übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 30. Juni 2004 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 4. Juni 2004 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.
Gemäß § 45 a GOBR erscheint die Initiative Schwedens auf Verlangen des Freistaates Bayern vom 20. Dezember 2004 als Drucksache des Bundesrates.
Hinweis: vgl. Drucksache 406/04 (PDF) = AE-Nr. 041725
Entwurf
Rahmenbeschluss
über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den
Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in
Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen
Der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union,
insbesondere auf Artikel 30 Absatz 1 Buchstaben a und b und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b,
auf Initiative des Königreichs Schweden,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- Eines der Hauptziele der Union besteht darin, ihren Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten.
- Dieses Ziel soll durch die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität im Wege einer engeren Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten erreicht werden, wobei die Grundsätze und Regeln bezüglich der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit, auf denen die Union beruht und die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, beachtet werden müssen.
- Der Austausch von Informationen und Erkenntnissen über Straftaten und kriminelle Aktivitäten ist die Grundlage für die Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung in der Union, die dem allgemeinen Ziel der Verbesserung der Sicherheit der Unionsbürger dient.
- Vor allem in einem Raum, in dem die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft wurden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Strafverfolgungsbehörden rechtzeitig Zugang zu genauen und aktuellen Informationen und Erkenntnissen haben, damit sie Straftaten oder kriminelle Aktivitäten erfolgreich aufdecken und verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchführen können. Da Terroristen und andere Schwerverbrecher ihre Handlungen verdeckt ausführen, müssen sie überwacht werden, und Informationen über mutmaßliche Terroristen müssen besonders schnell ausgetauscht werden.
- Die Möglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden, Informationen und Erkenntnisse über schwerwiegende Straftaten und terroristische Handlungen von anderen Mitgliedstaaten zu erhalten, müssen übergreifend betrachtet werden; Unterschiede bezüglich der Arten von Straftaten oder die Kompetenzverteilung zwischen den Strafverfolgungs- und Justizbehörden dürfen dabei keine Rolle spielen.
- Derzeit wird ein wirksamer und rascher Austausch von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden durch förmliche Verfahren, Verwaltungsstrukturen und rechtliche Hindernisse ernsthaft in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten beeinträchtigt; dieser Zustand ist unannehmbar für die Bürger der Europäischen Union, die größere Sicherheit und eine wirksamere Strafverfolgung - unter Beachtung der Menschenrechte - fordern.
- Die Strafverfolgungsbehörden müssen die Möglichkeit haben, Informationen und Erkenntnisse aus anderen Mitgliedstaaten in verschiedenen Phasen der Untersuchung - von der Sammlung kriminalpolizeilicher Erkenntnisse bis zur strafrechtlichen Ermittlung - anzufordern und zu erhalten. Die Mitgliedstaaten verfügen diesbezüglich über unterschiedliche Systeme; es ist nicht Ziel dieses Rahmenbeschlusses, diese Systeme zu ändern. Mit dem Rahmenbeschluss soll jedoch im Hinblick auf bestimmte Arten von Informationen und Erkenntnissen sichergestellt werden, dass bestimmte Informationen, die für die Strafverfolgungsbehörden von entscheidender Bedeutung sind, innerhalb der Union umgehend ausgetauscht werden, damit die Ermittlungen bei schwerwiegenden Straftaten und terroristischen Handlungen nicht behindert werden.
- Das Fehlen eines gemeinsamen Rechtsrahmens für den wirksamen und raschen Austausch von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten ist ein Mangel, der beseitigt werden muss; der Rat hält es daher für erforderlich, einen verbindlichen Rechtsakt über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zu erlassen.
- Die Mitgliedstaaten müssen bei ihren gemeinsamen Bemühungen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einer schnellen und effizienten Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung und anerkannten Grundsätzen und Regeln bezüglich Datenschutz, Grundfreiheiten, Menschenrechten und individuellen Freiheiten anstreben; mit dem vorliegenden Text wird dieses Gleichgewicht erreicht.
- Der Europäische Rat beauftragt in der Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus, die er auf seiner Tagung vom 25. März 2004 angenommen hat, den Rat, über Maßnahmen im Hinblick auf eine Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beraten. Mit dem vorliegenden Rahmenbeschluss wird diesem Auftrag entsprochen.
- In Bezug auf Island und Norwegen stellt dieser Rahmenbeschluss eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, die unter den Bereich nach Artikel 1 des Beschlusses 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands fallen 1. Die in dem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren wurden in Bezug auf diesen Rahmenbeschluss befolgt.
- Die im Zusammenhang mit der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses verarbeiteten personenbezogenen Daten werden gemäß den Grundsätzen des Übereinkommens des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten geschützt werden.
- Dieser Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zum Ausdruck kommen -
HAT folgenden Rahmenbeschluss angenommen:
Titel I
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Ziel und Anwendungsbereich
- Mit diesem Rahmenbeschluss sollen die Regeln festgelegt werden, nach denen die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten wirksam und rasch bestehende Informationen und Erkenntnisse zum Zwecke der Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen oder polizeilicher Intelligence-Arbeit austauschen können, insbesondere in Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen. Günstigere Bestimmungen in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, bilateralen oder multilateralen Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern sowie Rechtsakte der Europäischen Union über die Rechtshilfe oder die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen werden davon nicht berührt.
- Dieser Rahmenbeschluss verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, Informationen und Erkenntnisse mit dem ausschließlichen Ziel zu sammeln und zu speichern, sie den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten bereitzustellen.
- Dieser Rahmenbeschluss verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, Informationen und Erkenntnisse bereitzustellen, die als Beweismittel vor einer Justizbehörde verwendet werden sollen, noch verleiht er das Recht, bereitgestellte Informationen oder Erkenntnisse zu diesem Zweck zu verwenden. Hat ein Mitgliedstaat Informationen oder Erkenntnisse nach diesem Rahmenbeschluss erhalten und beabsichtigt er, sie als Beweismittel in einem strafrechtlichen Verfahren zu verwenden, so hat er die Einwilligung des Mitgliedstaats, der die Informationen oder Erkenntnisse bereitgestellt hat, einzuholen, gegebenenfalls unter Anwendung der zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsinstrumente für die justizielle Zusammenarbeit.
(4) Dieser Rahmenbeschluss ist keine Verpflichtung, Informationen oder Erkenntnisse in dem Staat, der das Ersuchen um Bereitstellung von Informationen oder Erkenntnissen entgegen nimmt, durch Zwangsmaßnahmen zu erlangen.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
- "zuständige Strafverfolgungsbehörde" eine nationale Polizei-, Zoll- oder sonstige Behörde, die nach einzelstaatlichem Recht befugt ist, Straftaten oder kriminelle Aktivitäten aufzudecken und zu verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchzuführen und in Verbindung mit diesen Tätigkeiten öffentliche Gewalt auszuüben und Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Eine Justizbehörde gilt als zuständige Strafverfolgungsbehörde, wenn sie nach einzelstaatlichem Recht allein über die Informationen oder Erkenntnisse verfügt oder Zugang zu ihnen hat;
- "strafrechtliche Ermittlung" einen Rechtsrahmen, innerhalb dessen die zuständigen Strafverfolgungs- oder Justizbehörden, einschließlich der Staatsanwaltschaft, Maßnahmen ergreifen, um Sachverhalte, Verdächtige und Umstände bezüglich einer oder mehrerer festgestellter konkreter strafbarer Handlungen zu ermitteln und zu identifizieren;
- "polizeiliche Intelligence-Arbeit" einen Rechtsrahmen, der noch nicht das Stadium einer von Justizbehörden - einschließlich der Staatsanwaltschaft - geleiteten und überwachten strafrechtlichen Ermittlung erreicht hat und innerhalb dessen eine zuständige Strafverfolgungsbehörde nach einzelstaatlichem Recht befugt ist, Informationen über Straftaten oder kriminelle Aktivitäten zu sammeln, zu verarbeiten und zu analysieren, um festzustellen, ob eine konkrete strafbare Handlung begangen wurde oder möglicherweise begangen wird;
- "Informationen und Erkenntnisse" alle Arten bestehender Informationen oder Angaben, auch bewertet, verarbeitet und analysiert, die im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung oder polizeilicher Intelligence-Arbeit zur Aufdeckung und Verhütung einer Straftat oder einer kriminellen Aktivität sowie zu den diesbezüglichen Ermittlungen verwendet werden könnten. Diese Informationen oder Erkenntnisse umfassen Folgendes:
- Informationen und Erkenntnisse in Aufzeichnungen oder Dateien, die von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden geführt werden,
- Informationen in von anderen Behörden geführten Aufzeichnungen oder Dateien, zu denen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden unmittelbar oder mittelbar Zugang haben,
- von Telekommunikationsbetreibern gespeicherte Informationen über im Teilnehmerverzeichnis aufgeführte bzw. nicht darin aufgeführte Inhaber von Telefon-, Mobiltelefon-, Telex-, Telefax-, E-Mail-Anschlüssen oder Website-Adressen,
- von Beförderungsunternehmen gespeicherte Informationen über Personen und Fracht,
- alle sonstigen Informationen oder Erkenntnisse oder Angaben, auch bewertet, verarbeitet oder analysiert, die im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung oder polizeilicher Intelligence-Arbeit erlangt wurden oder die ohne Einsatz von Zwangsmaßnahmen erlangt werden können.
Artikel 3
Straftaten
Ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen nach diesem Rahmenbeschluss kann bezüglich Straftaten erfolgen, die nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens 12 Monaten bedroht sind. Die Mitgliedstaaten können bilateral vereinbaren, dass die gemäß diesem Rahmenbeschluss anwendbaren Verfahren in einem breiteren Rahmen anzuwenden sind.
Titel II
AUSTAUSCH von Informationen und Erkenntnissen
Artikel 4
Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen
- Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Informationen und Erkenntnisse, die im Besitz der zuständigen Strafverfolgungsbehörden sind oder diesen ohne Zwangsmaßnahmen zugänglich sind, den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten gemäß diesem Rahmenbeschluss zur Verfügung gestellt werden können.
- Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten Bedingungen gelten, die nicht strenger als die Bedingungen sind, die auf nationaler Ebene für die Zurverfügungstellung und Anforderung von Informationen und Erkenntnissen gelten.
- Informationen und Erkenntnisse werden auf Ersuchen einer zuständigen Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung gestellt, die innerhalb der durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgegebenen Grenzen handelt und eine strafrechtliche Ermittlung oder polizeiliche Intelligence-Arbeit durchführt.
Artikel 4a
Fristen für die Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen
(1) Informationen und Erkenntnisse werden ohne Verzögerung und so umfassend wie möglich innerhalb der geforderten Frist zur Verfügung gestellt. Können Informationen oder Erkenntnisse nicht innerhalb der geforderten Frist zur Verfügung gestellt werden, so gibt die zuständige Strafverfolgungsbehörde, bei der ein Ersuchen um Informationen oder Erkenntnisse eingegangen ist, die Frist an, innerhalb derer sie diese zur Verfügung stellen kann. Diese Angabe erfolgt unverzüglich.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sie über geeignete Verfahren verfügen, um innerhalb von höchstens 12 Stunden auf Ersuchen um Informationen und Erkenntnisse antworten zu können, sofern der ersuchende Staat angibt, dass er eine strafrechtliche Ermittlung oder polizeiliche Intelligence-Arbeit bezüglich der folgenden Straftaten, wie sie im Recht des ersuchenden Staats definiert sind, durchführt:
- Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,
- Terrorismus,
- Menschenhandel,
- sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie,
- illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen,
- illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen,
- Korruption,
- Betrugsdelikte, einschließlich des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften im Sinne des Übereinkommens vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
- Wäsche von Erträgen aus Straftaten,
- Geldfälschung einschließlich der Euro-Fälschung,
- Cyberkriminalität,
- Umweltkriminalität einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzen- und Baumarten,
- Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt,
- vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung,
- illegaler Handel mit Organen und menschlichem Gewebe,
- Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme,
- Rassismus und Fremdenfeindlichkeit,
- Diebstahl in organisierter Form oder mit Waffen,
- illegaler Handel mit Kulturgütern, einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenständen,
- Betrug,
- Erpressung und Schutzgelderpressung,
- Nachahmung und Produktpiraterie,
- Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit,
- Fälschung von Zahlungsmitteln,
- illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern,
- illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen,
- Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen,
- Vergewaltigung,
- Brandstiftung,
- Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen,
- Flugzeug-/Schiffsentführung,
- Sabotage,
- gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise, einschließlich Verstößen gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts,
- Warenschmuggel,
- Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum,
- Gewaltandrohung oder Gewalt gegen Personen und Sachen, insbesondere Gewalttätigkeit bei Sportveranstaltungen oder internationalen Veranstaltungen wie Tagungen des Europäischen Rates,
- Folter.
Gibt der ersuchende Staat an, dass er die Informationen schneller erhalten möchte, so bemüht der ersuchte Staat sich nach Kräften, dem Ersuchen rasch zu entsprechen.
Artikel 5
Ersuchen um Informationen und Erkenntnisse
- Um Informationen und Erkenntnisse kann ersucht werden zum Zwecke der Aufdeckung und Verhütung einer Straftat oder einer kriminellen Aktivität in Verbindung mit den in Artikel 3 genannten Straftaten sowie der diesbezüglichen Ermittlungen, sofern Grund zu der Annahme besteht, dass sachdienliche Informationen und Erkenntnisse in anderen Mitgliedstaaten verfügbar sind.
- Die ersuchende zuständige Strafverfolgungsbehörde sieht davon ab, mehr Informationen oder Erkenntnisse anzufordern oder eine kürzere Frist zu setzen, als es für den Zweck, der dem Ersuchen zugrunde liegt, erforderlich ist.
- Ersuchen um Informationen oder Erkenntnisse enthalten mindestens die im Anhang zu diesem Rahmenbeschluss (wird noch erstellt) genannten Informationen.
Artikel 6
Kategorien von Personen, über die Informationen oder Erkenntnisse ausgetauscht werden können
(1) Der Austausch von Informationen und Erkenntnissen nach diesem Rahmenbeschluss kann sich auf Personen beziehen, die gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats
- verdächtigt werden, eine Straftat oder eine kriminelle Aktivität in Verbindung mit den in Artikel 3 genannten Straftaten begangen oder daran teilgenommen zu haben, oder
- nach polizeilichen Erkenntnissen oder anderen beweiserheblichen Umständen möglicherweise eine Straftat oder eine kriminelle Aktivität in Verbindung mit den in Artikel 3 genannten Straftaten begehen oder daran teilnehmen, oder
c) nicht unter Buchstabe a oder b fallen, bei denen aber konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen als notwendiger Bestandteil einer strafrechtlichen Ermittlung oder polizeilicher Intelligence-Arbeit dazu beitragen könnte, eine Straftat oder eine kriminelle Aktivität in Verbindung mit den in Artikel 4a genannten Straftaten aufzudecken und zu verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchzuführen.
(2) Ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen kann ferner im Hinblick auf die Identifizierung von Personen, die unter die Kategorien nach Absatz 1 Buchstaben a bis c fallen, stattfinden.
Artikel 7
Kommunikationswege
- Der Austausch von Informationen und Erkenntnissen nach diesem Rahmenbeschluss kann über die SIRENE-Büros oder gemäß Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 5 Absatz 4 des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) oder in Zollangelegenheiten über die Zentralstellen gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen oder in jedem anderen bilateralen oder multilateralen Rahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgen. Derartige Rahmen sind dem Generalsekretariat des Rates innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses und anschließend den anderen Mitgliedstaaten mitzuteilen. Die Mitteilung wird im Amtsblatt veröffentlicht.
- Die Mitgliedstaaten können im Einzelfall oder allgemein vereinbaren, dass andere Wege für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen nach diesem Rahmenbeschluss benutzt werden können; so kann der Austausch zum Beispiel über Verbindungsbeamte oder unmittelbar zwischen nationalen oder lokalen Strafverfolgungsbehörden erfolgen.
- Informationen und Erkenntnisse, die nicht gemäß Artikel 4 Absatz 4 oder Artikel 5 Absatz 4 des Europol-Übereinkommens ausgetauscht wurden, werden ferner Europol im Einklang mit dem Europol-Übereinkommen mitgeteilt, sofern der Austausch eine Straftat oder kriminelle Aktivität betrifft, die unter das Europol-Mandat fällt.
Artikel 8
Spontaner Austausch von Informationen und Erkenntnissen
- Unbeschadet des Artikels 11 Buchstaben a bis c stellen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten unaufgefordert Informationen und Erkenntnisse zur Verfügung, falls konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass diese Informationen und Erkenntnisse dazu beitragen könnten, Straftaten oder kriminelle Aktivitäten in Verbindung mit den in Artikel 4a genannten Straftaten aufzudecken und zu verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchzuführen.
- Es werden nur die Informationen und Erkenntnisse zur Verfügung gestellt, die für die erfolgreiche Aufdeckung und Verhütung der betreffenden Straftat oder kriminellen Aktivität sowie der diesbezüglichen Ermittlungen für sachdienlich und erforderlich gehalten werden.
Artikel 9
Datenschutz
- Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass die geltenden Datenschutzregeln und -normen, die bei der Benutzung der in Artikel 7 Absatz 1 genannten Kommunikationswege anzuwenden sind, auch im Rahmen des in diesem Rahmenbeschluss vorgesehenen Verfahrens für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen angewandt werden.
- Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass bei der Benutzung eines in Artikel 7 Absatz 2 genannten Kommunikationswegs im Rahmen des in diesem Rahmenbeschluss vorgesehenen vereinfachten Verfahrens für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen Datenschutznormen angewandt werden, die den in Absatz 1 genannten Normen entsprechen.
(3) Informationen und Erkenntnisse, einschließlich personenbezogener Daten, die nach diesem Rahmenbeschluss zur Verfügung gestellt werden, können von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, denen sie bereitgestellt wurden, zu folgenden Zwecken verwendet werden:
- Verfahren, auf die dieser Rahmenbeschluss Anwendung findet;
- andere Strafverfolgungsverfahren, die in direktem Zusammenhang mit den unter Buchstabe a genannten Verfahren stehen;
- Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit;
- alle anderen Zwecke, einschließlich Strafverfolgung oder Verwaltungsverfahren, jedoch ausschließlich mit ausdrücklicher vorheriger Genehmigung durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde, die die Informationen oder Erkenntnisse zur Verfügung gestellt hat.
(4) Die zuständige Strafverfolgungsbehörde, die Informationen und Erkenntnisse nach diesem Rahmenbeschluss zur Verfügung stellt, kann nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts dabei Bedingungen für die Verwendung der Informationen und Erkenntnisse durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde, die die Informationen und Erkenntnisse erhält, festlegen. Ferner können Bedingungen für die Mitteilung der Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlung oder der polizeilichen Intelligence-Arbeit, in deren Rahmen der Austausch von Informationen und Erkenntnissen stattgefunden hat, festgelegt werden. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde, die die Informationen und Erkenntnisse erhält, ist an diese Bedingungen gebunden.
Artikel 10
Vertraulichkeit
Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden tragen in jedem konkreten Fall eines Austauschs von Informationen oder Erkenntnissen den Erfordernissen des Untersuchungsgeheimnisses gebührend Rechnung. Zu diesem Zweck gewährleisten die zuständigen Strafverfolgungsbehörden nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts die Vertraulichkeit aller zur Verfügung gestellten Informationen und Erkenntnisse, die als vertraulich gekennzeichnet wurden.
Artikel 11 Gründe für die Zurückhaltung von Informationen oder Erkenntnissen
Eine zuständige Strafverfolgungsbehörde kann die Zurverfügungstellung von Informationen oder Erkenntnissen nur verweigern, wenn konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass die Zurverfügungstellung der Informationen oder Erkenntnisse
- wesentliche nationale Sicherheitsinteressen des ersuchten Mitgliedstaats schädigen würde oder
- den Erfolg einer laufenden Ermittlung oder polizeilichen Intelligence-Arbeit gefährden würde oder
- eindeutig in keinem Verhältnis zu den Zwecken, für die sie angefordert wurden, steht oder für diese Zwecke irrelevant ist.
Titel III
Schlussbestimmungen
Artikel 12
Umsetzung
- Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss innerhalb von zwei Jahren nach seinem Inkrafttreten nachzukommen.
- Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Die Kommission legt dem Rat auf der Grundlage dieser und anderer Informationen zwei Jahre nach dem in Absatz 1 genannten Datum einen Bericht über die Durchführung dieses Rahmenbeschlusses vor. Der Rat bewertet spätestens ein Jahr nach diesem Datum, inwieweit die Mitgliedstaaten diesem Rahmenbeschluss nachgekommen sind.
Artikel 13
Verhältnis zu anderen Rechtsakten
- Artikel 39 Absätze 1 und 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens wird hiermit aufgehoben.
- Die Mitgliedstaaten können bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieses Rahmenbeschlusses in Kraft sind, weiterhin anwenden, soweit diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen gestatten, über die Ziele dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen, und dazu beitragen, die Verfahren zum Austausch von Informationen und Erkenntnissen, die in den Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses fallen, weiter zu vereinfachen und zu erleichtern.
- Die Mitgliedstaaten können bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses schließen, soweit diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen gestatten, über die Ziele dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen, und dazu beitragen, die Verfahren zum Austausch von Informationen und Erkenntnissen, die in den Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses fallen, weiter zu vereinfachen und zu erleichtern.
- Die in den Absätzen 2 und 3 genannten Übereinkünfte und Vereinbarungen dürfen die Beziehungen zu Mitgliedstaaten, die nicht Vertragspartei dieser Übereinkünfte und Vereinbarungen sind, auf keinen Fall beeinträchtigen.
- Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses über bestehende Übereinkünfte und Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 2, die sie weiterhin anwenden wollen.
- Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission ferner über alle neuen Übereinkünfte und Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3 innerhalb von drei Monaten nach deren Unterzeichnung.
Artikel 14
Inkrafttreten
Dieser Rahmenbeschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Im Namen des Rates
Der Präsident
Begründung
Hintergrund
Strafverfolgungsbehörden müssen Zugang zu Informationen und Erkenntnissen haben, damit sie Straftaten oder kriminelle Aktivitäten erfolgreich aufdecken und verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchführen können. Zudem benötigen sie diesen Zugang oft innerhalb einer sehr kurzen Frist, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
Die Fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kriminalität leitet sich zu einem großen Teil unmittelbar daraus ab, inwieweit sie in der Lage sind, Informationen und Erkenntnisse rechtzeitig zu erhalten und auszutauschen. Daher ist der Austausch von Informationen und Erkenntnissen die Grundlage jeder Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung.
Da Schwerkriminalität und Terrorismus oft international organisiert sind, ist der einfache Zugang zu Informationen und Erkenntnissen von besonderer Bedeutung bei der Bekämpfung dieser Art von Kriminalität und des Terrorismus auf Unionsebene. Aus diesem Grund hat der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 25. März 2004 in der Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus den Rat beauftragt, über Maßnahmen im Hinblick auf eine Vereinfachung des Austauschs von Informationen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beraten.
In Titel VI des Vertrags über die Europäische Union heißt es, dass die Ziele der Union unter anderem im Wege einer engeren Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden sowie durch ein gemeinsames Vorgehen bei der Strafverfolgung im Hinblick auf die Verhütung von Straftaten sowie ihre Aufdeckung und Ermittlung erreicht werden sollen.
Wie weiter unten ausgeführt, müssen die Möglichkeiten zum Austausch von Informationen und Erkenntnissen zwischen Strafverfolgungsbehörden verbessert werden. Dies wird zum Erreichen der Ziele der Union beitragen.
Ungelöste Fragen
Die praktische Erfahrung im Bereich der Strafverfolgung zeigt, dass es zu oft zu schwierig, zu langwierig oder in einigen Fällen sogar unmöglich ist, sachdienliche und notwendige Informationen oder Erkenntnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu erhalten.
Ein Grund für diesen Zustand besteht darin, dass die Mitgliedstaaten über unterschiedliche einzelstaatliche Gesetzgebungen, Verwaltungsstrukturen und Bedingungen für die Sammlung und Weiterleitung von Informationen und Erkenntnissen auf internationaler Ebene verfügen. Tatsächlich ist die derzeitige Lage dadurch gekennzeichnet, dass nicht koordinierte einzelstaatliche Rechtsvorschriften und Verfahren für die Sammlung und den Austausch von Informationen und Erkenntnissen für ein koordiniertes Vorgehen bei der Strafverfolgung auf Unionsebene bestimmend sind.
So ist es zum Beispiel möglich, dass Informationen oder Daten, die in einem Mitgliedstaat öffentlich zugänglich sind, in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung dieses Mitgliedstaats nicht verfügbar sind. Ferner kann es vorkommen, dass eine Polizei- oder Zollbehörde, die innerhalb ihrer in der innerstaatlichen Gesetzgebung verankerten Zuständigkeit in einer Phase, in der eine Justizbehörde nicht handlungsbefugt ist, handelt, keinen Zugang zu entscheidenden Informationen oder Erkenntnissen erhält, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein richterliches Ersuchen erforderlich ist. Darüber hinaus gilt der Austausch von Informationen aus dem Strafregister in einigen Mitgliedstaaten als justizielle Zusammenarbeit, was bedeutet, dass eine Polizei- oder Zollbehörde in einem anderen Mitgliedstaat, die im Rahmen ihrer polizeilichen Intelligence-Arbeit Ermittlungen über ein Netz organisierter Kriminalität durchführt, keinen Zugang zu diesen Informationen erhält.
Ferner kann es vorkommen, dass es strengere Regeln für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden als mit nationalen Behörden gibt; dies ist eine unbefriedigende Situation in einem Raum, in dem die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft sind.
Ein grundlegender Aspekt, den es anzugehen gilt, besteht darin, dass die Bekämpfung von Kriminalität oft "vertikal" betrachtet wird, d.h. Maßnahmen werden im Hinblick auf verschiedene Arten von - organisierter oder nicht organisierter - Kriminalität getroffen. Diese Abgrenzungen spielen jedoch bei Kriminalität und insbesondere organisierter Kriminalität keine Rolle, da Verbrecher sich in jedem Bereich der Kriminalität betätigen, der ihnen die Aussicht auf finanziellen Ertrag oder das Erreichen anderer krimineller Ziele bietet.
Ein weiteres Beispiel für den "vertikalen" Ansatz besteht darin, dass Maßnahmen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene mit Bezug auf verschiedene Strafverfolgungsbehörden, die Kompetenzverteilung zwischen Strafverfolgungs- und Justizbehörden sowie verschiedene Instrumente der internationalen Zusammenarbeit getroffen werden. Solche Maßnahmen stärken zwar zweifelsohne den Kampf gegen die Kriminalität; der vertikale Ansatz kann jedoch Situationen verfestigen, in denen verschiedene Zuständigkeitsbereiche, verschiedene Bedingungen der Zusammenarbeit sowie verschiedene innerstaatliche Rechtsvorschriften, Strukturen und Verfahren tatsächlich Hindernisse für die Sammlung und den Austausch von Informationen und Erkenntnissen auf Unionsebene schaffen.
Um der derzeitigen Lage abzuhelfen und eine wirklich effiziente Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf Unionsebene zu erreichen, muss ein horizontaler Ansatz angewandt werden und die Bekämpfung der Kriminalität als solche in den Mittelpunkt gestellt werden. Folglich sollte weniger Gewicht auf die jeweiligen Zuständigkeiten der nationalen Behörden im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität gelegt werden, da die Unterschiede zwischen diesen den effizienten Austausch von Informationen und Erkenntnissen auf Unionsebene behindern können.
Ziele
Ziel dieses Rahmenbeschlusses ist es, einen gemeinsamen und vereinfachten Rahmen für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen zwischen zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Union im Zuge einer strafrechtlichen Ermittlung oder polizeilicher Intelligence-Arbeit zu schaffen.
Ausgangspunkt ist die Forderung, dass eine nationale Zuständigkeit für die Aufdeckung oder Verhütung einer Straftat oder einer kriminellen Aktivität sowie die diesbezüglichen Ermittlungen, die eine nationale Behörde nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften besitzt, von anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden und das Recht verleihen sollte, in anderen Mitgliedstaaten verfügbare Informationen und Erkenntnisse ohne andere förmliche Anforderungen als jene, die in dem Rahmenbeschluss festgelegt sind, anzufordern und zu erhalten.
Konkret werden folgende Ziele verfolgt:
• Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen, der für alle nationalen Behörden mit Strafverfolgungsaufgaben anwendbar ist;
- Erweiterung und Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen diesen Behörden;
- Schließung etwaiger Lücken, die durch strengere Regeln für die Sammlung und den Austausch von Informationen und Erkenntnissen auf Unionsebene als auf nationaler Ebene verursacht werden.
Die Hauptgründe für die Schwierigkeiten beim Austausch von Informationen und Erkenntnissen auf Unionsebene bestehen in den unterschiedlichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsstrukturen in den Mitgliedstaaten. Die Ziele dieses Rahmenbeschlusses können daher auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie lassen sich im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip besser auf Ebene der Union erreichen.
Auch wenn der Rahmenbeschluss eine breitere Anwendung auf bilateraler Basis ermöglicht (siehe Artikel 1), so liegt der Schwerpunkt doch auf schwerwiegenden Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen. Aus diesem Grund steht der Rahmenbeschluss im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und geht nicht über das zur Erreichung seiner Ziele erforderliche Maß hinaus.
Bemerkungen und Erläuterungen
Präambel
In der Präambel werden die Gründe und Ziele des Rahmenbeschlusses detailliert erläutert. Es wird ferner in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Strafverfolgung und den anerkannten Regeln bezüglich Datenschutz, Menschenrechten und Grundfreiheiten gefunden werden muss.
Artikel 1
In diesem Artikel werden der Anwendungsbereich und die Ziele des Rahmenbeschlusses dargelegt sowie seine Beschränkungen, wie zum Beispiel die Nicht-Verpflichtung, Informationen und Erkenntnisse mit dem ausschließlichen Ziel zu speichern, sie einer zuständigen Strafverfolgungsbehörde eines anderen Mitgliedstaats zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wird die Verwendung der erlangten Informationen und Erkenntnisse auf die Strafverfolgung beschränkt, d.h. sie können nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren verwendet werden (siehe Bemerkungen zu Artikel 2).
Artikel 2
In diesem Artikel werden einige wichtige Begriffe definiert.
Bei der Bestimmung des Begriffs "zuständige Strafverfolgungsbehörde" wird die Tatsache berücksichtigt, dass eine Polizei- oder Zollbehörde in einem Mitgliedstaat die einzelstaatliche Zuständigkeit für eine bestimmte Maßnahme besitzen kann, die in einem identischen Fall in einem anderen Mitgliedstaat der Aufsicht einer Justizbehörde untersteht.
Der Rahmenbeschluss gilt für alle nationalen Behörden, die nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften dazu befugt sind, eine strafrechtliche Ermittlung oder polizeiliche Intelligence-Arbeit durchzuführen oder zu beaufsichtigen. Die Begriffsbestimmung unterscheidet ferner deutlich zwischen nationalen Behörden, die befugt sind, öffentliche Gewalt auszuüben und Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, und Zivilbehörden, die in bestimmten Bereichen Ermittlungsmaßnahmen, aber keine Zwangsmaßnahmen durchführen können.
"Strafrechtliche Ermittlung" und "polizeiliche Intelligence-Arbeit" umfassen Maßnahmen, die von einer zuständigen Strafverfolgungsbehörde in einem Rechtsrahmen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften durchgeführt werden, und zwar von der Anfangsphase einer Untersuchung oder Ermittlung bis zur Strafverfolgung. Diese Begriffe könnten als "Strafverfolgungsmaßnahmen" zusammengefasst werden.
Durch die Bestimmung des Begriffs "zuständige Strafverfolgungsbehörde" zusammen mit der Bestimmung der Begriffe "strafrechtliche Ermittlung" und "polizeiliche Intelligence-Arbeit" wird der Austausch von Informationen und Erkenntnissen im Zuge der Strafverfolgungsmaßnahmen - unabhängig von Unterschieden der nationalen Strukturen - ermöglicht.
Die Bestimmung des Begriffs "Informationen und Erkenntnisse" muss im Zusammenhang mit Artikel 4 Absatz 1 gesehen werden. Die vier angegebenen Kategorien von Informationen und Erkenntnissen sind nicht als erschöpfende Liste anzusehen. Sie dienen jedoch der Präzisierung, indem sie bestimmte Arten von Informationen und Erkenntnissen hervorheben.
Artikel 3
In diesem Artikel werden die Arten von Straftaten genannt, die Gegenstand eines Austauschs von Informationen und Erkenntnissen sein können. Dabei wird zugrunde gelegt, dass ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen im Hinblick auf alle Straftaten stattfinden kann, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens 12 Monaten bedroht sind, wobei jedoch eine breitere Grundlage für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen angewandt werden kann.
Artikel 4
In diesem Artikel wird beschrieben, welchen Verpflichtungen die Mitgliedstaaten nachkommen müssen, um sicherzustellen, dass Informationen und Erkenntnisse den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden können.
In Absatz 1 wird dargelegt, dass der Austausch von Informationen und Erkenntnissen nach diesem Rahmenbeschluss Informationen und Erkenntnisse betrifft, die im Besitz der zuständigen Strafverfolgungsbehörden sind oder diesen gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften zugänglich sind; dazu gehören zum Beispiel Informationen, die im Besitz öffentlicher oder privater Körperschaften sind.
Dagegen wird in Absatz 1 ferner darauf hingewiesen, dass es nicht Zweck des Rahmenbeschlusses ist, Regeln für die Erlangung von Informationen und Erkenntnissen durch Zwangsmaßnahmen wie körperliche Untersuchungen, Hausdurchsuchungen oder förmliche Vernehmungen von Personen zu erstellen. Derartige Maßnahmen gelten als justizielle Zusammenarbeit; bestehende Vereinbarungen in diesem Bereich werden von dem Rahmenbeschluss nicht berührt.
In Artikel 4a wird unterstrichen, wie wichtig es ist, Informationen und Erkenntnisse - besonders im Hinblick auf bestimmte Arten von Straftaten - rechtzeitig bereitzustellen.
Artikel 5
In diesem Artikel werden die Bedingungen dargelegt, unter denen Informationen und Erkenntnisse angefordert werden können, wobei deutlich gemacht wird, dass diesbezügliche Ersuchen nicht wahllos eingereicht werden sollten, sondern sich auf ein Maß beschränken müssen, das für den erfolgreichen Abschluss der betreffenden Ermittlung für erforderlich gehalten wird.
Bei dem in Absatz 3 genannten Anhang handelt es sich um ein - auch in elektronischer Form - zu entwickelndes Standardformular im Hinblick auf die Erleichterung der Weiterleitung von Ersuchen um Informationen und Erkenntnisse.
Artikel 6
In Absatz 1 Buchstaben a und b wird festgelegt, dass ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen bezüglich Personen stattfinden kann, die eine in Artikel 3 genannte Straftat begangen haben oder möglicherweise begehen bzw. an einer solchen Straftat teilgenommen haben oder möglicherweise teilnehmen.
In Absatz 1 Buchstabe c wird auf die Möglichkeit des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zu nicht verdächtigen Personen hingewiesen. Dies ist notwendig und in bestimmten Fällen unvermeidlich. So kann es zum Beispiel von entscheidender Bedeutung sein, den Inhaber einer Telefon-Geheimnummer zu ermitteln, ohne zum Zeitpunkt des Ersuchens zu wissen, ob der betreffende Teilnehmer eine verdächtige Person ist oder nicht. Der Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe c ist im Wesentlichen identisch mit dem Wortlaut des Beschlusses des Rates zur Änderung von Artikel 40 Absatz ldes Schengener Übereinkommens über die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Überwachung nicht verdächtiger Personen.
Im Zuge polizeilicher Intelligence-Arbeit - zum Beispiel wenn eine zuständige Strafverfolgungsbehörde die Aktivitäten eines kriminellen Netzwerks untersucht - kann ein grundlegendes Ziel der Arbeit darin bestehen, die Identität der an dem Netzwerk beteiligten Personen festzustellen. Zur Vermeidung von Zweifeln ist in Absatz 2 vorgesehen, dass ein Austausch von Informationen und Erkenntnissen zur Identifizierung von Personen, die unter die vorgenannten Kategorien fallen, stattfinden kann.
Artikel 7
In diesem Artikel wird die Benutzung der im Rahmen der Europäischen Union etablierten Kommunikationswege empfohlen; es wird jedoch auch vorgesehen, dass andere Wege, die die Mitgliedstaaten möglicherweise für angemessen halten, benutzt werden können.
In Absatz 3 wird die im Europol-Übereinkommen enthaltene Verpflichtung präzisiert, nach der Europol Informationen und Erkenntnisse bezüglich Straftaten, die unter das Europol-Mandat fallen, erhalten muss.
Artikel 8
Dieser Artikel orientiert sich an Artikel 46 des Schengener Übereinkommens und an Artikel 17 des Neapel-II-Übereinkommens. Der Wortlaut ist jedoch nicht identisch mit diesen Artikeln, da sich Artikel 46 (Schengen) auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bezieht und Artikel 17 (Neapel II) eine Verpflichtung zur spontanen Bereitstellung von Informationen beinhaltet. Folglich ist es möglich, dass Polizei- und Zollbehörden den Grundsatz des spontanen Informationsaustauschs unterschiedlich anwenden.
Es hat ferner den Anschein, dass die Mitgliedstaaten auf die Möglichkeit zurückgreifen, keine verbindlichen Regeln für den spontanen Informationsaustausch einzuführen, sofern diese Möglichkeit besteht. Für die Zwecke dieses Rahmenbeschlusses, der allen Strafverfolgungsbehörden gemeinsam ist, wird es für entscheidend erachtet, dass eine Klausel über den spontanen Austausch von Informationen und Erkenntnissen aufgenommen wird.
Der Artikel enthält die Verpflichtung, sachdienliche Informationen und Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen, falls konkrete Gründe für die Annahme bestehen, dass die Informationen und Erkenntnisse dazu beitragen könnten, eine Straftat oder eine kriminelle Aktivität in Verbindung mit den in Artikel 3 genannten Straftaten aufzudecken und zu verhüten sowie die diesbezüglichen Ermittlungen durchzuführen.
Solche konkreten Gründe könnten zum Beispiel die konkrete Information sein, dass eine bestimmte Straftat in einem anderen Mitgliedstaat erwartet wird oder dass eine Person plant, Gewalttaten gegen Personen und Eigentum in Verbindung mit einem Fußballturnier oder einem internationalen Gipfel zu begehen. Eine derartige proaktive Meldung kann sehr wirksam zur Vorbeugung schwerwiegender Straftaten und somit zu einer Verbesserung der Sicherheit der Unionsbürger beitragen.
Es besteht jedoch keine Absicht, die Mitgliedstaaten allgemein zur Sammlung und Speicherung von Informationen und Erkenntnissen im möglichen künftigen Interesse anderer Mitgliedstaaten zu verpflichten (siehe Artikel 1 Absatz 2). Zudem sollten nur die Informationen und Erkenntnisse zur Verfügung gestellt werden, die für die Verhütung und Aufdeckung der betreffenden Straftat oder kriminellen Aktivität sowie die diesbezüglichen Ermittlungen erforderlich sind.
Artikel 9
Ein derartiges Rechtsinstrument erfordert strenge Datenschutzregeln, die unabhängig von den beteiligten Strafverfolgungsbehörden oder den benutzten Kommunikationswegen anwendbar sind.
Für den Austausch von Informationen und Erkenntnissen über die SIRENE-Büros, Europol oder die Zentralstellen der Zollbehörden gelten die entsprechenden Datenschutzregeln. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch gleichwertige Datenschutzregeln einführen, wenn sie andere Kommunikationswege benutzen. Daraus ergibt sich eine Angleichung der Regeln für den Schutz von Daten und Persönlichkeitsrechten an ein bereits von den Mitgliedstaaten akzeptiertes Niveau, was de facto zu einer allgemeinen Verstärkung des Schutzes von Daten und Persönlichkeitsrechten im Bereich der Strafverfolgung beiträgt.
Der Wortlaut von Absatz 3 orientiert sich an Artikel 23 des Rechtshilfeübereinkommens und an Artikel 1 Absatz 10 des Rahmenbeschlusses über gemeinsame Ermittlungsgruppen. Außer unter Buchstabe c wird in diesem Absatz die Verwendung von Informationen und Erkenntnissen auf Strafverfolgungsmaßnahmen beschränkt, d.h. dass sie nicht für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren verwendet werden dürfen (siehe Artikel 1 Absatz 3).
In Absatz 4 wird der zuständigen Strafverfolgungsbehörde die Möglichkeit eingeräumt, Bedingungen für die Verwendung der zur Verfügung gestellten Informationen und Erkenntnisse festzulegen. Im Hinblick auf die Ausgewogenheit der Verpflichtung zur Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen (Artikel 4) sieht dieser Absatz ferner die Möglichkeit vor, eine Mitteilung
der Ergebnisse der Ermittlung oder Intelligence-Arbeit, in deren Rahmen die Informationen und Erkenntnisse zur Verfügung gestellt wurden, an die bereitstellende Stafverfolgungsbehörde vorzuschreiben. Die zuständige Strafverfolgungsbehörde, die die Informationen und Erkenntnisse erhält, ist an diese Bedingungen gebunden.
Artikel 10
Mit diesem Artikel werden die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts die Vertraulichkeit der als vertraulich gekennzeichneten Informationen und Erkenntnisse zu gewährleisten.
Artikel 11
In diesem Artikel wird ein Gleichgewicht zwischen der Verpflichtung zur Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen (Artikel 4) und den Gründen für die Verweigerung der Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen hergestellt.
In Buchstabe c wird als Ergänzung zu Artikel 5 Absatz 2 die Zurückhaltung von Informationen und Erkenntnissen für den Fall vorgesehen, dass ein Ersuchen eindeutig unverhältnismäßig oder irrelevant ist. Diese Bestimmung stärkt den Schutz der Persönlichkeitsrechte.
Artikel 12
Dieser Artikel enthält eine Standardklausel mit den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses.
Artikel 13
Dieser Artikel beschreibt das Verhältnis zu bestimmten Rechtsakten der Union sowie bilateralen und multilateralen Vereinbarungen über den Austausch von Informationen und Erkenntnissen.
Durch die Absätze 5 und 6 werden die Mitgliedstaaten zur Unterrichtung über bestehende sowie neue Vereinbarungen in diesem Bereich verpflichtet.
Artikel 14
Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses.