Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Erfahrungen der Mitgliedstaaten beim Vollzug der Vorschriften über die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ermittelt und die bestehenden Vorschriften daraufhin überprüft und sich bemüht hat, die gewonnenen Erkenntnisse in neue Entwürfe umzusetzen.
Zu bedauern ist jedoch, dass die Kommission die damit verbundenen Möglichkeiten der Entbürokratisierung, der Vereinfachung, des Abbaus von Vorschriften und der Liberalisierung weitgehend ungenutzt lässt. Stattdessen werden in erheblichem Umfang neue Vorschriften, Verschärfungen von Voraussetzungen und bürokratische Hemmnisse eingeführt. Zu nennen sind hier neue Akkreditierungs- und Überwachungsvorschriften, neue Berichtspflichten,
Ausbildungsvorschriften und ein sehr aufwändiges neues Registrierungs- und Informationssystem. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die Kommission nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die vorgelegten Entwürfe aus diesen Gründen der grundlegenden Überarbeitung bedürfen. Ansonsten wären die Entwürfe insgesamt abzulehnen.
Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen:
- 2. Der Ersatz der bisherigen Richtlinie durch eine Verordnung wird abgelehnt.
Grundsätzlich ist aus Gründen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit einer Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung zur Berücksichtigung ihrer spezifischen Gegebenheiten belässt, der Vorzug zu geben (vgl. BR-Drucksache 871/06(Beschluss) , S. 1 unten). Auf Grund der in den Mitgliedstaaten unterschiedlichen Kulturen der Praxis der Verwaltungsbehörden und Gerichte stellt die unmittelbare Anwendung von Gemeinschaftsrecht die genannten Institutionen nach aller Erfahrung immer wieder vor erhebliche Probleme. Allein die Umstellung vom nationalen Verwaltungsverfahrensrecht auf das wenig konkretisierte gemeinschaftliche Verwaltungsverfahrensrecht würde zu erheblichen bürokratischen Reibungsverlusten führen.
Falls künftig nach den praktischen Erfahrungen Rechtsänderungen notwendig werden ist dies mit nationalen Vorschriften leichter und schneller möglich.
Durch eine Gemeinschaftsverordnung wäre im Übrigen eine Vereinheitlichung der Vorschriften nur begrenzt möglich, da der Verordnungsvorschlag zahlreiche ergänzende nationale Vorschriften vorsieht (siehe insbesondere Artikel 3, 6 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 3, Artikel 7 Abs. 2, Artikel 8 Abs. 2, 4 und 5, Artikel 9 Abs. 1 und 2).
Zu Artikel 4 Abs. 3
- 3. Die Berücksichtigung von wiederholten, ein bestimmtes Maß überschreitenden Verstößen erscheint nicht praktikabel und könnte zu unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Beeinträchtigungen von Unternehmen führen. Eine Ungleichbehandlung ergäbe sich auch insoweit, als nach Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe b wiederholte geringfügige Verstöße nur dann in dieser Form zu ahnden sind wenn sie sich gegen Gemeinschaftsvorschriften richten. Auch die dortige Nummer ii nimmt für Gewichte und Abmessungen nur auf den grenzüberschreitenden Verkehr Bezug.
Zu Artikel 6
- 4. Der Bundesrat hält zwar eine Definition der Verstöße und der wiederholten geringfügigen Verstöße im Rahmen der Harmonisierung für zweckmäßig. Das vorgesehene Verfahren der Erarbeitung einer abschließenden und für die Mitgliedstaaten verbindlichen Liste durch die Kommission ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht zu vereinbaren. Dadurch besteht für die Mitgliedstaaten keine eigenständige Möglichkeit mehr, die Verstöße selbst zu bewerten und im Rahmen des Ermessens tätig zu werden. Dadurch würde in grundrechtsrelevante Bereiche (Berufsfreiheit) eingegriffen werden.
Zu Artikel 7
- 5. Der Bundesrat tritt aus Gründen der Entbürokratisierung und Liberalisierung jedenfalls für den Bereich des Güterkraftverkehrs nachdrücklich für die völlige Abschaffung der Voraussetzung der finanziellen Leistungsfähigkeit ein. Wenn das Unternehmen, wie allgemein üblich, teils mit Fremdkapital betrieben wird, unterliegt es in der Regel einer strengen Überwachung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit durch den Kreditgeber. Sofern es dem Verkehrsunternehmer gelingt den Betrieb mit Fahrzeugen, Büroräumen, Ausstattungen und Angestellten aufzunehmen können die Kriterien des vorliegenden Entwurfs in aller Regel ohne weiteres erfüllt werden. Sie stellen dann eine unnötige bürokratische Erschwernis dar. Im Falle von im weiteren Verlauf auftretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten können die nachzuweisenden Eigenmittel jedoch derart schnell aufgebraucht sein, dass bei der vorgesehenen fünfjährigen Überprüfung kein nennenswerter Beitrag des Nachweises der finanziellen Leistungsfähigkeit für die Verkehrssicherheit und den Schutz der Geschäftspartner zu erwarten ist.
Da ferner nach sachlich begründeten nationalen Vorschriften ( § 12 GewO) ein Widerruf einer Zulassung eines Gewerbebetriebs bei ungeordneten Vermögensverhältnissen während eines Insolvenzverfahrens nicht möglich ist, muss der Widerruf oder die Rücknahme der Lizenz bei Stellung eines Insolvenzantrags ohnehin letztlich unterbleiben.
Im praktischen Vollzug führt die Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu großem personellem Aufwand und zu Problemen. Die Abschaffung dieser Voraussetzung stellt daher einen wesentlichen Schritt zur Entbürokratisierung und Liberalisierung dar.
Die vorstehenden Erwägungen können grundsätzlich auch auf den Bereich des Personenkraftverkehrs übertragen werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Verlauf der weiteren Verhandlungen zu klären, ob auch angesichts der hier zu schützenden Rechtsgüter europaweit eine Gleichbehandlung mit dem Bereich des Güterkraftverkehrs angezeigt ist.
Ferner lehnt der Bundesrat die Umstellung vom bisherigen Anlagevermögen auf das Umlaufvermögen ab, da beim Umlaufvermögen die Betriebssubstanz (Fahrzeuge, Betriebshof etc.) unberücksichtigt bleibt.
Wenn das Kriterium finanzielle Zuverlässigkeit bestehen bleibt, muss für Neueinsteiger, die keinen geprüften Jahresabschluss vorweisen können und für die dann nur die Möglichkeit der Bürgschaft eröffnet würde, als Alternative eine weitere Möglichkeit zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit geschaffen werden, z.B. über eine Eröffnungsbilanz.
Zu Artikel 8
- 6. Die Neueinführung einer obligatorischen Ausbildung von 140 Unterrichtsstunden, die Akkreditierung und die regelmäßige Überprüfung der dabei tätigen Einrichtungen erscheinen zu bürokratisch. Konkrete Vorschriften über die Prüfung sollten eine sachgerechte Ausbildung hinreichend sicherstellen. In Absatz 4 muss auch die Möglichkeit eröffnet werden, auf den Nachweis der Prüfung zu verzichten. Ansonsten wäre diese eine Verschärfung der bisherigen Regelungen, die vor allem KMU treffen würde.
Im Zusammenhang mit der praktischen Erfahrung nach Artikel 8 Abs. 4 ist das dort genannte Verkehrsunternehmen nicht definiert. Es ergeben sich damit zahlreiche Zweifelsfragen hinsichtlich Werkverkehr, Personen- und Güterverkehr und der übrigen Verkehrsunternehmen.
Zu Kapitel III
- 7. Die Verfahrensvorschriften des Kapitels III des Vorschlags sind mit den Vorschriften des deutschen Verwaltungsrechts vielfach nicht kompatibel und damit nicht gerichtsfest vollziehbar.
Das Kapitel III zielt auf die Einführung einer Vielzahl neuer, mit dem deutschen Verwaltungsrecht vielfach nicht kompatibler Verfahrensregelungen ab. So wird in Artikel 10 ein neues Verwaltungsverfahren eingeführt, das zu mehr Bürokratie und Kosten für die Unternehmen und Behörden führt. In Artikel 12 soll ein im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht bisher ungekanntes Instrument der Verwarnung eingeführt werden.
Zu Artikel 12
- 8. Die vorgesehenen verschiedenen abgestuften Schritte der Ungeeigneterklärung eines Verkehrsleiters, der Verwarnung mit Frist einer Behebung der Beanstandung, der Möglichkeit der Verlängerung der Frist sowie der Möglichkeit der Herstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit ab dem nächsten Geschäftsjahr, jeweils verbunden mit der Möglichkeit der gerichtlichen Anfechtung dieser Schritte, erlaubt keinen zeitnahen und wirksamen Schutz der Verkehrssicherheit und des Geschäftsverkehrs.
Zu Artikel 15
- 9. Die Einführung einzelstaatlicher elektronischer Register, deren Vernetzung, der Datenaustausch und die erforderlichen Konsultationen erfordern einen enormen Verwaltungsaufwand mit erheblichen Kosten, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu den damit zu gewinnenden Informationen und dem erreichbaren Gewinn an Verkehrssicherheit und Schutz des Geschäftsverkehrs stehen. Der Zweck der Register und deren Vernetzung bestünden in erster Linie in einer Erweiterung der Möglichkeiten zur Überprüfung der Zuverlässigkeit des Unternehmens und des Verkehrsleiters im Sinne einer grenzüberschreitenden Datenerhebung.
Konkrete und erhebliche Missstände mit bedeutendem Umfang, die durch die Neuregelung behoben werden könnten, sind jedoch insoweit nicht bekannt geworden. Zudem wären als "wiederholte geringfügige Verstöße" auch Ordnungswidrigkeiten, die mittels der Erhebung von Verwarnungsgeldern geahndet werden, zu erfassen. Diese Verstöße werden heute zumeist durch sogenannte "Barverwarnungen" unmittelbar geahndet und nicht weiter registriert. Eine Registrierungspflicht führt zu neuem und unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand bei Kontrollbehörden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die grenzüberschreitende Datenerhebung im Werkverkehr weiterhin nicht möglich wäre, so dass es zu einer Diskriminierung des gewerblichen Güterkraftverkehrs käme. Schließlich ist anzumerken, dass es in anderen Bereichen, wie z.B. dem Fahrerlaubniswesen, bei denen es durch grenzüberschreitende Aktivitäten zu erheblichen Missständen gekommen ist, bisher keine grenzüberschreitend vernetzten Register gibt.
Das neue elektronische Register würde detaillierte Regelungen entsprechend denen für das Fahrzeugregister nach §§ 31 ff. StVG erfordern, was bis 31. Dezember 2010 nicht erreichbar sein dürfte.
Das vorgesehene vernetzte elektronische Register in dieser Form wird daher abgelehnt. Es besteht keine Notwendigkeit für eine EU-weite Regelung. Ein einzelstaatliches elektronisches Register in vereinfachter Form wäre jedoch denkbar. Die Bundesregierung wird um Vorschläge gebeten, ob und in welcher Weise das beim Bundesamt für Güterkraftverkehr geführte Unternehmensregister erweitert werden kann.
Zu Artikel 21 und 26
- 10. Die Regelungen in Artikel 21 und 26 sind mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren.
Zu Artikel 22 und 23
- 11. Die Vorschriften zum Bestandsschutz sind unzureichend. Die Regelung in Artikel 22 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe d und Artikel 8 Abs. 1 würde bedeuten dass ab dem 1. Januar 2012 auch von allen bestehenden Unternehmen der Nachweis der Teilnahme an mindestens 140 Unterrichtsstunden und der Prüfung erbracht werden muss. Die einmal erworbene Fachkunde sollte jedoch grundsätzlich unbegrenzt fort gelten.