Antrag der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StRÄndG) - Antrag der Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern -

Punkt 16 der 846. Sitzung des Bundesrates am 4. Juli 2008

Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a, b (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) Nr. 2 (§ 47 Abs. 1 Satz 2 - neu - StGB) Nr. 3 Buchstabe b (§ 56 Abs. 3 Satz 2 StGB)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

Begründung (nur für das Plenum):

Der Schutz jener Personen, die auf Grund menschenverachtender, insbesondere rassistischer oder fremdenfeindlicher Motivation oder Zielsetzung Opfer von Straftaten werden, hat im geltenden Sanktionenrecht bislang nur einen unzureichenden Ausdruck gefunden. Dieser normative Befund wird auch von Teilen der Bevölkerung erkannt, wo immer wieder Anwendungsdefizite bei der Verfolgung und Sanktionierung rechtsextremistischer Gewalttaten geltend gemacht werden. Die Verhängung einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, wird zudem auch von den Tätern oftmals als nahezu bedeutungslose Sanktion empfunden und nicht als entschiedenes Entgegentreten des Rechtsstaates gegen die von ihnen verübte, zum Teil schwerwiegende und gewalttätige, Vorurteilskriminalität. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschläge sind grundsätzlich geeignet, dem deutlich entgegen zu wirken, indem menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in den Katalog der Strafzumessungskriterien aufgenommen, die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen statt Geldstrafen erleichtert und die Hürden für die Aussetzung einer verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung erhöht werden.

Der Entwurf ist ein deutliches Zeichen des Gesetzgebers gegen menschenverachtende Vorurteils- und Gewaltkriminalität. Anwendungsdefizite sowohl im Bereich der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit als auch bei der Strafzumessung können so vermieden werden.

Allerdings läuft der Gesetzentwurf durch die enumerative Aufzählung der regelmäßig strafschärfend zu berücksichtigenden Beweggründe in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E Gefahr, dass Straftaten gegen nicht ausdrücklich genannte Gruppen, die von einer entsprechenden Motivation getragen werden, nicht in gleicher Weise sanktionswürdig erscheinen. Die Aufzählung in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E ist nicht vollständig und kann es auch nicht sein. Die Liste wäre sicherlich - sachgerecht - erweiterbar, z.B. durch die Merkmale Geschlecht, Alter, Schicht (an die zahlreichen, teilweise sehr gravierenden Übergriffe auf Obdachlose sei erinnert), Sprache (vgl. Artikel 3 Abs. 3 GG), Beruf oder Zugehörigkeit zu bestimmten Sportvereinen. Der Gesetzentwurf wird damit seinem eigenen Ziel, nicht nur rassistische und fremdenfeindlich motivierte Straftaten zu missbilligen, sondern alle Taten, die nicht gegen ein Opfer als Individuum, sondern als Repräsentant einer bestimmten Menschengruppe begangen werden nicht ausreichend gerecht. Durch die am Entwurf vorgenommenen Änderungen, insbesondere die Aufnahme des Begriffs der menschenverachtenden Beweggründe und Ziele in § 46 Abs. 2 StGB, können hingegen alle derartigen Taten hinreichend gewürdigt werden, wobei nicht nur die Motivation des Täters, sondern auch die von ihm angestrebten Erfolge der Tat, so etwa das Ziel, Angst und Schrecken innerhalb der von der Tat betroffenen Personengruppe zu verbreiten, zu berücksichtigen sind.

Die Änderungen richten sich zudem nach der bislang in § 46 StGB enthaltenen Regelungstechnik. Die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB aufgezählten Strafzumessungskriterien sind als solche ambivalent und können damit im Rahmen des Strafzumessungsvorgangs je nach ihrer konkreten Ausgestaltung strafschärfende oder strafmildernde Berücksichtigung finden. Allein die nach dem Merkmal "sein Verhalten nach der Tat" mit dem Wort "besonders" angefügten Angaben, nämlich das Bemühen des Täters, den Schaden wieder gutzumachen, und sein Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu schaffen, können schon ihrem Wortlaut nach lediglich strafmildernde Wirkung entfalten. Dieser Regelungstechnik bedienen sich auch die Änderungen, indem hinter die Beweggründe oder Ziele des Täters mit dem Wort "besonders" Angaben eingefügt werden die in diesem Fall allerdings, schon auf Grund ihres Wortlauts, allein strafschärfende Bedeutung erlangen können und sollen. Entgegen § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E, in dem eine enumerative Aufzählung von Merkmalen, die ihrerseits eher ambivalent erscheinen, enthalten ist, wird durch die Beschreibung der Beweggründe und Ziele als "menschenverachtend" deutlich, dass diese Merkmale dem Täter allein strafschärfend zur Last gelegt werden sollen.

Auch die vom Entwurf nicht geklärte Problematik des "Motivbündels" wird durch die vorgenommenen Änderungen beseitigt. In § 47 StGB wird klar gestellt, dass die Tat von rassistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverachtenden Beweggründen mitbestimmt gewesen sein muss, diese Beweggründe oder Ziele damit also nicht unbedingt tatbestimmend gewesen sein müssen, sondern es ausreichend ist, dass es sich um einen Handlungsantrieb oder ein Ziel unter mehreren handeln kann.