- 837. Sitzung des Bundesrates am Freitag, dem 12. Oktober 2007:
Der Bundesrat hat in seiner 837. Sitzung am 12. Oktober 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft zur Eröffnung der Regierungskonferenz zur Fortführung der EU-Vertragsreform am 23. Juli 2007 einen "Entwurf eines Vertrags zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" (= Reformvertrag) vorgelegt hat. Damit solle das bei der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2007 beschlossene Mandat für die Regierungskonferenz rechtstechnisch umgesetzt werden. Wie der Bundesrat bereits in seiner Entschließung zur Zukunft der EU vom 6. Juli 2007 (BR-Drucksache 462/07(B) ) festgestellt hat, trägt das Mandat seinen dort genannten wesentlichen Anliegen weitgehend Rechnung.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung eine Reihe von Anmerkungen und Anliegen der Länder zum Entwurf des Reformvertrags aufgegriffen und überwiegend auch erfolgreich in die Arbeiten der zur Prüfung der korrekten Umsetzung des Mandats eingesetzten Gruppe von Rechtsexperten eingebracht hat. Das gilt insbesondere für die Forderung, den Ausschuss der Regionen und den Wirtschafts- und Sozialausschuss nicht nur im Vertrag über die Arbeitsweise der EU, sondern auch im EU-Vertrag zu erwähnen. Der neue Artikel 9 EUV hat die Organe der EU zum Inhalt und soll dem Mandat zufolge einen Überblick über das institutionelle System der EU geben. Hierzu gehören auch der Ausschuss der Regionen und der Wirtschafts- und Sozialausschuss als beratende Einrichtungen.
- 3. Der Bundesrat erinnert an sein bereits im Rahmen der Regierungskonferenz 2004 zum Vertrag über eine Verfassung für Europa und der diese Regierungskonferenz vorbereitenden Arbeiten des Konvents nachdrücklich vertretenes Anliegen der Aufnahme eines Gottesbezugs in das europäische Vertragswerk. Er nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass dieses Anliegen auch in die Verhandlungen der jetzigen Regierungskonferenz zur EU-Vertragsreform nicht mit Aussicht auf Erfolg eingebracht werden kann.
- 4. Der Bundesrat bedauert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in dem neuen Artikel 9 EUV zusammen mit den anderen Organen der EU im ersten Absatz aufgelistet wird. Er weist darauf hin, dass die EZB im Vertrag über eine Verfassung für Europa mit Blick auf ihre Unabhängigkeit bewusst nicht zusammen mit den anderen Organen aufgeführt wurde. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich weiter dafür einzusetzen, dass die EZB abgesetzt von den anderen Organen der EU als "sonstiges Organ" aufgeführt wird.
- 5. Der Bundesrat regt die Abgabe einer Erklärung Deutschlands zu den Symbolen der EU an, wonach die Flagge, die Hymne, der Leitspruch, der Euro und der Europatag für Deutschland auch künftig als Symbole die Zusammengehörigkeit der Menschen in der EU und ihre Verbundenheit mit dieser zum Ausdruck bringen. Damit soll verdeutlicht werden, dass Deutschland diese Symbole, die jetzt nicht mehr im Vertrag genannt werden sollen, weiterhin verwendet. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Initiative zu unterstützen und gegenüber anderen Mitgliedstaaten dafür zu werben, der vorgeschlagenen Erklärung beizutreten.
- 6. Der Bundesrat begrüßt die jetzige Praxis der direkten Einbindung der nationalen Parlamente in die europäische Politikgestaltung durch die Kommission, die seit September 2006 alle Vorschläge und Konsultationspapiere den nationalen Parlamenten zuleitet und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Der Bundesrat hat bereits mehrfach hiervon Gebrauch gemacht und der Kommission Beschlüsse zu EU-Vorhaben übermittelt.
Die Stellungnahmemöglichkeit nach der jetzigen Praxis der Kommission ist im Gegensatz zum Subsidiaritäts-Frühwarnsystem nicht auf Entwürfe für EU-Gesetzgebungsakte und nicht auf die Geltendmachung von Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips beschränkt. Außerdem unterliegt sie keiner Frist. Der Bundesrat würde es deshalb sehr begrüßen, wenn diese Stellungnahmemöglichkeit ungeachtet der förmlichen Rechte der nationalen Parlamente nach dem Reformvertrag erhalten bliebe.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, gegenüber der Kommission dafür einzutreten dass die Kommission ihre jetzige Praxis der direkten Einbindung der nationalen Parlamente in die europäische Politikgestaltung auch nach Inkrafttreten des Reformvertrags fortsetzt, und gegenüber den anderen Mitgliedstaaten für eine Unterstützung dieses Anliegens zu werben.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch die COSAC (Konferenz der Mitglieder der Europaausschüsse der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments) bei ihrer Tagung vom 13. bis 15. Mai 2007 in Berlin gefordert hat, nicht nur die Protokolle zum Vertrag über eine Verfassung für Europa über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU sowie über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beizubehalten, sondern auch das "neue System", wonach die Kommission den nationalen Parlamenten alle Vorschläge direkt übermittelt, sie zu einer Stellungnahme einlädt, um den Prozess der europäischen Politikgestaltung zu verbessern, und schriftlich auf diese Stellungnahmen antwortet.
- 7. Der Bundesrat hofft, dass bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs am 18./19. Oktober 2007 eine politische Einigung über den Reformvertrag erzielt werden kann. Denn die vorgesehenen Reformen sind notwendig, um die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken und um die EU demokratischer, transparenter und bürgernäher zu gestalten.