Der Bundesrat hat in seiner 802. Sitzung am 9. Juli 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission außer der Mitteilung zur Reaktion auf den Reflexionsprozess auf hoher Ebene über die Patientenmobilität und die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung in der EU zeitgleich die Mitteilung zur Modernisierung des Sozialschutzes für die Entwicklung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege (vgl. BR-Drucksache 365/04 (PDF) ) vorgelegt hat. Eine Mitteilung über elektronische Gesundheitsdienste ist verabschiedet. Diese Mitteilungen und die darin zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen der Kommission stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang miteinander und müssen daher im weiteren Verlauf so behandelt werden. Die vorliegende Mitteilung zur Mobilität von Patienten befasst sich mit der Zusammenarbeit der Gesundheitsversorgungssysteme untereinander zur Erleichterung der Freizügigkeit der Patienten und Bürger. Demgegenüber geht es in der Mitteilung über die Modernisierung des Sozialschutzes (vgl. BR-Drucksache 365/04 (PDF) ) primär um die Koordination und Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Weiterentwicklung der Gesundheitssysteme als solche im Rahmen des so genannten Lissabon-Prozesses. Die Mitteilung zu elektronischen Gesundheitsdiensten befasst sich mit den Informationserfordernissen und Möglichkeiten der elektronischen Informationsdienste im Bereich des Gesundheitswesens. Während die Kommission bei der Zusammenarbeit zur Verbesserung der Patientenmobilität von einer Steuerung des Prozesses im Rahmen von Artikel 152 Abs. 2 EGV ausgeht, will sie für den Prozess der Modernisierung des Sozialschutzes im Bereich der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege uneingeschränkt die offene Koordinierungsmethode einsetzen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt konkrete Erleichterungen für die europäischen Bürger, Gesundheitsdienstleistungen auch außerhalb ihres Heimatstaats in Anspruch nehmen zu können. Der Bundesrat stellt fest, dass mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) in Deutschland hierfür eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen worden ist. Die Fortsetzung dieses Prozesses auf der europäischen Ebene sollte entsprechende weitere praktische Erleichterungen auch in den übrigen Mitgliedstaaten nach sich ziehen.
- 3. Der Kommission ist zuzustimmen, dass, auch abgesehen von den Konsequenzen der Patientenmobilität, die Gesundheitssysteme in ganz Europa vor gemeinsamen Herausforderungen stehen. Der Bundesrat verweist hierzu auf seine Stellungnahme zur Mitteilung zur Modernisierung des Sozialschutzes für die Entwicklung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege (vgl. BR-Drucksache 365/04(B) ). Von den dort angesprochenen Fragen sind für die Erleichterung der Patientenmobilität insbesondere Fragestellungen zur Gesundheitsinformation, zur Patienteninformation und zur Qualitätssicherung relevant.
- 4. Die weitere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, gegebenenfalls unter Koordination durch die Kommission, sollte sich auf die konkreten Fragen der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von gesundheitlicher Versorgung konzentrieren. Dabei sollten die Aspekte der regionalen Zusammenarbeit besondere Beachtung finden und die in den Grenzregionen gesammelten Erfahrungen in geeigneter Weise berücksichtigt werden. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass insoweit den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende regional angepasste Lösungen gesucht werden. Die Länder können hierzu konkrete Erfahrungen im Sinne von "Best-Practice"-Modellen einbringen.
- 5. Die gemeinsame Nutzung von Kapazitäten kann, insbesondere bei spezialisierten Versorgungsformen, einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Effektivität der Gesundheitsversorgung leisten. Bei der von der Kommission angestrebten Koordination der Ausweisung von so genannten Referenzzentren muss allerdings die Krankenhausbedarfsplanung der Länder und die Planung und Ausweisung regionaler ambulanter Angebote beachtet werden. In diesem Rahmen können grenzüberschreitende Absprachen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen.
- 6. Die in der Mitteilung angesprochenen Fragen weisen vielfältige Implikationen mit anderen Politikbereichen auf (siehe oben Ziffer 1). Für den weiteren Prozess muss daher dafür gesorgt werden, dass die Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene die verschiedenen Aufgabenbereiche beachten und den jeweiligen Verantwortlichkeiten richtig zugeordnet sind. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission bereits ein Koordinierungsgremium eingerichtet hat ("Hochrangige Gruppe für das Gesundheitswesen und die medizinische Versorgung"), und stellt weiter fest, dass es Sache der Kommission ist, in ihrem Bereich Beratungsgremien einzurichten. Die getroffene Zuordnung der "Hochrangigen Gruppe" zur Kommission entspricht jedoch nicht den in der Mitteilung allgemein skizzierten Aufgaben. Die insoweit dem Gremium zugedachten Beratungsthemen weisen weit in die Versorgungs- und Finanzierungssysteme der Mitgliedstaaten hinein. Insoweit ist die von der Kommission gewählte Gremienstruktur nicht adäquat. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die weitere Diskussion von einem Gremium vorbereitet wird, in welchem die Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten eigenständig repräsentiert ist und welches nicht in einer Abhängigkeit von der Kommission steht. Dabei ist für eine ausreichende Beteiligung der Länder Sorge zu tragen.
- 7. Beim weiteren Fortgang ist zu berücksichtigen, dass die in der Mitteilung der Kommission angesprochenen Fragen vielfältige und komplizierte Zusammenhänge mit den Bereichen Dienstleistungen im Binnenmarkt, Daseinsvorsorge und Modernisierung des Sozialschutzes aufweisen. Die Bundesregierung ist aufgefordert hier, in enger Abstimmung mit den Ländern, für eine konsistente Position zu sorgen.