A. Problem und Ziel
- Beharrliche Nachstellungen, die einschneidend in das Leben des Opfers eingreifen, sind in der gesellschaftlichen Realität vermehrt zu beobachten. Die unter dem englischen Begriff "Stalking" diskutierte Verhaltensweise ist dadurch gekennzeichnet, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt, aufgelauert oder auf andere Weise mit hoher Intensität Kontakt zu ihr gesucht bzw. in ihren individuellen Lebensbereich eingegriffen wird. Dabei sind die einzelnen Handlungen des Täters sehr heterogen. Sie reichen von häufigen, vielfach wiederholten Telefonanrufen zu jeder Tages- und Nachtzeit, dem Übersenden von E-Mails, SMS oder Briefen, der Übermittlung von Geschenken, dem Auflauern vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz und Drohungen bis hin zu Zudringlichkeiten und tätlichen Angriffen. Durch ihre Häufigkeit und Kontinuität führen auch Einzelhandlungen, die jeweils für sich genommen als sozialadäquat angesehen werden könnten, zu unzumutbaren Beeinträchtigungen und einer erzwungenen Veränderung der Lebensumstände des Opfers.
- Vielfach verwirklichen die Täter bereits nach geltender Rechtslage
- Straftatbestände des Strafgesetzbuches (StGB). Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) am 1. Januar 2002 kommt darüber hinaus eine Bestrafung nach § 4 GewSchG in Betracht.
- Die Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz zeigen, dass sich das Gesetz, mit dem u. a. der zivilgerichtliche Schutz bei Nachstellungen verbessert werden sollte, mit seinen Instrumentarien in der Praxis zwar bewährt und zu einem verbesserten Opferschutz geführt hat. Im Bereich Stalking wird allerdings von Seiten der Strafverfolgungsbehörden und Opfer für einen noch effektiveren Schutz vor Nachstellungshandlungen die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes gefordert. Dies hängt nur zum Teil mit Umsetzungsdefiziten und der Tatsache zusammen, dass Strafverfahren nach § 4 des Gewaltschutzgesetzes bislang noch eher selten sind und gut drei Viertel aller Anzeigen nicht zu einer gerichtlichen Ahndung führen. Staatsanwälte und Opfer beklagen vielmehr die Schwierigkeit, Polizei und Gerichte von der Relevanz der Beeinträchtigung zu überzeugen. Dies entspricht auch den Erkenntnissen neuerer empirischer Studien, die zu dem Ergebnis gelangen, dass viele Opfer sich von der Polizei nicht hinreichend unterstützt fühlten. Dies wird auch darauf zurückgeführt, dass es keinen Straftatbestand gibt, der dem Gesamtbild der Taten gerecht wird. Vor diesem Hintergrund wird mit der Aufnahme eines Straftatbestandes in das Kernstrafrecht die Erwartung verknüpft, dass dadurch ein besserer Opferschutz erreicht werden kann und Strafbarkeitslücken geschlossen werden.
- Ein Straftatbestand, der den typischen Unrechtsgehalt der Nachstellung wirklichkeitsgetreu abbildet, kann zu einem früheren Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden und zu einem effizienteren Schutz der Opfer beitragen.
B. Lösung
- Der Entwurf sieht deshalb die Einführung eines § 241b StGB "Nachstellung" mit folgendem Regelungsinhalt vor:
- Das unbefugte Nachstellen durch beharrliche, im einzelnen konkretisierte Tathandlungen führt zur Strafbarkeit, wenn dadurch die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Tatbestand erfasst die nach derzeitigen Erkenntnissen häufigsten Nachstellungshandlungen.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
E. Sonstige Kosten Keine
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (... StrÄndG)
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 12. August 2005
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
- Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (...StrÄndG) mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schröder
Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen(... StrÄndG)
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ... , wird wie folgt geändert:
- 1. In der Inhaltsübersicht zum 18. Abschnitt des Besonderen Teils wird nach der Angabe " § 241a Politische Verdächtigung" die Angabe " § 241b Nachstellung" eingefügt.
- 2. Nach § 241a wird folgender § 241b eingefügt:
§ 241b Nachstellung
(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
- 1. seine räumliche Nähe aufsucht,
- 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
- 3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen, oder
- 4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahestehenden Person bedroht, und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat nach Absatz 1 wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält."
Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. § 374 Abs. 1 Nr. 5 wird wie folgt gefasst:
"5. eine Bedrohung ( § 241 des Strafgesetzbuches) oder eine Nachstellung (§ 241b des Strafgesetzbuches),"
2. In § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e wird nach dem Wort "nach" die Angabe " § 241b des Strafgesetzbuches und" eingefügt.
Artikel 3 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
I. Zielsetzung des Entwurfs
Das unbefugte Nachstellen durch beharrliche Handlungen wie das Aufsuchen der physischen Nähe eines anderen Menschen, unerwünschte Anrufe, schriftliche Mitteilungen und andere Handlungen, durch die der Täter fortwährend darauf abzielt, Kontakt zu seinem Opfer herzustellen und auf dessen Lebensgestaltung Einfluss zu nehmen, sowie bestimmte Bedrohungen führen zu einem strafwürdigen Eingriff in den individuellen Lebensbereich des Betroffenen.
Neben Auswirkungen auf die Psyche der Opfer, die häufig unter Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Nervosität und Depressionen leiden, führt die systematische Nachstellung in vielen Fällen zu einschneidenden Verhaltensänderungen der Betroffenen. Opfer schränken ihre sozialen Kontakte ein, meiden bestimmte Orte, treffen Sicherungsvorkehrungen für sich und nahestehende Personen und wechseln im Extremfall Wohnung und Arbeitsplatz, um dem Verfolger zu entgehen. Die zahlreichen, heterogenen und häufig über einen langen Zeitraum immer wieder durchgeführten Handlungen sind von dem Ziel des Täters getragen, einseitig, beharrlich und mit beträchtlicher Intensität Kontakt zum Opfer herzustellen.
Die Täter sind überwiegend dem sozialen Nahraum des Opfers zuzurechnen. Zum einen handelt es sich um ehemalige Partner, die das Opfer entweder zurückgewinnen oder für die Trennung sanktionieren wollen. Nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen sind insbesondere Frauen in Trennungssituationen in hohem Ausmaß von Stalking betroffen, das ohne Intervention nicht selten bis zu massiver Gewalt eskaliert, (vgl. "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, www.bmfsfj.de, S. 285 f)". Darüber hinaus können Bekannte aus dem privaten oder beruflichen Umfeld sowie Personen, zu denen zuvor professionelle Kontakte bestanden haben (Patienten, Mandanten etc.) zu dem Täterkreis gehören. In deutlich selteneren Fällen fehlt jegliche Beziehung zwischen Täter und Opfer. Die Motivation für die Nachstellung ist vielfältig. Sie reicht von dem Wunsch, eine Aussöhnung zu erreichen oder eine Liebesbeziehung herzustellen über die Intention, Macht und Kontrolle über das Opfer auszuüben bis hin zu Rachefeldzügen für tatsächliche oder vermeintliche Ehr- oder sonstige Rechtsverletzungen. Unter Berücksichtigung der feststellbaren Motivationslagen der Täter, die überwiegend von einer emotional getönten Fixierung auf das Opfer geprägt sind, bergen Nachstellungen eine nicht unbeträchtliche Eskalationsgefahr, der mit dem neuen Tatbestand entgegengewirkt werden soll.
Für einzelne Handlungen kommt zwar bereits nach geltender Rechtslage eine Strafbarkeit in Betracht. Die Täter können sich wegen Hausfriedensbruchs ( § 123 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB), Körperverletzung (§§ 223, 229 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), sexueller Nötigung (§ 177 StGB) oder nach § 4 des Gewaltschutzgesetzes strafbar machen.
Der spezifische Unrechtsgehalt der beharrlichen Nachstellung, die zu einer Beeinträchtigung der Handlungs- und Entschließungsfreiheit des Opfers führt, wird vom geltenden Strafrecht aber nicht ausreichend erfasst. Die geltende Rechtslage führt dazu, dass die Strafverfolgungsbehörden ihr Hauptaugenmerk auf die isolierte Betrachtung einzelner Handlungen richten. Die auf die fortwährende Verfolgung durch vielfältige Handlungen zurückzuführende Beeinträchtigung des Opfers und das Gefährdungspotenzial derartiger Verhaltensmuster wird nicht selten unterschätzt und das bestehende strafrechtliche Instrumentarium als unzulänglich bewertet. Der Entwurf schafft hier Abhilfe.
II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (Strafrecht). Die Berechtigung des Bundes zur Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Artikel 72 Abs. 2, 2. Alternative Grundgesetz. Die Änderung betrifft das Strafgesetzbuch, das schon bisher bundesrechtlich geregelt ist. Die Wahrung der Rechtseinheit gebietet bei der in diesem Entwurf enthaltenen Strafvorschrift eine bundeseinheitliche Regelung. Die nach dem neuen Straftatbestand relevanten Lebenssachverhalte reichen häufig über Ländergrenzen hinweg, weshalb unterschiedliche landesrechtliche Regelungen über die Strafbarkeit eines Verhaltens nicht hinnehmbar wären. Beharrliche Nachstellungen bringen es mit sich, dass sie länderübergreifend verwirklicht werden, weil der Täter sich Kommunikationsmitteln bedient oder dem Opfer an seinen jeweiligen Aufenthaltsort folgt. Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung identischer Lebenssachverhalte in den verschiedenen Bundesländern hätte erhebliche Rechtsanwendungsprobleme zur Folge. § 4 des Gewaltschutzgesetzes, durch den Verstöße gegen gerichtliche Schutzanordnungen, die wiederholte Nachstellungen unterbinden sollen, mit Strafe bewehrt sind, ist ebenfalls bundeseinheitlich geregelt.
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
III. Auswirkungen
Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind durch den Entwurf nicht zu erwarten. Durch die Einführung eines neuen Straftatbestandes kann in den Ländern Mehraufwand bei den Strafverfolgungsbehörden entstehen. Die für die Länderhaushalte zu erwartenden Mehrausgaben lassen sich nicht konkret beziffern.
Die vorgesehenen Gesetzesänderungen belasten die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt sind nicht zu erwarten.
Der Entwurf unterscheidet rechtlich nicht zwischen dem Schutz von Frauen und Männern. In seinen praktischen Auswirkungen wird er aber, da - soweit bekannt - Frauen häufiger als Männer Opfer von Nachstellungen sind, in erster Linie deren Schutz verbessern.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 Nr. 1 (Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung im Hinblick auf die Einführung des § 241b.
Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 241b)
Der Begriff "Nachstellung" entspricht sinngemäß dem für das Phänomen ansonsten verwendeten englischen Begriff "Stalking". Er umschreibt den Kern der Tathandlung. Typische Folge der Nachstellung ist eine Beeinträchtigung der Freiheitssphäre des Opfers. Der Tatbestand ist deshalb in den 18. Abschnitt des StGB unter den Straftaten gegen die persönliche Freiheit, in Nachbarschaft zur Bedrohung (§ 241 StGB), zu der er inhaltliche Bezüge aufweist, einzustellen.
Zu Absatz 1
Tathandlung ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen nach den Nummern 1 bis 4. Der Begriff des Nachstellens wird u. a. im Gewaltschutzgesetz sowie in den §§ 292 Abs. 1 Nr. 1, 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB verwendet. Er umfasst das Anschleichen, Heranpirschen, Auflauern, Aufsuchen, Verfolgen, Anlocken, Fallen stellen und das Treibenlassen durch Dritte (Schäfer in: Leipziger Kommentar, StGB, 10. Auflage § 292, Rdnr. 41, 43; Eser/Heine, in: Schönke-Schröder, StGB, Kommentar, 26. Auflage § 292, Rdnr. 5; Tröndle/Fischer, StGB, Kommentar, 52. Auflage § 292, Rdnr. 11). Im vorliegenden Kontext umschreibt der Begriff damit alle Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen.
Bei dem Merkmal "unbefugt" handelt es sich um einen zum Tatbestand gehörenden Umstand, der dessen Anwendungsbereich auf die strafwürdigen Fälle beschränkt. Es stellt zum einen klar, dass ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis des Opfers den Tatbestand ausschließt. Zum anderen handelt der Täter nicht unbefugt, wenn er sich auf eine Befugnisnorm berufen kann. Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn auf der Grundlage amtlicher oder privatautonom begründeter Befugnisse oder Erlaubnisse gehandelt wird. Befugtes Handeln von Personen, die sich auf eine rechtliche Befugnis, etwa eine gesetzliche Erlaubnis stützen können, wie beispielsweise Gerichtsvollzieher, sind aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuscheiden.
Der Begriff "beharrlich" wird auch an anderer Stelle im StGB verwendet (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3; § 67g Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3; § 70b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, § 184d) und als wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten interpretiert. Beharrlichkeit ist nicht bereits bei bloßer Wiederholung gegeben. Vielmehr bezeichnet der Begriff eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot, die zugleich die Gefahr weiterer Begehung indiziert. Eine wiederholte Begehung ist immer Voraussetzung, aber für sich allein nicht genügend. Erforderlich ist vielmehr, dass aus Missachtung des entgegenstehenden Willens oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers mit dem Willen gehandelt wird, sich auch in Zukunft immer wieder entsprechend zu verhalten. Die Beharrlichkeit ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen. Von Bedeutung ist der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Handlungen und deren innerer Zusammenhang. Die unter den Nummern 1 und 2 konkretisierten Nachstellungshandlungen umfassen auch grundsätzlich sozialadäquates Verhalten. Unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit erfüllen beispielsweise mehrere schriftliche und telefonische Versuche eines Elternteils, mit dem ehemaligen Partner Kontakt aufzunehmen, um Absprachen über das Umgangsrecht mit einem gemeinsamen Kind zu treffen, das Tatbestandsmerkmal nicht. Gleiches gilt für einen Gläubiger, der auf diese Weise fällige Zahlungen anmahnt. Auch wiederholte unmittelbare oder mittelbare Aufforderungen eines Journalisten an einen Betroffenen, zu einem bestimmten Vorwurf Stellung zu nehmen, sind nicht als "beharrlich" im Sinne des Tatbestands anzusehen, soweit sie presserechtlich zulässig sind und eine entsprechende Tätigkeit der Presse im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nicht bereits über das Merkmal "unbefugt" aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden worden ist.
Unter den Nummern 1 bis 4 werden die nach derzeitigen Erkenntnissen häufigsten Nachstellungshandlungen erfasst.
Im einzelnen umschreiben die Nummern 1 bis 4 folgende Angriffsformen:
Nummer 1 soll physische Annäherungen an das Opfer wie das Auflauern, Verfolgen, Vordem-Haus-Stehen und sonstige häufige Präsenz in der Nähe der Wohnung oder Arbeitsstelle des Opfers erfassen. Erforderlich ist ein gezieltes Aufsuchen der räumlichen Nähe zum Opfer. Zufällige zeitgleiche Anwesenheit zu anderen Zwecken (Warten an einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Bushaltestelle, Einkauf im Supermarkt, Besuch eines Kinos u. ä.) genügt nicht.
Nummer 2 erfasst beharrliche Nachstellungen durch unerwünschte Anrufe, E-Mail, SMS, Briefe, schriftliche Botschaften an der Windschutzscheibe o. ä. und mittelbare Kontaktaufnahmen über Dritte (Angehörige oder sonstige Personen aus dem Umfeld des Opfers, beispielsweise Kollegen).
Nummer 3 erfasst die Kommunikation des Täters unter dem Namen des betroffenen Opfers, beispielsweise bei Bestellungen, durch die Lieferungen an das Opfer veranlasst werden, und Verhaltensweisen, durch die Dritte zu einer Kommunikation mit dem Opfer veranlasst werden. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Täter nicht selbst Kontakt zum Betroffenen aufnimmt, sondern hinter dessen Rücken Einfluss auf sein soziales Umfeld nimmt und andere dazu veranlasst, sich dem Betroffenen gegenüber in bestimmter Weise zu verhalten. Erfasst werden soll damit beispielsweise das Schalten unrichtiger Anzeigen in Zeitungen und das Bestellen von Waren und Dienstleistungen auf allen denkbaren Kommunikationswegen. Unter anderem geht es um Annoncen, die durchaus unter dem Namen des Täters in Auftrag gegeben werden können, in denen aber der Name oder sonstige personenbezogene Daten des Opfers verwendet werden, um Dritte zu veranlassen, auf diesem missbräuchlich eröffneten Weg Kontakt aufzunehmen. Beispielsweise kann der Täter eine Kontaktanzeige mit dem Angebot sexueller Dienstleistungen aufgeben und dort die Telefonnummer des Opfers aufführen.
Nummer 4 erfasst bestimmte, näher bezeichnete Drohungsvarianten.
Die unter den Nummern 1 bis 4 aufgeführten Tathandlungen führen nur dann zur Strafbarkeit, wenn sie zu objektivierbaren Beeinträchtigungen geführt haben. Für die meisten Opfer ist eine primäre Folge der Nachstellungen eine erzwungene Veränderung ihrer Lebensumstände. Das durch das Verhalten des Täters psychisch beeinträchtigte Opfer, das sich in die Enge getrieben, ständig beobachtet, gejagt und bedroht fühlt, kann wegen der beharrlichen
Nachstellungen nicht mehr so leben wie zuvor. Es sieht sich gezwungen, auf die aufgedrängte permanente unmittelbare oder mittelbare Konfrontation mit dem Täter durch Veränderung seiner Lebensgestaltung zu reagieren. Beispielsweise ist die unbefangene Benutzung von Kommunikationsmitteln, etwa die Entgegennahme von Anrufen oder Briefen, nicht mehr möglich und führt dazu, dass alle eingehenden Anrufe auf einen Anrufbeantworter umgeleitet oder die Telefonnummer sowie die E-Mail-Anschrift geändert werden müssen. Des weiteren ist typische Folge, dass das Opfer die Wohnung nur noch unter Schutzvorkehrungen und schließlich nur noch selten verlässt, bestimmte Orte meidet, seine sozialen Kontakte einschränkt und sich im Extremfall zu einem Wohnungs- und/oder Arbeitsplatzwechsel gezwungen sieht.
Vom Tatbestand erfasst werden nur schwerwiegende und unzumutbare Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung. Ausgeschieden werden dadurch weniger gewichtige Maßnahmen der Eigenvorsorge, wie beispielsweise die Benutzung eines Anrufbeantworters und die Einrichtung einer so genannten Fangschaltung zum Zwecke der Beweissicherung. Weitergehende Schutzvorkehrungen des Opfers, wie etwa das Verlassen der Wohnung nur noch in Begleitung Dritter und ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, sind als schwerwiegend anzusehen.
Im Rahmen des Merkmals "unzumutbar" ist eine Interessenabwägung und eine Abgrenzung der Freiheitssphären von Täter und Opfer vorzunehmen, die schon deshalb erforderlich ist, weil die in den Nummern 1 und 2 des Tatbestandes enthaltenen Handlungsalternativen als einzelne Handlungen sozialadäquat sind. Das Kriterium der Zumutbarkeit dient auch der Abwägung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen mit Verhaltensweisen des investigativen Journalismus, die unter die Tatbestandsalternativen der Nummern 1 oder 2 fallen könnten. Artikel 5 des Grundgesetzes schützt nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Informationsbeschaffung. In diesem Sinne geschützt sind deshalb journalistische Anstrengungen wie der Versuch, durch mehrere unmittelbare oder mittelbare Kontaktaufnahmen Informationen von Privaten zu erhalten. Auf der anderen Seite sind auch das Privatleben und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von den Medien zu beachten. In den meisten Fällen werden investigative journalistische Verhaltensweisen schon von vornherein nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Betroffenen in dem oben genannten Sinne führen. Sollten danach überhaupt noch solche Verhaltensweisen den Tatbestand der Norm erfüllen, wäre im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit die Schwere der Beeinträchtigung abzuwägen mit dem von dem Journalisten oder der Journalistin verfolgten Interesse.
Zu Absatz 2
Der Tatbestand soll als Antragsdelikt ausgestaltet werden. Die Strafverfolgung wird damit grundsätzlich von einer Entscheidung des Opfers abhängig gemacht. In der Regel kann nur der Betroffene selbst Art, Umfang und Intensität der Handlungen und ihrer Auswirkungen darstellen und einschätzen, ob er sich den Belastungen, die mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbunden sind, stellen wil1. Bei einer Ausgestaltung als Offizialdelikt könnte sich das Opfer auch dann einem Verfahren nicht entziehen, wenn es aus nachvollziehbaren Gründen eine Strafverfolgung nicht wünscht. Das Antragserfordernis entfällt, wenn nach Auffassung der Strafverfolgungsbehörde ein besonderes öffentliches Interesse die Verfolgung von Amts wegen gebietet.
Zu Nr. 1 (§ 374 Abs. 1 Nr. 5)
§ 241b StGB wird als Privatklagedelikt ausgestaltet.
Von einer Aufnahme des Tatbestands in § 380 Abs. 1 StPO wurde im Hinblick auf die für das Opfer regelmäßig nicht zumutbare Konfrontation mit dem Beschuldigten im Rahmen eines Sühneversuchs abgesehen.
Zu Nr. 2 (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e)
Für Straftaten nach § 241b StGB wird die Nebenklage eröffnet. Das ist sachgerecht, weil bei diesen Straftaten der die Nebenklagebefugnis tragende Grund, dass die verletzte Person mit eigenen prozessualen Befugnissen Vorwürfen und Schuldzuweisungen des Angeklagten entgegentreten kann, typischerweise häufig vorliegen wird. Auch die dem Schutzzweck nach vergleichbaren Straftaten nach § 4 des Gewaltschutzgesetzes sind im Katalog des § 395 Abs. 1 Nr. 1 bereits erfasst.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.