Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 239/98 = AE-Nr. 980758 und
Drucksache 277/12 (PDF) = AE-Nr. 120322
Brüssel, den 5.12.2012
COM (2012) 725 final
2012/0342 (NLE)
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (Text von Bedeutung für den EWR)
Begründung
1. Hintergrund des Vorschlags
Die europäischen Vorschriften für staatliche Beihilfen wurden zunächst in die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl(1952) und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft(1957) aufgenommen und sind nun im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden "AEUV" oder "Vertrag") verankert.
In Artikel 107 AEUV ist der Begriff "staatliche Beihilfe" definiert und dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Beihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet werden kann. Artikel 108 AEUV enthält die wichtigsten Verfahrensgrundsätze für das Handeln der Kommission, die dafür Sorge trägt, dass die Mitgliedstaaten die materiellrechtlichen Vorschriften für staatliche Beihilfen einhalten. Nach Artikel 109 AEUV kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 107 und 108 erlassen.
1999 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 659/19991 (im Folgenden "Verfahrensverordnung"), in der die Verfahrensvorschriften für die Durchsetzung der Artikel 107 und 108 AEUV präzisiert wurden. Diese Vorschriften werden bis heute ohne nennenswerte Änderungen angewandt.
Beihilfeverfahren verlaufen nach Artikel 108 AEUV und den weiteren Ausführungen der Verfahrensverordnung im Grunde über drei Hauptachsen:
- - Die Mitgliedstaaten müssen alle geplanten Beihilfemaßnahmen, sofern sie nicht unter eine Gruppenfreistellungsverordnung oder einen Freistellungsbeschluss fallen, bei der Kommission anmelden und dürfen die Beihilfemaßnahmen erst durchführen, nachdem die Kommission einen Genehmigungsbeschluss erlassen hat. Nach einer im Wesentlichen zwischen Kommission und Mitgliedstaat bilateral erfolgenden vorläufigen Prüfung ("Phase I" ), die höchstens zwei Monate dauern sollte, kann die Kommission die Beihilfe entweder genehmigen oder aber ein förmliches Prüfverfahren ("Phase II") einleiten, das sie möglichst nach 18 Monaten abschließen sollte, um dann die Beihilfe (falls erforderlich unter Bedingungen) zu genehmigen oder zu untersagen. - Die Kommission muss alle Beschwerden von Beteiligten sorgfältig und unvoreingenommen prüfen und ohne ungebührliche Verzögerung über deren Stichhaltigkeit entscheiden. Kommt sie nach Prüfung der Beschwerde zu dem Schluss, dass es sich bei der Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe handelt, so muss die Kommission dem Beschwerdeführer zumindest in hinreichender Weise die Gründe darlegen, aus denen die in der Beschwerde angeführten sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht zum Nachweis des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe genügt haben.
- - Ferner überprüft die Kommission fortlaufend alle in den Mitgliedstaaten bestehenden Beihilferegelungen und schlägt ihnen zweckdienliche Maßnahmen vor, falls sie dies aufgrund der fortschreitenden Entwicklung des Binnenmarkts für erforderlich erachtet.
Diese Eckpunkte des Beihilfeverfahrens leiten sich unmittelbar aus dem im Vertrag vorgesehenen System der Beihilfenkontrolle ab, nach dem ausschließlich die Kommission zur Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt befugt ist.
Mehr als 13 Jahre nach ihrem Inkrafttreten ist eine Modernisierung der Verfahrensverordnung erforderlich, um das Beihilfeverfahren in einer Europäischen Union, die heute 27 Mitgliedstaaten, 500 Millionen Menschen und 23 Amtssprachen umfasst, an die neuen Gegebenheiten anzupassen.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat an der Integrität des Binnenmarkts gerüttelt und gezeigt, dass eine straffe und effiziente Beihilfenkontrolle und Durchsetzung des Beihilferechts von höchster Bedeutung sind. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Kommission über bessere Instrumente verfügen muss, damit sie in einem für Unternehmen annehmbaren Zeitrahmen handeln und den nachhaltigen Einsatz öffentlicher Mittel für wachstumsorientierte Maßnahmen fördern kann.
Am 8. Mai 2012 gab die Kommmission mit ihrer Mitteilung zur "Modernisierung des EU-Beihilfenrechts "2 den Startschuss für eine umfassende Reform des beihilferechtlichen Regelwerks der Europäischen Union. Die Reform soll Gewähr dafür bieten, dass die Beihilfepolitik der Union sowohl zur Umsetzung der für dieses Jahrzehnt formulierten EU-Wachstumsstrategie "Europa 2020"3 als auch zur haushaltspolitischen Konsolidierung beiträgt.
Die Überarbeitung der Verfahrensverordnung soll dazu beitragen, dass die Kommission die mit dieser Reform angestrebten Ziele erreichen kann. Durch die Modernisierung der Beihilfeverfahren soll in erster Linie die Wirksamkeit der Beihilfenkontrolle erhöht werden.4
Auch der Rechnungshof hat in seinem Sonderbericht Nr. 15/2011 mit dem Titel "Ist durch die Verfahren der Kommission eine wirksame Verwaltung der Kontrolle staatlicher Beihilfen gewährleistet?" 5 nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Reform der Beihilfeverfahren erforderlich ist. Mit der vorgeschlagenen Verfahrensreform für Beihilfesachen berücksichtigt die Kommission insbesondere folgende Empfehlungen des Rechnungshofs:
- - Beschränkung der Auskunftsersuchen an Mitgliedstaaten auf ein Minimum - zügige Bearbeitung unbegründeter Beschwerden, um mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen
- - regelmäßige Unterrichtung des Beschwerdeführers, des Mitgliedstaats und des Begünstigten über den jeweiligen Stand eines Falles und über das Ergebnis des Prüfverfahrens
- - mehr Effizienz und Zuverlässigkeit in ihren Datensammlungsverfahren Diese Empfehlungen wurden vom Rat6 und vom Europäischen Parlament7 ausdrücklich befürwortet.
2. die vorgeschlagenen Änderungen IM Überblick
Vor diesem Hintergrund liegt der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Reform der Verfahrensverordnung wie in der Mitteilung über die Modernisierung des EU-Beihilfenrechts8 angekündigt auf zwei Bereichen: Verbesserung der Bearbeitung von Beschwerden (2.1) und effiziente Einholung zuverlässiger Marktinformationen (2.2).
2.1. Verbesserung der Bearbeitung von Beschwerden
Beschwerden sind für die Kommission eine sehr nützliche Quelle, denn sie geben Hinweise auf Wirtschaftszweige, in denen möglicherweise rechtswidrige staatliche Beihilfen den Wettbewerb auf EU-Ebene behindern. Allerdings gehen bei der Kommission jährlich im Durchschnitt über 300 Beschwerden von Beteiligten9 und Dritten ein; viele dieser Beschwerden sind entweder nicht auf echte Wettbewerbsbedenken zurückzuführen oder nicht ausreichend belegt. Da den meisten Beschwerden keine Priorität eingeräumt wird, erstreckt sich die Bearbeitung dieser Fälle häufig über immer längere Zeiträume10. Dadurch entsteht bei Mitgliedstaaten und Beschwerdeführern manchmal der Eindruck, dass das Beschwerdeverfahren nicht vorhersehbar und nicht transparent ist.
2009 wurde im Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren 11 ein abgestuftes und transparentes Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden vorgestellt. Zwei Jahre nach der Einführung des Verfahrens ist jedoch festzustellen, dass die angestrebten Verbesserungen - kürzere Verfahrensdauer, höhere Effizienz und größere Vorhersehbarkeit - nicht ganz eingetreten sind. Wesentliche Schwächen des derzeitigen Systems konnten mit dem Verfahrenskodex nicht beseitigt werden, da sie direkt in der Verfahrensverordnung begründet liegen. Daher wird eine Reform der Verfahrensverordnung vorgeschlagen, um diese Mängel zu beheben.
Ziel der vorgeschlagenen Änderungen der Verfahrensverordnung ist es, die Qualität der bei der Kommission eingehenden Auskünfte zu verbessern.
Zu diesem Zweck müssen die Voraussetzungen für die Einreichung einer Beschwerde präzisiert und ein abgestuftes, vorhersehbares und transparentes Verfahren festgelegt werden.
Die Kommission muss derzeit jedem Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen das EU-Beihilferecht - ungeachtet der Herkunft dieser Informationen - nachgehen. Während Beschwerden über mutmaßliche Verstöße gegen die in den Artikeln 101 und 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbsvorschriften in den Verordnungen 1/0312 und 773/0413 geregelt sind, gibt es keine Formvorschriften für die Einreichung einer Beihilfebeschwerde. Da die Verfahrensverordnung keine konkreten Regeln dafür enthält, vertrat das Gericht der Europäischen Union in seinem Ryanair-Urteil vom 29. September 1114 die Auffassung, dass derzeit keine Formerfordernisse erfüllt werden müssen, um bei der Kommission eine Beihilfebeschwerde einzulegen.
Im Interesse von Transparenz und Rechtssicherheit ist daher zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Beschwerde eingelegt werden kann, mit der die Kommission in den Besitz von Informationen über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen gelangt und damit eine vorläufige Prüfung einleiten kann (Änderung an Artikel 10). So sollte gefordert werden, dass
- - Beschwerdeführer ein Mindestmaß an Angaben übermitteln müssen.
Zu diesem Zweck sollte die Kommission befugt sein, Durchführungsvorschriften zur Festlegung von Form und Inhalt von Beschwerden zu erlassen (Änderung an Artikel 27).
- - Beschwerdeführer nachweisen müssen, dass sie Beteiligte im Sinne von Artikel 108 Absatz 2 AEUV15 und Artikel 1 Buchstabe h der Verfahrensverordnung 16 sind und somit ein berechtigtes Interesse an der Einlegung einer Beschwerde haben.
Zu diesem Zweck sollte in Artikel 20 Absatz 2 zu den Rechten der Beteiligten ausgeführt werden, dass jeder Beteiligte Beschwerde einlegen kann.
In Fällen, in denen die eingegangenen Informationen nicht als Beschwerde eingestuft werden, weil sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllen, wird die Kommission nicht mehr zur Annahme eines förmlichen Beschlusses verpflichtet sein. Die eingegangenen
Informationen werden als Marktinformationen registriert und können zu einem späteren Zeitpunkt für von Amts wegen eingeleitete Untersuchungen genutzt werden.
Um das mit dem Verhaltenskodex für Beihilfeverfahren17 eingeführte abgestufte Verfahren zu ergänzen, sollte die Verfahrensverordnung die Möglichkeit vorsehen, dass die Kommission Beschwerden als zurückgezogen erachtet, wenn der Beschwerdeführer entweder nicht mit sachdienlichen Auskünften auf sie zurückkommt oder in dem Verfahren auf andere Weise nicht mit ihr zusammenarbeitet. Auf diese Weise könnte die Bearbeitung von Beschwerden gestrafft und verbessert werden (Änderung an Artikel 20 Absatz 2).
Beschwerdeführer machen die Kommission vor allem auf Beihilfen aufmerksam, die bereits gewährt wurden und somit möglicherweise rechtswidrig sind. 2009 nahm die Kommission eine Bekanntmachung über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte18 an, um diese Gerichte und die Beteiligten über die verfügbaren Rechtsschutzinstrumente zu unterrichten und durch Einführung praxisorientierterer Hilfsmittel für die tägliche Arbeit der einzelstaatlichen Richter die Zusammenarbeit mit den Gerichten auszubauen.
Deshalb wird vorgeschlagen, ausdrücklich vorzusehen, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten ein Anrecht auf Auskünfte der Kommission für die Anwendung von Artikel 107 Absatz 1 und Artikel 108 AEUV sowie auf Stellungnahmen der Kommission zu Fragen bezüglich der Anwendung der Beihilfevorschriften haben (neuer Artikel 23a Absatz 1).
Ferner wird die Einführung des Rechts der Kommission auf Übermittlung schriftlicher oder mündlicher Stellungnahmen bei einzelstaatlichen Gerichten vorgeschlagen (neuer Artikel 23a Absatz 2). Die Kommission ist dazu nur aus Gründen des öffentlichen Interesses der Union (als "amicus curiae") befugt und handelt nicht im Interesse einer der Parteien. Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll die Kommission die Möglichkeit erhalten, die Gerichte der Mitgliedstaaten auf Fragen aufmerksam zu machen, die für die einheitliche Anwendung des EU-Beihilferechts im Binnenmarkt von erheblicher Bedeutung sind. Die einzelstaatlichen Gerichte sind nicht verpflichtet, sich einer Stellungnahme der Kommission anzuschließen. Auch das Recht oder die Pflicht einzelstaatlicher Gerichte, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (Artikel 267 AEUV), bleibt von dem neuen Artikel 23a unberührt.
Die obengenannten Vorschläge dürften Gewähr dafür bieten, dass die Kommission mit besser untermauerten Beschwerden befasst wird, was für alle, die einen Beitrag zur Bearbeitung von Beihilfebeschwerden leisten, von Vorteil wäre.
Durch die obligatorische Verwendung des Beschwerdeformulars könnte die Kommission leichter feststellen, ob eine Beschwerde tatsächlich beihilferechtliche Fragen berührt und welche Priorität den einzelnen Beschwerden beizumessen ist. Das Formular würde ihr wiederholte Auskunftsersuchen an die betreffenden Mitgliedstaaten oder Beschwerdeführer ersparen. Da die Mitgliedstaaten berechtigt sind, sich zu jeder Beschwerde zu äußern und darauf zu reagieren, würde eine mögliche Verringerung der Zahl der Beschwerden auch die betreffenden Mitgliedstaaten entlasten.
Wenn Beschwerdeführer auch bei einzelstaatlichen Gerichten wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das EU-Beihilferecht klagen, werden die einzelstaatlichen Gerichte in der Verfahrensverordnung die Instrumente finden, mit denen sie um Unterstützung der Kommission ansuchen können. Diese innerhalb angemessener Fristen erfolgende Zusammenarbeit wird die Umsetzung des EU-Beihilferechts durch einzelstaatliche Gerichte erleichtern. Zudem kann die Kommission auch auf eigene Initiative den einzelstaatlichen Gerichten Unterstützung anbieten, was wiederum zur Sensibilisierung der einzelstaatlichen Gerichte und der Verfahrensparteien für die Instrumente der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den einzelstaatlichen Gerichten, zur Veranschaulichung ihrer Vorteile und zur Förderung ihrer Nutzung beitragen wird.
Da Beschwerdeführer nicht immer wissen, welche Informationen die Kommission für eine zügige Prüfung einer Beihilfebeschwerde benötigt, wird ihnen mit dem verbindlichen Beschwerdeformular eine Orientierungshilfe an die Hand gegeben, der sie entnehmen können, welche Informationen die Kommission benötigt, um das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe in dem konkreten Fall feststellen zu können. Damit soll erreicht werden, dass erheblich weniger zusätzliche Auskunftsersuchen an Beschwerdeführer gerichtet werden müssen, weil diese alle ihnen zur Verfügung stehenden erforderlichen Informationen von Anfang an übermittelt haben. Die höhere Transparenz und größere Vorhersehbarkeit des Verfahrens wird den Beschwerdeführern ein klareres Bild des aktuellen Stands der Untersuchung verschaffen und somit unnötige Schriftwechsel hinfällig machen.
2.2. effiziente Einholung Zuverlässiger Marktinformationen
In den vergangenen Jahren ist die Prüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt erheblich verfeinert worden. Die Kommission stützt sich auf einen wirkungsorientierten Ansatz, bei dem die positiven und negativen Auswirkungen der geprüften Beihilfemaßnahmen gegeneinander abgewogen werden. Da bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe die Ausgestaltung der Maßnahme und ihre Auswirkungen auf den Markt maßgeblich sind, ist es bei komplexen Fällen umso wichtiger, die Prüfung auf solide Fakten zu stützen.
Um dem Informationsbedarf der Kommission Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, Markterkundungsinstrumente (2.2.1) und eine Rechtsgrundlage für die Durchführung von Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfeinstrumente (2.2.2) einzuführen, damit die Kommission zeitnahe, zuverlässige, sachlich richtige und vollständige Informationen direkt vom Markt erhalten kann.
2.2.1 Markterkundungsinstrumente (MEI)
Die derzeit geltenden Verfahrensvorschriften werfen in Bezug auf die Befugnisse der Kommission zur Einholung von Auskünften im Rahmen von Beihilfeverfahren einige
Probleme auf. In Fällen, in denen die Kommission auf Auskünfte der Mitgliedstaaten angewiesen ist, können Verzögerungen auftreten, wenn die betreffenden Informationen für die nationalen Behörden nicht ohne weiteres zugänglich sind und nur mit einigem Aufwand von ihnen beschafft werden können.
Die Kommission hat versucht, einige dieser Probleme im Verhaltenskodex für Beihilfeverfahren zu lösen.19 So wurde festgelegt, dass die Kommissionsdienststellen im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens den Beteiligten eine Kopie des Beschlusses zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zusammen mit einer Aufforderung zur Stellungnahme übermitteln können. Durch die Einführung der Möglichkeit, unvollständige oder unrichtige Auskünfte in Antworten auf Auskunftsersuchen mit Strafen zu belegen, kann die Qualität der bei der Kommission eingehenden Auskünfte verbessert werden.
Um die Effizienz und Transparenz des Verfahrens zu verbessern, wird vorgeschlagen, einen Schritt weiter zu gehen und die vom Gerichtshof mehrmals bestätigte Befugnis der Kommission zur Konsultation von Marktteilnehmern zu kodifizieren. 20
Daher wird vorgeschlagen, dass die Kommission nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens auch von anderen Rechtspersönlichkeiten als den in Verfahren wegen angemeldeter oder rechtswidriger Beihilfen betroffenen Mitgliedstaaten per einfaches Auskunftsersuchen oder per Beschluss Auskünfte anfordern kann (neuer Artikel 6a und geänderter Artikel 10).
Wie bei Kartellen und Unternehmenszusammenschlüssen würden diese
Markterkundungsinstrumente in der Möglichkeit bestehen, von Unternehmen, Unternehmensvereinigungen oder Mitgliedstaaten Auskünfte anzufordern (neuer Artikel 6a) und gegen Unternehmen, die nicht antworten oder keine vollständigen Auskünfte erteilen, Geldbußen oder Zwangsgelder zu verhängen (neuer Artikel 6b). Dies würde Dritte von der Übermittlung verzerrter Informationen abschrecken. Da verschiedenen Unternehmen dieselbe Frage gestellt und die Antworten den Mitgliedstaaten zur Stellungnahme übermittelt würden, könnte die Kommission die Informationen gegenprüfen und sich der Zuverlässigkeit der erhaltenen Auskünfte vergewissern.
Bei der Festlegung der Höhe von Geldbußen und Zwangsgeldern würde sich die Kommission auf die im Kartellbereich und in der Fusionskontrolle gesammelten Erfahrungen stützen. Somit würden die finanziellen Sanktionen den Vorgaben der Verordnung 139/2004 des Rates21 und der Verordnung 1/2003 des Rates22 entsprechen. Diese Vorgaben bieten den betreffenden Unternehmen genügend Anreiz für die Einhaltung der Rechtsvorschriften, da bei der Festlegung der Strafen der möglichen Schwere der Zuwiderhandlung durch folgende Sanktionen angemessen Rechnung getragen wird:
- - Geldbußen von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes im Falle unrichtiger oder irreführender Auskünfte auf ein einfaches oder ein per Beschluss gestelltes Auskunftsersuchen bzw. bei Nichtbeantwortung eines per Beschluss gestellten Auskunftsersuchens (neuer Artikel 6b Absatz 1).
- - Zwangsgelder von bis zu 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Arbeitstag des Verzugs ab der im Beschluss bestimmten Frist, um die betreffenden Unternehmen zu zwingen, die per Beschluss angeforderten Auskünfte vollständig und richtig zu erteilen (neuer Artikel 6b Absatz 2).
Im Einklang mit dem im Vertrag über die Europäische Union verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit bestünde bei Auskunftsersuchen an die Mitgliedstaaten und Behörden nicht die Möglichkeit, Geldbußen oder Zwangsgelder auf der Grundlage der Verfahrensverordnung zu verhängen.
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es angezeigt, Verjährungsfristen für die Verhängung und Vollstreckung von Geldbußen und Zwangsgeldern festzulegen, die mit der Verordnung 1/2003 des Rates23 im Einklang stehen (neue Artikel 15a und 15b).
Markterkundungsinstrumente würden vor allem in komplexen Einzelfällen, die eine eingehende Prüfung erforderlich machen, eingesetzt, um Fragen zur Einstufung als Beihilfe oder zur Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu lösen. Sie könnten in Zukunft beispielsweise für die Prüfung eines marktüblichen Verhaltens (z.B. Beihilfeelement von Garantien/Krediten), von Marktversagen und/oder für die Messung des Anreizeffekts anhand von Vergleichswerten (Benchmarking) herangezogen werden. Die Adressaten der Auskunftsersuchen würden anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Kriterien ausgewählt. Neben dem Beihilfeempfänger kämen dabei zum Beispiel Wettbewerber, Kunden und Verbraucherverbände in Frage. Ferner muss sichergestellt werden, dass die Stichprobe für jede Kategorie repräsentativ ist.
Die angeforderten Auskünfte sind für die betreffenden Marktbeteiligten leicht zugänglich und umfassen insbesondere Folgendes:
- - Marktdaten (z.B. Größe des Markts, Marktanteile und Einfuhrmengen) und Unternehmensdaten (z.B. Kostenstruktur, Gewinne, Eigentums- und Kontrollverhältnisse sowie Beteiligungen an anderen Unternehmen) sowie
- - eine faktengestützte Analyse der Funktionsweise des Markts (z.B. Zutrittsschranken, Kosten des Markteintritts, regulatorische Schranken, Wachstumsrate des Markts und Wachstumsaussichten, Überkapazitäten), der wahrscheinlichen Auswirkung der Beihilfe auf den Empfänger und eine Beurteilung vorgeschlagener Abhilfe- oder Ausgleichsmaßnahmen.
Die vertrauliche Behandlung sensibler Informationen, die von den Mitgliedstaaten übermittelt wurden, wird bei der Nutzung der Markterkundungsinstrumente (MEI) umfassend gewährleistet. Auf den Schutz möglicherweise sensibler Informationen wird bereits im Einleitungsbeschluss bei der Unterrichtung Dritter über die wesentlichen Aspekte eines Falles geachtet. Auch bei den Auskunftsersuchen an Dritte wird die Kommission sicherstellen, dass keine sensiblen Informationen offengelegt werden.
Die Marktteilnehmer werden in den Auskunftsersuchen aufgefordert, mit ihrer Antwort auch eine nichtvertrauliche Fassung für die Kommission zu übermitteln. Wenn bestimmte Daten als vertraulich erachtet werden, wird die Kommission für einen angemessenen Schutz dieser Daten sorgen (z.B. durch die Aggregation von Daten oder Angabe einer Spanne, in die die Zahlen fallen).
Wenn die Kommission von Dritten übermittelte vertrauliche Informationen nutzen möchte, die weder durch Aggregation noch auf andere Weise anonymisiert werden können, muss sie deren Zustimmung einholen, bevor sie diese Auskünfte einem Mitgliedstaat gegenüber offenlegen und in einem Beschluss verwenden kann.
Für Fälle, in denen die als vertraulich gekennzeichneten Informationen offenbar nicht unter das Berufsgeheimnis fallen, sollte ein Verfahren eingeführt werden, anhand dessen die Kommission entscheiden kann, inwieweit solche Informationen offengelegt werden können. Wenn die Kommission einem Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht stattgibt, sollte sie eine Frist angeben, nach der die Information offengelegt wird, so dass der betreffende Dritte jeden ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Schutz einschließlich einer einstweiligen Anordnung in Anspruch nehmen kann (neuer Artikel 7 Absatz 9).
Die Nutzung der neuen Markterkundungsinstrumenten (MEI) sollte den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten verringern. Sie gibt der Kommission die Möglichkeit, die einzelstaatlichen Behörden von einem Teil des Aufwands für die Einholung von Auskünften zu entlasten - insbesondere in Fällen, in denen die Informationen dem Mitgliedstaat nicht zur Verfügung stehen und dieser für ihre Beschaffung erhebliche zusätzliche Anstrengungen unternehmen müsste - und die auf Ebene der Unternehmen bereits vorliegenden Informationen direkt zu nutzen (z.B. Marktanteile, Marktstruktur). Auf diese Weise könnten der Aufwand des Gebers der Beihilfe und der Aufwand des letztlich durch die Beihilfe Begünstigten in ein angemesseneres Verhältnis gebracht werden.
Die Verpflichtung des Mitgliedstaats, alle Nachweise für die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu erbringen, bleibt in den überarbeiteten Vorschriften allerdings unverändert bestehen. Auch der bilaterale Charakter des Beihilfeverfahrens bleibt unberührt. Die Markterkundungsinstrumente würden für eine gebührende Einbeziehung der Mitgliedstaaten in das Verfahren sorgen, da sie ihnen die Möglichkeit bieten, zu den Antworten auf die Auskunftsersuchen Stellung zu nehmen (neuer Artikel 7 Absatz 8). So werden ihre Verteidigungsrechte gewahrt und die Transparenz des Verfahrens gewährleistet.
Ein direkter Schriftwechsel mit dem Beihilfeempfänger würde es für die Kommissionsdienststellen einfacher machen festzustellen, welche Informationen für den fristgerechten Abschluss der Vereinbarkeitsprüfung tatsächlich benötigt werden. Dies wäre sowohl für den Beihilfeempfänger als auch für den Mitgliedstaat von Vorteil. Außerdem wäre die Lage des Beihilfeempfängers besser vorhersehbar. Die angeforderten Daten dürften für den Beihilfeempfänger ohne weiteres zugänglich sein und sollten daher nur relativ geringe Anstrengungen seinerseits erfordern, die er zudem zügig unternehmen wird, um nachzuweisen, dass die von ihm beantragte Beihilfe gerechtfertigt ist.
Auch Wettbewerber und Beschwerdeführer werden ein Interesse daran haben, dass die Kommission Markterkundungsinstrumente einsetzt, denn mit ihrer Hilfe wird die Kommission die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt genauer prüfen und somit übermäßige Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unvereinbarer Beihilfen verhindern oder Abhilfe schaffen können.
Mit Hilfe der Markterkundungsinstrumente kann die Kommission die in Frage kommenden Dritten direkt und gleichzeitig erreichen. Dies wird zu transparenteren, genaueren und rascheren Informationen beitragen, so dass weniger Auskunftsersuchen erneut oder nach und nach gestellt werden müssten, wodurch sich die Untersuchungsdauer verkürzen würde. Bei der Anforderung von Marktinformationen wird die Kommission das Kriterium der Verhältnismäßigkeit anwenden, um den Aufwand der betreffenden Unternehmen auf das für die beihilferechtliche Würdigung erforderliche Minimum zu begrenzen. Im Zusammenhang mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) werden nur in Ausnahmefällen Markterkundungsinstrumente eingesetzt, da diese Instrumente vor allem in komplexen Einzelfällen, die einer eingehenden Prüfung bedürfen, angewendet werden sollen. Der Großteil der Beihilfen für KMU wird im Rahmen von genehmigten oder unter eine Gruppenfreistellung fallenden Beihilferegelungen gewährt.24 In den sehr seltenen Fällen, in denen der Einsatz von Markterkundungsinstrumente auch bei KMU sinnvoll sein könnte, wird die Kommission dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen und ihre Anforderungen entsprechend anpassen.
Die Verwendung der neuen Markterkundungsinstrumente nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens würde nichts an der Rolle Dritter als Informationsquelle ändern, die bereits jetzt vorgesehen ist und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig bestätigt wurde. Die Adressaten von Beschlüssen zur Verhängung von Geldbußen und/oder Zwangsgeldern werden jedoch das Recht haben, Stellung zu nehmen (neuer Artikel 6b Absatz 5) und gegen solche Beschlüsse Einspruch zu erheben (neuer Artikel 6b Absatz 6).
Die neuen Regeln für die Einholung von Auskünften sind erforderlich, damit die Kommission fundierte und gut untermauerte Beschlüsse in für Unternehmen annehmbaren Zeiträumen erlassen kann. Auf diese Weise wird die Kommission mehr Rechtssicherheit für Mitgliedstaaten und Unternehmen schaffen und gleichzeitig die Effizienz und Transparenz der Beihilfepolitik steigern.
2.2.2 Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfeinstrumente
Im Einklang mit den Zielen der Initiative zur Modernisierung des Beihilferechts wird die Kommission ihre Anstrengungen konsequent auf die Fälle konzentrieren, die das Funktionieren des Binnenmarkts am stärksten beeinträchtigen. Durch Anwendung eines stärker horizontal ausgerichteten Ansatzes könnte die Kommission Beihilfen, die in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder über ein bestimmtes Instrument gewährt werden und möglicherweise den Wettbewerb beschränken oder verzerren, besser feststellen.
Besonders in Fällen, in denen die Daten, die die Kommission über Beschwerdeführer, Anmeldungen oder Marktinformationen erhalten hat, Bedenken in Bezug auf einen bestimmten Wirtschaftszweig in mehreren Mitgliedstaaten aufwerfen und es Hinweise auf ähnliche Probleme in anderen Mitgliedstaaten gibt, wird deutlich, dass mehr horizontale Informationen benötigt werden.
Die Kommission ist der Empfehlung des Rechnungshofes, sie solle ihre Überwachungstätigkeit sowohl hinsichtlich der Stichprobengröße als auch des Umfangs intensivieren 25, gefolgt; so nutzt sie ihre derzeitigen Befugnisse bereits stärker für die Expost-Überwachung von genehmigten Beihilfemaßnahmen und Regelungen, die unter eine Gruppenfreistellung fallen. Auf diese Weise kann sie horizontale Daten von Mitgliedstaaten zu bestimmten Wirtschaftszweigen oder zur Nutzung bestimmter Beihilfeinstrumente in mehreren Mitgliedstaaten sammeln. Ferner kann sich die Kommission durch die Versendung von Fragebögen, durch Auskunftsersuchen an Mitgliedstaaten oder in Auftrag gegebene Sachverständigenberichte sowie in Zukunft auch durch Auskunftsersuchen an Marktteilnehmer besser über einen bestimmten Wirtschaftszweig oder eine bestimmte beihilferechtliche Frage informieren.
Um die bestehenden Befugnisse der Kommission zu ergänzen und bereits ex ante eine ganzheitliche Sicht auf den Markt zu erhalten, wird vorgeschlagen, eine spezifische Rechtsgrundlage für die Einleitung von Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfearten einzuführen (neuer Artikel 20a).
Die Kommission würde diese Tätigkeit auf der Grundlage ihrer Befugnis zur Übermittlung von Auskunftsersuchen an Mitgliedstaaten und relevante Marktteilnehmer ausüben. Am Ende der Untersuchung könnte die Kommission einen Bericht über die Ergebnisse der Untersuchung spezifischer Wirtschaftszweige veröffentlichen.
Vor der förmlichen Einleitung der Untersuchung eines bestimmten Wirtschaftszweigs müsste die Kommission alle bereits vorliegenden und öffentlich zugänglichen Informationen prüfen.
Bevor eine sektorspezifische Untersuchung eingeleitet werden kann, muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aus Hinweisen aus öffentlich zugänglichen Quellen hervorgehen, dass beihilferechtliche Bedenken bezüglich eines bestimmten Wirtschaftszweigs oder des Einsatzes eines bestimmten Beihilfeinstruments in mehreren Mitgliedstaaten bestehen. So muss es beispielsweise Anzeichen dafür geben, dass in mehreren Mitgliedstaaten Beihilfen, die in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder über ein bestimmtes Beihilfeinstrument gewährt wurden, nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.
Bei Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige müssten anfangs einige Marktteilnehmer, die als erste um nichtöffentliche Informationen gebeten werden, begrenzte Anstrengungen unternehmen. Dann wird die Kommission auch die Mitgliedstaaten um Auskünfte ersuchen und sie auffordern, zu den Erkenntnissen der Kommission Stellung zu nehmen. Dieser Anfangsaufwand würde jedoch dadurch aufgewogen, dass bei künftigen Untersuchungen konkreter Fälle der Aufwand aller Betroffenen (d.h. Mitgliedstaaten, Begünstigte, Marktteilnehmer und Kommission) durch die Verringerung der benötigten Auskunftsersuchen erheblich zurückginge und durch transparentere und zügigere Verfahren Effizienzgewinne bei der Durchsetzung der Beihilfevorschriften zu erwarten sind.
3. Ergebnisse der Konsultationen von Beteiligten und Folgenabschätzungen
Konsultation von Beteiligten und Nutzung von Expertenwissen
Die Reform der Beihilfeverfahren wurde den Mitgliedstaaten auf Treffen auf hoher Ebene am 6. März und 11. Juli 2012 vorgestellt und mit ihnen erörtert. Am 19. September 2012 fand zudem ein Workshop zu den Markterkundungsinstrumenten und zu den Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige statt.
Vom 13. Juli 2012 bis zum 5. Oktober 2012 fand eine öffentliche Konsultation zur Bearbeitung von Beihilfebeschwerden und zur Einholung von Auskünften in Beihilfeverfahren statt. Die im Rahmen dieser Konsultation eingegangenen Antworten befinden sich auf der Website der GD Wettbewerb. Am 9. November 2012 wurden die Mitgliedstaaten auf einem Treffen auf hoher Ebene über die Ergebnisse unterrichtet.
Folgenschätzung
Nicht zutreffend.
4. Rechtliche Aspekte des Vorschlags
Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahme
Es wird vorgeschlagen, die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über die Vorschriften für Beihilfeverfahren zu ändern, um Bestimmungen über die Bearbeitung von Beschwerden und die Einholung von Marktinformationen aufzunehmen.
Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage des Vorschlags ist Artikel 109 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
Ziel der vorgeschlagenen Änderungen der Verfahrensverordnung ist es, die Effizienz der Beihilfeverfahren zu steigern und dadurch einen Beitrag zur Wahrung der Integrität des Binnenmarkts und zu den Zielen der Modernisierung des Beihilferechts sowie der Strategie Europa 2020 zu leisten. Ferner werden sie unter anderem den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten und Dritter mindern. Der Vorschlag der Kommission steht daher in einem angemessenen Verhältnis zu dem politischen Ziel.
Der Vorschlag betrifft die Anwendung der Beihilfevorschriften, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fällt. Daher ist der Grundsatz der Subsidiarität nicht anwendbar.
Wahl des Instruments
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 659/99 vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags.
5. Auswirkungen auf den Haushalt
Dieser Änderungsvorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt (Artikel 28 der Haushaltsordnung und Artikel 22 der Durchführungsbestimmungen).
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (Text von Bedeutung für den EWR)
DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 109, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments26, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Im Zuge der grundlegenden Modernisierung der Vorschriften für staatliche Beihilfen, mit der sowohl ein Beitrag zur Umsetzung der Strategie für Beschäftigung und Wachstum "Europa 2020"27 als auch zur Haushaltskonsolidierung geleistet werden soll, ist für eine wirksame und einheitliche Anwendung des Artikels 107 AEUV in der Europäischen Union zu sorgen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 wurde die bis dato gängige Praxis der Kommission kodifiziert und verstärkt, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen und die Beihilfepolitik in einem transparenten Umfeld weiterzuentwickeln. In Anbetracht der Erfahrungen mit der Anwendung der Beihilfevorschriften und jüngster Entwicklungen wie der EU-Erweiterung und der Wirtschafts- und Finanzkrise sollten bestimmte Aspekte der Verordnung geändert werden, damit die Kommission wirksamer handeln kann.
- (2) Nach Artikel 108 AEUV ist ausschließlich die Kommission dafür zuständig zu prüfen, ob eine angemeldete oder rechtswidrige staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Deshalb sollte dafür Sorge getragen werden, dass die Kommission über die Befugnis verfügt, für die Zwecke der Durchsetzung des Beihilferechts Unternehmen, Unternehmensvereinigungen oder Mitgliedstaaten um die erforderlichen Auskünfte zu ersuchen, wenn sie aufgrund von Zweifeln an der Vereinbarkeit eine Maßnahme ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet hat.
- (3) Nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens sollte die Kommission die Möglichkeit haben, für die Zwecke der beihilferechtlichen Würdigung der Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme - insbesondere wenn es um neue und technisch komplexe Maßnahmen geht, die einer eingehenden Würdigung bedürfen - ein Unternehmen, eine Unternehmensvereinigung oder einen Mitgliedstaat im Wege eines einfachen Auskunftsersuchens oder eines Beschlusses um die für eine vollumfängliche Würdigung erforderlichen Auskünfte zu ersuchen, wenn die ihr vorliegenden Angaben dafür nicht ausreichen. Dabei muss insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebührend Rechnung getragen werden.
- (4) Die Kommission sollte über Möglichkeiten verfügen, dafür zu sorgen, dass die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen den Auskunftsersuchen auch wirklich nachkommen, und zu diesem Zweck bei Bedarf auch angemessene Geldbußen oder Zwangsgelder verhängen können. Die Rechte derer, die um Auskünfte ersucht werden, sind zu wahren, indem ihnen die Gelegenheit gegeben wird, vor dem etwaigen Erlass eines Beschlusses zur Festlegung von Geldbußen oder Zwangsgeldern, ihren Standpunkt darzulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union sollte in Bezug auf Geldbußen und Zwangsgelder über unbeschränkte Ermessensnachprüfungsbefugnisse im Sinne des Artikels 261 AEUV verfügen.
- (5) Geldbußen und Zwangsgelder sind nicht anwendbar auf Mitgliedstaaten, da sie verpflichtet sind, loyal mit der Kommission zusammenzuarbeiten (Artikel 4 des Vertrags über die Europäschen Union) und der Kommission alle Informationen bereitzustellen, die sie benötigt, um ihre aus der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen.
- (6) Um die Verteidigungsrechte des betroffenen Mitgliedstaats zu wahren, sollte dieser über den Inhalt der Auskunftsersuchen, die an Unternehmen, Unternehmensvereinigungen oder Mitgliedstaaten gerichtet wurden, unterrichtet werden und die Möglichkeit haben, seinen Standpunkt zu den Stellungnahmen darzulegen, die der Kommission Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt geben.
- (7) Die Kommission sollte das berechtigte Interesse der Unternehmen am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse gebührend berücksichtigen. Wenn vertrauliche Auskünfte aus Antworten weder durch Aggregation noch auf andere Weise anonymisiert werden können, sollte die Kommission diese Auskünfte nicht in Beschlüssen verwenden dürfen, es sei denn, die Auskunftgeber haben vorab einer Offenlegung der Auskünfte gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zugestimmt.
- (8) Für Fälle, in denen die als vertraulich gekennzeichneten Informationen offenbar nicht unter das Berufsgeheimnis fallen, sollte ein Verfahren eingeführt werden, anhand dessen die Kommission entscheiden kann, inwieweit solche Informationen offengelegt werden können. Wenn die Kommission einem Antrag auf vertrauliche Behandlung nicht stattgibt, sollte sie eine Frist angeben, nach der die Information offengelegt wird, so dass der betreffende Dritte jeden ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Schutz einschließlich einer einstweiligen Anordnung in Anspruch nehmen kann.
- (9) Die Kommission kann von Amts wegen Informationen über rechtswidrige Beihilfen - ungeachtet der Herkunft dieser Informationen - prüfen, um die Einhaltung von Artikel 108 des Vertrags und insbesondere der Anmeldepflicht und des Durchführungsverbots nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags sicherzustellen und die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu würdigen. In diesem Zusammenhang sind Beschwerden eine wichtige Informationsquelle für die Aufdeckung von Verstößen gegen das EU-Beihilferecht.
- (10) Um die Qualität der bei der Kommission eingehenden Beschwerden zu verbessern und gleichzeitig mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, sollte festgelegt werden, welche Voraussetzungen eine Beschwerde erfüllen muss, damit die Kommission durch sie in den Besitz von Informationen über eine mutmaßliche rechtswidrige Beihilfe gelangen und eine vorläufige Prüfung eingeleitet werden kann.
- (11) Beschwerdeführer sollten nachweisen müssen, dass sie Beteiligte im Sinne von Artikel 108 Absatz 2 AEUV und Artikel 1 Buchstabe h der Verordnung 659/1999 sind. Ferner sollten sie ein Mindestmaß an Angaben in einer bestimmten Form liefern müssen, und die Kommission sollte ermächtigt werden, diese Form im Rahmen einer Durchführungsbestimmung festzulegen.
- (12) Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten Verjährungsfristen für die Verhängung und die Vollstreckung von Geldbußen und Zwangsgeldern festgelegt werden.
- (13) Mit Blick auf eine kohärente Behandlung ähnlicher Sachverhalte im gesamten Binnenmarkt sollten die derzeitigen Befugnisse der Kommission durch die Einführung einer Rechtsgrundlage für die Einleitung von Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige oder Beihilfeinstrumente in mehreren Mitgliedstaaten ergänzt werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sollten sich die Untersuchungen von Wirtschaftszweigen auf eine vorherige Prüfung der öffentlich zugänglichen Informationen stützen, die auf beihilferechtlich bedenkliche Sachverhalte in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder bei der Anwendung eines bestimmten Beihilfeinstruments in mehreren Mitgliedstaaten hindeuten (z.B. Hinweise darauf, dass Beihilfen, die in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder auf der Grundlage eines bestimmten Beihilfeinstruments in mehreren Mitgliedstaaten gewährt wurden, nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar sind). Solche Untersuchungen würden es der Kommission ermöglichen, horizontale Beihilfen effizient und transparent zu behandeln.
- (14) Eine kohärente Anwendung der Beihilfevorschriften erfordert Festlegungen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen den mitgliedstaatlichen Gerichten und der Kommission. Diese Zusammenarbeit ist für alle mitgliedstaatlichen Gerichte, die Artikel 107 Absatz 1 und Artikel 108 des Vertrags anwenden, kontextunabhängig relevant. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sollten insbesondere die Möglichkeit haben, die Kommission um Auskünfte oder um Stellungnahmen zu Fragen der Anwendung des Beihilferechts zu ersuchen. Der Kommission wiederum muss die Möglichkeit gegeben werden, sich mündlich oder schriftlich vor Gerichten der Mitgliedstaaten zu äußern, wenn Artikel 107 Absatz 1 oder Artikel 108 des Vertrags zur Anwendung kommt. Diese Stellungnahmen sollten im Einklang mit den einzelstaatlichen Verfahrensregeln und Gepflogenheiten, einschließlich derjenigen, die die Wahrung der Rechte der Parteien betreffen, erfolgen.
- (15) Im Interesse von Transparenz und Rechtssicherheit sollten Informationen über Beschlüsse der Kommission bekanntgemacht werden. Folglich sollten Beschlüsse zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern veröffentlicht werden, denn sie betreffen die Interessen der Auskunftgeber. Die Kommission muss bei der Veröffentlichung ihrer Beschlüsse die Vorschriften über das Berufsgeheimnis nach Artikel 339 des Vertrags befolgen.
- (16) Die Kommission sollte in enger Zusammenarbeit mit dem Beratenden Ausschuss für staatliche Beihilfen Durchführungsbestimmungen zu Form, Inhalt und anderen Kriterien erlassen können, die die nach Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 eingelegten Beschwerden erfüllen müssen.
- (17) Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 sollte daher entsprechend geändert werden -
HAT folgende Verordnung Erlassen:
Artikel 1
Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 wird wie folgt geändert:
1. Der Titel von Artikel 5 erhält folgende Fassung:
"Auskunftsersuchen an den anmeldenden Mitgliedstaat"
2. Die folgenden Artikel 6a und 6b werden eingefügt:
"Artikel 6a
Auskunftsersuchen an andere Auskunftgeber
- (1) Nach Einleitung des in Artikel6 vorgesehenen förmlichen Prüfverfahrens kann die Kommission, falls sie es für sachdienlich erachtet, ein Unternehmen, eine Unternehmensvereinigung oder einen anderen Mitgliedstaat auffordern, ihr alle für die vollumfängliche Würdigung der in Rede stehenden Maßnahme erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wenn die ihr vorliegenden Angaben dafür nicht ausreichen.
- (2) Die Mitgliedstaaten erteilen die Auskunft auf der Grundlage eines einfachen Auskunftsersuchens innerhalb einer Regelfrist von nicht mehr als einem Monat.
- (3) Die Kommission kann ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung im Wege eines einfaches Auskunftsersuchens zur Erteilung von Auskünften auffordern. In solchen einfachen Auskunftsersuchen an Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gibt die Kommission die Rechtsgrundlage und den Zweck des Auskunftsersuchens sowie die benötigten Auskünfte an und setzt eine Frist für die Übermittlung dieser Informationen.
Ferner weist sie auf die Geldbußen nach Artikel 6b Absatz 1 im Falle unrichtiger oder irreführender Angaben hin.
- (4) Die Kommission kann ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung im Wege eines Beschlusses zur Übermittlung von Auskünften auffordern. Wenn die Kommission ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung per Beschluss zur Erteilung von Auskünften auffordert, gibt sie die Rechtsgrundlage und den Zweck des Auskunftsersuchens sowie die benötigten Auskünfte an und setzt eine Frist für die Übermittlung dieser Informationen.
Ferner verweist sie auf die nach Artikel 6b Absatz 1 vorgesehenen Geldbußen und führt die Zwangsgelder nach Artikel 6b Absatz 2 auf oder verhängt sie. Außerdem weist sie auf das Recht des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung hin, vor dem Gerichtshof gegen den Beschluss Einspruch zu erheben.
- (5) Die Kommission setzt den betreffenden Mitgliedstaat über den Inhalt der nach den Absätzen 1 bis 4 übermittelten Auskunftsersuchen in Kenntnis.
- (6) Die Inhaber der Unternehmen oder deren Vertreter oder - im Fall von juristischen Personen, Gesellschaften und Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit - die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen erteilen die verlangten Auskünfte im Namen des betreffenden Unternehmens.
Ordnungsgemäß bevollmächtigte Personen können die Auskünfte im Namen ihrer Mandanten erteilen. Letztere bleiben in vollem Umfang dafür verantwortlich, dass die erteilten Auskünfte vollständig, sachlich richtig und nicht irreführend sind.
Artikel 6b
Geldbußen und Zwangsgelder
- (1) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen per Beschluss Geldbußen von bis zu 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
- a) bei der Erteilung einer nach Artikel 6a Absatz 3 verlangten Auskunft unrichtige oder irreführende Angaben machen,
- b) bei der Erteilung einer im Wege eines Beschlusses nach Artikel 6a Absatz 4 verlangten Auskunft unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben machen oder die Angaben nicht innerhalb der gesetzten Frist übermitteln.
- (2) Die Kommission kann im Wege eines Beschlusses gegen Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen Zwangsgelder von bis zu 5 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs festsetzen, die von der in ihrem Beschluss bestimmten Frist bis zur Übermittlung der von der Kommission per Beschluss nach Artikel 6a Absatz 4 angeforderten vollständigen und richtigen Auskünfte berechnet werden.
- (3) Bei der Festsetzung der Geldbuße oder Zwangsgelder wird der Art, der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung getragen.
- (4) Wenn die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen der Verpflichtung nachgekommen sind, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld festgesetzt worden war, kann die Kommission die endgültige Höhe des Zwangsgelds auf einen Betrag festsetzen, der unter dem Betrag liegt, der sich aus dem ursprünglichen Beschluss, mit dem das Zwangsgeld verhängt wurde, ergeben würde.
- (5) Vor Erlass eines Beschlusses nach den Absätzen 1 und 2 gibt die Kommission den betreffenden Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen Gelegenheit zur Stellungnahme.
- (6) Bei Klagen gegen Beschlüsse der Kommission zur Verhängung einer Geldbuße oder eines Zwangsgelds hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung des Beschlusses im Sinne von Artikel 261 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen."
3. In Artikel 7 werden die folgenden Absätze 8 bis 10 angefügt:
- (8) Vor Erlass eines Beschlusses nach den Absätzen 2 bis 5 gibt die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit, zu den der Kommission nach Artikel 6a übermittelten Auskünften Stellung zu nehmen, insofern diese Auskünfte Anlass zu Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt geben.
- (9) Die Kommission verwendet vertrauliche Auskünfte, die weder durch Aggregation noch auf andere Weise anonymisiert werden können, nur dann in nach den Absätzen 2 bis 5 erlassenen Beschlüssen, wenn die Auskunftgeber vorher einer Offenlegung dieser Auskünfte gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zugestimmt haben. Die Kommission kann in einem mit Gründen versehenen Beschluss, der dem betreffenden Unternehmen oder der betreffenden Unternehmensvereinigung bekanntgegeben wird, feststellen, dass ihr übermittelte und als vertraulich gekennzeichnete Informationen nicht geschützt sind, und eine Frist festlegen, nach der diese Informationen offengegelgt werden. Diese Frist beträgt mindestens einen Monat.
- (10) Die Kommission trägt den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse gebührend Rechnung. Wenn Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die Auskünfte nach Artikel 6a erteilen, um Nichtbekanntgabe ihrer Identität ersuchen, weil ihnen daraus ein Schaden entstehen könnte, so wird ihre Identität dem betreffenden Mitgliedstaat nicht bekanntgegeben."
4. Artikel 10 wird wie folgt geändert:
Die Absätze 1 und 2 erhalten folgende Fassung:
- (1) Unbeschadet des Artikels 20 kann die Kommission von Amts wegen Auskünfte über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen, ungeachtet der Herkunft dieser Auskünfte, prüfen.
Die Kommission prüft ohne ungebührliche Verzögerung jede nach Artikel 20 Absatz 2 eingelegte Beschwerde von Beteiligten.
- (2) Falls erforderlich verlangt die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte. In diesem Fall gelten Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absätze 1 und 2 entsprechend.
Nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens kann die Kommission auch andere um Auskünfte ersuchen. In diesem Fall gelten die Artikel 6a und 6b entsprechen."
5. Nach Artikel 14 wird die folgende Kapitelüberschrift eingefügt:
"Kapitel IIIA
Verjährung"
6. Der Titel von Artikel 15 erhält folgende Fassung:
"Verjährung der Rückforderung von Beihilfen"
7. Die folgenden Artikel 15a und 15b werden eingefügt:
"Artikel 15a
Verfolgungsverjährung
- (1) Die Befugnisse, die der Kommission mit Artikel 6b übertragen wurden, gelten für eine Frist von zehn Jahren.
- (2) Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen wurde. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung eingestellt wurde.
- (3) Die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission von dem Tag an unterbrochen, an dem die Handlung dem betreffenden Unternehmen oder der betreffenden Unternehmensvereinigung bekanntgegeben wird.
- (4) Nach jeder Unterbrechung läuft die Frist von neuem an. Die Verjährung tritt jedoch spätestens mit dem Tag ein, an dem die doppelte Verjährungsfrist verstrichen ist, ohne dass die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, in dem die Verjährung nach Absatz 5 ruht.
- (5) Die Verfolgungsverjährung ruht, solange wegen des Beschlusses der Kommission ein Verfahren vor dem Gerichtshof anhängig ist.
Artikel 15b
Vollstreckungsverjährung
- (1) Die Befugnis der Kommission zur Vollstreckung von Beschlüssen nach Artikel 6b verjährt nach Ablauf von fünf Jahren.
- (2) Die Verjährung beginnt mit dem Tag, an dem der Beschluss bestandskräftig geworden ist.
- (3) Die Vollstreckungsverjährung für Geldbußen und Zwangsgelder wird unterbrochen
- a) durch Bekanntgabe eines Beschlusses, durch den der ursprüngliche Betrag der Geldbuße oder des Zwangsgelds geändert oder ein Antrag auf eine solche Änderung abgelehnt wird,
- b) durch jede auf zwangsweise Beitreibung der Geldbuße oder des Zwangsgelds gerichtete Handlung der Kommission oder eines auf Antrag der Kommission handelnden Mitgliedstaats.
- (4) Nach jeder Unterbrechung läuft die Frist von neuem an.
- (5) Die Vollstreckungsverjährung für Geldbußen und Zwangsgelder ruht,
- a) solange eine Zahlungserleichterung bewilligt ist,
- b) solange die Zwangsvollstreckung durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt ist."
8. Artikel 16 erhält folgende Fassung:
"Artikel 16
Missbräuchliche Anwendung von Beihilfen
Unbeschadet des Artikels 23 kann die Kommission bei missbräuchlicher Anwendung von Beihilfen das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 4 Absatz 4 eröffnen. Die Artikel 6, 6a und 6b, Artikel 7 Absätze 1 bis 5, Artikel 9 und 10 sowie Artikel 11 Absatz 1 und die Artikel 12 bis 15 gelten entsprechend."
9. Artikel 20 Absatz 2 erhält folgende Fassung:
(2) Jeder Beteiligte kann eine Beschwerde einlegen, um die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen und über eine mutmaßliche missbräuchliche Anwendung von Beihilfen zu informieren. Hierfür füllt der Beteiligte ein von der Kommission mit entsprechender Ermächtigung in einer Durchführungsvorschrift festzulegendes Formular ordnungsgemäß aus und erteilt alle darin angeforderten obligatorischen Auskünfte.
Wenn die Kommission nach einer ersten Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die von dem Beteiligten vorgebrachten sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht als Nachweis für das Vorliegen oder die missbräuchliche Nutzung einer Beihilfe ausreichen, setzt sie den Beteiligten davon in Kenntnis und fordert ihn auf, innerhalb einer Regelfrist von höchstens einem Monat dazu Stellung zu nehmen. Falls der Beteiligte nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist Stellung nimmt, gilt die Beschwerde als zurückgezogen.
Die Kommission übermittelt dem Beteiligten eine Kopie des Beschlusses zu einer Beihilfesache, die den Gegenstand der Beschwerde betrifft."
10. Nach Artikel 20 wird das folgende Kapitel VIa eingefügt:
"Kapitel VIA
UNTERSUCHUNGEN Einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfeinstrumente
Artikel 20a
Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfeinstrumente
- (1) Lassen die verfügbaren Informationen darauf schließen, dass in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder über ein bestimmtes Beihilfeinstrument gewährte Beihilfen möglicherweise in mehreren Mitgliedstaaten den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren oder bestehende in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder über ein bestimmtes Beihilfeinstrument gewährte Beihilfen nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, kann die Kommission eine Untersuchung des betreffenden Wirtschaftszweigs oder der Anwendung des betreffenden Beihilfeinstruments in mehreren Mitgliedstaaten durchführen. Im Rahmen dieser Untersuchung kann die Kommission von den betreffenden Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen unter gebührender Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Auskünfte verlangen, die für die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags erforderlich sind.
Die Kommission kann einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Untersuchung einzelner Wirtschaftszweige oder der Anwendung einzelner Beihilfeinstrumente in verschiedenen Mitgliedstaaten veröffentlichen und die betreffenden Mitgliedstaaten, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen zur Stellungnahme auffordern.
- (2) In diesem Fall gelten die Artikel 5, 6a und 6b entsprechend."
11. Nach Artikel 23 wird das folgende Kapitel VIIa eingefügt:
"Kapitel VIIA
Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten
Artikel 23a
Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten
12. Artikel 25 erhält folgende Fassung:
"Artikel 25
Adressaten der Beschlüsse
- (1) Beschlüsse nach Artikel 6a Absatz 4, Artikel 6b Absätze 1 und 2 sowie Artikel 7 Absatz 9 werden an das betreffende Unternehmen oder die betreffende Unternehmensvereinigung gerichtet. Die Kommission gibt den Adressaten diese Beschlüsse unverzüglich bekannt und bietet ihnen Gelegenheit, der Kommission mitzuteilen, welche Angaben ihrer Ansicht nach unter das Berufsgeheimnis fallen.
- (2) Alle anderen Beschlüsse, die auf der Grundlage der Kapitel II, III, IV, V und VII erlassen werden, sind an den betreffenden Mitgliedstaat zu richten. Die Kommission gibt dem betreffenden Mitgliedstaat diese Beschlüsse unverzüglich bekannt und bietet ihm Gelegenheit, der Kommission mitzuteilen, welche Angaben seiner Ansicht nach unter das Berufsgeheimnis fallen."
13. In Artikel 26 wird der folgende Absatz 2a eingefügt:
(2a) Die Kommission veröffentlicht ihre Beschlüsse nach Artikel 6b Absätze 1 und 2 im Amtsblatt der Europäischen Union."
14. Artikel 27 erhält folgende Fassung:
"Artikel 27
Durchführungsvorschriften
Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 29 Durchführungsvorschriften erlassen, um Folgendes zu regeln:
- a) Form, Inhalt und andere Einzelheiten von Anmeldungen,
- b) Form, Inhalt und andere Einzelheiten von Jahresberichten,
- c) Form, Inhalt und andere Einzelheiten der nach Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 20 Absatz 2 eingelegten Beschwerden,
- d) Einzelheiten zu den Fristen und zur Festlegung der Fristen,
- e) die Zinssätze nach Artikel 14 Absatz 2."
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Brüssel am [...]
Im Namen des Rates
Der Präsident/Die Präsidentin
Finanzbogen
Dieser Änderungsvorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Europäischen Union.
- 1. Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1).
- 2. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Modernisierung des EU-Beihilfenrechts (COM (2012) 209 final vom 8.5.2012).
- 3. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum ( KOM (2010) 2020 endg. vom 3.3.2010).
- 4. Mitteilung über die in Fußnote 2 zitierte "Modernisierung des EU-Beihilfenrechts", Randnr. 23 Buchstabe b.
- 5. Europäischer Rechnungshof: Ist durch die Verfahren der Kommission eine wirksame Verwaltung der Kontrolle staatlicher Beihilfen gewährleistet?, Sonderbericht Nr. 15 vom 15.12.2011; http://eurlex. europa. eu/LexUriServ/LexUriServ. do?uri=SRCA:2011:15:FIN:DE:PDF .
- 6. Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen zum Sonderbericht Nr. 15/2011 des Europäischen Rechnungshofs: Ist durch die Verfahren der Kommission eine wirksame Verwaltung der Kontrolle staatlicher Beihilfen gewährleistet?, Annahme 2.5.2012, 9149/12.
- 7. Europäisches Parlament, Entschließung vom 10. Mai 2012 zu den Sonderberichten des Rechnungshofs im Zusammenhang mit der Entlastung der Kommission für das Haushaltsjahr 2010, Punkte 116 bis 125 (2011/2225(DEC)).
- 8. Mitteilung über die in Fußnote 2 zitierte "Modernisierung des EU-Beihilfenrechts", Randnr. 23 Buchstabe b.
- 9. Im Sinne von Artikel 108 Absatz 2 AEUV und Artikel 1 Buchstabe h der Verfahrensverordnung.
- 10. Zum 31. März 2012 betrug die durchschnittliche Bearbeitungsdauer in der GD Wettbewerb 17 Monate.
- 11. Mitteilung der Kommission: Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren (ABl. C 136 vom 16.6.2009, S. 13).
- 12. Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).
- 13. Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (ABl. L 123 vom 27.4.2004).
- 14. Ryanair/Kommission, Rechtssache T-442/07, 2011, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33.
- 15. Intermills/Kommission, Rechtssache 323/82 , Slg. 1984, 3809, Randnr. 16.
- 16. Nach Artikel 1 Buchstabe h der Verordnung 659/99 des Rates sind "Beteiligte" als "Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände" definiert.
- 17. Mitteilung der Kommission: Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren, zitiert in Fußnote 11.
- 18. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte (ABl. C 85 vom 9.4.2009, S. 1).
- 19. Randnr. 34 der in Fußnote 11 zitierten Mitteilung der Kommission "Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren".
- 20. Deutschland/Kommission, Rechtssache 084/82 , Slg. 1984, 145; Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, Rechtssache T-198/01, Slg. 2004, II-2717; Prayon-Rupel/Kommission, Rechtssache T-73/98, Slg. 2001, II-867; Smurfit Kappa/Kommission, Rechtssache T-304/08, 2012, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht.
- 21. Artikel 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung) (ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1).
- 22. Artikel 22 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).
- 23. Artikel 25 und 26 der in Fußnote 22 zitierten Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 16. Dezember 2002.
- 24. Nach den im letzten Beihilfeanzeiger veröffentlichten Angaben (SEC(2011) 1847 final) wurden im Jahr 2010 88,5 % aller von den Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen im Rahmen genehmigter oder freigestellter Regelungen gewährt. Außerdem wurden 100 % der horizontalen Beihilfen für KMU im Rahmen von Regelungen oder freigestellten Maßnahmen gewährt.
- 25. Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 15/2011, S. 41, zitiert in Fußnote 5.
- 26. ABl. C [ ... ] vom [ ... ], S. [ ... ].
- 27. Mitteilung der Kommission: Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum (KOM (2010) 2020 endg. vom 3.3.2010).