Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 316817 - vom 2. Dezember 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 27. Oktober 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage in Aserbeidschan vor den Wahlen
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Aserbaidschan und zum Südkaukasus und insbesondere auf seine Entschließung vom 9. Juni 20051,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 20032 zum Thema "Größeres Europa - Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn",
- - unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Aserbaidschan, das am 1. Juli 1999 in Kraft trat,
- - in Kenntnis des Beschlusses des Rates vom 14. Juni 2004 über die Einbeziehung von Aserbaidschan neben Armenien und Georgien in die Europäische Nachbarschaftspolitik,
- - in Kenntnis der Schlusserklärung und der Empfehlungen des Sechsten Treffens des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Aserbaidschan vom 18. - 19. April 2005,
- - unter Hinweis auf den Länderbericht über Aserbaidschan vom 2. März 2005,
- - unter Hinweis auf die Erklärung der EU zu Aserbaidschan vom 6. Oktober 2005,
- - in Kenntnis der Mitgliedschaft Aserbaidschans im Europarat, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der zahlreichen Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu Aserbaidschan, insbesondere der Entschließung vom 22. Juni 2005,
- - unter Hinweis auf die Interimsberichte der Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE vom September und Oktober 2005,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die bevorstehenden Parlamentswahlen am 6. November 2005 die von der Regierung Aserbaidschans eingegangenen Verpflichtungen, die Demokratisierung fortzusetzen, auf die Probe stellen werden,
B. in der Erwägung, dass der auf Ersuchen des Europäischen Parlaments gefasste Beschluss des Rates, die Europäische Nachbarschaftspolitik auf die drei Staaten des Südkaukasus auszudehnen, Aserbaidschan neue Instrumente für die Beziehungen zu der EU und einen Rahmen verschafft, in den die Maßnahmen der EU über das bestehende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen hinaus integriert werden sollten,
C. in der Erwägung, dass die Hoffnungen Aserbaidschans auf eine europäische Perspektive sowie die Bedeutung Aserbaidschans als ein Land mit starken historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bindungen an die EU im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik anerkannt werden, und in der Erwägung, dass eine echte und ausgewogene Partnerschaft nur auf der Grundlage der gemeinsamen Werte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte, der Minderheiten sowie der bürgerlichen Freiheiten aufgebaut werden kann,
D. in tiefer Besorgnis angesichts der Vorfälle vom 25. September sowie 1. und 9. Oktober 2005, als die Polizei tausende von oppositionellen Aktivisten, die der Oppositionsgruppe Azadlig angehören, gewaltsam daran hinderte, trotz eines Regierungsverbots eine Kundgebung in Baku zu veranstalten, einige Journalisten verprügelte und dutzende von Demonstranten festnahm,
E. in der Erwägung, dass Rasul Gulijew, ein Oppositionsführer, der bei den Wahlen kandidiert, am 17. Oktober 2005 auf seiner Rückreise nach Baku aufgrund eines von den aserbaidschanischen Behörden wegen Untreue ausgestellten internationalen Haftbefehls in der Ukraine vorübergehend festgenommen wurde und die aserbaidschanische Polizei im Zusammenhang mit seiner geplanten Rückkehr nach Baku am 16. und 17. Oktober 2005 ca. 200 oppositionelle Aktivisten festnahm und viele von ihnen inhaftierte,
F. in tiefer Besorgnis angesichts der Lage der oppositionellen Medien und der Fälle von Missbrauch und Übergriffen auf Journalisten sowie der Drohungen und der Fälle von Verleumdung, ausgeübtem Druck und der Drangsalierung von Menschenrechtsaktivisten,
G. in der Erwägung, dass im ersten Zwischenbericht der Wahlbeobachtungsmission der OSZE vom September 2005 Besorgnis über die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zum Ausdruck gebracht und bestätigt wird, dass die Empfehlungen der Venedig-Kommission, den rechtlichen Rahmen für Wahlen zu verbessern und elementare Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu erhöhen, nur teilweise umgesetzt worden sind,
H. in der Erwägung, dass im zweiten Zwischenbericht der Wahlbeobachtermission der OSZE vom Oktober 2005 die anhaltenden unverhältnismäßigen Einschränkungen des Wahlkampfs von oppositionellen Kandidaten durch regierungsfreundliche Kräfte und der Umstand, dass einige Wahlkommissionen das Wahlgesetz nicht fair und unparteiisch umsetzen, betont werden, wenngleich einige Verbesserungen beim Zugang aller Parteien zu den Medien anerkannt werden;
I. in der Erwägung, dass Präsident Ilham Alijew am 11. Mai 2005 im Hinblick auf die Parlamentswahlen im November 2005 eine Verfügung "zur Verbesserung des Wahlverfahrens in der Republik Aserbaidschan" erlassen hat,
J. in Kenntnis der Tatsache, dass die amerikanischen, russischen und französischen Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE vor kurzem in Washington zusammengekommen sind, um den derzeitigen Stand des Berg-Karabach-Friedensprozesses und insbesondere ihr geplantes Treffen mit den Außenministern Aserbaidschans und Armeniens in Ljubljana zu erörtern,
- 1. bedauert die Weigerung der aserbaidschanischen Behörden, Versammlungen der Opposition auf den beantragten Plätzen im Zentrum von Baku zu genehmigen, und verurteilt die unverhältnismäßigen und gewaltsamen Maßnahmen der Polizei gegen die Demonstranten seit September 2005;
- 2. fordert die unverzügliche Freilassung aller Inhaftierten und fordert eine umfassende und faire Untersuchung der oben genannten Vorfälle, einschließlich der Verantwortung der Polizeikräfte, und fordert Aserbaidschan dringend auf, die grundlegenden Menschenrechte von Gefangenen zu garantieren;
- 3. fordert die aserbaidschanischen Behörden auf, die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und zu achten und sicherzustellen, dass die bevorstehenden Parlamentswahlen die anerkannten internationalen Standards und die seit langem bekannten Empfehlungen der OSZE/ODIHR und der Venedig-Kommission in vollem Umfang erfüllen, und fordert die Parteien bei den bevorstehenden Wahlen auf, ihre Kampagnen friedlich durchzuführen; betont, dass das derzeitige Wahlgesetz, wenn es richtig umgesetzt würde, eine Grundlage für die Durchführung demokratischer Wahlen sein könnte;
- 4. begrüßt, dass Rasul Gulijew von den ukrainischen Justizbehörden aus dem Gewahrsam entlassen wurde, nachdem festgestellt worden war, dass die von den aserbaidschanischen Behörden angeführten Gründe für die Auslieferung nicht stichhaltig genug waren; unterstreicht die widersprüchliche Haltung der Regierung in Baku, die die Registrierung eines Kandidaten zulässt und ihn gleichzeitig hindert, an den Wahlen teilzunehmen;
- 5. drängt die Behörden, der Sicherheit und der Freiheit der Journalisten und der Medien besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und unverzüglich Schritte einzuleiten, um die Journalisten nach einer gegen Medienvertreter gerichteten Welle der Gewalt zu schützen;
- 6. fordert die aserbaidschanischen Behörden auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die für den Mord an Elmar Husseinow, Herausgeber des oppositionellen Nachrichtenmagazins "Monitor", Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;
- 7. bedauert die Festnahme der politischen Führer der Jugendbewegung "Yeni Fikir" (Neue Idee), die der Vorbereitung eines Staatsstreichs beschuldigt werden, und fordert deren sofortige Freilassung;
- 8. fordert Aserbaidschan erneut auf, die Unabhängigkeit der Justiz sicherzustellen und die grundlegenden Menschenrechte in Haft befindlicher Personen zu garantieren; fordert die Behörden auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die bei Gerichtsverhandlungen beobachteten Mängel zu beheben, und fordert die Regierung dringend auf, in dieser Hinsicht die Empfehlungen des Europarats über die Behandlung von politischen Gefangenen umzusetzen, nachdem zahlreiche und glaubwürdige Beschuldigungen hinsichtlich Folter und Misshandlung erhoben wurden;
- 9. betont, dass die allgemeine Beurteilung der demokratischen Legitimität der Wahlen die Entscheidung über den Beginn der Arbeit an einem neuen Aktionsplan für Aserbaidschan, dessen Schwerpunkte die Entwicklung einer echten Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sein sollten, beeinflussen wird; fordert die Kommission auf, ihre Maßnahmen in dieser Hinsicht mit dem Europarat abzustimmen und alles dafür zu tun, um die Zivilgesellschaft zu unterstützen und weiter zu entwickeln;
- 10. begrüßt die Empfehlungen der Kommission für eine erhebliche Intensivierung der Beziehungen zu Aserbaidschan und fordert die Kommission auf, der Regierung Aserbaidschans weiterhin die nötige Hilfe zu leisten, damit sie die rechtlichen und institutionellen Reformen im Bereich der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit umsetzt;
- 11. fordert die aserbaidschanischen Behörden dringend auf, die Korruption im Land wirksam zu bekämpfen, insbesondere durch Erhöhung der Ressourcen für Bildungsprogramme und Einführung des erforderlichen Rechtsrahmens, um die Koordinierung der Anstrengungen der Regierung und des Zivilsektors zur Bekämpfung der Korruption wirkungsvoll zu fördern;
- 12. fordert die aserbaidschanische Regierung auf, das Problem der Direktflüge zwischen Baku und dem nördlichen Teil Zyperns nach den Standards der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation zu lösen, um die Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit allen Staaten des Südkaukasus sicherzustellen;
- 13. ist der festen Überzeugung, dass die Minsk-Gruppe den besten Mechanismus für die Lösung des Berg-Karabach-Problems bietet; unterstützt uneingeschränkt die seit Anfang 2005 von der Regierung Aserbaidschans und Armeniens unternommenen Anstrengungen, den Dialog zu verbessern;
- 14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Republik Aserbaidschan, den Regierungen und Parlamenten Russlands, der Türkei und der USA sowie den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates zu übermitteln.
1 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0243.
2 ABl. C 87 E vom 7.4.2004, S. 506.