Der Bundesrat hat in seiner 939. Sitzung am 27. November beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - (§ 35 Absatz 2 Satz 2 InsO), Nummer 6 - neu - ( § 303a Satz 2 InsO)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Es handelt sich um Korrekturen zweier redaktioneller Versehen. Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGBl. I 2013, S. 2379) sind zwei fehlerhafte Verweisungen in § 35 Absatz 2 Satz 2 und in § 303a Satz 2 InsO aufgenommen worden:
Zu Buchstabe a:
In § 35 InsO wird die Insolvenzmasse definiert.
§ 35 Absatz 2 Satz 1 InsO sieht vor, dass der Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit des Schuldners freigeben kann, so dass Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit nicht zur Masse gehört. In diesem Fall soll es dem Schuldner aber obliegen, durch Zahlungen an den Verwalter die Gläubiger so zu stellen, als wäre er ein "angemessenes Dienstverhältnis" eingegangen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 295 Absatz 2 InsO. Die Verweisung in § 35 Absatz 2 Satz 1 InsO auf den - nicht bestehenden - Absatz 3 des § 295 InsO ist irrtümlich erfolgt.
Zu Buchstabe b:
In § 303a Satz 2 Nummer 1 InsO wird unter anderem eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis angeordnet, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung "auf Antrag eines Insolvenzgläubigers nach § 300 Absatz 2 versagt worden ist". Jene Versagungsvoraussetzungen, auf die die Vorschrift verweist, finden sich aber in § 300 Absatz 3 InsO.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 131 Absatz 1 Satz 2 InsO)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a sind in § 131 Absatz 1 Satz 2 nach dem Wort "Abwendung" die Wörter "oder zur Abwendung einer angedrohten Ersatzfreiheitsstrafe" einzufügen.
Begründung:
Mit der Ergänzung von § 131 Absatz 1 InsO bezweckt der Gesetzentwurf die Herausnahme von Sicherungen und Befriedigungen durch Zwangsvollstreckung sowie von Zahlungen unter dem Druck drohender Zwangsvollstreckung aus dem Tatbestand der Inkongruenzanfechtung.
Eine vergleichbare Situation besteht bei der Zahlung auf eine strafgerichtlich verhängte Geldstrafe gemäß § 40 StGB. Soweit diese nicht eingebracht werden kann oder eine Vollstreckung von vornherein unterbleibt, weil zu erwarten ist, dass diese erfolglos bleiben wird, ordnet die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 43 StGB an ( § 459e StPO). Die mögliche Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe wird dem Verurteilten im Rahmen der an ihn gerichteten Zahlungsaufforderungen angekündigt. Erfolgt seitens des Verurteilten eine Zahlung, wird dies vielfach zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgen.
Die Rechtsprechung stellt die Geldleistung auf eine verhängte Geldstrafe gemäß § 40 StGB unter dem Druck der drohenden Ersatzfreiheitsstrafe der Zahlung zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010, Gz.: IX ZR 16/10, Rn. 8). Daher muss im Rahmen von § 131 Absatz 1 Satz 2 InsO-E konsequenterweise ein Gleichlauf von Geldstrafenvollstreckung und Zwangsvollstreckung hergestellt werden. Da der Begriff "Zwangsvollstreckung" nach allgemeinem Verständnis dem zivilrechtlichen Bereich zugeordnet wird, ist hierfür die Zahlung nach Androhung einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Vorschrift ausdrücklich zu nennen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a (§ 133 Absatz 3 Satz 2 InsO), Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe a (§ 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG)
- a) In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a ist § 133 Absatz 3 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Eine Zahlungsvereinbarung oder die sonstige Gewährung einer Zahlungserleichterung durch den anderen Teil an den Schuldner erbringt keinen Beweis dafür, dass der andere Teil zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte."
- b) In Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe a ist § 3 Absatz 3 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Eine Zahlungsvereinbarung oder die sonstige Gewährung einer Zahlungserleichterung durch den anderen Teil an den Schuldner erbringt keinen Beweis dafür, dass der andere Teil zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte."
Begründung:
§ 133 Absatz 3 Satz 2 InsO-E sowie der wortgleiche § 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG-E sollen eine wichtige Klarstellung für die Behandlung der praktisch bedeutsamen Fallgruppe der Zahlungserleichterungen treffen und die verbreitete und bewährte Praxis, mit Schuldnern bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten einen Zahlungsaufschub oder Ratenzahlungsvereinbarungen zu vereinbaren und diesen damit eine Art Überbrückungsfinanzierung zu gewähren, auf rechtssicheren Boden stellen.
Die rechtstechnische Umsetzung dieses berechtigten und zu unterstützenden Anliegens durch die in § 133 Absatz 3 Satz 2 InsO-E und § 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG-E enthaltene "Vermutung" ist allerdings nicht überzeugend, weil sie sich nicht in die Struktur des § 133 InsO bzw. des § 3 AnfG einfügt.
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Anfechtende - in den Fällen des § 133 InsO der Insolvenzverwalter - die Darlegungs- und Beweislast unter anderem für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des anderen Teils von diesem Vorsatz (vgl. MüKo-Kayser, InsO (3. Aufl. 2013), § 133 Rn. 22).
§ 133 Absatz 1 Satz 2 InsO (ebenso § 3 Absatz 1 Satz 2 AnfG)
statuiert zu Gunsten des Insolvenzverwalters bzw. des Anfechtenden eine Vermutung, die an die Kenntnis objektiver Umstände anknüpft.
Es handelt sich um eine Vermutung im Sinne von § 292 ZPO (vgl. MüKoKayser, a.a. O., § 133 Rn. 26). Die Vermutungsbasis des § 133 Absatz 1 Satz 2 InsO bzw. des § 3 Absatz 1 Satz 2 AnfG, die nach allgemeinen Grundsätzen ebenfalls vom Anfechtenden (Insolvenzverwalter) darzulegen und zu beweisen ist, besteht aus zwei Teilen:
- - Der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte.
- - Der andere Teil wusste, dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Gelingt dem Insolvenzverwalter bzw. dem Anfechtenden dieser Nachweis, wird die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vermutet. Der Anfechtungsgegner muss dann seinerseits den Beweis des Gegenteils führen und beweisen, dass er diese Kenntnis nicht hatte. Die Vermutung führt somit zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Anfechtungsgegners.
§ 133 Absatz 3 Satz 2 InsO-E (ebenso § 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG-E) knüpft an die Vermutung des § 133 Absatz 1 Satz 2 InsO an (bzw. § 3 Absatz 1 Satz 2 AnfG) und stellt für einen Teil der Vermutungsbasis ("Der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte.") eine Art "Gegenvermutung" auf.
Das fügt sich nicht in die Systematik des Gesetzes ein, weil der Insolvenzverwalter bzw. der Anfechtende ohnehin die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte. Gesetzliche Vermutungen sind besondere Normen der Beweislastverteilung (siehe nur MüKo-Prütting, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 292 Rn. 26).
Zu einer Änderung der Beweislastverteilung kommt es hier aber gerade nicht. Die Vermutung des § 133 Absatz 3 Satz 2 InsO-E soll zu Gunsten des Anfechtungsgegners wirken, der ohnehin nicht darlegungs- und beweisbelastet ist. Gleiches gilt für § 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG-E.
Hinzu kommt Folgendes:
- - Nach allgemeinen Grundsätzen müsste der Anfechtungsgegner die ihm günstige Vermutungsbasis, nämlich die Gewährung einer Zahlungserleichterung an den Schuldner, darlegen und beweisen, um von der Vermutungsfolge "zu profitieren". Bislang muss der Insolvenzverwalter die Gewährung einer Zahlungserleichterung darlegen und beweisen, um daraus (zu Lasten des Anfechtungsgegners) ein Beweisanzeichen für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ableiten zu können. Das ist widersprüchlich und verwirrend.
- - Die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung deutet zudem darauf hin, dass sich die Position des Anfechtungsgegners durch Gewährung einer Zahlungserleichterung an den Schuldner sogar verbessern soll. Eine unbefangene Lektüre des Textes könnte nahelegen, dass der Insolvenzverwalter in den Fällen, in denen eine Zahlungserleichterung gewährt wurde, "mehr" beweisen muss als in den Fällen, in denen es eine solche gar nicht gegeben hat. Das entspricht aber nicht den Ausführungen in der Begründung.
Richtiger ist es daher, das Ziel des Gesetzentwurfes durch eine (negative) gesetzliche Beweisregel im Sinne von § 286 Absatz 2 ZPO zu erreichen:
Der Tatrichter soll im Rahmen seiner Beweiswürdigung daran gehindert sein, aus der Gewährung einer Zahlungserleichterung auf die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen. Die bloße Gewährung einer Zahlungserleichterung und die dieser typischerweise zugrundeliegende Bitte des Schuldners soll im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Absatz 1 ZPO "neutral" sein und nicht als Beweiszeichen/Indiz zu Lasten des Anfechtungsgegners herangezogen werden dürfen. Umstände, die darüber hinausgehen, soll der Insolvenzverwalter uneingeschränkt geltend machen dürfen (BR-Drucksache 495/15 (PDF) , Einzelbegründung zu § 133 Absatz 2 und 3 InsO-E, S. 14).
Als eine solche Beweisregel war auch noch der Referentenentwurf ausgestaltet (§ 133 Absatz 3 Satz 2 InsO-Referentenentwurf und § 3 Absatz 3 Satz 2 AnfG-Referentenentwurf).
Die vorgeschlagene Formulierung entspricht Einszueins dem Regelungsgehalt des Gesetzentwurfes, fügt sich aber zudem harmonisch in die Struktur des § 133 InsO bzw. des § 3 AnfG ein.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 142 Absatz 1 InsO)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 142 Absatz 1 die Wörter "erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte." durch die Wörter "erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich ist noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens dient." zu ersetzen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Vorsatzanfechtung nicht mehr in Gänze, sondern nur noch insoweit vom Bargeschäftsprivileg auszunehmen, als der Schuldner unlauter handelte und der Leistungsempfänger dies erkannt hat.
Ein unlauteres Handeln liege bei gezielter Benachteiligung von Gläubigern vor, wie sie etwa gegeben ist, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. Unlauter handele ein Schuldner bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit auch, wenn er Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, wie dies etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter der Fall ist. Auch das Abstoßen von Betriebsvermögen, das zur Aufrechterhaltung des Betriebs unverzichtbar ist, kann unlauter sein, wenn der Schuldner den vereinnahmten Gegenwert seinen Gläubigern entziehen will.
Solange der Schuldner allerdings Geschäfte führt, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind, fehlt es demgegenüber auch dann an der Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist.
Der Leistungsempfänger muss laut dem Gesetzentwurf erkannt haben, dass der Schuldner unlauter handelte.
Damit schränkt der Gesetzentwurf im Vergleich zur Judikatur die Vorsatzanfechtung von Bargeschäften erheblich weiter ein.
Letztendlich sind nach dem Gesetzentwurf nur noch Fälle vom Bargeschäftsprivileg ausgenommen, bei denen der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass Schuldner und Leistungsempfänger kollusiv mit der Absicht, die Gläubigergemeinschaft bewusst zu schädigen, zusammengewirkt haben.
Es ist absehbar, dass eine Anfechtung dieser gläubigerbenachteiligenden Bargeschäfte selbst bei unlauterem Verhalten des Schuldners häufig daran scheitern wird, dass der andere Teil entweder keine Kenntnis von der Unlauterbarkeit des schuldnerischen Handelns hat oder ihm diese nicht gerichtsfest nachgewiesen werden kann. Den insolventen Unternehmen ist es dadurch möglich, vor Stellung eines Insolvenzantrags das gesamte Betriebsvermögen ohne Kontrolle durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter zulasten der Gläubigergemeinschaft anfechtungssicher zu veräußern oder sonstige Bargeschäfte zu tätigen, die unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt den Gläubigern nutzen können. Ob die hierfür erhaltene Gegenleistung tatsächlich gleichwertig war, bei Insolvenzantrag noch im schuldnerischen Vermögen vorhanden ist oder gar insgesamt nur fingiert wurde, kann nachträglich vom späteren Insolvenzverwalter nur schwer nachgeprüft und bewiesen werden. Aufgrund der erheblich erschwerten Beweislast kann es dem Schuldner sogar gelingen, elementares Betriebsvermögen an Strohleute anfechtungssicher zu verschieben.
Der Nachweis der Kenntnis des Leistungsempfängers von der Absicht des Schuldners, dass es ihm in erster Linie auf die Schädigung der Gläubiger ankommt, bedarf erst der Entwicklung einer Rechtsprechung, die aus objektiven Beweisanzeichen auf die subjektive Kenntnis des Leistungsempfängers von den subjektiven Absichten des Schuldners schließen lassen. Dies ist nicht im Sinne einer Verbesserung der Rechtssicherheit.
Der Gesetzentwurf sieht zudem ausdrücklich vor, dass die Aufrechterhaltung eines unrentablen Geschäftsbetriebs vom Bargeschäftsprivileg geschützt werden soll. Dies widerspricht dem Ziel der Insolvenzordnung, auf eine Sanierung von Unternehmen abzuzielen. Es wird dem Schuldner so ermöglicht, trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit weiterhin am Markt zu verbleiben, sich durch Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs durch anfechtungssichere Bargeschäfte und bewussten Ausfall der übrigen Gläubiger wettbewerbswidrige Vorteile zu verschaffen und die Insolvenzmasse ohne ernsthaften Fortführungswillen nachhaltig zu schmälern. Hierdurch besteht im besonderen Maße die Gefahr, dass andere Marktteilnehmer durch ruinösen Wettbewerb mit in die Insolvenz gezogen werden. Dies kann auch nicht im Interesse der Wirtschaft sein.
Die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung widerspricht den Zielen der Insolvenzordnung, gefährdet akut die Insolvenzmasse und verfestigt selbst im Rahmen von Insolvenzstraftaten begangene Vermögensverschiebungen.
Durch die vorgeschlagene Änderung des § 142 Absatz 1 InsO-E wird von dem wertenden, unbestimmten Rechtsbegriff der Unlauterbarkeit Abstand genommen. Vom Bargeschäftsprivileg ausgenommen sind nunmehr diejenigen Bargeschäfte, bei denen die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung vorliegen (und der Leistungsempfänger folglich Kenntnis von dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes hat), wenn der Leistungsempfänger erkennen musste, dass das gläubigerbenachteiligende Bargeschäft die Krise weiter verschärft. In diesem Fall ist der Leistungsempfänger nicht schutzwürdig, da er mit seinem Handeln die Gläubigergemeinschaft sowie kostendeckend wirtschaftende Mitbewerber schädigt.
Den Geschäftspartnern des Schuldners wird auch kein unverhältnismäßiges Anfechtungsrisiko aufgebürdet. Im Regelfall dient die Abwicklung normaler Geschäftsvorfälle unstreitig der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als Bargeschäft anfechtungssicher. Lediglich in Fällen, in denen der erkannt insolvente Schuldner anfängt, seinen Warenbestand unter Wert zu verschleudern oder zum Besipiel die Geschäftseinrichtung verkauft, wird durch die vorgeschlagene Regelung verhindert, dass hier anfechtungssichere Fakten geschaffen werden. Denn es soll sichergestellt werden, dass die Auflösung des Geschäftsbetriebes im Interesse der Gläubigergemeinschaft gegebenenfalls unter Überwachung durch einen vom Gericht eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter geschieht.
Durch das Abstellen auf objektive Tatbestandsmerkmale soll der Verbesserung der Rechtssicherheit Rechnung getragen werden.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 142 Absatz 2 Satz 1 InsO)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 142 Absatz 2 Satz 1 die Wörter "und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs" zu streichen.
Begründung:
Nach dem sogenannnten Bargeschäftsprivileg in § 142 Absatz 1 InsO-E sind Leistungen des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist, nur unter erschwerten Voraussetzungen anfechtbar.
Im neugeschaffenen § 142 Absatz 2 InsO-E wird das Kriterium der "Unmittelbarkeit" zwischen Leistung und Gegenleistung definiert: Danach ist der Austausch von Leistung und Gegenleistung unmittelbar, wenn er "nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt".
Die gesetzliche Bezugnahme auf die "Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs" ist abzulehnen, weil sie zu Lasten des Wirtschaftsverkehrs und der Justiz zu Rechtsunsicherheiten und Verfahrensverzögerungen führen dürfte, die mit dem Gesetzentwurf gerade vermieden werden sollen.
Die Begründung des Gesetzentwurfes enthält keine Kriterien, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der "Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs" auszulegen ist. Insoweit dürften sich - vergleichbar mit dem Begriff des Handelsbrauchs in § 346 HGB - diese Gepflogenheiten künftig jeweils nur im Einzelfall und unter Zuhilfenahme von Sachverständigen gerichtlich feststellen lassen. Dabei dürfte erschwerend zu berücksichtigen sein, dass diese Gepflogenheiten branchen- und gegebenenfalls sogar regional- oder saisonabhängig differenziert ermittelt werden müssten. Im Ergebnis führt dies zu spürbaren Verfahrensverzögerungen und erheblichen Mehrkosten für die beteiligten Parteien sowie zu einer Mehrbelastung der entscheidenden Gerichte und damit zu Effekten, die gerade verhindert werden sollen.
Die Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil die "Unmittelbarkeit" des Leistungsaustauschs noch immer einen "engen zeitlichen Zusammenhang" erfordert und sich an der "Art der ausgetauschten Leistung" orientiert. Diese Begriffe lassen der Rechtsprechung angemessenen und ausreichenden Spielraum, um über die Unmittelbarkeit eines Leistungsaustauschs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ohne zusätzliche zeit- und kostenintensive Ermittlungen anstellen zu müssen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( § 142 Absatz 2 Satz 1 InsO)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine klare zeitliche Festlegung des "engen zeitlichen Zusammenhangs" in § 142 Absatz 2 Satz 1 InsO zu prüfen. In die Prüfungen sollten - neben der Angleichung an die Frist von drei Monaten (§ 142 Absatz 2 Satz 2 InsO) - auch kürzere Fristen einbezogen werden, soweit sie den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden.
Begründung:
Im Gesetzentwurf wird der enge zeitliche Zusammenhang lediglich für die Frage der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen näher konkretisiert (§ 142 Absatz 2 Satz 2 InsO-E). Weiterhin undefiniert ist der enge zeitliche Zusammenhang bei allen übrigen Bargeschäften (§ 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E). Aus der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung ist eine klare zeitliche Vorgabe nicht erkennbar, so dass Rechtsuntersicherheiten bei allen Beteiligten fortbestehen. Anstelle des unbestimmten Rechtsbegriffs sollte auch für alle übrigen Bargeschäfte (§ 142 Absatz 2 Satz 1 InsO-E) eine klare gesetzliche Regelung aufgenommen werden.
7. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 142 Absatz 2 Satz 2 InsO)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 142 Absatz 2 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder führt er Teile des Arbeitsentgelts aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte ab, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts oder der Abführung von Teilen an Dritte drei Monate nicht übersteigt."
Begründung:
Der Gesetzentwurf macht das gezahlte Arbeitsentgelt insolvenzfester. Klarstellend sollten jedoch die auf den (Brutto-)Arbeitslohn entfallende und vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einbezogen werden, weil diese zum Arbeitsentgeltanspruch des Arbeitnehmers und damit zur adäquaten Gegenleistung gehören. Die Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sind nämlich als Teil des Bruttolohns zugleich auch Teil der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers; der arbeitsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers umfasst den gesamten Bruttolohn.
Unter das Bargeschäftsprivileg fallen daher auch die Teile des Arbeitsentgelts, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte (Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) abgeführt werden. Der Arbeitgeberanteil ist damit nicht umfasst.
8. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 143 Absatz 1 Satz 4 -neuInsO)
Artikel 1 Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
'5. Dem § 143 Absatz 1 werden folgende Sätze angefügt:
"Eine Geldschuld <... weiter wie Vorlage ...
>.
§ 5 Absatz 4 des Gerichtskostengesetzes, § 7 Absatz 4 des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen, § 6 Absatz 4 des Gerichts- und Notarkostengesetzes, § 5 Absatz 4 des Justizverwaltungskostengesetzes und § 8 Absatz 4 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes bleiben unberührt."'
Begründung:
Nach den vorgenannten kostenrechtlichen Bestimmungen besteht für Ansprüche auf Rückzahlung von Justizkosten - ebenso wie für Ansprüche auf deren Zahlung - ein Verzinsungsausschluss. Es sollte klargestellt werden, dass diesem Verzinsungsausschluss Vorrang gegenüber der allgemeinen Verzinsungspflicht für insolvenzrechtliche Forderungen nach Maßgabe des § 143 Absatz 1 Satz 3 InsO-E zukommt. Dies erscheint zur Vermeidung eines gerade bei marginalen Zinsforderungen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes angezeigt und ist im Hinblick darauf, dass Zinsen für Ansprüche auf Zahlung von Justizkosten gleichfalls nicht geltend gemacht werden können, sachlich gerechtfertigt.
9. Zum Gesetzentwurf insgesamt (Evaluationsklausel)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Evaluationsklausel gesetzlich einzuführen. Anhand von geeigneten und präzisen Kriterien soll eine Evaluation der Auswirkungen der vorgesehenen Neuregelungen im Insolvenzanfechtungsrecht vorgenommen werden.
Begründung:
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechts werden mit der Behauptung begründet, die Praxis der Insolvenzanfechtung auf Grundlage der bestehenden Anfechtungsvorschriften stelle eine Belastung des Wirtschaftsverkehrs mit "unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken" dar. Diese Behauptung entbehrt bislang einer durch Fakten und Zahlen unterlegten Grundlage; eine fachliche Notwendigkeit für Änderungen im Insolvenzanfechtungsrecht ist aufgrund empirischer Datenerhebung bislang nicht begründet.
Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfes im Allgemeinen Teil Abschnitt VII. lediglich pauschal eine Evaluation der Auswirkungen der Neuregelungen im Insolvenzanfechtungsrecht angekündigt ist, erscheint dies dem Bundesrat nicht ausreichend. Vielmehr ist eine verbindliche, gesetzlich verankerte Evaluationsklausel geboten.
Es sollen geeignete Evaluationskriterien entwickelt werden, die nach Ablauf der Evaluationsperiode eine Bewertung der fachlichen Notwendigkeit und gegebenenfalls bestehenden Anpassungsbedarf der vorgenommenen Änderungen im Insolvenzanfechtungsrecht ermöglichen. Die Evaluation sollte unter anderem die Auswirkungen des Gesetzes nach Zahl und Höhe der Insolvenzanfechtungen und ihre Verteilung auf die verschiedenen Gläubigergruppen darstellen sowie nach den verschiedenen Anfechtungstatbeständen differenzieren.