Europäische Kommission Brüssel, den 19. Februar 2008
Vizepräsidentin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust Sehr geehrter Herr Präsident,
Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. November 2007 mit dem Beschluss des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften:
Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts {KOM (2007) 502 endg.}.
In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Kommission, welche die nationalen Parlamente auffordert, auf ihre Vorschläge zu reagieren, um die politische Willensbildung und Rechtsetzung auf europäischer Ebene zu verbessern, begrüßen wir diese Gelegenheit, auf ihre Anmerkungen einzugehen. Ich füge die Stellungnahme der Kommission bei. Ich hoffe, mit dieser Antwort auch einen Beitrag zu Ihren Debatten im Bundesrat zu leisten.
Ich sehe der Fortsetzung unseres politischen Meinungsaustausches erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Margot Wallström
Europäische Kommission Brüssel, im Februar 2008
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Deutschen Bundesrates
KOM (2007) 502 - Mitteilung der Kommission "Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts"
Die Kommission hat den Beschluss Nr. 680/07(B) des Bundesrates vom 9. November 2007 über die Mitteilung der Kommission "Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts" (nachstehend "die Mitteilung") erhalten.
Die Kommission begrüßt die Unterstützung der Initiative der Kommission zur Intensivierung der Bemühungen um die korrekte Anwendung des Gemeinschaftsrechts seitens des Bundesrates und ist erfreut, dass er den Grundzügen der Mitteilung zustimmt.
Die Kommission begrüßt das Angebot der Bundesländer, sich an den Folgenabschätzungen zu den neuen Gemeinschaftsvorschriften zu beteiligen. Bei der Erarbeitung ihrer Folgenabschätzungen bemüht sich die Kommission um die Einbeziehung der Auffassungen möglichst vieler Beteiligter. Sie ist verpflichtet, die regionalen Auswirkungen zu berücksichtigen und die kommunalen und regionalen Beteiligten anzuhören. Sie arbeitet mit dem Ausschuss der Regionen zusammen, um die Regionen stärker in diese vorbereitende Phase der Entwicklung politischer Maßnahmen einzubeziehen. Natürlich arbeitet die Kommission aufgrund der institutionellen Struktur der EU unmittelbar mit den Mitgliedstaaten zusammen. Die Kommission bittet den Bundesrat und die Bundesländer, all diese Möglichkeiten zu nutzen.
Der Bundesrat hat zu bestimmten Punkten der Mitteilung Stellung bezogen, worauf die Kommission antworten möchte.
- (1) Verbesserung der Arbeitsmethodik In Bezug auf den Pilotversuch einer verbesserten Arbeitsmethodik mit den Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von Informationen sowie zur Problemlösung hat der Bundesrat festgestellt, dass die Kommission die Mitgliedstaaten keine Beschwerden bearbeiten lassen sollte, ohne vorher eine Prüfung der Rechtslage vorzunehmen. Es wird befürchtet dass die Kommission ihre Aufgabe als Hüterin der Verträge vernachlässigen oder sich ihrer Verpflichtung entziehen könnte, bei ihr eingehende Beschwerden rechtlich zu beurteilen.
Wie in der Mitteilung dargelegt, bemüht sich die Kommission um eine engere Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten im Rahmen eines proaktiveren Vorgehens zur Beseitigung potentieller Mängel bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, um Antworten auf Fragen zu finden und Probleme zu lösen. In erster Linie sind die Mitgliedstaaten zuständig für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts entsprechend dem EG-Vertrag. Die Kommission überwacht die korrekte Anwendung. Erhält die Kommission Anfragen und Beschwerden, untersuchen die Dienststellen die angesprochenen Fragen und treten mit dem betreffenden Mitgliedstaat in Verbindung, wenn die Sach- und Rechtslage geklärt werden muss. Es ist ständige Praxis der Kommission, die Mitgliedstaaten um diese Art von Angaben zu ersuchen, bevor ein förmliches Verfahren eingeleitet wird. Im Rahmen des vorgeschlagenen Pilotversuchs soll dieser Problemlösungsansatz intensiver genutzt werden, um herauszufinden, ob es möglich ist, effizienter mit den Behörden der Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um Probleme rascher ohne Rückgriff auf Vertragsverletzungsverfahren zu lösen.
Die Mitgliedstaaten und die Kommission verfügen jedoch nach wie vor über ihre jeweiligen im Vertrag festgelegten Zuständigkeiten und Kompetenzen, wozu auch das Recht der Kommission gehört, förmliche Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.
- (2) Nutzung von Verordnungen an Stelle von Richtlinien Der Bundesrat kritisiert die verstärkte Nutzung von Verordnungen an Stelle von Richtlinien. Aus Gründen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sollte Richtlinien der Vorzug gegeben werden.
In der Mitteilung heißt es, dass Durchführungsmaßnahmen soweit wie möglich in Form von Verordnungen erfolgen sollten. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Wahl des Rechtsinstruments von Fall zu Fall zu prüfen ist. Nach Ansicht der Kommission sind Verordnungen gerechtfertigt, wenn die Rechtsvorschriften genaue technische Angaben enthalten die dem Mitgliedstaat nur geringe oder keine Abweichungsmöglichkeiten oder Ermessensspielräume lassen.
- (3) Leitlinien für die Durchführung von Richtlinien Der Bundesrat hat darauf hingewiesen, dass die Leitlinien zur Umsetzung von Richtlinien keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen dürfen.
Die Kommission stellt fest, dass Leitlinien nur dann erarbeitet werden, wenn über ihren Nutzen für den Umsetzungsprozess Einigung erzielt wurde. Leitlinien werden in der Regel in Abstimmung mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten erarbeitet.
- (4) Benennung von Kontaktstellen Hinsichtlich der Überlegungen der Kommission, von den Mitgliedstaaten die Benennung von Kontaktstellen für die Umsetzung aller neuen Richtlinien zu verlangen, hat der Bundesrat hervorgehoben, dass dies nicht zu einem zusätzlichen Kosten-, Verwaltungsund Bürokratieaufwand führen darf.
Die Kommission betont, dass Kontaktstellen zur Umsetzung von Richtlinien bei der Umsetzungsarbeit helfen und nur eingesetzt werden, wenn dies sinnvoll ist. Sie können dann eingesetzt werden, wenn eine Klärung von Sachfragen nützlich ist, um künftige Probleme zu vermeiden. Es gibt bereits viele Kontaktstellen, die für diesen Zweck genutzt werden können. Die Benennung von Kontaktstellen kann per E-Mail erfolgen und dürfte im Prinzip nicht zu zusätzlichen Kosten führen.
- (5) Korrelationstabellen Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts an, wobei Korrelationstabellen ein wichtiges Hilfsmittel sein können. Sie dürften aber nicht alleiniger Maßstab für die korrekte Umsetzung von Gemeinschaftsrecht sein. Der Bundesrat befürchtet, dass die systematische Erstellung von Korrelationstabellen für alle Richtlinien einen überzogenen bürokratischen Aufwand auslösen wird.
Korrelationstabellen dienen der Beschreibung, wie jeder Artikel einer umzusetzenden Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde. Die zuständigen Behörden müssen die Umsetzungsarbeit verrichten. Das Ausfüllen der Tabelle besteht im Rahmen der Hauptarbeit nur darin, einen kleinen Vermerk anzufertigen. Korrelationstabellen sind wertvolle Hilfsmittel im Hinblick auf Transparenz, Zugang zu den Rechtsvorschriften und auf ihre Auslegung. Je mehr Rechtsordnungen es gibt, desto schwieriger kann es sein die einschlägigen Rechtsvorschriften herauszufinden, und desto größer ist der Bedarf an Transparenz. Die Gewährleistung von Transparenz ist besonders wichtig, wenn verschiedene Gesetzgeber auf verschiedenen Ebenen eines Mitgliedstaates tätig sind. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass Korrelationstabellen sehr nützliche Instrumente sind, deren Vorteile viel größer sind als die damit verbundenen geringen Verwaltungskosten. Darüber hinaus können in der Frühphase des Umsetzungszeitraumes vorgelegte Korrelationstabellen den konstruktiven Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission fördern, ein frühzeitiges Erkennen von Fragen und Optionen erlauben und somit ein sehr nützliches Präventivinstrument darstellen.
- Mit der Mitteilung hat die Kommission ihr vorgeschlagenes Programm zur Verbesserung der Anwendung des Gemeinschaftsrechts dargelegt. Fortschritte können jedoch nur erzielt werden, wenn Kommission und Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten. Die Kommission freut sich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland und den Bundesländern, um dieses Ziel zu erreichen.