Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat hat seine Haltung zu den Überlegungen der Kommission zur Reform der Weinmarktordnung in seinen Beschlüssen vom 22. September 2006 (BR-Drucksache 477/06(B) ), vom 16. Februar 2007 (BR-Drucksache 939/06(B) ) und vom 8. Juni 2007 (BR-Drucksache 153/07(B) ) zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick auf den nunmehr vorliegenden Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Wein und ergänzende Bestimmungen hält er an seinen Positionen fest.
- 2. Der Bundesrat bedauert ausdrücklich, dass die Kommission ihren Ansatz einer Reform der Gemeinsamen Marktorganisation für Wein entsprechend der Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament "Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im Europäischen Weinsektor" vom 22. Juni 2006 (KOM (2006) 319 endg.; Ratsdok. 10851/06) ohne Beachtung der umfangreichen und konstruktiven Diskussionsbeiträge aus den Mitgliedstaaten, seitens der Konferenz der Europäischen Weinbauregionen (AREV) und seitens des Europäischen Parlaments nahezu unverändert weiter verfolgt.
- 3. Vor diesem Hintergrund hätte es der Bundesrat begrüßt, wenn die Kommission vom Rat aufgefordert worden wäre, einen neuen Vorschlag zu unterbreiten, der den berechtigten Anliegen aus den unterschiedlichen Regionen Rechnung trägt.
- 4. Der Bundesrat weist ferner noch einmal darauf hin, dass er die bereits durch wiederholt gefasste Beschlüsse, zuletzt am 22. September 2006 (BR-Drucksache 477/06(B) ) und am 9. März 2007 (BR-Drucksache 072/07(B) ) geforderte nationale Kofinanzierung der Direktbeihilfen (Erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik), die in Deutschland vollständig und dauerhaft vom Bund sicherzustellen ist, für eine sinnvolle Option zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik in der erweiterten Union hält. Eine Belastung der Länderhaushalte durch die nationale Kofinanzierung in Deutschland lehnt der Bundesrat ab.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen in den Gremien des Europäischen Rates insbesondere folgende Positionen mit Nachdruck zu vertreten:
- - Die Schaffung eines nationalen Finanzrahmens wird im Grundsatz begrüßt. Der Bundesrat hält die Berechung dieses Finanzrahmens anhand objektiver Kriterien unter Heranziehung der Rebflächen und der Weinerzeugung für angemessen. Die Berechnung der Mittelzuweisung soll nach dem Vorschlag der Kommission jedoch zu ½ auf der Basis der historischen Ausgaben, hingegen nur zu jeweils ¼ auf der Basis der Anbaufläche und der Erzeugung erfolgen. Um eine ungerechtfertigte Bevorzugung solcher Mitgliedstaaten zu vermeiden, die in der Vergangenheit einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Finanzmitteln für Interventionsmaßnahmen in Anspruch genommen haben, fordert der Bundesrat, dass bei der Berechnung die Kriterien "Anbaufläche" und "Erzeugung" mindestens so stark gewichtet werden wie die historischen Ausgaben.
- - Der Bundesrat fordert, dass die Stützungsprogramme in Zukunft neben Maßnahmen der Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen auch qualitätsverbessernde Maßnahmen für die Produktion der Trauben und die Herstellung der Weine sowie Maßnahmen zur Förderung der Vermarktung im Binnenmarkt insbesondere die Förderung von Kooperationen auf allen Stufen (Produktion, Verarbeitung, Vermarktung) umfassen können.
- - Der Bundesrat tritt für die unveränderte Beibehaltung der Grenzwerte und der traditionellen Verfahren zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts in den Weinbauzonen A und B ein.
Als Folge der von der Kommission vorgeschlagenen Begrenzung des maximalen Gesamtalkoholgehalts bei angereicherten Weinen in den Weinbauzonen A und B sowie des Verzichts auf die Festsetzung eines natürlichen Mindestalkoholgehalts werden auf einem Teil der Weinbauflächen und aus bestimmten Rebsorten keine Weine erzeugt werden können, die den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an einen hochwertigen, marktgerechten Qualitätswein entsprechen. Für eine Vielzahl von Weinbaubetrieben würde dies eine existenzielle Bedrohung darstellen.
Der Bundesrat fordert deshalb die Beibehaltung der Grenzwerte und der traditionellen Anreicherungsverfahren in den Weinbauzonen A und B, wobei auch die Verwendung von Saccharose zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts weiterhin zulässig sein muss, was die Kommission bis in die jüngste Vergangenheit in Verhandlungen mit Drittstaaten zugestanden hat.
- - Der Bundesrat fordert, dass auch eine neue Weinmarktordnung Raum lassen muss, das traditionelle Qualitätsweinsystem mit einer weit reichenden Gestaltungskompetenz der Mitgliedstaaten zu erhalten, um regionalspezifischen Eigenheiten und produktbezogenen Eigenschaften zu entsprechen. Ein Verzicht hierauf würde eine Vernichtung gewachsener ideeller Werte in bedeutsamer wirtschaftlicher Größenordnung nach sich ziehen.
- - Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das bisherige System der Kennzeichnung einschließlich der vorbehaltenen Verwendung bestimmter Flaschenarten aufrecht erhalten bleiben muss, da dies die regionalen Besonderheiten in besonderer Art und Weise zum Ausdruck bringt.
- - Der Bundesrat fordert die Beibehaltung der Verkehrsbezeichnungen Qualitätsschaumwein und Sekt und die damit verbundenen besonderen Herstellungsverfahren zur Abgrenzung der Erzeugnisse zu den einfachen Schaumweinen. Im etablierten und weltweit führenden Markt für Qualitätsschaumweine und Sekte in Deutschland entsprechen die Erzeugnisse den Verbrauchererwartungen. Die Bundesregierung wird darüber hinaus gebeten, darauf hinzuwirken, dass neben der Angabe des Abfüllers auch die Angabe des Herstellers oder eines sonstigen an der Vermarktung Beteiligten möglich ist, wie dies bisher bereits einer gängigen Praxis im Schaumweinbereich entspricht.
- - Der Bundesrat lehnt die Überführung von Finanzmitteln aus der Weinmarktordnung in die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in dem von der Kommission vorgesehenen Umfang ab, da die übertragenen Mittel den Weinbaubetrieben nicht mehr unmittelbar zur Verfügung stehen können.
- - Der Bundesrat lehnt eine Überführung von Finanzmitteln aus der Ersten in die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik zur Förderung der ländlichen Entwicklung ab, soweit nicht sichergestellt ist, dass die nationale Kofinanzierung in Deutschland vollständig und dauerhaft durch den Bund geleistet wird.
- - Der Bundesrat wendet sich gegen die vorgeschlagene Verlagerung von Kompetenzen vom Rat auf die Kommission bei gleichzeitiger Minderung der Einwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten.
- - Der Bundesrat hält in allen Weinbauregionen verpflichtend vorgeschriebene Rodungsprogramme nicht für geeignet, das Problem der strukturellen Überschüsse zu lösen. Rodungsprogramme sollten innerhalb der "nationalen Budgets" optional und vor allem dort zum Einsatz kommen, wo bisher die Destillationsmaßnahmen umfangreich in Anspruch genommen wurden.
- - Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die Gestaltung der Anbauregeln den Mitgliedstaaten zu übertragen. Qualitätsweinbauregionen sollten weiterhin die Möglichkeit haben, am Anbaustopp festzuhalten.
- - Der Bundesrat tritt für eine Beibehaltung des grundsätzlichen Abgabeverbots für Erzeugnisse, bei deren Bereitung nicht zugelassene önologische Verfahren angewendet wurden, für Erzeugnisse, die nicht von gesunder oder handelsüblicher Beschaffenheit sind, und für Erzeugnisse, die nicht den festgelegten Definitionen entsprechen, ein, um einen ausreichenden Verbraucherschutz sowie einen wirksamen Schutz redlicher Produzenten sicherzustellen.