Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das grundsätzliche Anliegen der Kommission, bessere Kontrollstandards für die ordnungsgemäße Mittelverwendung in der EU zu entwickeln.
- 2. Der Bundesrat erkennt die Anstrengungen der Kommission zur Erlangung einer positiven Zuverlässigkeitserklärung für ihre Rechnungsabschlüsse an. Er tritt aber der Absicht entschieden entgegen, den Mitgliedstaaten weitere Kontrollanforderungen und Haftungsrisiken aufzubürden, die grundsätzlich in den Bereich der Kommission fallen.
Die Vorschläge der Kommission sind daher in der vorliegenden Form abzulehnen.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zwischen externer und interner Finanzkontrolle randscharf unterschieden werden muss. Dies muss bei neuen Konzepten vor allem auch EU-weit gelten. Die volle Unabhängigkeit der Finanzkontrollorgane muss in jedem Mitgliedstaat gewährleistet sein.
- 4. Es bedarf keiner neuen Instrumentarien oder Kontrollinstanzen, die das bestehende Kontrollsystem lediglich aufblähen. Die Forderung des Europäischen Parlaments nach Exante-Offenlegungserklärungen und expost-Zuverlässigkeitserklärungen durch "die Finanzminister" wird strikt abgelehnt. Ein Mehrwert dieser Erklärungen für eine ordnungsgemäße Mittelverwendung ist nicht ersichtlich. Zudem darf die eindeutige Verantwortlichkeit der Kommission für die Haushaltsführung nicht in Frage gestellt werden.
- 5. Die Exante-Offenlegungserklärungen und expost-Zuverlässigkeitserklärungen wären laut Kommission von Seiten sämtlicher in den Prozess eingebundener Behörden (z.B. Zahlstelle und Verwaltungsbehörde) zu untermauern und durch Stellungnahmen unabhängiger Prüfer zu belegen. Die genannten Stellen könnten die von der Kommission gewünschten Erklärungen nur dann zuverlässig abgeben, wenn sie sich hierüber durch entsprechende eigene Prüfungen vergewissern. Damit würde im Rahmen der bisherigen Strukturen die Notwendigkeit zur Durchführung paralleler Prüfungen dieser Stellen zementiert. Doppelstrukturen müssen aber auch nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofs beseitigt werden, schon, weil hierdurch Zusatzkosten verursacht werden. Die Vielzahl der von der Kommission zusätzlich zum bisherigen Rechtsrahmen in der Mitteilung geforderten Erklärungen und die dafür zwingend erforderlichen, zusätzlichen Prüfungen widersprechen dem Ansatz des Europäischen Rechnungshofs zu einem einheitlichen Auditkonzept (Modell der "Einzigen Prüfung").
- 6. Das Finanzprüfsystem muss einfach, effizient, transparent und für alle Beteiligten verbindlich sein. Es bedarf EU-weit einheitlicher Kontrollstandards und -intensitäten. Die Kontrollen durch EU-Organe sind innerhalb dieses Systems im Sinne einer verstärkten Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes auf das notwendige Mindestmaß zu begrenzen.
- 7. Der Bundesrat lehnt insbesondere die Einführung weiterer Kontrollebenen und die Zunahme der Kontrollintensität auf der Ebene der Mitgliedstaaten ab. Dies gilt vor allem für den Bereich des Garantiefonds und für den Bereich der Strukturfonds, in denen für die jeweiligen Sektoren in der Bundesrepublik - entsprechend den einschlägigen Verordnungen - schon differenzierte und umfassende Verwaltungs- und Kontrollsysteme bestehen.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der Verhandlungen über Rechtsetzungen für künftige Förderungen darauf zu achten, dass die Kommission den Mitgliedstaaten eine durchgängige Vereinfachung der Umsetzung zugesagt hat. Die Vorstellungen des integrierten internen Kontrollrahmens widersprechen diesem Ansatz in fast jeder Hinsicht. In künftige Verordnungen sollten die vorliegenden Überlegungen deshalb nicht eingehen.
- 9. Der Bundesrat sieht in der angedachten Einführung von neuen Kontrollmechanismen, weiteren Überwachungsmaßnahmen und zusätzlichen Prüfebenen in erster Linie eine massive Bürokratisierung, eine Ausweitung des Personal- und Sachaufwands und eine weitere Verkomplizierung, ohne dass ein Mehrwert oder Zusatznutzen erkennbar wird. Die Vorschläge widersprechen den von allen Beteiligten immer wieder geforderten Vereinfachungen und der Bürgernähe. Eine Umsetzung würde die Akzeptanz europäischer Förderungen und von Europa insgesamt weiter beeinträchtigen.
- 10. Der Bundesrat hält die Einführung zusätzlicher Kontroll- und Erklärungspflichten nicht für notwendig, um der Kommission eine ausreichende Sicherheit über die Umsetzung der Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten zu geben. Im Rahmen der bestehenden und der ab dem Jahr 2007 zusätzlich geplanten Berichtspflichten erhält die Kommission bereits jetzt alle Informationen, die ihr eine Beurteilung des ordnungsgemäßen Mitteleinsatzes in den Mitgliedstaaten ermöglicht.
- 11. Der Bundesrat hält es für notwendig, dass eine detaillierte Bestandsaufnahme in den einzelnen Mitgliedstaaten zu den bereits vorhandenen Kontrollsystemen und deren Funktionsweise bezogen auf die verschiedenen Bereiche (z.B. Garantiefonds, Strukturfonds) erfolgen sollte, bevor pauschal und nicht abgestimmt neue Kontrollsysteme aufgebaut werden. Die Kommission führt in ihrer Mitteilung selbst bestimmte Mitgliedstaaten an, in denen sie bestimmte Schwachstellen sieht. Diese Problematik kann aber nicht durch zusätzliche Bescheinigungen und Zertifizierungen auf nationaler Ebene beseitigt werden, die zudem dann noch auf alle übertragen werden.
- 12. Der Bundesrat bedauert, dass die Mitteilung die föderalen Strukturen in Deutschland nicht berücksichtigt, sondern sich eher an einer zentralstaatlichen Ordnung ausrichtet. Er sieht den Subsidiaritätsgrundsatz erheblich verletzt. Die Vorschläge greifen erheblich in das verfassungsgemäß verankerte Selbstorganisationsrecht der Mitgliedstaaten ein und lassen die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten außer Acht. Die Organisation der durchzuführenden Aufgaben muss immer den Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung verbleiben.
- 13. Der Bundesrat lehnt die Forderung, noch für die laufende Programmperiode die neue Prüfstrategie anzuwenden, nachdrücklich ab. Diese geht weit über die derzeit gültigen Verordnungen hinaus, wäre insoweit rechtlich unzulässig und würde während der laufenden Programmumsetzung zu einer Änderung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme führen.
- 14. Auf Grund der Vielzahl der beteiligten Stellen mit sich teils überschneidenden Aufgaben werden die Kontrollstrukturen ab 2007 ohnehin nicht einfacher, sondern noch komplexer als in der laufenden Förderperiode. Dies ist aus Sicht des Bundesrates einer effizienten Förderung im Bereich des Garantiefonds und der Strukturfonds abträglich. Das Schaffen von zusätzlichen Verwaltungs- und Kontrolleinheiten über das Maß der jetzigen Förderperiode hinaus wird mit Verweis auf den partnerschaftlichen Gedanken, die Gefahr erheblicher Verzögerungen bei der Programmumsetzung und die Schwerfälligkeit der Systeme mit Nachdruck zurückgewiesen.
- 15. Der Bundesrat hält es für entscheidend, dass sämtliche den Mitgliedstaaten durch zusätzliche Kontrollvorgaben und Maßnahmen entstehenden Kosten aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden. Dies darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Nettozahler in der EU führen.
- 16. Der Bundesrat unterstützt die Durchführung von Kontrollen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Allerdings wird dieses Prinzip nach den Vorschlägen der Kommission in der Mitteilung tatsächlich nicht angewandt. Die Kommission wird aufgefordert, dieses Prinzip durchgängig anzuwenden. Dabei sind gerade auch die einzelnen Risiken zu berücksichtigen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis sorgfältig zu prüfen.
- 17. Der Bundesrat betont, dass Kommission und Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Finanzkontrolle und der Entscheidung über die Ausgestaltung eines integrierten internen Kontrollrahmens partnerschaftlich zusammenarbeiten müssen, da die Umsetzung auch in den Mitgliedstaaten erfolgt.
- 18. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesländer an der Arbeit des Expertengremiums, dessen Einrichtung in der Sitzung des ECOFIN-Rates am 12. Juli 2005 beschlossen wurde, angemessen beteiligt werden.
- 19. Darüber hinaus stellt der Bundesrat ausdrücklich fest, dass es im Sinne des EUZBLG erforderlich ist, die Länder bereits im Vorfeld bei all den Vorhaben der EU aktiv mit einzubeziehen, bei denen zu erwarten steht, dass sie an der innerstaatlichen Umsetzung maßgeblichen Anteil haben werden. Dies betrifft insbesondere die aktive Beteiligung an Arbeitsgruppen von Experten, die die Aufgabe haben, Vorhaben der EU für erste Entscheidungen und Leitlinien durch Europäische Fachräte reif zu machen, die gegebenenfalls wichtige, grundlegende Weichenstellungen mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Länder bewirken.
- 20. Die Stellungnahme des Bundesrates ist von der Bundesregierung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da die Mitteilung im Schwerpunkt die Verwaltungsverfahren der Länder berührt.
Die Mitteilung der Kommission befasst sich ausschließlich mit der Schaffung eines integrierten internen Kontrollrahmens und zwar nicht nur der EU, sondern auch der Mitgliedstaaten. Da in Deutschland die Länder für die Verwaltung und den Vollzug der EU-Mittel zuständig sind, werden sie von den vorgesehenen Maßnahmen (z.B. Einführung weiterer Kontrollebenen, Zunahme der Kontrollintensität, neue Kontrollsysteme, zusätzliche Einbeziehung der Rechnungsprüfungsbehörden, Verpflichtung zur Einführung angemessener Sanktionen usw.) in ihrem Verwaltungsverfahren wesentlich betroffen. Die Regelungen können auch nicht als Annex zu anderen materiellen Bestimmungen verstanden werden, da sich die Mitteilung der Kommission - wie erwähnt - ausschließlich mit Fragen einer Kontroll- und Verwaltungstätigkeit befasst.