Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 30. Oktober 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 21. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 21. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Europäischen Gerichtshof und die Europäische Zentralbank
Ein EU-Rahmen für das grenzübergreifende Krisenmanagement auf dem Banksektor (Text von Bedeutung für den EWR)
1. Einleitung
Die derzeitige Krise hat deutlich gemacht, dass es in der EU an einem wirksamen Krisenmanagement für grenzübergreifend tätige Finanzinstitute fehlt. Im Herbst 2008 beschlossen die Mitgliedstaaten, zu tun, was nötig war, um eine Rekapitalisierung der Banken zu ermöglichen und Garantien für den Bankensektor zu leisten. Diese bis dahin beispiellose Aktion wurde auf europäischer Ebene auf Adhoc-Basis koordiniert. Die Maßnahmen waren vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Probleme zu sehen, in die das Finanzsystem geraten war.
Die einzelnen Länder verfolgten dabei jeweils ihre eigene Strategie, aber generell setzten die Behörden entweder öffentliche Mittel ein, um Banken zu retten, oder sie isolierten die Vermögenswerte von Banken auf ihrem Hoheitsgebiet und suchten eher nach einer nationalen Lösung für die einzelnen Einheiten als nach einer Gesamtlösung für die grenzübergreifend tätige Gruppe. Dies führte zur Gefahr eines möglichen Vertrauensverlusts, zu Wettbewerbsverzerrungen, hohen Sanierungskosten, die vom Steuerzahler zu tragen waren1, und Rechtsunsicherheit. Die aktuelle Finanzkrise und insbesondere die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch von Fortis, Lehman Brothers und den isländischen Banken haben verdeutlicht, wie schädlich sich das Fehlen eines geeigneten Abwicklungsrahmens auf die Finanzstabilität des gesamten EU-Bankwesens auswirken kann.
Es herrscht weitgehende Übereinstimmung über die Notwendigkeit einer EU-Strategie, die sicherstellt, dass die zuständigen Behörden ihre Maßnahmen wirksam koordinieren und über angemessene Instrumente verfügen, die sie in die Lage versetzen, beim Zusammenbruch einer Bank schnell einzugreifen und so den Bedarf an außergewöhnlichen staatlichen Maßnahmen, wie sie in der jetzigen Krise nötig waren, auf ein Minimum zu beschränken.
Die Europäische Kommission schlägt eine grundlegende Reform der Regelung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte vor, um die Schwachstellen zu beheben, die sich im Laufe der Bankenkrise offenbart haben2. Die Verbesserung der Einlagensicherung, die Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen und die Reform der Aufsichtsinfrastruktur der EU wurden bereits in Angriff genommen, denn sie sind von entscheidender Bedeutung für einen besser funktionierenden Aufsichtsrahmen und die Stabilität der Finanzmärkte.
Diese Reform muss jedoch noch durch eindeutige Rahmenbedingungen ergänzt werden, die es den Behörden in Zukunft ermöglichen, grenzübergreifend tätige Finanzinstitute, die in Schwierigkeiten geraten, zu stabilisieren und systemische Auswirkungen eines Zusammenbruchs zu kontrollieren. Europa braucht einen robusten Rechtsrahmen für Krisenverhütung, frühzeitiges Eingreifen sowie Abwicklung und Liquidation von Banken (siehe Tabelle weiter unten).
- - Im De Larosière-Bericht wurde festgestellt, dass "das Fehlen eines binnenmarktweit kohärenten Rahmens für Krisenmanagement und -bewältigung [...] Europa gegenüber den USA [benachteiligt] - ein Zustand, dem durch Verabschiedung angemessener EU-Rechtsakte ein Ende gesetzt werden sollte."3 Diese kritische Lücke muss nun geschlossen werden.
- - Der Europäische Rat vom Juni 2009 kam zu dem Schluss, dass die Arbeiten zur Schaffung eines umfassenden grenzübergreifenden Rahmens zur Verhinderung und Bewältigung von Finanzkrisen vorangebracht werden müssen.
- - Auf dem Gipfel von Pittsburgh vom 25. September haben die G20 sich darauf geeinigt, gemeinsam zu handeln und "... leistungsfähigere Instrumente zu entwickeln, um große, global tätige Unternehmen für die Risiken, die sie eingehen, in die Verantwortung zu nehmen," und konkret "Werkzeuge und geeignete Rahmenbedingungen für eine effektive Abwicklung von Finanzgruppen zu entwickeln, damit Störungen aufgrund eines Zusammenbruchs von Finanzinstituten gemindert und Fehlverhalten in Zukunft verringert werden kann".
Ein EU-Rahmen für die geordnete Abwicklung grenzübergreifend tätiger Banken ist eine wichtige Ergänzung der von der Kommission vorgeschlagenen neuen Architektur der Finanzaufsicht.4 Mit dem neuen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken wird eine Art Frühwarnsystem eingerichtet, während die neue Europäische Bankaufsichtsbehörde wichtige Aufgaben hinsichtlich der Koordinierung der Folgemaßnahmen und der Kanalisierung der Informationen übernehmen und dafür sorgen wird, dass auf Risikowarnungen angemessen reagiert wird. Die Ziele dieses neuen Systems sind jedoch nur erreichbar, wenn die nationalen Behörden im Falle eines Zusammenbruchs wirksame Maßnahmen auf Ebene der Banken ergreifen können, um systemische Auswirkungen zu verhindern.
2. Ziel und Struktur der Mitteilung
2.1. Ziel
Nach Ansicht der Kommission sind bestimmte Änderungen erforderlich, um ein wirksames Krisenmanagement sowie eine geordnete Abwicklung und Liquidation zusammengebrochener, grenzübergreifend tätiger Banken möglich zu machen5. Der Schwerpunkt liegt auf im Einlagengeschäft tätigen Banken, die als Kreditanbieter, im Einlagengeschäft und als Zahlungsmittler eine zentrale Rolle spielen. Geprüft werden Maßnahmen im Hinblick auf zwei unterschiedliche, aber miteinander verbundene Ziele.
Das erste Ziel besteht darin sicherzustellen, dass alle nationalen Aufsichtsbehörden über angemessene Instrumente verfügen, um Probleme im Bankensektor in einem ausreichend frühen Stadium zu erkennen und im Bedarfsfall eingreifen zu können, damit das betreffende Institut bzw. die Gruppe wieder stabilisiert und eine weitere Verschlechterung verhindert werden kann. Dies wird grundlegende Änderungen bei den Eigenkapitalbestimmungen erfordern, die durch einen Rahmen für die Übertragung von Vermögenswerten zwischen einzelnen Einheiten einer Gruppe begleitet werden könnten, um Finanz- oder Liquiditätshilfen zu ermöglichen, ehe einzelne Gruppeneinheiten in kritische Probleme geraten.
Das zweite Ziel besteht darin, zu vermeiden, dass der Zusammenbruch einer grenzübergreifend tätigen Bank ernsthafte Störungen essentieller Bankdienstleistungen oder eine Ansteckung des gesamten Finanzsystems bewirkt. Deshalb wird ein EU-Abwicklungsrahmen benötigt und müssen Hindernisse, die einer effektiven grenzübergreifenden Abwicklung aufgrund territorialer und auf einzelne Einheiten ausgelegter Insolvenzkonzepte im Wege stehen, überwunden werden; ferner ist die Finanzierung einschlägiger Maßnahmen zu klären, einschließlich Fragen hinsichtlich der Aufteilung der direkten Kosten für die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten.
2.2. Struktur
Die Mitteilung befasst sich mit drei Interventionsoptionen.
- 1. Frühzeitiges Eingreifen (Abschnitt 3): Maßnahmen der Aufsichtsbehörden zur Wiederherstellung der Stabilität und finanziellen Solidität von Instituten, die in Probleme geraten, sowie Übertragung von Vermögenswerten zwischen solventen Einheiten innerhalb der Gruppe mit dem Ziel der finanziellen Unterstützung. Diese Maßnahmen würden ergriffen, ehe die Auslöseschwelle für den Abwicklungsmechanismus erreicht ist, d. h. ehe das betreffende Institut bereits insolvent ist oder unmittelbar vor der Insolvenz steht. Die neue Europäische Bankaufsichtsbehörde könnte Maßnahmen des frühzeitigen Eingreifens in grenzübergreifend tätigen Gruppen koordinieren helfen.
- 2. Abwicklungsmechanismus (Abschnitt 4): Maßnahmen der zuständigen nationalen Behörden zur Bewältigung von Krisen bei Bankinstituten, zur Eindämmung der Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität sowie gegebenenfalls zur Vereinfachung einer geordneten Liquidation des gesamten Instituts oder von Teilen davon. Diese Maßnahmen fallen nicht unter die Bankenaufsicht und können von anderen als den Aufsichtsbehörden ergriffen werden, deren Einbeziehung jedoch keinesfalls ausgeschlossen wird.
- 3. Insolvenz (Abschnitt 5): Sanierung und Liquidation im Rahmen der geltenden Insolvenzbestimmungen.
Diese Maßnahmen werden zur Erleichterung der Gespräche konzeptuell unterschieden, stellen aber nicht zwangsläufig deutlich voneinander getrennte, aufeinanderfolgende "Phasen" einer Krise dar. In der Praxis kann es insbesondere zwischen Abwicklungs- und Insolvenzmaßnahmen zu erheblichen Überschneidungen kommen; genauso kann das frühzeitige Eingreifen der Aufsichtsbehörden rasch in Abwicklungsmaßnahmen übergehen.
| Going concern supervision/Crisis prevention | .. Scope of the Crisis Management Communication .. |
Early intervention | Bank resolution | Insolvency framework |
Current situation | Capital Requirements Directive 3 pillar approach (CRD) Colleges National authorities Committee of European Banking Supervisors (CEBS) Stress testing | CRD (Art. 130 + 136) Colleges Emergency Liquidity Assistance by National Central Banks (NCBs) 2008 MoU | 2008 MoU - determines who (e.g. finance ministries, NCBs) coordinates actions with other competent authorities (coordination via crossborder stability groups) | Winding up Directive: Winding-up of a crossborder branches takes place under insolvency procedures of country of parent bank. Winding up of crossborder subsidiaries takes place according to procedures where subsidiary is licensed. |
Possible changes for consideration | Establish European Systemic Risk Board (ESRB) and European Banking Authority (EBA) Leverage ratio Management of risks (remuneration structures) Quantity and Quality of capital Enhanced capital requirements Supervision of liquidity Preparation of Winddown plans | European Banking Authority New powers towards bank management Joint assessment framework Restoration plans Asset transferability framework Expanded common tools for supervisors (CEBS) Clarify home / host branch supervision (Art. 33 CRD) | New bank resolution tools New framework for cooperation Broader changes to the legal framework in support of new bank resolution tools Mechanisms to finance crossborder resolutions (including possible role for DGS) Application of winddown plans | Facilitate integrated winding up of a group: - Coordination framework for insolvency proceedings - Lead insolvency administrator - Integrated resolution by a single authority - Asset transfers under post commencement financing |
2.3 Wechselwirkungen mit anderen EU-Maßnahmen
Die genannten Maßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil des Regulierungssystems der EU und von Initiativen zu dessen Stärkung (siehe Tabelle).
3. Frühzeitiges Eingreifen der Aufsichtsbehörden
3.1. Werkzeuge für ein frühzeitiges Eingreifen
Der aktuelle Regulierungsrahmen für die Bankenaufsicht enthält bereits einige Elemente eines Konzepts für frühzeitiges Eingreifen der Aufsichtsbehörden, die über ein bestimmtes Mindestarsenal von Maßnahmen verfügen müssen, um bei einem Zusammenbruch von Kreditinstituten den Anforderungen der einschlägigen Richtlinie gerecht zu werden6. So können die Behörden Kreditinstitute verpflichten, mehr Eigenmittel vorzuhalten als die in der Richtlinie festgelegte Mindestausstattung; sie können die Verstärkung der internen Regelungen, Prozesse, Mechanismen und Strategien verlangen und von den Kreditinstituten fordern, eine spezielle Risikovorsorge zu treffen; sie können den Geschäftsbereich, die Tätigkeiten oder das Netzwerk von Kreditinstituten einschränken und sie können die Verringerung des mit den Tätigkeiten, Produkten und Systemen von Kreditinstituten verbundenen Risikos verlangen. Diese Maßnahmen lassen die Kontrolle der Institute in den Händen des Managements und stellen nicht notwendigerweise eine wesentliche Einmischung in die Rechte der Aktionäre oder Gläubiger dar. Die unlängst verabschiedeten Änderungen der Eigenkapitalrichtlinie7 verpflichten die mit der Konsolidierung befassten Aufsichtsbehörden, gemeinsame Bewertungen, außergewöhnliche Maßnahmen, Ausweichpläne und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit in Notfällen zu planen und zu koordinieren.
Allerdings bestehen weiterhin erhebliche Lücken, die wie folgt geschlossen werden könnten:
- - harmonisierte Befugnisse für die Aufsichtsbehörden, die in geeigneten Fällen (z. B. bei systemrelevanten Finanzinstituten) die Erstellung von "unternehmensspezifischen Notfall- und Abwicklungsplänen" ("living wills") verlangen können, in denen dargelegt wird, wie ein Institut und seine Tätigkeiten schnell und geordnet aufgelöst und liquidiert werden könnten; die Forderung nach solchen Plänen steht derzeit auch auf der Tagesordnung der G20;
- - Förderung einer guten Unternehmensführung bei den Finanzinstituten, um die Bewältigung eventueller künftiger Krisen zu vereinfachen und zu erleichtern;
- - die - gegenwärtig nicht allen nationalen Aufsichtsbehörden übertragene - Befugnis, die Vorlage eines Sanierungsplans für die Gruppe zu verlangen, die Geschäftsleitung einer Bank auszutauschen oder einen Vertreter zu ernennen, der mit der finanziellen Sanierung des Instituts beauftragt wird;
- - gemeinsame Indikatoren bzw. Auslöseschwellen und eine gemeinsame Terminologie der EU-Aufsichtsbehörden, durch die eindeutig festgelegt würde, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form bei grenzübergreifend tätigen Banken eingegriffen werden sollte;
- - Überprüfung der Aufsichtsregelungen im Hinblick auf Zweigniederlassungen in einem anderen Land mit dem Ziel der Behebung von Schwachstellen in den Kooperationsvereinbarungen zwischen den Behörden von Herkunftsland und Aufnahmeland und im Hinblick auf die Möglichkeiten des Aufnahmelands, in Notfällen wirksam zu intervenieren.
Die jüngste Vergangenheit lieferte deutliche Hinweise darauf, dass der Aufsichtsrahmen nicht robust genug war und Anreize für eine effiziente Koordinierung von Aufsichtsmaßnahmen zur Sanierung grenzübergreifend tätiger Gruppen fehlten.
3.2. Übertragung von Vermögenswerten innerhalb der Gruppe
Die Übertragung von Vermögenswerten zur finanziellen Unterstützung innerhalb der Gruppe könnte Gruppen dabei helfen, im Falle einer drohenden Krise ihre Liquiditätspositionen zu ordnen und in bestimmten Fällen einzelne Einheiten zu stabilisieren.
- - Das Gemeinschaftsrecht enthält keine Bestimmungen über die Genehmigung der Übertragung von Vermögenswerten und bietet auch keinen allgemeinen Rahmen für die Bedingungen und Modalitäten einer solchen Übertragung9. Im Prinzip muss die Übertragung von Vermögenswerten in allen Mitgliedstaaten einer angemessenen Prüfung unterzogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie zwischen angeschlossenen oder nicht verbundenen Einheiten erfolgt. Dieser Grundsatz ist in den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch nicht einheitlich festgelegt und wird unterschiedlich angewandt.
- - Die Übertragung von Vermögenswerten zu anderen als rein marktüblichen Bedingungen kann Gläubigern und Minderheitsaktionären des übertragenden Unternehmens Nachteile verursachen. Deshalb besteht die Gefahr, dass solche Übertragungen von Minderheitsaktionären oder Gläubigern angefochten werden; den Direktoren drohen zivil- oder strafrechtliche Klagen.10
Dies kann dazu führen, dass Maßnahmen, die durchaus im besten Interesse von Gruppen und insbesondere grenzübergreifend tätigen Gruppen stünden, unterbleiben. Die Einführung eines Konzepts des "Gruppeninteresses" für Bankengruppen könnte solche Übertragungen untermauern und würde die Haftungsrisiken für Direktoren mindern. Ferner könnten Möglichkeiten für ein beschränktes Konzept der Interdependenz und des gegenseitigen Interesses von Gruppenunternehmen untersucht werden, dem zufolge Übertragungen unter genau festgelegten Bedingungen erlaubt wären. Dabei ist jedoch sorgfältig zu prüfen, wie sich etwaige Vorschläge auf den Grundsatz der beschränkten Haftung und der getrennten Rechtspersönlichkeit der einzelnen Gruppeneinheiten auswirken würden. Wichtig wären auch geeignete Sicherheitsklauseln, um einem möglichen Missbrauch der Übertragung von Vermögenswerten zu kriminellen Zielen zu unterbinden.
Eine solche Regelung sollte gegebenenfalls durch Änderungen des Insolvenzrechts begleitet werden, um angemessene Sicherheitsnetze zu schaffen. Dies könnte beispielsweise so aussehen, dass bei Insolvenz des erhaltenden Unternehmens das übertragende Unternehmen in der Rangfolge der Gläubiger Priorität erhält.
4. Abwicklung von Banken
4.1. Warum werden für die Abwicklung von Banken EU-Maßnahmen benötigt?
Unterschiede zwischen nationalen Rechtsvorschriften
EU-Maßnahmen zur Abwicklung zusammenbrechender Banken sind sowohl im Hinblick auf ihren Geltungsbereich als auch auf ihren Gegenstand bisher als eher minimalistisch zu bezeichnen. Sie betreffen ausschließlich Aufsichtsmaßnahmen und die gegenseitige Anerkennung von Insolvenzverfahren für Zweigniederlassungen grenzübergreifend tätiger Banken. Gemäß der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ("Liquidationsrichtlinie") muss die Sanierung oder Liquidation von Kreditinstituten mit Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat von den zuständigen Behörden nach einem einheitlichen Verfahren und in Einklang mit dem nationalen Insolvenzgesetz des Herkunftsmitgliedstaats des betreffenden Instituts eingeleitet und abgewickelt werden. Grenzübergreifend tätige Bankengruppen, die aus einer Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten bestehen, fallen nicht unter diese Richtlinie.
In Europa liegt das grenzübergreifende Bankengeschäft weitgehend in den Händen von Tochtergesellschaften, die Vermögenswerte von fast vier Billionen EUR halten.11 In Ermangelung einschlägiger EU-Vorschriften muss bei der Krisenbewältigung fast ausschließlich auf nationale Regelungen zurückgegriffen werden, die mitunter deutlich voneinander abweichen.12 In einigen Mitgliedstaaten basieren die Befugnisse der Behörden auf spezifischen Abwicklungsstrategien oder Insolvenzbestimmungen für den Bankensektor, während es in anderen nur generelle Regelungen für die Insolvenz von Unternehmen gibt. Die Befugnisse für die Bewältigung grenzübergreifender Bankkrisen liegen bei verschiedenen inländischen Behörden wie Bankenaufsicht, Zentralbanken, Ministerien, Gerichten oder Insolvenzbeauftragten, in einigen Fällen auch bei den Einlagensicherungssystemen. Der Umfang der Befugnisse und die Bedingungen für deren Ausübung variieren ebenfalls je nach nationalem System.
Wirksame grenzübergreifende Abwicklungsmechanismen werden durch Unterschiede bei den nationalen Rechtsvorschriften oder den Verfahrensregeln für Maßnahmen auf Unternehmensebene erschwert. Ist z. B. eine bestimmte staatliche Behörde befugt, Vermögenswerte auf Anordnung an Dritte zu übertragen, während eine andere dafür auf gerichtliche Verfahren angewiesen ist, dürfte ein entschlossenes und koordiniertes Eingreifen dieser beiden Behörden zur Rettung von angeschlossenen Banken oder Vermögenswerten in ihrem jeweiligen Land außerordentlich schwierig werden.
Auch der Zeitpunkt der Abwicklungsmaßnahmen kann von entscheidender Bedeutung sein. Nicht alle staatlichen Behörden dürfen in Schwierigkeiten geratene Banken stabilisieren und sanieren, ehe diese offiziell Insolvenz (laut Definition des innerstaatlichen Rechts) angemeldet haben. Das Fehlen harmonisierter Auslöseschwellen für die Erteilung einschlägiger Befugnisse kann koordinierten Maßnahmen für grenzübergreifend tätige Gruppen im Wege stehen. Dies wird in Abschnitt 4.4 weiter ausgeführt.
Solange die Tätigkeiten der in Schwierigkeiten geratenen Bank rein nationaler Art sind und die Maßnahmen in Einklang mit den Bestimmungen für staatliche Beihilfen erfolgen, stellt die Vielfalt der Verfahren an sich kein Problem dar; operiert eine Bankengruppe jedoch unter verschiedenen Gerichtsbarkeiten, werden wirksame koordinierte Maßnahmen äußerst schwierig.
Anreize für die Isolierung nationaler Vermögenswerte
Die Mitgliedstaaten tendieren im Krisenfall häufig dazu, nationale Vermögenswerte einer grenzübergreifend tätigen Gruppe zu isolieren, und suchen eher nach einer nationalen Lösung für die einzelnen Einheiten als nach einer Lösung für die gesamte Gruppe. Diese Isolierung lokaler Vermögenswerte ist nicht immer hilfreich, sondern steht der Abwicklung grenzübergreifend tätiger Gruppen häufig im Wege. In bestimmten Fällen bescheren solche Maßnahmen der Gesamtgruppe sogar höhere Verluste.
Da die Interessen nationaler Beteiligter (z. B. Gläubiger, Steuerzahler, Einlagensicherung) geschützt werden müssen, bieten die Mitgliedstaaten nicht besonders viele Anreize für eine stärkere Koordinierung zulasten der Isolierung nationaler Vermögenswerte in grenzübergreifenden Krisen. Dieses grundlegende Hindernis für eine kooperative Abwicklung grenzübergreifend tätiger Gruppen ist unter anderem in der territorialen Verankerung des Insolvenzrechts verwurzelt. Nationale Insolvenzgesetze liefern den inländischen Behörden ein legitimes - und stark politisch motiviertes - Interesse, die nationalen Vermögenswerte einer in Schwierigkeiten geratenen Bank zu isolieren, um nationale Einlagen zu schützen und die für Gläubiger der nationalen Einheit verfügbaren Vermögenswerte zu maximieren.
Vereinbarungen über die Begrenzung der Rechte von Mitgliedstaaten zur Isolierung lokaler Vermögenswerte einer grenzübergreifend tätigen Bankengruppe werden erst dann möglich sein, wenn es zwischen den Mitgliedstaaten angemessene, faire und rechtskompatible13 Vereinbarungen über die Lastenverteilung bei Verlusten gibt, die einer Bankengruppe - einschließlich ihrer ausländischen Tochtergesellschaften - entstehen könnten. Solche Vereinbarungen würden nicht nur dem Krisenmanagement, sondern - durch Stärkung der Anreize für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Behörden - auch der Krisenverhütung dienen. Besonders wichtig ist es in diesem Zusammenhang, das Vertrauen in Kooperationsvereinbarungen zu fördern, indem zugesichert wird, dass die Kosten einer grenzübergreifenden Abwicklung fair zwischen den verschiedenen Beteiligten aufgeteilt werden. Dies wird in Abschnitt 4.8 weiter ausgeführt.
4.2. Ziele des Abwicklungsmechanismus für den Bankensektor
Die nationalen Konzepte für die Abwicklung von Banken sind unterschiedlich motiviert. Insolvenzvorschriften dienen in der Regel zwei Hauptzielen: einerseits der fairen und vorhersehbaren Behandlung von Gläubigern und andererseits der Maximierung der Vermögenswerte, durch die Ansprüche von Gläubigern bedient werden. Bei spezifischen Insolvenzregelungen für Banken können dagegen Ziele der öffentlichen Ordnung wie die Stabilität der Finanzmärkte, die Kontinuität der Dienstleistungen und die Integrität der Zahlungssysteme Priorität genießen. Eine Einigung auf gemeinsame Ziele wird der neuen EU-Strategie Form und Inhalt geben.
Ein europäischer Rahmen für die Bankenabwicklung muss sich deshalb auf abgestimmte, gemeinsame Ziele stützen, die sicherstellen, dass Verluste nicht in erster Linie von Regierungen und Steuerzahlern, sondern von den Aktionären sowie nachrangigen und ungesicherten Gläubigern getragen werden. Dies ist auch eine wichtige Voraussetzung, um möglichem Fehlverhalten vorzubeugen, das aus der Einschätzung entstehen könnte, dass Banken zu groß oder zu stark untereinander verflochten sind, um bankrott zu gehen, und letztlich doch durch öffentliche Mittel gerettet werden. Deshalb muss sichergestellt werden, dass ein Zusammenbruch von Banken gleich welcher Größe weder aus politischen noch aus wirtschaftlichen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen wird.14 Der Abwicklungsmechanismus muss gewährleisten, dass (gesicherte) Anleger geschützt sind und die Kontinuität von Bank- und Zahlungsdiensten nicht gefährdet ist; systemische Auswirkungen eines Zusammenbruchs von Banken müssen unter Kontrolle gehalten werden, indem die Verbreitungsgefahr minimiert wird und die rechtlichen Voraussetzungen für eine geordnete Liquidation geschaffen werden.15
4.3. Welche Instrumente werden benötigt?
Nationale Abwicklungsstrategien können grob in zwei Kategorien aufgeteilt werden: Strategien auf der Grundlage des Insolvenzrechts für Unternehmen, einschließlich Verwaltungen, und Strategien auf der Grundlage spezifischer Regelungen für Banken. In beiden Fällen sind die Bestimmungen auf nationale Banktätigkeiten innerhalb des eigenen Hoheitsgebiets beschränkt.16 Spezifische Regelungen sind denkbar als allgemeine, an die Situation der Banken angepasste Insolvenzregelungen oder als Satz maßgeschneiderter Werkzeuge zur Abwicklung zusammengebrochener Banken. Spezifisch zugeschnittene Werkzeuge wären beispielsweise Befugnisse zur Übertragung der gesamten oder eines Teils der Forderungen und Verbindlichkeiten einer zusammenbrechenden Bank auf ein anderes Unternehmen des Privatsektors (unterstützte oder nicht unterstützte Fusion durch öffentliche Behörden) oder die Schaffung einer "Brückenbank", die Bereinigung der Bilanzen durch Übertragung notleidender Kredite und "toxischer" bzw. schwer zu bewertender Vermögenswerte auf eine eigens dafür gegründete Zweckgesellschaft ("Bad Bank") und die Verstaatlichung.
Innerhalb dieser groben Unterscheidung muss noch weiter differenziert werden: Einige nationale Systeme bevorzugen ein abgestuftes Konzept, während andere auf ein schnelles Eingreifen in Notfällen ausgerichtet sind. Beim ersten Modell besteht die Tendenz, bereits in einem früheren Stadium einzugreifen, um so die Zustimmung der Aktionäre zu Umstrukturierungsmaßnahmen zu gewinnen. In einem ersten Schritt wird häufig das Management gegen einen "Verwalter" bzw. "Sonderverwalter" ausgetauscht und den Aktionären ein Umstrukturierungsplan zur Zustimmung unterbreitet; Maßnahmen, die Aktionärsrechte einschränken, erfolgen erst in einem zweiten Schritt. Beim zweiten Modell werden Maßnahmen ohne vorherige Zustimmung der Aktionäre auferlegt.
Damit Behörden Probleme in Schwierigkeiten geratener Banken wirksam angehen können, dürfen ihre Optionen nicht auf den Einsatz öffentlicher Mittel und Liquidationsmaßnahmen beschränkt werden. In dieser Mitteilung sollen keine endgültigen Aussagen über ein optimales EU-System getroffen werden; neue Ansichten werden vielmehr begrüßt. Fest steht jedoch, dass den zuständigen Behörden ein ausreichend breites Spektrum an flexibel und mit genügend Ermessensspielraum einsetzbaren Instrumenten an die Hand gegeben werden muss, damit sie schnell genug handeln und Abwicklungsmaßnahmen gut überwachen können. In einem unlängst veröffentlichten IWF-Papier17 wurde die Ansicht vertreten, dass bei Überlegungen zur Änderung des EU-Systems auch bestimmten Werkzeugen, die in verschiedenen anderen Systemen18 bereits angewandt werden, Beachtung geschenkt werden sollte, und zwar
- - Befugnissen zur Vereinfachung oder Durchführung des Erwerbs der zusammengebrochenen Bank bzw. ihrer Geschäftstätigkeiten durch den Privatsektor;
- - Befugnissen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten einer zusammengebrochenen Bank an eine temporäre "Brückenbank" mit dem Ziel der Fortführung der Unternehmenstätigkeit und des Verkaufs an einen Käufer aus dem Privatsektor;
- - Befugnissen zur Aufteilung "sauberer" und "toxischer" Vermögenswerte auf "gute" und "schlechte" Banken durch teilweise Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten.
Da solche Instrumente auch eine staatliche Unterstützung erfordern können, sollten sie in Einklang mit den EU-Bestimmungen für staatliche Beihilfen ausgelegt und durchgeführt werden.19
In einigen Ländern erfolgt die Sanierung von Banken innerhalb eines eigenen administrativen Rahmens. Die zuständigen nationalen Behörden ernennen einen Verwalter, der das Management der zusammengebrochenen Bank kontrolliert und Möglichkeiten für eine Umstrukturierung prüft. Dies könnte sich auch in einem EU-System von Nutzen erweisen; Auslöseschwellen und zeitliche Abstimmung könnten jedoch voneinander abweichen (siehe Abschnitt 4.4).
4.4. Auslöseschwellen und Zeitplan für den Einsatz der Instrumente
Kern des EU-Abwicklungsmechanismus ist die Vorgabe, dass Eingriffsbefugnisse erst dann erteilt werden, wenn eindeutig festgelegte "Auslöseschwellen" erreicht sind. Dadurch werden koordinierte Maßnahmen der nationalen Behörden vereinfacht, die Gefahr der Anfechtung gemindert und Aktionären und Gläubigern mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Bedingungen geboten, unter denen Maßnahmen ergriffen werden können. Jedes Eingreifen, das sich auf Interessen und Rechte von Aktionären und Gläubigern auswirkt, muss der Schwere der Probleme des betroffenen Instituts angemessen sein und sich an den legitimen Erwägungen des öffentlichen Interesses orientieren.
Zum Schutz des öffentlichen Interesses sollten Maßnahmen bereits möglich sein, ehe die Bank "bilanzinsolvent" ist, das heißt, bevor der Schwellenwert für die Einleitung des offiziellen Insolvenzverfahrens erreicht ist. Sind die Behörden daran gehindert, zum Schutz des öffentlichen Interesses bereits dann entschlossen einzugreifen, wenn die Bank aus technischer Sicht noch nicht insolvent ist, so werden effiziente Stabilisierungs- und Abwicklungsoptionen beschränkt bzw. steigt der Bedarf an öffentlichen Mitteln. Die Auslöseschwellen des EU-Systems sollten deshalb ein Eingreifen zum geeigneten Zeitpunkt zulassen und streng genug sein, um zu gewährleisten, dass Maßnahmen, die die Rechte der Beteiligten beeinträchtigen können, gerechtfertigt sind. Denkbar wäre z. B. eine Kombination aus einer vorgeschriebenen Schwelle auf der Grundlage einer aufsichtsbehördlichen Bewertung, der zufolge ein Institut die ordnungspolitischen Kernbedingungen nicht mehr erfüllt, einerseits und einem umfassenderen öffentlichen Interesse, das sich beispielsweise auf die Finanzmarktstabilität oder die Kontinuität der Bankdienstleistungen beruft.
4.5. Geltungsbereich des Abwicklungsrahmens für den Bankensektor
Ein neuer Rahmen muss für alle Kreditinstitute gelten, die Teil einer grenzübergreifend tätigen Gruppe sind. Dabei sind auch grenzübergreifend tätige Zweigniederlassungen einzubeziehen, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass Banken mit grenzübergreifend tätigen Zweigniederlassungen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Finanzmarktstabilität in Mitgliedstaaten darstellen können, wo Zweigniederlassungen in großem Umfang im Einlagengeschäft tätig sind.20 Da Bankengruppen zudem häufig Einheiten umfassen, die Investmentbanking und andere Finanzdienste anbieten, und ihr Zusammenbruch auch systemische Risiken für das Finanzsystem bergen könnte, wäre es sinnvoll, einen harmonisierten EU-Abwicklungsrahmen auf Wertpapierfirmen und möglicherweise auf Versicherer auszudehnen.21 Die Liquidation der Lehman Brothers und die dadurch verursachten Marktstörungen22, einschließlich der Ungewissheit hinsichtlich des Verbleibs und des Status von Vermögenswerten der Kunden sowie der Vertragspositionen der Gegenparteien und des Status noch offener Abschlüsse, zeigten eindeutig, dass auch bei einem Zusammenbruch von Wertpapierfirmen gezielte Maßnahmen erforderlich sind.
Allerdings lassen sich Abwicklungsmaßnahmen, die für im Einlagengeschäft tätige Banken durchaus angemessen sind, nicht unbedingt auf andere Arten von Finanzinstituten übertragen. Die Befugnis zur Übertragung von Forderungen und Verbindlichkeiten an eine "Brückenbank" ist eine gute Option für im Einlagengeschäft tätige Banken, weil deren Tätigkeiten und die Zielen der Abwicklung dazu passen; im Falle von Investmentbanken, bei deren Abwicklung der Schwerpunkt eher auf Problemen und offenen Fragen im Zusammenhang mit Handel, Clearing und Abwicklung, Sicherheit und Verwahrung von Vermögenswerten der Kunden liegt, ist diese Option weniger relevant.
4.6. Bedeutung der Rechte der Beteiligten für den Abwicklungsmechanismus im Bankensektor
Aktionäre
Ein solider Schutz der Aktionärsrechte ist Voraussetzung für verantwortungsvolle Unternehmensführung und freien Kapitalverkehr. Dies trifft in besonderem Maße auf Banken zu, da diese börsennotierte Gesellschaften sind und ihre Aktien auf den Kapitalmärkten notiert und gehandelt werden. Deshalb gilt es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Schutz der legitimen Interessen der Aktionäre und der Fähigkeit der Behörden, schnell und entschieden einzugreifen, um in Schieflage geratene Finanzinstitute oder Gruppen zu restrukturieren, die Gefahr einer Ausbreitung der Krise zu minimieren und die Stabilität des Bankwesens in den betroffenen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Das Gemeinschaftsrecht enthält mehrere obligatorische Anforderungen für die Übertragung von Rechten auf die Aktionäre. Hierzu gehören Vorkaufsrechte und die Anforderung, dass jede Erhöhung oder Verringerung des Aktienkapitals auf der Generalversammlung der Aktionäre genehmigt wird. Solange die Unternehmenstätigkeit fortgeführt wird, genießen Aktionäre in der EU gleichwertige Mindestrechte. Die im Gemeinschaftsrecht gewährten Aktionärsrechte dürften einer Sanierung im Rahmen eines ordentlichen Insolvenzverfahrens im Normalfall nicht im Wege stehen. Genauso wenig werfen diese Rechte zwangsläufig Probleme für einen Abwicklungsmechanismus auf, der darauf ausgelegt ist, in einem abgestuften Konzept die Zustimmung der Aktionäre zu Umstrukturierungsmaßnahmen einzuholen, sofern die erforderliche Zeit zur Verfügung steht. Schwierigkeiten entstehen, wenn die Sanierung im Rahmen eines Abwicklungsmechanismus erfolgt, der sich auf Zwangsmaßnahmen ohne vorherige Zustimmung der Aktionäre stützt. In einem solchen Fall könnten die in den Gesellschaftsrecht-Richtlinien der EU gewährten Rechte aufgrund ihres obligatorischen Charakters Versuche der Behörden, eine Bankenkrise schnell zu überwinden, untergraben. Deshalb müssen diese Richtlinien gegebenenfalls geändert werden. Bei diesen Änderungen muss gewährleistet sein, dass die nationalen Behörden weiterhin zu einem raschen Eingreifen unter genau definierten Umständen in der Lage sind, d. h. dass sie bei Vorliegen bestimmter auslösender Elemente oder Bedingungen ohne vorherige Zustimmung der Aktionäre tätig werden können, um die Kontinuität wesentlicher Dienstleistungen der Bank zu gewährleisten und systemische Auswirkungen eines Zusammenbruchs zu verhindern, indem etwa ein Kauf durch den Privatsektor in die Wege geleitet wird.
In ähnlicher Weise muss bei jeder ohne vorherige Zustimmung der Aktionäre erfolgenden Übertragung von Eigentum oder Vermögenswerten einer in Schwierigkeiten geratenen Bank die Kompatibilität mit den in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Eigentumsrechten der Aktionäre sichergestellt sein. Sind im Gemeinschaftsrecht verankerte Rechte betroffen, müssen adäquate Rechtsschutz- und Entschädigungsmechanismen vorgesehen werden.
Aktionäre haben das Recht, den Verlust ihrer Aktien bzw. eine Verminderung des Aktienwerts nicht hinzunehmen, es sei denn, der Eingriff ist durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt und erfolgt in Einklang mit den im innerstaatlichen Recht und dem Völkerrecht festgelegten Bedingungen. Steht nicht eindeutig fest, ob durch die Bedingungen für das Eingreifen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen Interesse der Gemeinschaft und dem Schutz der Grundrechte einzelner Aktionäre gewährleistet ist, so besteht die Gefahr, dass Abwicklungsmaßnahmen in jedem Einzelfall vor den nationalen Gerichten oder dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden.
Gläubiger und Gegenparteien
Abwicklungsinstrumente, die eine Übertragung von Vermögenswerten beinhalten, können Rechte von Gläubigern und Gegenparteien berühren, so dass ein EU-Abwicklungsrahmen angemessene Sicherheitsklauseln zum Schutz dieser Interessen vorsehen müsste. Sicherheitsklauseln für Gläubiger könnten Entschädigungsmechanismen umfassen, die sicherstellen, dass kein Gläubiger schlechter da steht, als wenn die in Abwicklung befindliche Bank nach dem geltenden Insolvenzrecht liquidiert worden wäre. Sicherheitsklauseln für Gegenparteien könnten bestimmte Einschränkungen vorsehen, um zu verhindern, dass Aufrechnungs- und Netting-Vereinbarungen, Sicherungsrechte und strukturierte Finanzprodukte unterbrochen werden.
4.7. Abwicklung von Bankengruppen
Schwerpunkt dieser Mitteilung sind grenzübergreifend tätige Banken. Wenn eine juristische Person grenzübergreifende Geschäfte über Zweigniederlassungen führt, sollten die in der Liquidationsrichtlinie dargelegten Grundsätze auch für Maßnahmen gelten, die im Herkunftsland der Bank im Zusammenhang mit Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten ergriffen werden. Dies könnte einige legislative Änderungen erforderlich machen, da nicht eindeutig geklärt ist, ob Abwicklungsmaßnahmen der EU zwangsläufig unter die Liquidationsrichtlinie fallen.
Die Abwicklung angeschlossener Einheiten einer Bankengruppe ist sogar noch komplexer. Will sich die EU nicht länger auf ein national ausgerichtetes Krisenmanagement beschränken und die verständliche Tendenz zur Isolierung von Vermögenswerten überwinden, bieten sich generell zwei Konzepte an. Das erste bestünde in der Schaffung eines Rahmens für die Koordinierung von Maßnahmen, die weiterhin auf nationaler Ebene durchgeführt würden. Das zweite wäre eine konsequente Weiterentwicklung des Binnenmarktes und bestünde in einer integrierten Abwicklung von Gruppeneinheiten in unterschiedlichen Ländern durch eine einzige Abwicklungsstelle.
Nach Ansicht der Kommission lohnt es sich zu prüfen, inwiefern es möglich wäre, eine einzige Abwicklungsbehörde zu benennen, die bei der Abwicklung einer grenzübergreifend tätigen Gruppe auf der Grundlage fester Regeln die Führungsrolle übernehmen würde.
Erweist sich die Option einer europäischen Abwicklungsbehörde nicht als machbar, sollten zumindest die nationalen Abwicklungsmaßnahmen für grenzübergreifend tätige Bankengruppen koordiniert werden.
Ein Konzept für grenzübergreifende Abwicklungen auf der Grundlage koordinierter nationaler Maßnahmen wäre keine radikale Absage an bestehende Vereinbarungen, sondern würde diese eher verstärken. Die im Juni 2008 getroffene Vereinbarung über die länderübergreifende Finanzmarktstabilität23 existierte in der Krise bereits, bot aber keine ausreichende bzw. hilfreiche Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Schieflage geratene grenzübergreifend tätige Banken geordnet abgewickelt werden, ist viel größer, wenn es einen rechtsverbindlichen, gut strukturierten EU-Rahmen zur Untermauerung von Kooperationsvereinbarungen in Krisenzeiten gibt. Vereinbarungen über die Finanzierung grenzübergreifender Abwicklungen (siehe Abschnitt 4.8) dürften dank richtiger Anreize ebenfalls dazu beitragen, die Koordinierung wirksamer zu gestalten.
In einem Kooperations- und Koordinierungsrahmen wird die Abwicklung einer Bankengruppe jedoch zwangsläufig auf Ebene der einzelnen juristischen Personen und in Übereinstimmung mit den geltenden nationalen Bestimmungen durchgeführt. Diese nach einzelnen Einheiten differenzierte Vorgehensweise wird selbst bei Gewährleistung der erforderlichen Koordinierung nicht unbedingt zur effizientesten Lösung führen. Dieses Konzept spiegelt auch nicht die Realität des integrierten EU-Bankensektors wider, der sich im Rahmen des Binnenmarktes entwickelt hat. Bankengruppen befinden sich aus operationeller und kommerzieller Sicht immer stärker in gegenseitiger Abhängigkeit, die Zentralisierung des Liquiditätsmanagements bringt häufig eine Vermischung von Vermögenswerten mit sich, und die Organisation und Arbeitsweise der Gruppen reflektieren eher Geschäftsbereiche als rechtliche Strukturen.
Um wirksam auf diese Bedenken einzugehen, wird eine stärkere strukturelle Integration eines Abwicklungsmechanismus benötigt, möglicherweise durch Benennung einer federführenden Behörde, die gemäß eindeutigen, im Voraus festgelegten Regeln bestimmt wird und die Abwicklung einer bestimmten Gruppe orchestrieren würde. Diese Behörde würde in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden den EU-Abwicklungsmechanismus in den betroffenen Hoheitsgebieten durchführen. Dieses Konzept ist zweifellos sehr ehrgeizig und dürfte nur Wirkung entfalten bzw. überhaupt machbar sein, wenn bei Insolvenzen von Bankengruppen eine stärkere Integration erreicht wird. Näheres hierzu findet sich in Abschnitt 5.
4.8. Finanzierung der grenzübergreifenden Abwicklung
Finanzierung durch den Privatsektor
Finanzierungsvereinbarungen spielen für jede Regelung der grenzübergreifenden Abwicklung eine Schlüsselrolle. Wenn die Kosten für den Zusammenbruch einer Bank nicht allein vom Steuerzahler getragen werden sollen, sind grundsätzlich private Finanzierungsvereinbarungen oder Lösungen mit dem Privatsektor nötig (siehe Abschnitt 4.2). Zudem ist der Mangel an einschlägigen Vereinbarungen auf EU-Ebene aus Sicht des Binnenmarkts sicher ein einschränkender Faktor hinsichtlich der Bandbreite grenzübergreifender Instrumente, auf die die Behörden zurückgreifen können. Dies kann dem Einsatz der effizientesten Maßnahmen im Wege stehen, und erhöht die Gesamtkosten, die von den betroffenen Mitgliedstaaten zu tragen sind. Eine Beteiligung des Privatsektors an der Bankenabwicklung ist generell wünschenswert, aber je weiter sich die Krise vertieft, desto schneller verringern sich die einschlägigen Optionen.
Deshalb wäre es sinnvoll, Möglichkeiten für Exante-Mechanismen zu prüfen, die gewährleisten könnten, dass in Krisenzeiten finanzielle Mittel aus dem Privatsektor zur Verfügung stehen. Auch die Einlagensicherungssysteme könnten die Möglichkeit einer Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen vorsehen. Dies hätte den Vorteil, dass der Bankensektor auf direktem Wege zur Sicherung seiner Stabilität beitragen würde. Allerdings darf im Falle des Zusammenbruchs einer Bank nicht die Entschädigung privater Einleger darunter leiden. Die Kommission wird in ihrer für Anfang 2010 geplanten Überprüfung der Einlagensicherungssysteme auf die Frage eingehen, inwieweit im Krisenfall auf diese Systeme zurückgegriffen werden kann. Alternativ dazu könnte die Kommission - wie einige Mitgliedstaaten - Überlegungen zur Einrichtung eines Abwicklungsfonds anstellen, der durch Gebühren der Finanzinstitute finanziert werden könnte, deren Höhe sich nach Größe oder Markttätigkeit richten würde.
Ferner könnte geprüft werden, inwieweit es möglich wäre, die Finanzierung innerhalb der Gruppe nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu erleichtern. Die UNCITRAL24 geht im Rahmen ihrer Arbeiten zum Umgang mit Unternehmensgruppen im Insolvenzfall auch der Frage nach, wie die Fortsetzung der Geschäfte von in Sanierung oder Liquidation befindlichen Unternehmen durch kontinuierlichen Zugang zu Finanzmitteln erleichtert werden könnte.
Schließlich kann die Gefahr, dass Abwicklungsmaßnahmen nach Anfechtung vor Gericht wieder rückgängig gemacht werden, sich als ernsthaftes Hindernis für die Bereitschaft des Privatsektors, Vermögenswerte zu erwerben bzw. die Gesamtheit oder Teile von in Schwierigkeiten geratenen Banken zu übernehmen, erweisen. Deshalb dürfte ein Rahmen, der Rechtssicherheit hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen schafft, Lösungen unter Einbeziehung des Privatsektors erleichtern.
Lastenteilung
Die jüngsten Erfahrungen haben eindeutig belegt, dass Lösungen mit dem Privatsektor nicht immer möglich sind. Deshalb sind intensive Arbeiten erforderlich, um Grundsätze für die Aufteilung der Finanzlasten zwischen den Mitgliedstaaten im Falle der Abwicklung grenzübergreifend tätiger Bankengruppen zu entwickeln. Hier müssen rasch eindeutige Verpflichtungen hinsichtlich der fairen Aufteilung der Kosten einschlägiger Maßnahmen geschaffen werden, an die die Mitgliedstaaten sich halten müssen.25 Auf diesem Gebiet sind dringend konkrete Fortschritte nötig. Im jetzigen Stadium ist es noch zu früh, exakte Exante-Formeln für die Aufteilung der Kosten grenzübergreifender staatlicher Rettungsmaßnahmen festzulegen. Allerdings sollten die Mitgliedstaaten wissen, ob sie prinzipiell zu einem Beitrag aufgefordert werden, wie die Lastenverteilung organisiert würde, wer zu Gesprächen über die Lastenverteilung aufrufen wird und wer solche Gespräche koordinieren würde26. Ferner sollte geprüft werden, ob für Mitgliedstaaten, die eine Verpflichtung zur Lastenverteilung eingehen, bestimmte gegenseitige Rechte - z. B. im Hinblick auf den Zugang zu Daten - festgelegt werden sollten. Eine Exante-Vereinbarung über die Grundsätze einer fairen Lastenverteilung wird ein wichtiges Sicherheitsnetz bieten und den einbezogenen Behörden die notwendigen Anreize für eine Zusammenarbeit innerhalb des Rahmens für Krisenverhütung und Abwicklung liefern. Können auf diesem Gebiet keine Fortschritte erzielt werden, droht eine inakzeptable Gefahr für die im Vertrag verankerten grundlegenden Rechte der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs und des freien Kapitalverkehrs.
5. Insolvenz
Zurzeit erfolgt die Liquidation im Rahmen einer Abwicklung zwangsläufig gemäß den nationalen Insolvenzverfahren und hängt die Koordinierung von der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen nationalen Insolvenzbehörden und den zuständigen Beamten ab.27 Die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Insolvenzbehörden läuft nicht immer glatt und kann noch verbessert werden. Ein effizienter Umgang mit Finanzkonglomeraten, internationalen Holdingstrukturen und der Organisation von Finanzgruppen nach Geschäftsfeldern ist deshalb nicht möglich.28
Ein EU-Abwicklungsrahmen für den Bankensektor sollte sich deshalb zumindest auf einen verbindlichen Rahmen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Gerichten und Insolvenzverwaltern, die für die Verfahren im Zusammenhang mit angeschlossenen Einheiten einer Bankengruppe zuständig sind, stützen können. Eine weitere Option könnte darin bestehen, einen "federführenden Verwalter" mit der Koordinierung der nationalen Verfahren zu beauftragen.
Integrierter Umgang mit Unternehmensgruppen
Unter Umständen sollte beim Umgang mit in Insolvenz befindlichen Unternehmensgruppen eine stärkere Integration angestrebt werden. Dies könnte - unter eindeutig beschriebenen Bedingungen - beinhalten, dass die Gruppe als ein Unternehmen betrachtet wird, um die gefühlte Unzulänglichkeit und mangelnde Fairness des traditionellen, an Einheiten orientierten Konzepts zu überwinden. Manche Länder haben in ihrem innerstaatlichen Recht Methoden vorgesehen, um dies zu erreichen. Die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen ist jedoch zwangsläufig auf Einheiten beschränkt, die unter die gleiche Gerichtsbarkeit fallen und der gleichen Insolvenzregelung unterliegen. Würden vergleichbare Verfahren für die Insolvenz grenzübergreifend tätiger Bankengruppen entwickelt, müsste dabei der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich um unterschiedliche Insolvenzregelungen und damit auch um unterschiedliche grundsätzliche Bestimmungen zu Fragen wie Prioritäts- und Vermeidungsbefugnissen handelt.
Harmonisierte EU-Insolvenzregelung für Banken
Methoden für einen stärker integrierten Umgang mit in Insolvenz befindlichen Gruppen könnten dazu beitragen, einige Ungerechtigkeiten aus dem Weg zu räumen, die bei der getrennten Liquidation der einzelnen Einheiten stark integrierter Gruppen entstehen können. Bei Fachleuten aus akademischen Kreisen und aus der Praxis wächst die Einsicht, dass getrennte Insolvenzverfahren für die einzelnen Einheiten den komplexen Gesellschaftsstrukturen, wo die Form nicht der Funktion folgt, nicht mehr gerecht wird und dass auf internationaler Ebene weitere Arbeiten zur Harmonisierung der Insolvenzbestimmungen erforderlich sind. Ohne eine solche Harmonisierung wird es weiterhin äußerst schwierig bleiben, eine grenzübergreifend tätige Bankengruppe umzustrukturieren.
Die Schwierigkeiten und das bei diesen Arbeiten nötige Einfühlungsvermögen sollten nicht unterschätzt werden. Das Insolvenzrecht steht in engem Zusammenhang mit anderen Bereichen des innerstaatlichen Rechts wie dem Eigentums-, Vertrags- und Handelsrecht; Prioritätsregelungen können auch die Sozialpolitik reflektieren. Deshalb ist es eine äußerst komplexe Aufgabe, in einem einheitlichen Kodex länderspezifisch definierten Konzepten wie "Trusts" oder "schwebenden Belastungen" Rechnung zu tragen.
Ein solches Projekt könnte die Form einer getrennten, unabhängigen Insolvenzregelung annehmen, die im Falle grenzübergreifend tätiger Bankengruppen in der EU gegebenenfalls die andernfalls anwendbaren nationalen Regelungen für Sanierung und Liquidation ersetzen würde. Die Probleme im Zusammenhang mit dem Konzept der getrennten Einheiten gemäß dem nationalem Insolvenzrecht würden in einem solchen System nur dann vollständig überwunden, wenn eine integrierte Behandlung der Gruppeneinheiten ermöglicht würde. Die Anwendung einer solchen Regelung und die Frage, inwieweit sie - sofern überhaupt - für systemrelevante grenzübergreifend tätige Bankengruppen fakultativ sein sollte, sind sorgfältig zu prüfen. Die Auferlegung einer neuen EU-Insolvenzregelung für bereits bestehende Einheiten würde auch einige Übergangsprobleme - u. a. hinsichtlich der Auswirkungen auf Gläubiger und Gegenparteien - aufwerfen.
6. Folgemassnahmen
Die Kommission ersucht bis zum 20. Januar 2010 um allgemeine Stellungnahmen und detaillierte Anmerkungen zu dieser Mitteilung. Das begleitende Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen enthält auch Informationen zu den in dieser Mitteilung angesprochenen Fragen sowie weiteren spezifischen Themen.
Die Kommission beabsichtigt, Anfang 2010 eine öffentliche Anhörung durchzuführen, um die Ergebnisse der Konsultation und die geplanten Folgemaßnahmen zu präsentieren. Dies wird zur Erstellung eines Fahrplans für Folgemaßnahmen in den Bereichen frühzeitiges Eingreifen, Abwicklung und Insolvenz führen, um einen Rahmen für die Krisenbewältigung zu schaffen, der sicherstellt, dass die zuständigen Behörden in Zukunft ihre Maßnahmen wirksam koordinieren und über angemessene Instrumente verfügen, um beim Zusammenbruch einer Bank schnell eingreifen zu können.
- 1 Solche Maßnahmen zur Umstrukturierung von Banken werden im Rahmen der EU-Regeln für staatliche Beihilfen geprüft. Sie sind nicht Thema dieser Mitteilung, sind aber bereits Gegenstand von Leitlinien der Kommission über die Rekapitalisation, die Behandlung wertgeminderter Vermögenswerte sowie Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Banken.
- 2 Siehe Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates vom 4. März 2009: http://ec.europa.eu/commission_barroso/president/pdf/press_090304_en.pdf .
- 3 Siehe De Larosière-Bericht, S. 39: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_de.pdf .
- 4 Siehe die neuen Legislativvorschläge der Kommission im Bereich der Finanzaufsicht, 23. September 2009: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/committees/index_de.htm .
- 5 Diese Mitteilung wird von einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen begleitet, das weitere Einzelheiten zu den verschiedenen Aspekten einer möglichen Regelung enthält.
- 6 Artikel 136 der Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) , ABl. L 177/1 vom 30.6.2006, S. 1.
- 7 Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung). Jüngster Änderungsvorschlag (Vorschlag 2): http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52008PC0602:EN:NOT
- 8 Im begleitenden Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen werden detailliertere Fragen zu diesem Thema und den anderen Abschnitten dieser Mitteilung gestellt.
- 9 Im Erwägungsgrund 52 der Richtlinie 2006/48/EG wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Kreditgewährung eines Kreditinstituts völlig autonom, nach Prinzipien einer soliden Bankgeschäftsführung und ohne Berücksichtigung sonstiger Gesichtspunkte erfolgen sollte.
- 10 Siehe Bericht der Kommissionsdienststellen vom 14. November 2008 über die Übertragung von Vermögenswerten unter: http://ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/windingup/rep141108_en.pdf .
- 11 "Assets held by crossborder subsidiaries" (2006) (Von grenzübergreifend tätigen Tochtergesellschaften gehaltene Vermögenswerte); Quelle: EZB.
- 12 "Study on the feasibility of reducing obstacles to the transfer of assets within a cross border banking group during a financial crisis and of establishing a legal framework for the reorganisation and winding-up of cross border banking groups" (Studie über die Möglichkeit des Abbaus von Hindernissen bei der Übertragung von Vermögenswerten innerhalb einer grenzübergreifend tätigen Bankengruppe während einer Finanzkrise und über die Möglichkeit der Festlegung eines Rechtsrahmens für die Sanierung und Liquidation grenzübergreifend tätiger Bankengruppen), DBB Law, 2008.
- 13 Die Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen fällt mit einiger Sicherheit unter die EU-Bestimmungen für staatliche Beihilfen, so dass einschlägige Vereinbarungen diese Bestimmungen einhalten müssen.
- 14 Siehe Pittsburgh-Erklärung der G20 vom 24.-25. September 2009 unter: http://www.pittsburghsummit.gov/mediacenter/129639.htm .
- 15 Am 15. September 2009 kündigte der Rat für Finanzmarktstabilität in einer Presseerklärung an, dass er sich in einem Arbeitsprogramm mit der Gefahr von Fehlverhalten ("moral hazard") sowie anderen Herausforderungen im Zusammenhang mit systemrelevanten Instituten befassen wird: http://www.financialstabilityboard.org/press/pr_090915.pdf
- 16 Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen, die unter die Richtlinie 2001/24/EG fallen, gelten für Zweigniederlassungen (nicht jedoch Tochtergesellschaften) von Kreditinstituten in anderen Mitgliedstaaten.
- 17 IWF-Arbeitspapier 0WP/09/200, "The Need for Special Resolution Regimes for Financial Institutions - The Case of the European Union", Martin Cihák und Erlend Nier.
- 18 In anderen Ländern bestehen diese Befugnisse ebenfalls, sind aber nicht explizit festgelegt. Die Justizbehörden können bei Insolvenzverfahren darauf zurückgreifen.
- 19 Die Kommission hat im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise mehrere Leitlinien veröffentlicht, um diese außergewöhnliche Notfallsituation besser zu bewältigen.
- 20 Dies war beispielsweise in der isländischen Bankenkrise der Fall.
- 21 Wertpapierfirmen fallen weder unter die Liquidations- noch unter die Sanierungsrichtlinie und sind auch nicht durch die Insolvenzbestimmungen der EU erfasst. Für Versicherer gilt dagegen die Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, in der für Zweigniederlassungen von Versicherungsunternehmen in anderen Mitgliedstaaten die gegenseitige Anerkennung und Koordinierung der Insolvenzverfahren des Herkunftsmitgliedstaats vorgesehen ist.
- 22 Die Ungewissheit hinsichtlich des Umfangs der Exposition anderer Finanzinstitute gegenüber Lehman Brothers führte zu einem starken Rückgang der Aktienpreise im Bankensektor, während der Run auf US-amerikanische Geldmarktfonds, die im Ruf standen, in Commercial Papers von Lehman Brothers investiert zu haben, eine rasche Liquidation der Positionen in allen Commercial Papers der USA in einem fallenden Markt bewirkten.
- 23 Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Finanzaufsichtsbehörden, Zentralbanken und Finanzministerien der Europäischen Union im Bereich der grenzüberschreitenden Finanzstabilität (1. Juni 2008).
- 24 Arbeitsgruppe V von UNCITRAL - Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht.
- 25 In einem aktuellen Bericht an den Wirtschafts- und Finanzausschuss wird empfohlen, in den EU-Rahmen für die Finanzmarktstabilität auch freiwillige Exante-Vereinbarungen über die Lastenverteilung im Zusammenhang mit grenzübergreifend tätigen Finanzgruppen aufzunehmen und diese durch EU-weit geltende Modalitäten zu ergänzen, wobei neu eingesetzte Gruppen für die länderübergreifende Finanzmarktstabilität eine Schlüsselrolle für die Überwachung der Durchführung spielen (Lehren aus der Finanzkrise für die Sicherung der Finanzstabilität in Europa, hochrangige Arbeitsgruppe des Wirtschafts- und Finanzausschusses für die grenzübergreifende Finanzmarktstabilität, Juli 2008).
- 26 Solche Maßnahmen müssen natürlich in Einklang mit den Bestimmungen für staatliche Beihilfen stehen.
- 27 Die Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten verbietet die Anwendung im Rechtssystem des Aufnahmelands vorgesehener getrennter Insolvenzmaßnahmen für Zweigniederlassungen. Sie gewährleistet die gegenseitige Anerkennung und Koordinierung von Verfahren unter der Kontrolle des Herkunftslands und verlangt ein Konzept, dem zufolge alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Mutterbank und ihrer ausländischen Zweigstellen als Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einer einzigen juristischen Person saniert oder liquidiert werden und dies - vorbehaltlich der in der Richtlinie spezifizierten Ausnahmen - nach den Rechtsvorschriften des Herkunftslandes erfolgt. Allerdings ist in dieser Richtlinie keine Konsolidierung der Insolvenzverfahren für unterschiedliche juristische Personen innerhalb einer Bankengruppe vorgesehen und wird kein Versuch gemacht, nationale Insolvenzgesetze zu harmonisieren.
- 28 Die komplexe und langwierige Insolvenz der Lehman Brothers bietet ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten der Verwalter in komplexen Liquidationsverfahren.