zielsetzung der Kommission an, die Umweltfreundlichkeit der öffentlichen Beschaffung zu erhöhen.
- 2. Der Bundesrat lehnt jedoch jeden Ansatz, die öffentliche Beschaffung für die vorrangige Verfolgung von umweltpolitischen Zielen zu instrumentalisieren, entschieden ab. Die Vergabe öffentlicher Aufträge dient vorrangig der Bedarfsdeckung unter sparsamer Verwendung der öffentlichen finanziellen Mittel.
- 3. Der Bundesrat sieht keinen sachlichen Bedarf für eine Koordinierung der Umweltorientierung öffentlicher Beschaffungsvorgänge durch die EU. Die Einführung europaweit verbindlicher Vorgaben schränkt nicht nur den erforderlichen Spielraum bei der Vielzahl unterschiedlicher Beschaffungsvorgänge unnötig ein, sondern widerspricht auch dem politischen Ziel der Deregulierung und Entbürokratisierung, das wesentlicher Anlass für den Erlass der Vergabekoordinierungsrichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG war.
- 4. Vorrangiges Ziel der Beschaffung ist die Bedarfsdeckung der öffentlichen Hand, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Nach Auffassung des Bundesrates muss daher den öffentlichen Auftraggebern die Entscheidung überlassen bleiben, ob und zu welchem Zeitpunkt sie GPP-Kriterien anwenden. Der von der Kommission bei eigenen Auftragsvergaben als Maßstab herangezogene Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit muss auch für jeden Auftraggeber in den Mitgliedstaaten gelten.
- 5. Der Bundesrat lehnt den Vorschlag der Kommission ab, bis 2010 50 % aller Ausschreibungsverfahren durch Anwendung der in der Mitteilung dargelegten Instrumente umweltgerecht zu gestalten. Die Umsetzung dieser Absicht würde einen administrativen Mehraufwand begründen, der mit dem Ziel der Vereinfachung und Entbürokratisierung des öffentlichen Beschaffungswesens nicht vereinbar wäre. Zudem vermisst der Bundesrat eine Behandlung der finanziellen Auswirkungen des Vorschlags in der Mitteilung.
- 6. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen auf europäischer Ebene abzulehnen.
- 7. Der Bundesrat ist besorgt, dass der zunehmende Einsatz von [nicht zwingenden Rechtsinstrumenten (soft law) wie z.B.] Mitteilungen die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaftsorganen, Mitgliedstaaten, regionalen und lokalen Gebietseinheiten beeinträchtigt und das Subsidiaritätsprinzip nicht angemessen berücksichtigt.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass Kommissionsmitteilungen nicht geeignet sind, unmittelbare oder mittelbare Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten, ihre Gebietskörperschaften und Behörden zu begründen.
- 8. Umfangreiche Vorgaben der Kommission für die Abwicklung von Fördermaßnahmen, die mit EU-Mitteln kofinanziert werden, stellen schon jetzt eine erhebliche Belastung für die rechtssichere Abwicklung von Zuwendungsverfahren dar. Zusätzliche umweltspezifische Anforderungen an die Durchführung von Beschaffungsmaßnahmen unter Verwendung von EU-Mitteln erhöhen den bürokratischen Aufwand und führen zu einer weiteren, intransparenten Zersplitterung des Vergaberechts.
B
Konzeption des U-Ausschusses
- 9. Der Bundesrat begrüßt die Aufstellung gemeinsamer GPP-Kriterien für die umweltorientierten öffentlichen und privaten Beschaffungen durch eine Expertengruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bei der weiteren Erörterung der umweltorientierten öffentlichen Beschaffung, dass die geplante Mitteilungspflicht (Monitoring der umweltorientierten Aufträge gegenüber dem Gesamtwert der Aufträge im öffentlichen Beschaffungswesen) der Beschaffungsvorgänge im Rahmen der Deregulierung von der Kommission nicht weiter verfolgt wird.
- 11. Der Bundesrat bittet darüber hinaus die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Verknüpfung der Bereitstellung von EU-Mitteln für Projekte und Forschungsinitiativen mit GPP-Kriterien auf das notwendige Maß reduziert wird.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der erste Vorschlag im Kapitel 11 "Schluss und künftiges Vorgehen: "Die vorgeschlagenen Lösungen und Methoden zur Aufstellung gemeinsamer GPP-Kriterien als politisches Ziel und die empfohlenen Instrumente für die Intensivierung und die Verbesserung der umweltorientierten Beschaffung anzunehmen." sollte weiter verfolgt werden, da einheitliche umweltorientierte Kriterien geschaffen werden sollen.
Der zweite Vorschlag der Kommission im Kapitel 11 "Schluss und künftiges Vorgehen: "Die vorgeschlagenen Lösungen und Methoden mit nationalen GPP-Strategien in verstärkter Zusammenarbeit durchzuführen, insbesondere bei der Durchführung von EU-Finanzierungsmechanismen." sollte differenziert unterstützt werden, um die Vergabe von Forschungsvorhaben und Projekten, die mit EU-Finanzmitteln gefördert werden, nicht zu stark einzuengen.
Der dritte Vorschlag der Kommission im Kapitel 11 "Schluss und künftiges Vorgehen: "Laufende Arbeiten für die ergänzenden Maßnahmen zu unterstützen, um eine einheitliche Entwicklung der GPP-Kriterien und Zielvorgaben sicherzustellen und um die politische Unterstützung der GPP zu stärken." sollte nicht unterstützt werden, da durch das beabsichtigte Monitoring (Meldung von Vergaben mit und ohne GPP-Kriterien) ein überproportionaler Verwaltungsaufwand entsteht.
C
- 12. Der Finanzausschuss, der Verkehrsausschuss und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.