Punkt 30 der 829. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2006
Der Bundesrat möge an Stelle der Ziffer 65 der Empfehlungsdrucksache 755/1/06 beschließen:
Zu Artikel 1 Nr. 131 (§ 171b Abs. 1 und Abs. 2 - neu - SGB V), Nr. 124 Buchstabe c und d - neu - (§ 155 Abs. 5 Satz 1, 2 und 5, Satz 2 Nr. 4 - neu - und Abs. 6 - neu - SGB V), Nr. 125 Buchstabe b (§ 164 Abs. 5 SGB V)
Der Bundesrat fordert, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Regelungen in den §§ 155, 164, 171 und 171b SGB V zur Haftung und zum Insolvenzrecht so weit überarbeitet werden, dass den in den Anhörungen von den Spitzenverbänden der GKV vorgetragenen Bedenken Rechnung getragen wird. Insbesondere sind die Regelungen zu den langfristigen Verpflichtungen aus der Beschäftigung von Dienstordnungs-Angestellten (DO-Angestellten), zur Haftungskette und zur Ausfallbürgschaft gegenüber den Leistungserbringern zu überprüfen und anzupassen.
Begründung
:
Bisher haftete der Landes- oder der Bundesverband einer Kassenart für die Verbindlichkeiten einer aufgelösten oder geschlossenen Krankenkasse. Da man die Haftung insbesondere der Landesverbände nicht mehr für sachgerecht erachtet, soll an deren Stelle nach dem GKV-WSG die Anwendung des Insolvenzrechts treten.
Dabei ist sicherzustellen, dass die Haftung der Länder für Ansprüche der Arbeitnehmer nach § 12 Abs. 2 der Insolvenzordnung oder eine inhaltsgleiche Haftung aus anderen Rechtsgründen bei Körperschaften nach den §§ 4 und 207 entfällt; dies soll auch für eine bereits eingetretene Haftung gelten.
Die Unterstellung unter das Insolvenzrecht bedeutet für die Krankenkassen, insbesondere die Orts- und Innungskrankenkassen, eine vollständige bilanzielle Ausweisung von z.B. Pensionsrückstellungen für ihre DO-Angestellten. Nach den derzeit geltenden Regelungen zur Haushalts- und Rechnungsführung sind Verpflichtungen für zugesagte, erst in der Zukunft fällige Versorgungsleistungen bisher nicht in den Bilanzen auszuweisen. Eine Bilanzierung all dieser Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Unterstellung der Krankenkassen unter das Insolvenzrecht wird nach Überzeugung der Krankenkassen dazu führen, dass diese bereits zu diesem Zeitpunkt nach den Regeln des Insolvenzrechts als überschuldet anzusehen sind und einen Insolvenzantrag stellen müssten.
Die Ansprüche der DO-Angestellten und der DO-Pensionäre müssen insolvenzsicher abgesichert sein. Fraglich ist, ob zukünftig eine insolvenzsichere Absicherung im Rahmen der eingeschränkten Finanzhoheit und aufgrund der verkürzten Haftungskette (der Haftungsverbund über Landes- und Bundesverbände entfällt) überhaupt erreicht werden kann. In Anbetracht dieser eingeschränkten Finanzhoheit der Krankenkassen können diese Lasten höchstwahrscheinlich nicht getragen werden, mit der Folge, dass dadurch die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit der betroffenen Krankenkasse entsteht. Die Problematik der DO-Versorgung kann demnach der Auslöser dafür sein, dass eine Krankenkasse zahlungsunfähig wird und andere Krankenkassen derselben Kassenart mitreißt. Die notwendigen gesetzlichen Änderungen könnten jedoch auch in einem anderen Gesetzesvorhaben im Jahr 2007 vorgenommen werden.
Unabhängig von der Problematik der DO-Versorgung, wird die generelle Insolvenzfähigkeit der Kassen und der zukünftige Wegfall der Haftungskette dahin gehend kritisch gesehen, dass die Gläubiger der Krankenkassen (z.B. Leistungserbringer) ihre Leistungen womöglich nur noch gegen Vorkasse erbringen werden, um das Risiko eines Forderungsausfalls zu verringern.