Beschluss des Bundesrates
Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft

Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 5. Juli 2007 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.

Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst:

Die Bundesregierung wird gebeten, die Auswirkungen der neu eingeführten Bereichsausnahme für Schulbücher bei der Schrankenregelung des § 53 Abs. 3 UrhG sorgfältig zu beobachten und im Fall einer unangemessenen Verschlechterung der Bedingungen für den Kultusbereich der Länder kurzfristig eine Anpassung des Gesetzes vorzuschlagen.

Der Bundesrat spricht sich darüber hinaus dafür aus, nach der Verabschiedung des "Zweiten Korbes" möglichst rasch die Arbeiten an einem "Dritten Korb" für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens- und Informationsgesellschaft aufzunehmen. Im Rahmen dieses "Dritten Korbes" gilt es insbesondere

Darüber hinaus setzt sich der Bundesrat weiter dafür ein, dass

Begründung:

Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 016/5939) werden mit einer Ergänzung von § 53 Abs. 3 UrhG Schulbücher von der gesetzlichen Schranke, die die Vervielfältigung zum Gebrauch im Schulunterricht und für Prüfungen erlaubt, ausgenommen. Eine derartige Vervielfältigung ist damit nur noch mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Durch diese sogenannte Bereichsausnahme sollen Eingriffe in den Primärmarkt der Schulbuchverlage vermieden werden.

Im Hinblick auf die Vorgaben des Dreistufentests, wonach durch eine Schrankenregelung die normale Verwertung eines Werks nicht beeinträchtigt werden darf, steht die Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Schulbuchverlage bei der Ausgestaltung der Schranke außer Frage. Das klassensatzweise Kopieren ganzer Schulbücher oder großer Teile davon ist allerdings bereits nach geltendem Recht nicht zulässig. Andererseits ist die Fertigung einzelner Kopien in Klassenstärke für Unterricht und Prüfungen notwendig und nicht mehr wegzudenken. So verwenden die Lehrkräfte für Prüfungen, aber auch zur Ergänzung oder Vertiefung des Stoffs Aufgaben, Übungen und Darstellungen aus Schulbüchern, die nur sie selbst zur Verfügung haben, und die von der Klasse nicht als Lehrmittel verwendet werden. Auch bieten die Verlage spezielle Lehrerhefte an, die ergänzend zu dem Schulbuch für die Schüler unter anderem auch Kopiervorlagen enthalten. Für diese bisher zulässigen und im Unterricht unabdingbaren Kopien erhalten die Urheber eine Vergütung gemäß § 54a UrhG.

Derartige, für einen modernen, effektiven Unterrichtsablauf auch im Interesse der Schüler weiterhin notwendige Kopien sind künftig nur mit Zustimmung der Rechteinhaber zulässig. Der Bundesrat geht davon aus, dass seitens der Rechteinhaber nicht beabsichtigt ist, die Kopien grundsätzlich zu verbieten. Dies wäre nicht nur aus Sicht der Schulen, sondern auch aus Sicht der Urheber problematisch, weil die bisherige Vergütung entfallen würde, ohne dass das Verbot wirksam kontrolliert werden könnte. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, unter welchen Bedingungen eine Zustimmung erteilt wird. Dies gilt sowohl für das Verfahren als auch für die Frage einer Lizenzzahlung. Zunächst sind daher die Beteiligten (Kultusverwaltung, Schulbuchverlage, Urheber und ZFS - Zentralstelle Fotokopieren an Schulen) aufgefordert, sinnvolle und praktikable Regelungen zu treffen, die den Primärmarkt der Schulbuchverlage ausreichend schützen, aber im Schulbetrieb notwendige Kopien zu angemessenen Bedingungen und ohne Verwaltungsaufwand auf vertraglicher Basis weiter ermöglichen.

Sollte sich aber diese Erwartung nicht erfüllen und die Neuregelung zu Unzuträglichkeiten im Schulbetrieb oder zu unangemessenen Kosten für die Schulen, Schulaufwandsträger und Kultushaushalte führen, die durch den notwendigen Schutz des Primärmarkts der Schulbuchverlage nicht gerechtfertigt sind, ist eine Änderung des Gesetzes erforderlich. Die Prüfung sollte zusammen mit der im Jahr 2008 auf jeden Fall erforderlichen Überprüfung zu den §§ 52a und 137k UrhG erfolgen.

Darüber hinaus bleibt die Schaffung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts für die sich herausbildende globale Wissens- und Informationsgesellschaft ein zentrales bildungs- und forschungspolitisches Ziel. Dafür hat sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, dem "Zweiten Korb", vom 19. Mai 2006 - BR-Drs. 257/06(B) HTML PDF - mit Nachdruck eingesetzt. Auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2007 wird ebenfalls verwiesen (BT-Drs. 016/5939, S. 26). Mit der Umsetzung des "Zweiten Korbes" zur Änderung des Urheberrechts wurde zwar ein Schritt auf dem Weg zu einem solchen bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrecht unternommen. Diesem müssen jedoch weitere Schritte folgen. Notwendig ist ein "Dritter Korb" zur Novellierung des Urheberrechts, der die spezifischen Anforderungen von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens- und Informationsgesellschaft sowie der zunehmend wissensbasierten Wirtschaft stärker in den Mittelpunkt rückt und den rasanten technologischen Entwicklungen im IuK-Bereich sowie den Rahmenbedingungen für die neuen Lehr- und Lernplattformen (beispielsweise e-Learning, Distance Teaching, Online Instructioning usw.) Rechnung trägt.

Auf der Grundlage des Open-Access-Prinzips könnte die Chance für innovative, attraktive und elektronischen Umgebungen angemessene Organisations- und Geschäftsmodelle für Publikation und Distribution von Wissen eröffnet werden, die auch Verlagen und der gesamten Informationswirtschaft neue Möglichkeiten zur Erschließung von Publikations- und Distributionsmärkten bieten.

In den USA ("government purpose license") und Großbritannien ("crown copyright") können Urheber, die bei aus Steuermitteln finanzierten Einrichtungen beschäftigt sind, Nutzungsrechte an Verlage nur eingeschränkt übertragen. Auf Grund eines internationalen Vergleichs muss ein verlässlicher rechtlicher Rahmen für ein Zweitveröffentlichungsrecht bei Wissenschaftspublikationen geschaffen werden, wie dies in AGB großer internationaler Wissenschaftsverlage teilweise bereits, aber auch in wenig transparenter Differenzierung, möglich ist.

Um Bildungseinrichtungen, deren Bildungsauftrag unzweifelhaft ist, nicht unverhältnismäßig von der dynamischen technologischen Entwicklung abzukoppeln und deren Nutzerinnen und Nutzern nicht moderne Nutzungsmöglichkeiten zu verwehren, sind eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des im "Zweiten Korb" eingeführten § 52b UrhG, wozu die Urheberrechtsrichtlinie die Möglichkeit eröffnet, und eine Präzisierung des Anwendungsbereichs von § 52a UrhG sowie dessen vollständige Entfristung erforderlich.