Punkt 37 der 903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012
Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf anstelle der Ausschussempfehlungen wie folgt Stellung nehmen:
Die Länder begrüßen die Initiative der Bundesregierung, die Regelungen zur Regulierung im Eisenbahnbereich in einem Gesetz zusammenzufassen und gleichzeitig die Entgeltregulierung neu zu gestalten.
Sie stellen jedoch fest, dass der vorgelegte Gesetzentwurf noch viele Mängel und Schwächen aufweist und daher nicht geeignet ist, die großen und strukturellen Probleme der Eisenbahnfinanzierung in Deutschland zu lösen. Es ist vielmehr zu befürchten, dass mit der vorgelegten Regulierungskonzeption die Finanzierbarkeit der Eisenbahninfrastruktur gefährdet wird.
Der Eisenbahnsektor, der bereits heute durch Regulierungen stark geprägt ist, wird durch eine weitere, äußerst aufwändige Regulierungsbürokratie belastet. Die Länder weisen in diesem Zusammenhang auf die kritische Stellungnahme des Normenkontrollrates hin.
Der Regulierungsansatz orientiert sich überwiegend und einseitig an ordnungspolitischen Kriterien und nimmt sogar eine Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse in Kauf, wenn dadurch der Wettbewerb gestärkt werden kann.
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Übertragung der Regulierungskompetenz für die Eisenbahninfrastruktur auf die Bundesnetzagentur würde diese Behörde, die bereits für die Regulierung der Telekommunikations- und der Energieversorgungsnetze zuständig ist, weiter gestärkt, ohne dass gleichzeitig ihre demokratische Kontrolle verbessert wird.
Aus Sicht der Länder muss die Eisenbahnpolitik in Deutschland zum Ziel haben,
- - die Eisenbahninfrastruktur zu erhalten, in ihrer Leistungsfähigkeit zu verbessern und - wo erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll - auszubauen, um den Anteil des schienengebundenen Personen- und Güterverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen zu steigern;
- - in einem liberalisierten Markt der Eisenbahnverkehrsleistungen einen diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten;
- - Marktregulierung auf das europarechtlich gebotene Maß zu beschränken;
- - der Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur bei Regulierungsentscheidungen Vorrang einzuräumen;
- - neben einer ausreichenden Finanzierung durch öffentliche Mittel auch rentierliche Investitionen der Infrastrukturunternehmen zu ermöglichen;
- - sicherzustellen, dass die Anpassung der zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs eingesetzten Regionalisierungsmittel mit der Entwicklung der Infrastrukturkosten Schritt hält und
- - Überregulierungen zu vermeiden, die zu einem nicht sachdienlichen Mehraufwand führen und letztlich nur von großen Infrastrukturunternehmen bewältigt werden können.
Vor diesem Hintergrund fordern die Länder im weiteren Gesetzgebungsverfahren, die Gesetzesvorlage unter Beachtung dieser Ziele grundlegend zu überarbeiten und dabei auch befriedigende Antworten auf folgende Fragen zu geben:
- - Wie kann verhindert werden, dass dem System Schiene durch die Entgeltregulierung, insbesondere durch die Doppelanreiz-Regulierung, dringend benötigte Mittel entzogen werden?
- - Wie kann vermieden werden, dass die grundgesetzlich gesicherte Eigentümerverantwortung des Bundes für die Bundeseisenbahninfrastruktur durch die Regulierungsbehörde in Frage gestellt wird?
- - Wie kann vermieden werden, dass die Eisenbahnen der parallelen Aufsicht mindestens dreier Bundesbehörden (Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt und Eisenbahnbundesamt) unterworfen werden?
- - Wie kann verhindert werden, dass die Netzregulierung zum Investitionshindernis wird?
- - Wie kann trotz der europarechtlich geforderten Unabhängigkeit eine uneingeschränkte demokratische Kontrolle der Regulierungsbehörde sichergestellt werden?
- - Wie kann eine finanzielle Ausstattung der Länder gewährleistet werden, die auch zur Deckung der regulierten Infrastrukturkosten ausreicht?
- - Ist es wirklich erforderlich, marktgängige Leistungen (Ticketverkauf, Rangierdienstleistungen) einer staatlichen Regulierung zu unterstellen?