Der Ministerpräsident Mainz, den 13. Dezember 2005
des Landes Rheinland-Pfalz
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz hat beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage mit Begründung beigefügten Antrag für eine
- Entschließung des Bundesrates zur Förderung von Dienstleistungen im haushaltsnahen Bereich
einzubringen.
Ich bitte Sie, diesen Entschließungsantrag gemäß § 36 Abs.1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck
Entschließung des Bundesrates zur Förderung von Dienstleistungen im haushaltsnahen Bereich
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, geeignete Schritte einzuleiten, um folgende Maßnahmen umzusetzen:
- 1) Es sollen zusätzliche Anreize im Bereich der haushaltsnahen Midijobs gesetzt werden, um Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Dienstleistungen in Privathaushalten zu stärken. Hierzu muss die derzeitige steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Situation sowohl von Arbeitgebern als auch von Beschäftigten attraktiver gestaltet werden. Dabei könnten vor allem hinzuverdienende Ehepartnerinnen und -partner erreicht werden, für die bisher eine reguläre Aufnahme der Beschäftigung aufgrund der hohen Steuerbelastung des zusätzlichen Einkommens selten in Frage kam. Die hohe Grenzsteuerbelastung besteht derzeit in Steuerklasse V, würde sich aber auch bei Anwendung eines Anteilssystems ergeben. Für hauptberuflich sozialversicherungspflichtige Nebenjobberinnen und -jobber und selbständige Tagesbetreuungspersonen muss dieses sozialversicherungs- und steuerrechtlich privilegierte Beschäftigungsmodell verschlossen bleiben. Es soll nur für Beschäftigte gültig sein, die lediglich einen Midijob bei einem Arbeitgeber besitzen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass der neue Midijob nur dann zur Anwendung kommt, wenn im Zuge des Haushaltsscheckverfahrens deutlich wird, dass die Beschäftigten bei der Krankenversicherung, bei der sie derzeit versichert sind, auch verbleiben.
- 2) Es soll eine neue Midijob-Regelung für den Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen eingeführt werden, die sich durch folgende Merkmale auszeichnet.
- a) Grundlegende Veränderungen
- - Zunächst ist eine Ausweitung der monatlichen Verdienstzone von derzeit 800 Euro auf 1.000 Euro vorgesehen. Dadurch kann die Grenzbelastung der Beschäftigten beim Sozialversicherungsbeitrag reduziert werden.
- - Als Alternative für die individuelle Besteuerung auf Seiten der Beschäftigten wird eine Pauschalbesteuerung beim Arbeitgeber ermöglicht. Ab einem monatlichen Bruttoverdienst von 400 Euro soll der Arbeitgeber pauschal 2% auf einen Betrag von 400 Euro pro Monat
- - und 15% Lohnsteuer für jeden zusätzlich verdienten Euro abführen. Dadurch kann die derzeitige hohe steuerliche Grenzbelastung der Beschäftigten beim Übergang vom Mini zum Midijob wegfallen. Bis 400 Euro pro Monat bleibt es bei dem für Minijobs geltenden pauschalen Steuersatz in Höhe von 2%.
- - Außerdem soll für die Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsabgaben eine Gleitzone und ein Sockelbetrag eingeführt werden. Der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung würde sich beim neuen Midijob lediglich auf den 400 Euro übersteigenden Monatsbetrag errechnen. Der Sockelbetrag, welcher der Einnahmesicherung der Sozialversicherungsträger dient, soll 14% auf monatlich 400 Euro betragen. Daneben ergäbe sich für den Arbeitgeber - wie beim haushaltsnahen Minijob - die Verpflichtung, 0,1 Prozent des Arbeitsentgeltes an Umlagen zur Lohnfortzahlungsversicherung zu zahlen.
- - Aufgrund der guten Erfahrungen beim Minijob soll als Beitrags- und Meldeverfahren für die neuen Midijobs im haushaltsnahen Bereich das Haushaltsscheckverfahren eingeführt werden, da es sich als einfach, transparent und schnell bewährt hat. Sowohl für die unkomplizierte Anmeldung des Beschäftigungsverhältnisses als auch für die Beitragszahlung wird die "Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See" zentrale Anlaufstelle.
Die Unfallversicherung soll vergleichbar mit der ab 01.01.2006 geltenden Regelung bei den haushaltnahen Minijobs in das Haushaltsscheckverfahren integriert werden, wobei anstelle des Prozentsatzes in Höhe von 1,6% des Arbeitsentgeltes eine Pauschale für jede beschäftigte Person erhoben werden sollte. Für die Arbeitgeber würde dies eine weitere Vereinfachung bei der Beschäftigung von Midijobbern im Privathaushalt bedeuten.
- b) Berücksichtigung der Gesamtkosten bei der Einkommensteuer
Die Nachfrage soll zusätzlich dadurch stimuliert werden, dass der Arbeitgeber bei seiner Einkommensteuer höhere Kosten ansetzen kann als beim Minijob. Derzeit hat er die Möglichkeit 10% seiner jährlichen Gesamtkosten, maximal 510 Euro, bei seiner Einkommensteuer geltend zu machen. Bei anderen haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen, die keine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind, kann er nach geltendem Recht 12% seiner jährlichen Gesamtkosten, maximal 2.400 Euro, anrechnen. In diese Regelung würde der neue Midijob einbezogen.
- c) Einnahmen der Sozialversicherungsträger
Um die finanzielle Situation für die Kranken- und Rentenversicherung zu verbessern, sollen die Einnahmen, die diesen Trägern zustehen, durch Einführung eines Sockelbeitrags beim Arbeitgeber erhöht werden. Als Orientierungsgröße für die Rentenversicherung dient das Beitragsniveau, das bei einem monatlichen Entgelt von 400 Euro (= Minijob) im Einzelfall entsteht. Bei den Krankenkassen, deren Leistungen weitgehend unabhängig von der Höhe der individuellen Beiträge sind, sollen die zukünftigen Einnahmen denen nach jetziger Regelung (bei einem Entgelt von 401 Euro pro Monat sind das derzeit monatlich 34,25 Euro) entsprechen.
Um dies zu erreichen, könnten die zusätzlichen Einnahmen aus dem Sockelbeitrag wie folgt auf Kranken- und Rentenversicherung aufgeteilt werden:
- - Die Rentenversicherung erhält die Sockelbeiträge von jeweils 4%, die Arbeitgeber und Beschäftigte abführen. Dadurch kann sie Mindesteinnahmen von 32 Euro im Monat pro Einzelfall erzielen. Bei einem Entgelt von monatlich 400,01 Euro liegen die Einnahmen der Rentenversicherung nach neuem Konzept im Vergleich zu einem Midijob nach der bisherigen Regelung niedriger. Sie sind gleichzeitig aber etwas höher als bei einem Minijob für haushaltsnahe Dienstleistungen auf einer monatlichen Entgeltbasis von 400,00 Euro.
- - Den Krankenversicherungen wird der Arbeitgebersockelbeitrag von 10% zugesprochen. Die Mindesteinnahmen der Krankenversicherung betragen damit 40 Euro pro Monat im Einzelfall und sind höher als beim Midijob nach bisheriger Regelung bei monatlich 400,01 Euro.
- - Die Beiträge, die von Beschäftigten und Arbeitgebern auf den 400 Euro übersteigenden Monatsbetrag abgeführt werden, sollen im bestehenden Verhältnis auf alle Sozialversicherungsträger verteilt werden.
- 3) Die Bedingungen für Minijobs im Bereich der haushaltsnahen Dienstleitungen bleiben unberührt. Bis 400 Euro pro Monat sind die Beschäftigten weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig. Die Arbeitgeber müssen für die Minijobberin bzw. den Minijobber in ihrem Privathaushalt lediglich 12% (2% Pauschsteuer, 5% Krankenversicherung, 5% Rentenversicherung) Abgaben leisten.
- 4) Da mit der Neuregelung finanzwirksame Sondertatbestände im Steuer- und Sozialversicherungsrecht verbunden und genaue Aussagen über ihre Wirkungsweise und die finanziellen Folgen derzeit nicht möglich sind, wird die Neuregelung auf maximal vier Jahre begrenzt. Zudem ist - wie bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen neuerdings üblich - eine wissenschaftliche Begleitforschung zur Begutachtung der Effektivität und Effizienz der Neuregelung (analog zu § 282 Satz 3 SGB III) vorzusehen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung sollen ein Jahr vor Ablauf der Frist vorliegen, um genügend Zeit für eine politische Bewertung mit entsprechenden Konsequenzen zu gewähren.
Begründung
Auf dem Arbeitsmarkt im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen besteht ein erhebliches Nachfragepotential. Dies gilt für Arbeitskräfte, die insbesondere bei Reinigungsarbeiten, in der Assistenz für die Pflege und zur Kinderbetreuung in privaten Haushalten eingesetzt werden. Derzeit wird der größte Teil dieser Tätigkeiten, soweit ein Beschäftigungsverhältnis besteht, in der "Schattenwirtschaft" abgewickelt. In Zukunft dürfte der Bedarf nach solchen Arbeitskräften aufgrund der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Erwerbsbeteilung von Frauen deutlich steigen.
Die mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt getroffenen Regelungen zu den so genannten "Mini- und Midijobs" hatten auf dem Gebiet der haushaltsnahen Dienstleistungen nur einen begrenzten Erfolg. Derzeit werden in privaten Haushalten noch wenige Minijobberinnen und -jobber beschäftigt, jedoch sind hohe prozentuale Zuwächse zu beobachten. Dagegen blieb die Entwicklung der haushaltsnahen Midijobs hinter den Erwartungen zurück. Von 669.000 Beschäftigten in Midijobs Ende 2003 waren lediglich 0,4% in privaten Haushalten tätig. Es liegt nahe, dass die wenig attraktiven Rahmenbedingungen für diese Personengruppe ursächlich für die geringe Zahl an Midijobbern sind.
Eine Ursache für die beschriebene Entwicklung ist die hohe Grenzsteuerbelastung bei Beschäftigten. Midijobberinnen und -jobber sind nach derzeitiger Regelung sozialversicherungs- und steuerpflichtig. Für Beschäftigungen oberhalb von 400 Euro monatlich greift die reguläre Lohnsteuerbelastung. Die dadurch bewirkte hohe Grenzbelastung verhindert legale Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Midijobs. Derzeit kann erst ab monatlichem Bruttolohn von ca. 537 Euro in Steuerklasse V ein höherer Nettolohn als 400 Euro erzielt werden.
Die Auswirkungen der ab 400 Euro eintretenden Sozialversicherungspflicht sind für Beschäftigte im Vergleich zur Grenzsteuerbelastung weniger gravierend, da zwischen 400 und 800 Euro Monatseinkommen eine Gleitzone festgelegt wurde. Die Abgaben der Beschäftigten zur Sozialversicherung steigen linear an, sodass die Grenzbelastung konstant bleibt. Eine Ausnahme bildet der Sockelbetrag von ungefähr 4,15% auf die ersten 400 Euro monatlich, dessen genaue Höhe vom individuellen Krankenversicherungsbeitrag abhängt.
Auf Seiten der Arbeitgeber ist eine Überschreitung der 400 Euro Einkommensgrenze pro Monat nach jetzigem Regelungsstand ebenfalls sehr unattraktiv. Müssen sie für Minijobs im Bereich der haushaltsnahen Beschäftigung lediglich 12% (2% Pauschsteuer, 5% Krankenversicherung, 5% Rentenversicherung) an Abgaben leisten, setzt ab monatlich 400 Euro die reguläre Sozialversicherungspflicht ein. Dies bedeutet, dass sie auf den gesamten Betrag Sozialversicherungsabgaben in Höhe von circa 21% abführen müssen. Das führt beim Arbeitgeber zu einer sehr hohen Grenzbelastung im Bereich der Sozialversicherung bei Eintritt in die Midijob-Zone.
Ein weiterer Grund, warum sich Minijobs viel erfolgreicher entwickelt haben als Midijobs, ist die vergleichsweise unkomplizierte und schnelle Anmeldung des Beschäftigungsverhältnisses von Seiten des Arbeitgebers bei der Minijob-Zentrale im Rahmen des Haushaltsscheckverfahrens. Der Arbeitgeber muss sich mit keiner dritten Institution auseinander setzen, sondern kann alle Formalitäten (Anmeldung und Beitragszahlung) mit der Minijob-Zentrale abwickeln. Letztere übernimmt die weiteren Aufgaben und verteilt beispielsweise die Sozialversicherungsbeiträge an die Träger.
Das Ziel der Initiative ist es, die beschriebenen Probleme zu beseitigen. Eine attraktivere Ausgestaltung der Midijobs im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen brächte folgende gesamtgesellschaftliche Vorteile mit sich:
- - Die geplanten Maßnahmen würden dazu führen, dass die Schwarzarbeit in Privathaushalten eingedämmt wird und die Chance auf staatliche Mehreinnahmen entsteht.
- - Darüber hinaus wird das Angebot an neuen, legalen Arbeitskräften für haushaltsnahe Dienstleistungen ausgeweitet werden.
- - Dadurch erhalten vor allem Frauen, die aufgrund der Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, die Möglichkeit, schneller in die Berufswelt zurückzukehren.
- - Für die einzelnen Beschäftigten stiege die Attraktivität, eine solche Arbeit aufzunehmen. Vor allem kindererziehende Elternteile, die derzeit keinen Midijob ausüben, können ihre Einkommensmöglichkeiten verbessern, zusätzliche Rentenanwartschaften erwerben und Lücken in der Versicherungsbiographie schließen.