Die EU-Justizagenda für 2020 - Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union
C(2014) 6218 final
Brüssel, den 29.8.2014
Herrn Stephan Weil
Präsident des Bundesrates Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission "Die EU-Justizagenda für 2020 - Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union" (COM (2014) 144 final).
Die Stellungnahme kommt als Beitrag zur Diskussion fiber die künftigen Leitlinien für die gesetzgeberische und operative Programmplanung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die der Europäische Rat am 27. Juni 2014 angenommen hat, zur rechten Zeit
Die Kommission stellt fest, dass der Bundesrat die Einschätzung der Kommission teilt, wonach die EU-Justizpolitik in den kommenden Jahren hauptsächlich auf die Konsolidierung der bisherigen Rechtsvorschriften ausgerichtet sein und die weitere Entwicklung in diesem Politikbereich dem tatsächlichem Bedarf folgen sollte.
Die Kommission begrüßt es, dass der Bundesrat zudem hervorhebt, wie wichtig es ist, die auf die Schaffung eines europäischen Rechtsraums ausgerichtete EU-Justizpolitik auf gegenseitiges Vertrauen zu gründen.
In ihrer Mitteilung zeigt die Kommission auf dass die Justizpolitik bei der Bewältigung der Herausforderungen "Mobilität" und "Wachstum" eine zentrale Rolle spielt. Sie hat z.B. bereits das Bewusstsein dafür gestärkt, dass ein EU-weit effektiv funktionierendes Justizsystem unerlässlich ist
Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat Vorbehalte bezüglich der "Kodifizierung" hat, wie sie in der Mitteilung der Kommission beschrieben ist. Im Sinne der Mitteilung bezieht sich "Kodifizierung" auf "bestehende Gesetze und Praktiken" und meint nicht den Erlass völlig neuer Rechtsvorschriften. Eine "Kodifizierung" sollte in jenen Fällen erwogen werden, in denen sie nützlich ist, d.h. die Kohärenz von Rechtsvorschriften sicherstellt und für Bürger und Rechtsnutzer allgemein Klarheit schafft.
Die Kommission betont, dass die EU in vollem Umfang der Tatsache Rechnung tragen sollte, dass die Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme und -traditionen in der EU erhalten bleiben muss, die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu wahren sind und die Grundlage aller EU-Maßnahmen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sein muss. Ebenso -wie der Bundesrat hat die Kommission in ihrer Mitteilung hervorgehoben, dass die EU in Bezug auf den Schutz der Grundrechte vorbildlich bleiben muss. Die Kommission nimmt den Vorschlag des Bundesrates zur Kenntnis, die Bekämpfung homo- und transphob motivierter Straftaten stärker in den Vordergrund zu rücken.
Die Kommission begrüßt den Standpunkt des Bundesrates bezüglich des Zivil- und Strafverfahrensrechts und teilt die Ansicht, dass es einer gründlichen Folgenabschätzung bedarf bevor eine Harmonisierung vorgeschlagen werden kann. Folgenabscheitzungen sind eine Grundvoraussetzung fiir alle neuen Rechtsvorschriften der EU.
Was das Vertragsrecht angeht, nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass der Bundesrat grundsätzlich optionale Regime bevorzugt. Unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität ist dieser Ansatz tatseichlich besonders gut geeignet, da er die nationalen Rechtsvorschriften unberührt leisst. Der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, der derzeit von den EU-Gesetzgebern beraten wird, enthält geeignete Schutzvorkehrungen, so dass sich der Verbraucher bewusst und in voller Sachkenntnis für dieses Recht entscheiden kann.
In Bezug auf die Harmonisierung des materiellen Strafrechts ist die Zuständigkeit der EU - wie bei jedem anderen Bereich der Justizpolitik in den Verträgen festgelegt, und die Grundsätze für ein Tätigwerden der EU, etwa der Grundsatz der Subsidiarität, sind bei jeder weiteren EU-Maßnahme in diesem Bereich zu berücksichtigen.
Schließlich begrüßt es die Kommission, dass der Bundesrat ihre Auffassung über die Bedeutung der E-Justiz und der Fortbildung der Angehörigen der Rechtsberufe teilt. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat Vorgaben fiir Struktur und Inhalt von Fortbildungsangeboten bzw. deren Zentralisierung ablehnt. Die Kommission möchte den Bundesrat darauf hinweisen, dass sie vorgeschlagen hat, die EU solle die bestehenden Netzwerke voll ausnutzen, um die Fortbildung der Angehörigen der Rechtsberufe zu erleichtern und zu dem Ziel beizutragen, bis 2020 50 von ihnen, also insgesamt 700 000 Angehörigen der Rechtsberufe, eine Fortbildung im Europarecht zuteilwerden zu lassen.
Die Kommission hofft, den in der Stellungnahme des Bundesrates geäußerten Bedenken mit diesen Ausführungen Rechnung getragen zu haben, und sieht der Weiterführung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Tonio Borg
Mitglied der Kommission