Bundesministerium Bonn, den 27. Mai 2005
für Gesundheit und Soziale Sicherung
An den
Präsidenten des Bundesrates
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem im Beschluss des Bundesrates vom 21. Dezember 2000 (BR-Drs. 734/00(Beschluss) ) geäußerten Wunsch, über die praktischen Auswirkungen der Neufassung der Verordnung zur Durchführung des § 72 des Bundessozialhilfegesetzes unterrichtet zu werden, übersende ich Ihnen den entsprechenden Bericht der Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt
Bericht der Bundesregierung an den Bundesrat
über die praktischen Auswirkungen der Neufassung der Verordnung zur Durchführung des § 72 des Bundessozialhilfegesetzes
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Dezember 2000 der Neufassung der Verordnung zur Durchführung des § 72 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zugestimmt und gleichzeitig in einer Entschließung die Bundesregierung gebeten, bis zum 31. Dezember 2002 einen Bericht über die praktischen Auswirkungen der Verordnung, die eingetretene Kostenentwicklung und ihre Ursachen vorzulegen (BR-Drs. 734/00(Beschluss) ).
§ 72 BSHG (seit 1. Januar 2005 §§ 67 - 69 SGB XII) regelt die Voraussetzungen, unter denen Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu gewähren ist. Hierbei handelt es sich vor allem um persönliche Hilfen in Gestalt von Beratung und Unterstützung von Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordert. Die Neufassung der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG löste die Verordnung aus dem Jahre 1976 ab, die den inzwischen eingetretenen Entwicklungen der Problemlagen, des Leistungsstandards und des Personenkreises nicht mehr entsprach, so dass bis zu 50 % der Hilfesuchenden nach § 72 BSHG nicht mehr zugeordnet werden konnten. Die Neufassung trägt diesen Entwicklungen Rechnung.
Der Konferenz der Obersten Landessozialbehörden hat das damals zuständige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der Sitzung am 29./30. März 2001 berichtet, dass
- - ein aussagefähiger Bericht an den Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Ländern vorbereitet und voraussichtlich im Jahr 2004 vorgelegt werde, um einen hinreichend langen Beobachtungszeitraum für die Einschätzung der Auswirkungen und der Kostenfolgen einzuräumen,
- - beabsichtigt sei, ein Forschungsinstitut mit der Evaluierung der Umsetzung der Neufassung der Verordnung zu beauftragen und die Durchführung der Bestandsanalyse bereits vergeben sei,
- - ein Beraterkreis zur Begleitung des Berichtsverfahrens eingerichtet werde und die Länder um Mitarbeit gebeten würden. Dem Beraterkreis gehörten Vertreter mehrerer Länder, der kommunalen Spitzenverbände, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe
Die Konferenz der Obersten Landessozialbehörden hat den Bericht zustimmend zur Kenntnis genommen und die Auffassung vertreten, dass eine Berichterstattung nicht vor Ende 2004 möglich sein werde.
Der Bericht der Bundesregierung an den Bundesrat basiert auf einer empirischen Beobachtung und Analyse der Sozialhilfepraxis vor und nach In-Kraft-Treten der Verordnung. Zur Vorbereitung des Berichts wurde ein zweiteiliges Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Der erste Untersuchungsteil, eine Bestandsaufnahme zur Verwaltungspraxis vor dem In-Kraft-Treten der Neufassung zum 1. August 2001, ist im Dezember 2001 abgeschlossen worden. Der zweite Untersuchungsteil, der in diesem Jahr abgeschlossen werden konnte, befasste sich mit der Verwaltungspraxis nach In-Kraft-Treten der Neufassung.
Ergebnisse des Forschungsvorhabens sind:
- - Kostenrelevante Veränderungen gegenüber der bis zum 31. Juli 2001 geltenden Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG als Folge der. Neufassung konnten nicht festgestellt werden. Weder ist es zu einer Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten noch zu einem Anstieg des Anteils leistungsberechtigter Frauen gekommen. Soweit es seit In-Kraft-Treten der neuen Verordnung Veränderungen hinsichtlich des Personenkreises oder der Kosten gegeben hat, sind hierfür andere Gründe maßgeblich, wie z.B. die allgemeine Zunahme psychischer Auffälligkeiten und deren Folgeerscheinungen.
- - Die Steigerung der Ausgaben im Bereich der Leistungen nach § 72 BSHG liegen bei den örtlichen Trägern der Sozialhilfe bei jährlich durchschnittlich 6 % und bleiben damit im Rahmen der durchschnittlichen Steigerung im Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt.
- - Eine Steigerung der Personalkapazitäten bei den Trägern der Sozialhilfe konnte nicht festgestellt werden. Die Steigerung der Verwaltungskosten im beobachteten Zeitraum lässt sich weitgehend durch die Personalkostensteigerung pro vorhandene Stelle erklären.
Begleitende Untersuchung zur Umsetzung der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung
Endbericht
Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V.
Bearbeiterinnen:
Dr. Dietrich Engels
Christine Sellin
Köln, den 27. Juli 2004
Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V. .
Postfach 26 02 44 .
D-50515 Köln
Barbarossaplatz 2 .
D-50674 Köln .
Telefon: 0221 / 23 54 73 .
Telefax: 0221 / 21 52 67 .
e-mail: info@isginstitut.de
Vorstand: | Stadtsparkasse Köln |
Dr. Wilhelm Breuer (Vors.) | Konto-Nr. 776 20 32 |
Dr. Dietrich Engels | BLZ 370 501 98 |
Dr. Werner Friedrich | St.-Nr. 214 / 5862 / 0205 |
Inhaltsverzeichnis |
1. | Ziel und Hintergrund der Untersuchung |
2. | Konzept der begleitenden Untersuchung |
3. | Umsetzung der DVO zu § 72 BSHG: Ergebnisse der Evaluation |
| (1) | Untersuchungsziel, Forschungsfragen, Untersuchungsmethode |
| (2) | Erhebungen zur Evaluation der Umsetzung der neuen Verordnung |
3.1 | Empfänger der Hilfe nach § 72 BSHG |
| (1) | Die Hilfe nach § 72 BSHG im Spiegel der amtlichen Statistik |
| (2) | Anzahl und Quote der Hilfeempfänger |
| (3) | Zielgruppen der Hilfe |
| (4) | Durchschnittliches Alter und Hilfebedarf dieser Zielgruppen |
| (5) | Durchschnittliche Dauer des Hilfebedarfs |
| (6) | Bedeutung sozialer Schwierigkeiten und zukünftige Entwicklung |
3.2 | Zuständigkeit und Hilfepraxis |
| (1) | Unterschiedliche Regelungen in den Ausführungsgesetzen der Länder |
| (2) | Hilfegewährung und Kostenträgerschaft |
| (3) | Abgrenzung der Hilfen nach § 72 BSHG zu anderen Hilfen |
| (4) | Durchführung der Hilfe durch Sozialhilfeträger und Freie Träger |
| (5) | Leistungen für einzelne Zielgruppen |
| (6) | Hilfeplanung und Gesamtplanung |
3.3 | Verwaltung und Kosten |
| (1) | Zahl der Mitarbeiterinnen |
| (2) | Leistungsausgaben / Kosten pro Fall |
| (3) | Leistungsausgaben nach weiterer Untergliederung |
| (4) | Verwaltungskosten |
3.4 | Veränderungen durch die neue Verordnung zu § 72 BSHG |
| (1) | Veränderung der Hilfe |
| (2) | Veränderung des Personenkreises durch die neue Verordnung |
| (3) | Veränderung der Kosten durch die neue Verordnung |
| (4) | Anderweitige Veränderungen |
| (5) | Weitere Anmerkungen |
| (6) | Die "Bundeskanzlerfrage" |
4. | Zusammenfassung |
Anhang |
Tabellenverzeichnis |
Literaturverzeichnis |
1. Ziel und Hintergrund der Untersuchung
Das ehemalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung l hat das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (iSG) damit beauftragt, die Auswirkungen der zum August 2001 in Kraft getretenen neuen Durchführungsverordnung (DVO) des § 72 BSHG auf den Empfängerkreis und die Kosten dieser Hilfeart empirisch zu untersuchen. Dieser Auftrag steht im Zusammenhang mit der Frage des Bundesrates, ob sich mit der Neufassung der Verordnung "Unwägbarkeiten in Bezug auf die Abgrenzung des Personenkreises und die Kostenentwicklung" ergeben (Beschluss des Bundesrates vom 22.12.2000). Um vor diesem Hintergrund die Auswirkungen der Neufassung beurteilen zu können, sind die Fragen zu beantworten, welche Personengruppen vor und nach dem in-Kraft-Treten der Verordnung zu § 72 BSHG erhalten haben, in welcher Beziehung diese Form der Hilfe zu anderen Hilfeformen steht und welche Relation zwischen Hilfen und Kostenstrukturen besteht.
Das ISG hatte zwischen Mai und Oktober 2001 eine erste Teiluntersuchung in Form einer Bestandsaufnahme der Sozialhilfepraxis vor Geltung der neuen Verordnung durchgeführt und konzentrierte sich im zweiten Teil der Untersuchung auf die Analyse der seitdem erfolgten Entwicklung. insbesondere die Aufzählung der Zielgruppen in der früheren Fassung war definitorisch unzureichend, konzeptionell überholt und wurde teilweise als diskriminierend empfunden. Demgegenüber fasst die neue Verordnung in § 1 - neu - die Zielgruppe allgemeiner und definiert sie durch die Kombination von "besonderen Lebensverhältnissen" und "sozialen Schwierigkeiten". Weiterhin stellt die Neufassung die Definition von kausaler Begründung auf eine finale Begründung um, wodurch die Hilfemaßnahmen weniger an bestimmten Ursachen als vielmehr an den Zielen der Hilfe orientiert werden (vor allem Befähigung zur Selbsthilfe, Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und Führung eines menschenwürdigen Lebens; § 2 Abs. 1 - neu - VO).
Um beantworten zu können, ob und ggf. wie sich die geänderte Verordnung auswirkt, war auf der Ebene der Sozialhilfepraxis zu klären, wie die Abgrenzung der Gruppen von Hilfeempfängern nach § 72 BSHG bzw. die zielgruppenorientierte Hilfegewährung vor August 2001 vorgenommen wurde und wie sich dies nach dem in-Kraft-Treten der neuen Verordnung verändert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass manche Kommunen ihre Hilfepraxis bereits vor diesem Zeitpunkt im Sinne der neuen Verordnung weiterentwickelt hatten. Außerdem waren (landesspezifische) Zuständigkeitsregelungen zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern, Formen der Hilfegewährung und Kostenstrukturen zu berücksichtigen. Neben der Frage, ob sich mit der Neufassung auch der Umfang des Klientenkreises verändert hat, sind auch mögliche Kostenfolgen zu analysieren. Die begleitende Evaluation ei1 Nach der Neustrukturierung der Ressorts lag die Zuständigkeit für dieses Projekt beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. ner sich ändernden Praxis der Hilfegewährung sollte auf diese zentralen Aspekte fokussieren, musste zugleich aber Rahmenbedingungen und heterogene Einflussfaktoren in die Untersuchung einbeziehen. in der ersten Teiluntersuchung, die eine Bestandsaufnahme der Hilfepraxis vor August 2001 zum Gegenstand hatte, ist deutlich geworden:2
- - Die Klientel, die Ursachen des Hilfebedarfs und die Ansatzpunkte zu einer nachhaltigen Hilfegewährung sind in Großstädten und Landkreisen heterogen.
- - Die Zuordnung des Klientels zu Personengruppen wird auch durch unterschiedliche Landesregelungen bezüglich der ambulanten Zuständigkeit für sog. "Nichtsesshafte" beeinflusst.
- - Strittig ist die Zuständigkeit häufig bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 21 Jahren, für die auch die Jugendhilfe als Kostenträger in Betracht kommt.
- - Mehrere Sozialhilfeträger berichteten zudem von Umstrukturierungen in Konzeption und Verwaltung, die zwar unabhängig von der neuen Verordnung erfolgen, aber Auswirkungen auf die Hilfe nach § 72 BSHG haben können.
- - Die befragten Sozialhilfeträger erwarten von der Neufassung der VO zu § 72 BSHG weder eine nennenswerte Veränderung des Kreises der anspruchsberechtigten Personen noch eine Auswirkung auf die Kostenentwicklung.
Die quantitativen Ergebnisse und qualitativen Einschätzungen dieser Teiluntersuchung bildeten den Ausgangspunkt einer tiefer gehenden Untersuchung, in der quantitative Veränderungen ebenso wie veränderte Sichtweisen zu ermitteln und auszuwerten waren.
Das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. hat in einem ersten Zwischenbericht im Februar 2003 die Ergebnisse einer im Herbst 2002 durchgeführten schriftlichen Erhebung vorgelegt. Der zweite Zwischenbericht von November 2003 informierte über die Ergebnisse der Expertinnengespräche vom Sommer des selben Jahres, der Kurzbericht von November 2003 enthielt stichwortartig erste Ergebnisse der im Herbst 2003 durchgeführten schriftlichen Befragung von Sozialhilfeträgern und der nun vorliegende Endbericht führt alle Berichtsteile zu einem integrierten Gesamtbericht zusammen. im nachstehenden Bericht wird zunächst das Untersuchungskonzept erläutert, um anschließend die Ergebnisse der schriftlichen Erhebungen sowie der mündlichen Ex2 D. Engels, Vorarbeiten für einen Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der neuen VO zu § 72 BSHG, über die Kostenentwicklung und deren Ursachen - Abschlussbericht zu Teil i: Bestandsaufnahme vor dem 1. August 2001, iSG Köln, Dezember 2001 pertenbefragung zu präsentieren. Abschließend werden zentrale Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst.
2. Konzept der begleitenden Untersuchung
Der folgende Abschnitt umfasst in seinem ersten Teil Erläuterungen zum Untersuchungsziel, zu den zentralen forschungsleitenden Fragen und zur Untersuchungsmethode. im zweiten Teil werden die Erhebungen vorgestellt, die für die Evaluation der Umsetzung der neuen Durchführungsverordnung durchgeführt wurden.
- (1) Untersuchungsziel, Forschungsfragen, Untersuchungsmethode Untersuchungsziel
Ausgehend von der Bestandsaufnahme der früheren Hilfepraxis (1. Teil der Untersuchung) wurden im 2. Teil der begleitenden Untersuchung die Veränderungen hinsichtlich der Zielgruppen, der inhalte und Formen sowie der Kosten dieser Hilfen empirisch ermittelt, die sich in Folge der neuen Verordnung seit August 2001 vollzogen haben. Diese Prozessstudie, die die Effekte einer gesetzlichen Neugestaltung im Vorher-Nachher-Vergleich dokumentiert und analysiert, soll die empirischen Grundlagen für den vom Bundesrat geforderten "Bericht über die praktischen Auswirkungen der neuen Verordnung, die eingetretene Kostenentwicklung und ihre Ursachen" liefern.
Forschungsfragen
Die forschungsleitenden Fragestellungen lassen sich fünf thematischen Komplexen zuordnen, die im Folgenden erläutert werden.
1. Zuständigkeit und organisatorische Umsetzung des § 72 BSHG
Die praktische Durchführung der Hilfen einerseits und die Kostenträgerschaft andererseits sind nach Landesrecht unterschiedlich geregelt. Dabei bestehen Unterschiede hinsichtlich der Form der Hilfe (Zuständigkeit für ambulante, teilstationäre und vollstationäre Hilfen) ebenso wie hinsichtlich einzelner Zielgruppen (wie teilweise im Falle der ambulanten "Nichtsesshaftenhilfe"). Darüber hinaus werden in die Durchführung der Hilfen in unterschiedlichem Maße auch Freie Träger einbezogen, die in manchen Kommunen sogar die Durchführung vollständig übernehmen. Daraus ergaben sich folgende Fragestellungen:
- - Welche Zuständigkeit für die Umsetzung des § 72 BSHG ergibt sich aus der Regelung in § 100 BSHG? in welcher Form wird diese Zuständigkeit auf der Ebene der Länder geregelt?
- - Welche Formen der Kooperation bzw. Arbeitsteilung bestehen zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern?
- - Wie werden inhaltliche Überschneidungen oder Übergänge zwischen Hilfearten (z.B. Hilfe nach § 72 BSHG und Hilfe zum Lebensunterhalt) auf der organisatorischen Ebene geregelt?
- - in welchem Maße wird die Umsetzung der Hilfen nach § 72 BSHG durch die zuständigen Sozialhilfeträger selbst erbracht und in welchem Maße an andere Organisationen delegiert?
- - Welche Funktionen übernehmen gemeinnützige und private Träger sowie private initiativen und Selbsthilfegruppen im Rahmen der Umsetzung des § 72 BSHG, und nach welchen Konzepten arbeiten sie?
2. Zielgruppen des § 72 BSHG
Nach den Ergebnissen der Vorstudie war davon auszugehen, dass die Klientel der Hilfe nach § 72 BSHG grundsätzlich die gleiche bleiben wird wie vorher; verändert sind aber die Bezeichnungen der Zielgruppen und ihre Definition. in diesem Zusammenhang war die Hypothese zu überprüfen, dass nur ein Teil der Sozialhilfeträger seine Praxis in Reaktion auf die neue Verordnung verändert hat, während ein zweiter Teil deren neue Begrifflichkeit in seiner Praxis schon früher antizipiert hat. Es war auch denkbar, dass ein dritter Teil ungeachtet der neuen VO die gleiche Definition und Zuordnung wie zuvor beibehält. Diese Möglichkeiten waren durch die Untersuchung zu quantifizieren; darüber hinaus waren Bewertungen der Veränderungen qualitativ zu ermitteln. in diesem Kontext stellten sich die nachstehenden Fragen:
- - An welche Personengruppen richten sich derzeit Hilfeleistungen nach § 72 BSHG, und welche Veränderungen sind gegenüber der Zielgruppendefinition vor August 2001 zu beobachten?
- - Wie hoch sind jeweils die Anteile von Frauen an einzelnen Hilfeempfänger-Gruppen?
- - Anhand welcher Kriterien werden die Hilfeempfänger-Gruppen in der Praxis definiert, und wie differenziert werden diese Kriterien dokumentiert?
- - Welche quantitative Relevanz haben einzelne Gruppen von Hilfeempfängern hinsichtlich der Zahl der Hilfeempfänger und der Dauer des Hilfebezugs?
- - Wie werden auf der Ebene der Sozialhilfepraxis die Auswirkungen der neuen Verordnung eingeschätzt: Berichten die Sozialhilfeträger über nennenswerte Veränderungen hinsichtlich des Personenkreises, der Leistungen und der Kosten, oder schätzen sie die praktischen Auswirkungen eher als gering ein?
3. Leistungen nach § 72 BSHG
Formal lässt sich ein Leistungskontinuum mit zunehmender intensität beschreiben, das von reiner Geldleistung über information und Beratung bis zu intensiver Betreuung reicht. inhaltlich werden diese Leistungsformen je nach Zielgruppe (entsprechend des Hilfebedarfs; in Abgrenzung zur Jugendhilfe aber auch mit Bezug auf das Alter) unterschiedlich ausgefüllt. Dabei sollte der Zusammenhang mit der Leistungserbringung durch den Sozialhilfeträger oder durch Freie Träger unmittelbar mit berücksichtigt werden. Somit waren die folgenden Fragen zu klären:
- - Welche Arten von Leistungen werden den einzelnen Hilfegruppen gewährt? Zu welchen Anteilen handelt es sich dabei um Dienstleistungen (information, Beratung, Betreuung), zu welchen Anteilen um personenbezogene Sachleistungen oder auch Geldleistungen?
- - Wie trennscharf erfolgt die Unterscheidung zwischen diesen Leistungen und anderen Leistungen des BSHG wie z.B. Hilfen nach §§ 39 ff BSHG für (hier insbesondere: psychisch) Kranke?
- - Welche Unterscheidungen werden gegenüber anderen Leistungsgesetzen getroffen (z.B. Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz SGB Viii), und welche Schnittstellen ergeben sich hier?
- - in welcher organisatorischen Form (ambulant, teilstationär, vollstationär) werden die Hilfen nach § 72 BSHG erbracht?
4. Kosten der Leistungserbringung und Kapazitäten der Verwaltung
Die Kostenentwicklung wurde im Hinblick auf die Leistungsausgaben, auf die Verwaltungskosten (unter Berücksichtigung des Personaleinsatzes) und die fallbezogenen Kosten (Entwicklung dieser Positionen innerhalb der letzten fünf Jahre) analysiert. Diese Auswertung erfolgte differenziert nach überörtlichen und örtlichen Sozialhilfeträgern sowie bei Letzteren nach kreisfreien Städten und Landkreisen. Hierzu waren die Fragen zu beantworten:
- - Welchen Ressourceneinsatz erfordern die Hilfeleistungen nach § 72 BSHG? Lassen sich diese Angaben für einzelne Empfängergruppen differenzieren (intensität des Fachkräfteeinsatzes, Umfang der Sachmittel usw.)? Welche personenbezogenen Kosten (Fallkosten pro Jahr) lassen sich aus den erhobenen Daten errechnen?
- - Mit welchen (Leistungs-) Ausgaben ist die Hilfe verbunden, und wie haben sich diese Ausgaben in den vergangenen Jahren entwickelt (differenziert nach überörtlichen und örtlichen Sozialhilfeträgern)?
- - Mit welchem Personaleinsatz und mit welchen Verwaltungskosten insgesamt ist die Bearbeitung der Hilfen nach § 72 BSHG in der zuständigen Verwaltungseinheit verbunden (differenziert nach überörtlichen und örtlichen Sozialhilfeträgern)?
5. Zusätzliche Untersuchungsfragen
Aus der Perspektive nach dem in-Kraft-Treten der neuen Verordnung stellten sich weitere Fragen zur veränderten Gesetzgebung und Hilfepraxis:
- - Sind die Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis durch die Neufassung der Verordnung verringert worden?
- - inwieweit sind die Richtlinien der Länder auf Grund der neuen Verordnung geändert worden?
- - Ergeben sich in der Praxis Probleme im Umgang mit den unbestimmten Rechtsbegriffen der neuen Verordnung?
- - ist die mögliche Veränderung der Fallzahlen und der Kosten auf die Neufassung zurück zu führen, oder sind dafür andere Ursachen verantwortlich?
Untersuchungsmethode
Die Untersuchung verknüpfte quantitative Forschungsmethoden (zwei schriftliche Befragungen sowie eine statistische Analyse) mit qualitativen Forschungsmethoden (mündliche Befragung).
1. Statistische Analysen
Mittels statistischer Analysen auf der Basis der Sozialhilfestatistiken des Statistischen Bundesamtes und einzelner Landesämter waren seit 1995 zu analysieren:
- - die Entwicklungen der Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe in besonderen Lebenslagen und darunter von Hilfen nach § 72 BSHG (außerhalb von und in Einrichtungen)
- - die Entwicklungen der Ausgaben in diesem Bereich.
2. Schriftliche Befragungen in der schriftlichen Hauptbefragung des Jahres 2002
- ein Jahr nach der ersten Bestandsaufnahme - wurden alle quantitativen informationen über die Klientel sowie über die Gewährungspraxis der Hilfen nach § 72 BSHG für das Bezugsjahr bzw. Jahresende 2001 gewonnen. Unter anderem erfasste dieses instrument:
- - Durchführung und Kostenträgerschaft des § 72 BSHG
- - Überschneidungen und Übergänge bei der Umsetzung des § 72 BSHG
- - Formen der Leistungserbringung und Art der einbezogenen Organisationen
- - Charakteristik und Stellenwert einzelner Empfängergruppen
- - Schwerpunktmäßige Leistungsgewährung
- - Kosten der Leistungserbringung und Kapazitäten der Verwaltung
- - Veränderungen der Hilfepraxis seit August 2001.
Die schriftliche Hauptbefragung wurde als flächendeckende Erhebung bei allen 440 örtlichen und 24 überörtlichen Sozialhilfeträgern durchgeführt, um ein möglichst umfassendes Bild der Sozialhilfepraxis zu erhalten.
Im Spätsommer des Jahres 2003 wurde eine kurze Folgebefragung vorgenommen. in dieser Kurzbefragung wurden einige Kerndaten zu Hilfeempfängern, Personal und Ausgabenentwicklung im Jahr bzw. am Jahresende 2002 erhoben, um auch evt1. zeitlich verzögerte Auswirkungen der neuen Verordnung analysieren zu können. Der dabei einzusetzende Kurzfragebogen enthielt auch eine Frage zur Einschätzung der Auswirkungen aus der nunmehr zweijährigen Distanz.
3. Expertinnengespräche in den zuständigen Verwaltungsstellen
der örtlichen bzw. überörtlichen Sozialhilfeträger wurden im weiteren Verlauf der Untersuchung Gespräche mit den für die Durchführung der Hilfen befassten Mitarbeiterinnen geführt, um die Praxis, die Erfahrungen und die Veränderungen im Umstellungsprozess der Hilfen nach § 72 BSHG eingehend zu untersuchen. Anders als in der - unter erheblichem Zeitdruck stehenden - Voruntersuchung wurden dabei in verstärktem Maße auch Mitarbeiterinnen Freier Träger hinzu gezogen, um deren Perspektive insbesondere im Hinblick auf die Durchführung der Hilfe mit berücksichtigen zu können. Hierzu wurden in den Kommunen, in denen den Freien Trägern bei der Durchführung der Hilfe eine wesentliche Rolle zukommt, gemeinsame Gesprächsrunden durchgeführt. Alle Gesprächspartnerinnen hatten sowohl einen mehrjährigen Einblick in die Praxis der Hilfegewährung als auch einen Überblick über die nach § 72 BSHG gewährten Hilfen und Hilfearten.
Die Untersuchungsergebnisse basieren damit einerseits auf sog. "harten" Daten - den quantitativstatistischen Daten - als auch auf "weichen" Daten - den qualitativen Aussagen der Gesprächspartnerinnen. Die qualitativen Aussagen haben erläuternden und illustrierenden Charakter. im Untersuchungsbericht sind sie durch Formulierungen wie "aus Sicht der Gesprächspartnerinnen" oder "nach Einschätzung der Befragten" deutlich als qualitative Anmerkungen erkennbar und damit eindeutig von den quantitativen Daten unterscheidbar.
4. Begleitender informeller Beraterkreis
Vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung wurde für dieses Projekt ein informeller Beraterkreis einberufen, der den gesamten Prozess von der Planung der Untersuchung bis zur Ausarbeitung der Erhebungsinstrumente und der Erörterung der Ergebnisse begleitet hat. Diesem Beraterkreis gehörten neben Vertreterinnen der Länder die kommunalen Spitzenverbände an, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe.
(2) Erhebungen zur Evaluation der Umsetzung der neuen Verordnung
Im Folgenden wird die Datenbasis, auf die sich die Studie bezieht, vorgestellt. Es handelt sich dabei (quantitativ) um die zweimalige Befragung aller örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger in der Bundesrepublik und (qualitativ) um die Befragung von Expertinnen aus allen Bundesländern. Bei der Darstellung der Expertinnenbefragung wird insbesondere auf die Kriterien eingegangen, nach denen die Interviewpartnerinnen ausgewählt wurden.
Schriftliche Erhebung (2002)
Der Fragebogen der schriftlichen Hauptbefragung wurde - nach eingehender Erörterung im informellen Beraterkreis und einem Pretest bei vier Sozialhilfeträgern - Ende September 2002 an 440 örtliche und 24 überörtliche Sozialhilfeträger versandt.
Bis zum 15. November 2002 waren 122 Fragebögen im iSG eingegangen, dies entspricht einer Rücklaufquote von 26 % (vgl. Tabelle 1). Darunter waren 112 Fragebögen von örtlichen Sozialhilfeträgern (25 % Rücklauf), 8 Fragebögen von überörtlichen Sozialhilfeträgern (35 % Rücklauf) und 2 Fragebögen aus Stadtstaaten, die örtlicher und überörtlicher Sozialhilfeträger zugleich sind (33 % Rücklauf). Ein Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zeigt, dass der Rücklauf im Westen mit 25 % niedriger liegt als im Osten mit 31 %.
Eine Reihe von Sozialhilfeträgern hat Gründe für eine Nichtbeteiligung genannt; zum Teil wurde eine Überlastung der Mitarbeiterinnen angeführt, zum Teil bestand aber offensichtlich auch keine hinreichende Klarheit über die Unterstützung der Untersuchung durch die kommunalen Spitzenverbände. Diese waren, im informellen Beraterkreis vertreten und haben den gesamten Prozess von der Planung der Untersuchung bis zur Ausarbeitung der Erhebungsinstrumente begleitet. in dem Anschreiben, das das iSG zusammen mit den Fragebögen verschickte, wurde explizit darauf hingewiesen; dort heißt es: "Die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger und die Fachreferate der Länder sind in dem Beraterkreis, der diese Untersuchung begleitet, vertreten. Sie unterstützen die Befragung und waren an der Erstellung des Fragebogens beteiligt." Dennoch lehnten mehrere Landkreise eine Beteiligung unter Hinweis darauf ab, dass der Landkreistag ihres Bundeslandes die Erhebung nicht unterstütze bzw. über eine Unterstützung seitens des Deutschen Landkreistages nicht informiert sei.
Die durch diese Erhebung erzielten Befragungsergebnisse geben einen Trend wieder, der durch die Ergebnisse der späteren schriftlichen Erhebung (2003) in den meisten Fällen bestätigt wird. Wenn sich in einzelnen Fragestellungen eine andere Gewichtung ergibt, so wird in der Ergebnisdarstellung dieses Berichts explizit darauf verwiesen.
Tabelle 1: Rücklauf der schriftlichen Befragung 2002
Rücklauf nach Trägertyp und Bundesland (Befragung 2002) |
| | Trägertyp | | | |
Bundesland | örtlicher | überörtlicher | örtlich und überörtlich | insgesamt | Rücklauf |
SH-Träger | SH-Träger | SH-Träger | | | quote |
Baden-Württemberg | 10 | 2 | | 12 | 26% |
Bayern | 15 | 4 | | 19 | 18% |
Berlin | | --- | 2 | 2 | 33% |
Brandenburg | 5 | nicht zuständig | | 5 | 28% |
Bremen | --- | --- | --- | --- | --- |
Hamburg | --- | --- | --- | --- | --- |
Hessen | 16 | 1 | | 17 | 63% |
Mecklenburg-Vorpommern | 6 | --- | | 6 | 32% |
Niedersachsen | 8 | --- | | 8 | 17% |
Nordrhein-Westfalen | 15 | --- | | 15 | 27% |
Rheinland-Pfalz | 6 | --- | | 6 | 16% |
Saarland | 4 | --- | | 4 | 57% |
Sachsen | 9 | --- | | 9 | 30% |
Sachsen-Anhalt | 9 | 1 | | 10 | 40% |
Schleswig-Holstein | 4 | - | | 4 | 25% |
Thüringen | 5 | --- | | 5 | 21% |
Gesamt | 112 | 8 | 2 | 122 | 26% |
darunter: | | | | | |
Westdeutschland | 78 | 7 | --- | 88 | 25% |
Ostdeutschland | 34 | 1 | 2 | 26 | 31% |
Schriftliche Erhebung (2003)
im Folgejahr - Ende September 2003 - wurde der Fragebogen der zweiten und damit letzten schriftlichen Erhebung an alle 440 örtlichen Sozialhilfeträger (davon: 117 Städte und 323 Kreise) und 24 überörtlichen Sozialhilfeträger versandt.
Tabelle 2: Rücklauf der schriftlichen Befragung 2003
Rücklauf nach Trägertyp und Bundesland (Befragung 2003) |
| | Trägertyp | | | |
Bundesland | örtlicher | überörtlicher | örtlich und überörtlich | insgesamt | Rücklauf |
| SH-Träger | SH-Träger | SH-Träger | quote |
Baden-Württemberg | 6 | 2 | | 8 | 17% |
Bayern | 14 | 5 | | 19 | 18% |
Berlin | | | 3 | 3 | 25% |
Brandenburg | 2 | nicht zuständig | | 2 | 11% |
Bremen | --- | --- | --- | --- | --- |
Hamburg | --- | --- | --- | --- | --- |
Hessen | 21 | 1 | | 22 | 81% |
Mecklenburg-Vorpommern | 4 | nicht zuständig | | 4 | 21% |
Niedersachsen | 8 | 1 | | 9 | 19% |
Nordrhein-Westfalen | 16 | 1 | | 17 | 30% |
Rheinland-Pfalz | 5 | --- | | 5 | 14% |
Saarland | 2 | --- | | 2 | 29% |
Sachsen | 5 | 1 | | 6 | 20% |
Sachsen-Anhalt | 8 | 1 | | 9 | 36% |
Schleswig-Holstein | 6 | - | | 6 | 38% |
Thüringen | 1 | 1 | | 2 | 8% |
darunter: | 78 | 10 | --- | 88 | 26% |
Gesamt | | | | | |
Westdeutschland | 98 | 13 | 3 | 114 | 24% |
Ostdeutschland | 20 | 3 | 3 | 26 | 22% |
Insgesamt füllten 114 Sozialhilfeträger den Fragebogen aus; dies entspricht einer Rücklaufquote von 24 % (vgl. Tabelle 2). Darunter waren 98 Fragebögen von örtlichen Sozialhilfeträgern (22 % Rücklauf), 13 Fragebögen von überörtlichen Trägern (54 % Rücklauf) und 3 Fragebögen aus Berlin, wo die Sozialhilfeträger zugleich örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger sind. Der Rücklauf aus Westdeutschland lag mit 26 % etwas über dem Rücklauf aus Ostdeutschland von 22 %. Der Rücklauf fiel bei dieser Befragung insgesamt geringer aus als bei der Vorjahresbefragung (im Vorjahr füllten 26 % aller befragen Sozialhilfeträger einen Fragebogen aus), was damit zu begründen sein dürfte, dass sich durch die neue VO zu § 72 BSHG auch 2 Jahre nach inkrafttreten keine maßgeblichen Änderungen für die Sozialhilfeträger ergeben haben und dadurch auch die Motivation, zusätzliche Statistiken auszufüllen, zurückgegangen ist. Zudem weisen die Ergebnisse der Befragung des Jahres 2002 und die der Nachfolgebefragung des Jahres 2003 weitgehende Übereinstimmungen bei den Fragen auf, die in beiden Erhebungen gleich lautend gestellt wurden. Nur in einigen Teilbereichen sind leicht veränderte Ergebnisse feststellbar. Dies liegt vor allem daran, dass die Ergebnisse des Jahres 2003 zu gut der Hälfte auf den Angaben von Kreisen beruhen:
Von Sozialhilfeträgern der Kreise wurden 59% der Fragebögen ausgefüllt und von Sozialhilfeträgern der kreisfreien Städte 41 (Grundgesamtheit: 73 % Kreise und 27 % Städte). im Vergleich zu der Vorjahresbefragung, bei der die kreisfreien Städte einen Anteil von 36 % an den ausgefüllten Fragebögen einnahmen, liegt der aktuelle Anteil um 5 Prozentpunkte höher.
Die im vorliegenden Bericht präsentierten Befragungsergebnisse beziehen sich - soweit nicht anders vermerkt - auf die Ergebnisse des Jahres 2003 und basieren auf den Daten und Einschätzungen von rund einem Viertel aller Sozialhilfeträger.
Expertinnengespräche (2003)
Um die Praxis, die Erfahrungen und die Veränderungen im Umstellungsprozess der Hilfen nach § 72 BSHG eingehend untersuchen zu können, wurden in den zuständigen Verwaltungsstellen der örtlichen bzw. überörtlichen Sozialhilfeträger Gespräche mit den Mitarbeiterinnen geführt, die mit der Durchführung der Hilfen befasst sind. Bei der Hälfte der Gespräche wurden auch Mitarbeiterinnen Freier Träger hinzu gezogen, insbesondere dann, wenn sie in erheblichem Maße an der Durchführung der Hilfe beteiligt waren. Um zu gewährleisten, dass alle relevanten Sichtweisen angemessen repräsentiert sind, wurden beim Konzept der mündlichen Erhebung folgende Kriterien beachtet:
- - Trägerschaft: Befragung von überörtlichen und örtlichen Sozialhilfeträgern sowie von einigen Freien Trägern (soweit in ihrer Region maßgeblich in die Durchführung einbezogen)
- - Region: Befragung von Trägern in West- und Ostdeutschland sowie in norddeutschen und süddeutschen Ländern
- - Konzeption: Repräsentanz unterschiedlicher Landesregelungen
- - Siedlungstyp: höhere Gewichtung der kreisfreien Städte (2/3) gegenüber den Landkreisen (1/3) auf Grund der Problemkonzentration im städtischen Bereich.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden im Zeitraum zwischen April und August 2003 Gespräche mit insgesamt 81 Vertreterinnen von 45 Trägern geführt (Tabellen 3 und 4). Die Gespräche wurden geführt mit: 8 überörtlichen Sozialhilfeträgern, 3 sowohl örtlichen als auch überörtlichen Sozialhilfeträgern, 13 örtlichen Sozialhilfeträgern und 21 Freien Trägern. An den Gesprächen wurden Sozialhilfeträger aus allen Bundesländern beteiligt (Tabellen 5 und 6). Zwei Drittel der Gespräche fanden in kreisfreien Städten statt, ein Drittel in Landkreisen. Zwei Drittel der Gespräche wurden in den alten Bundesländern geführt; ein Drittel in den neuen Bundesländern.
Tabelle 3: Befragte Träger (2003)
Befragte Träger | |
Insgesamt | 45 Institutionen | 100,0% |
örtliche Sozialhilfeträger | 13 | 28,9% |
überörtliche Sozialhilfeträger | 8 | 17,8% |
örtlich und überörtlich Sozialhilfeträger | 3 | 6,7% |
freie Träger | 21 | 46,7% |
Die Expertinnen wurden in Form von Leitfadeninterviews geführt. im Schwerpunkt ging es darum zu erfahren, ob bedingt durch die neue VO eine Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises stattgefunden hat und ob in Folge der neuen VO Kostensteigerungen zu verzeichnen sind. Darüber hinaus wurden weiter reichende Aspekte, die mit der VO in Verbindung stehen und auf mögliche Änderungen in der Ausgestaltung und Durchführung der Hilfe schließen lassen, abgefragt. So stellt die neue Definition der einen Hilfeanspruch begründenden Anspruchsvoraussetzungen, d.h. die Abkehr von der Personengruppenbeschreibung und die Hinwendung zur lebenslagenorientierten Beschreibung, eine der beiden zentralen Änderungen dar, die mit der neuen VO verbunden sind. Die zweite wesentliche Änderung bezieht sich auf die stärkere Betonung der Steuerung durch die Sozialhilfeträger - insbesondere mit dem instrument der Gesamtplanung. Darüber hinaus erfolgt in der VO eine Klarstellung hinsichtlich des Vorrangs der persönlichen Hilfe vor Geld- und Sachleistungen und eine Priorisierung der ambulanten vor der teil- und vollstationären Hilfe. Zu diesen Aspekten wurden die Expertinnen ebenfalls befragt.
Tabelle 4: Gesprächspartnerinnen (2003)
Gesprächspartnerinnen (Personen) | |
Insgesamt | 81 Personen | 100,0% |
örtliche Sozialhilfeträger | 24 | 29,6% |
überörtliche Sozialhilfeträger | 19 | 23,5% |
örtlich und überörtlich Sozialhilfeträger | 7 | 8,6% |
freie Träger | 31 | 38,3% |
Gesprächspartnerinnen pro Gespräch | 3,7 | |
Tabelle 5: Anzahl der Gespräche (2003)
Anzahl der Gespräche mit Sozialhilfeträgern nach Bundesländern | |
Insgesamt | 24 | 100,0% |
Baden-Württemberg | 2 | 8,3% |
Bayern | 2 | 8,3% |
Berlin | 1 | 4,2% |
Brandenburg | 1 | 4,2% |
Bremen | 1 | 4,2% |
Hamburg | 1 | 4,2% |
Hessen | 1 | 4,2% |
Mecklenburg-Vorpommern | 1 | 4,2% |
Niedersachsen | 3 | 12,5% |
Nordrhein-Westfalen | 2 | 8,3% |
Rheinland-Pfalz | 2 | 8,3% |
Saarland | 1 | 4,2% |
Sachsen | 2 | 8,3% |
Sachsen-Anhalt | 2 | 8,3% |
Schleswig-Holstein | 1 | 4,2% |
Thüringen | 1 | 4,2% |
Tabelle 6: Befragte Träger nach Bundesländern (2003)
Befragte Sozialhilfeträger und freie Träger nach Bundesländern |
Bundesland | örtliche Träger | überörtliche Träger | freie Träger |
Baden-Württemberg | Stadt Mannheim | --- | --- |
| Rhein-Neckar-Kreis | | |
Bayern | Stadt Nürnberg | Bezirk Oberbayern | --- |
| | | Diakonisches Werk |
| | | Berlin-Brandenburg |
Berlin | Berlin | | Internationaler Bund |
| | | Verein Bürgerhilfe |
| | | Verein Casa Nostra |
Brandenburg | Stadt Cottbus | --- | Miteinander gGmbH |
| | | Verein Bremische |
Bremen | Bremen | | Straffälligenbetreuung |
| | | Innere Mission |
Hamburg | Hamburg | | Mog wat e.V. (Arbeiterwohlfahrt) |
Hessen | --- | Landeswohlfahrtsverband Hessen | --- |
Mecklenburg-Vorpommern | Stadt Neubrandenburg | --- | Arbeiter-Samariter-Bund |
| Stadt Hannover | Niedersächsisches | |
Niedersachsen | Region Hannover | Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit | --- |
Nordrhein Westfalen | Stadt Köln | Landschaftsverband Rheinland | Sozialdienst Katholischer Männer Sozialdienst Katholischer Frauen |
Rheinland-Pfalz | Stadt Mainz | Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung | --- |
Saarland | Landkreis Saarlouis | --- | --- |
Sachsen | Stadt Leipzig | Landeswohlfahrtsverband Sachsen | Quelle e.V. Blaues Kreuz, Diakonie Caritasverband Suchtzentrum |
Sachsen Anhalt | Stadt Halle | Landesamt für Versorgung und Soziales | Der Paritätische Caritasverband Evangelische Stadtmission Verein für Rehabilitierung Behinderter |
Schleswig Holstein | --- | Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz | Diakonisches Werk Schleswig-Holstein, Landesverband der Inneren Mission e.V. |
Thüringen | Krels Sonneberg | --- | Beschäftigungsträger R.O.S.A. (Recycling organischer Substanzen) |
3. Umsetzung der DVO zu § 72 BSHG:
Ergebnisse der Evaluation im nachfolgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung in integrierter Form präsentiert, d.h. die Ergebnisse der statistischen Analyse und der beiden schriftlichen Erhebungen (2002, 2003) werden in Verbindung mit den Ergebnissen der Expertinnengespräche (ebenfalls aus dem Jahr 2003) dargestellt.
Sofern Ergebnisse der Expertinnengespräche einfließen, werden diese in eingerückter Form und kursiv formatiert dargestellt.
Bei den beiden schriftlichen Befragungen der Sozialhilfeträger wurden teilweise gleichlautende Fragen gestellt; in diesem Fall werden die jeweils letzten Ergebnisse kommentiert - es sei denn, es ergeben sich signifikante Abweichungen oder Entwicklungen. Grundsätzlich wird bei jeder Ergebniskommentierung deutlich, aus welchem Jahr die analysierten Daten stammen.
3.1 Empfänger der Hilfe nach § 72 BSHG
(1) Die Hilfe nach § 72 BSHG im Spiegel der amtlichen Statistik
Die Sozialhilfestatistik vermittelt in ihrer Unterscheidung nach Hilfen außerhalb von und in Einrichtungen nur einen ersten und recht allgemeinen Eindruck von der Praxis der Hilfe nach § 72 BSHG (Tabelle 7).
Entwicklung der Ausgaben 1995 - 2002
Die Ausgaben für die Hilfe nach § 72 BSHG zeigen einen schwankenden Verlauf: Sie sind von 230,5 Mio. € im Jahr 1995 zunächst auf unter 220 Mio. € zurückgegangen, erreichten dann 1998 ein Volumen von 245 Mio. €, um dann in den beiden Folgejahren wieder unter diesen Wert zu fallen. Mit 254,5 Mio. € wurde im Jahr 2002 das bisher höchste Ausgabenvolumen erreicht. Dieses Ergebnis klingt allerdings weniger dramatisch, wenn man bedenkt, dass die Ausgaben seit dem Jahr 1995 nur um 10 % gestiegen sind, was im Vergleich zur Ausgabenentwicklung in anderen Bereichen der Sozialhilfe eher unbedeutend erscheint.
Die Ausgaben für die ambulante Hilfeform haben seit dem Ende der 1990er Jahre stärker zugenommen und liegen in 2002 um 54 % über dem Wert von 1995, während die Ausgaben der vollstationären und teilstationären Hilfe im gesamten hier betrachteten Zeitraum unter dem Betrag des Jahres 1995 liegen, erst im Jahr 2002 haben sie diesen fast wieder erreicht. Diese Entwicklung beeinflusst die Gesamtausgaben stärker als die des ambulanten Bereichs, da die Ausgaben im vollstationären und teilstationären Bereich in etwa auf dem dreifachen Niveau liegen wie diese.
Im Zeitraum zwischen 2000 und 2002, in dem die neue VO zu § 72 BSHG in Kraft getreten ist, sind die Bruttoausgaben der Sozialhilfe für diese Hilfeart um jährlich 4 % gestiegen. Diese Steigerung fällt etwas geringer aus als die Ausgabenentwicklung für die Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt.
Tabelle 7: Sozialhilfestatistik 1995 - 2002
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§ 72 BSHG) Sozialhilfestatistik Deutschland 1995 - 2002 |
| Ausgaben pro Jahr in 1.000 € | Hilfeempfänger am Jahresende |
Jahr | außerhalb von Einrichtungen | in Einrichtungen | insgesamt | außerhalb von Einrichtungen | in Einrichtungen | insgesamt |
1995 | 45.086 | 185.457 | 230.543 | 2.602 | 6.049 | 8.651 |
1996 | 45.568 | 171.661 | 217.228 | 2.471 | 5.472 | 7.943 |
1997 | 43.968 | 173.494 | 217.462 | 2.070 | 5.450 | 7.520 |
1998 | 60.493 | 184.467 | 244.961 | 2.471 | 5.602 | 8.073 |
1999 | 56.930 | 141.007 | 197.937 | 2.433 | 5.112 | 7.545 |
2000 | 62.543 | 173.752 | 236.296 | 1.788 | 5.784 | 7.572 |
2001 | 66.646 | 178.977 | 245.623 | 1.783 | 5.227 | 7.010 |
2002 | 69.326 | 185.226 | 254.552 | 1.890 | 6.014 | 7.904 |
| Index: 1995 = 100 |
1995 | 100,0 | 100,0 | 100,0 | 100,0 | 100,0 | 100,0 |
1996 | 101,1 | 92,6 | 94,2 | 95,0 | 90,5 | 91,8 |
1997 | 97,5 | 93,5 | 94,3 | 79,6 | 90,1 | 86,9 |
1998 | 134,2 | 99,5 | 106,3 | 95,0 | 92,6 | 93,3 |
1999 | 126,3 | 76,0 | 85,9 | 93,5 | 84,5 | 87,2 |
2000 | 138,7 | 93,7 | 102,5 | 68,7 | 95,6 | 87,5 |
2001 | 147,8 | 96,5 | 106,5 | 68,5 | 86,4 | 81,0 |
2002 | 153,8 | 99,9 | 110,4 | 72,6 | 99,4 | 91,4 |
| jährliche Veränderung |
1995 | 19% | -6% | -2% | 17% | 22% | 20% |
1996 | 1% | -7% | -6% | -5% | -10% | -8% |
1997 | -4% | 1% | 0% | -16% | 0% | -5% |
1998 | 38% | 6% | 13% | 19% | 3% | 7% |
1999 | -6% | -24% | -19% | -2% | -9% | -7% |
2000 | 10% | 23% | 19% | -270/o | 13% | 0% |
2001 | 7% | 3% | 40h | 0% | -10% | -7% |
2002 | 4% | 3% | 4% | 6% | 15% | 13% |
00-02 | 5,4% | 3,3% | 3,9% | 2,9% | 2,0% | 2,2% |
Quelle: Statistisches Bundesamt 1995 - 2002; Berechnungen des ISG
Entwicklung der Empfängerzahlen 1995 - 2002
Betrachtet man die von der Statistik ausgewiesenen Empfängerzahlen, so wird auf den ersten Blick deutlich, dass hier von einer Untererfassung, insbesondere im ambulanten Bereich, auszugehen ist: insgesamt 7.904 Hilfeempfänger weist die Sozialhilfestatistik für das Jahresende 2002 aus, davon 1.890 außerhalb von und 6.014 in Einrichtungen. Eine Hochrechnung der Angaben der örtlichen Sozialhilfeträger, die sich an unserer Befragung beteiligten, ergibt dagegen eine Gesamtzahl von rd. 53.000 Empfängern in Deutschland, davon rd. 33.000 Personen außerhalb von und rd. 20.000 Personen in Einrichtungen.
Die hier verwendeten Stichtagszahlen zum Jahresende vermitteln eher einen Eindruck von der Situation im Jahresdurchschnitt als die Jahresgesamtzahlen, die angesichts der hohen Fluktuation in diesem Bereich wenig aussagekräftig wären. Die Analyse der Zeitreihe ergibt, dass die Zahl der Hilfeempfänger über mehrere Jahre eine weitgehende Konstanz aufweist. im vollstationären und teilstationären Bereich war die Zahl der Hilfeempfänger bis 1999 gut doppelt so hoch wie im Bereich der ambulanten Hilfen, seither sogar dreimal so hoch; dies könnte durch einen Ausbau teilstationärer Angebote begründet sein.
Auch bezüglich der Hilfeempfänger ergibt die Analyse der Entwicklung von 2000 bis 2002 einen nur moderaten Zuwachs: die jährliche Steigerungsrate von 2,9 % in der ambulanten und von 2 % in der vollstationären Hilfe liegt auf dem gleichen Niveau wie die Entwicklung der Empfängerzahlen in der Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt (jährlicher Zuwachs von 2 %).
Entwicklung der Ausgaben pro Empfänger 1995 - 2002
Ein Indikator, der die Entwicklung der Ausgaben und der Empfängerzahlen zusammenfasst, sind die jährlichen Fallkosten, oder hier genauer: der Bruttoausgaben pro Empfänger. Diese bewegen sich im beobachteten Zeitraum zwischen rd. 26.600 und rd. 35.000 €. in der vollstationären Hilfe liegen sie im Jahr 2002 auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 1995, in der ambulanten Hilfe um rd. 12 % höher.
Die Fallkostenentwicklung der Hilfe außerhalb von Einrichtungen ergibt allerdings für die Jahre 2000 bis 2002 unplausible Werte, die dadurch zustand gekommen sein können, dass zwar die Ausgaben weitgehend, die Empfänger aber unzureichend erfasst worden sind (Tabelle 8).
Tabelle 8: Fallkosten der Hilfe nach e 72 BSHG
Fallkosten der Hilfe nach § 72 BSHG € pro Empfänger pro Jahr |
Jahr | außerhalb von Einrichtungen | in Einrichtungen | insgesamt |
1995 | 17.328 | 30.659 | 26.649 |
1996 | 18.441 | 31.371 | 27.348 |
1997 | 21.240 | 31.834 | 28.918 |
1998 | 24.481 | 32.929 | 30.343 |
1999 | 23.399 | 27.583 | 26.234 |
2000 | 34.979 | 30.040 | 31.206 |
2001 | 37.379 | 34.241 | 35.039 |
2002 | 36.681 | 30.799 | 32.205 |
| Index: 1995 = 100 |
1995 | 100,0 | 100,0 | 100,0 |
1996 | 106,4 | 102,3 | 102,6 |
1997 | 122,6 | 103,8 | 108,5 |
1998 | 141,3 | 107,4 | 113,9 |
1999 | 135,0 | 90,0 | 98,4 |
2000 | 201,9 | 98,0 | 117,1 |
2001 | 215,7 | 111,7 | 131,5 |
2002 | 211,7 | 100,5 | 120,8 |
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des iSG
Relation von Empfängerinnen und Empfängern
Trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeit kann im Rahmen der statistischen Analyse schließlich noch der Frage nachgegangen werden, ob sich in den letzten Jahren die Relation zwischen Frauen und Männern verändert hat. Vergleicht man dazu die Empfängerzahlen der Jahre 1998, 2000 und 2002, so spricht alles dafür, dass der Frauenanteil in diesem Bereich relativ konstant zwischen 13 % und 15 % liegt, die männlichen Hilfeempfänger machen dementsprechend einen Anteil zwischen 85 % und 87 % aus.
Tabelle 9: Geschlecht der Empfänger von Hilfe nach § 72 BSHG
Geschlecht der Hilfeempfänger |
Jahr | 1998 | 2000 | 2002 |
Empfänger insgesamt | 8.073 | 7.572 | 7.904 |
darunter: | | |
Männer | 6.898 | 6.526 | 6.744 |
Frauen | 1.175 | 1.046 | 1.160 |
Frauenanteil | 14,6% | 13,8% | 14,7% |
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des iSG insgesamt führt die Analyse der Sozialhilfestatistik zu dem Ergebnis,
- - dass die Hilfen nach § 72 BSHG, zumindest was die Empfängerzahlen betrifft, auf eine unvollständige Erfassung hindeuten;
- - dass, unter Berücksichtigung dieser Einschränkung, festgehalten werden kann, dass die Daten der amtlichen Statistik weder eine Ausgabensteigerung, noch einen Zuwachs an Hilfeempfängern erkennen lassen, die mit dem Zeitpunkt der Einführung der neuen VO in Zusammenhang stehen könnte.
(2) Anzahl und Quote der Hilfeempfänger
Die Anzahl der Empfänger von Sozialhilfe und darunter von Hilfe nach § 72 BSHG wurde auch in den schriftlichen Befragungen erhoben. Zunächst wurden einige zentrale Eckdaten zu den Sozialhilfeträgern und ihren Hilfeleistungen erhoben. in der Unterscheidung nach örtlichen Sozialhilfeträgern und überörtlichen Sozialhilfeträgern (sowie den Sozialhilfeträgern aus Berlin und Hamburg, für die diese Trennung nicht zutrifft) ergibt sich folgendes Bild:
Die Sozialhilfeträger, die sich an der Befragung beteiligten, haben einen durchschnittlichen Zuständigkeitsbereich von rd. 187.000 Einwohnern (örtliche Träger) bzw. rd. 4 Mio. Einwohnern (überörtliche Träger). Die örtlichen Sozialhilfeträger berichten über durchschnittlich 7.300 Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt (34,8 je 1.000 Einwohner) und 1.900 Empfänger der Hilfe in besonderen Lebenslagen (10,5 je 1.000 Einwohner). Sehr niedrig, erscheinen im Vergleich dazu die Quoten der Empfänger von Hilfen nach § 72 BSHG mit 0,64 je 1.000 Einwohner bei den örtlichen Trägern (0,40 je 1.000 Einwohner ambulante Hilfe und 0,24 je 1.000 Einwohner vollstationäre Hilfe) und mit 0,18 je 1.000 Einwohner bei den überörtlichen Trägern. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ergibt dies rd. 53.000 Empfänger von Hilfen nach § 72 BSHG, davon rd. 33.000 außerhalb und rd. 20.000 innerhalb von Einrichtungen.3 Diese Zahl liegt deutlich über der in der amtlichen Statistik ausgewiesenen Zah1.
Im Vergleich zur Vorjahresbefragung weisen die Sozialhilfequoten bei den örtlichen Trägern nahezu identische Werte aus (0,64 Empfänger von Hilfe nach § 72 BSHG je 1.000 Einwohner im Jahr 2003 im Vergleich zu 0,61 im Jahr 2002) bei den überörtlichen Trägern etwas niedrigere Werte (0,18 Empfänger im Vergleich zu 0,25).
Tabelle 10: Durchschnittliche Anzahl und Quote der Hilfeempfänger (2003)
Anzahl und Quote der Hilfeempfänger |
| örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | örtl./überörtl. SH-Träger | insgesamt |
Anzahl Sozialhilfeträger: | 98 | 13 | 3 | 114 |
Einwohner im Zuständigkeitsbereich | 187.332 | 3.986.739 | 252.185 | 630.072 |
Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt | 7.305 | --- | 13.411 | 9.128 |
Hilfe in besonderen Lebenslagen | 1.927 | 21.061 | 3.395 | 3.917 |
darunter: |
Hilfe nach § 72 BSHG gesamt | 121 | 704 | 277 | 196 |
darunter: |
außerhalb von Einrichtungen | 75 | 380 | 44 | 111 |
in Einrichtungen | 44 | 315 | 233 | 83 |
Quote je 1.000 Einwohner |
Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt | 34,80 | --- | 53,25 | 14,49 |
Hilfe in besonderen Lebenslagen | 10,48 | 5,28 | 13,46 | 6,22 |
darunter: |
Hilfe nach § 72 BSHG gesamt | 0,64 | 0,18 | 1,10 | 0,31 |
darunter: |
außerhalb von Einrichtungen | 0,40 | 0,10 | 0,18 | 0,18 |
in Einrichtungen | 0,24 | 0,08 | 0,92 | 0,13 |
Quelle: Angaben der befragten Sozialhilfeträger; Berechnungen des ISG
(3) Zielgruppen der Hilfe
Ein grundlegendes Problem der vergleichenden Untersuchung bestand darin, dass quantitative Veränderungen der Empfängergruppe untersucht werden sollten, während gleichzeitig die Bezeichnung der Empfängergruppe in der Differenzierung nach
3 vgl. dazu die Ausführungen im Abschnitt 3.1 (1): Die Hilfe nach § 72 BSHG im Spiegel der amtlichen Statistik. einzelnen Zielgruppen der Hilfe durch die neue Verordnung verändert wurde. Um dieses Problem lösen zu können, wurde diese Veränderung gleich zu Beginn der Befragung (2002) thematisiert: Die Befragten wurden gebeten, die Zielgruppen der Hilfe, nun definiert einerseits durch deren "besondere Lebensverhältnisse" (vgl. VO zu § 72 BSHG, § 1 Abs. 2) und andererseits durch "soziale Schwierigkeiten" (vgl. VO zu § 72 BSHG, § 1 Abs. 3), nach ihrer quantitativen Bedeutung zu gewichten und jeweils anzugeben, welche Bezeichnung nach der Begrifflichkeit der früheren Verordnung gewählt worden wäre.
Zur Begriffsklärung
Besondere Lebensverhältnisse in Verbindung mit sozialen Schwierigkeiten
Ein Bedarf an Hilfe nach § 72 BSHG ist gegeben, wenn mehrere problematische Aspekte zu "besonderen sozialen Schwierigkeiten" kulminieren und wenn auf Grund dieser Komplexität der Problemlage vorrangige Hilfen nicht ausreichen. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG leben Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, "wenn besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordert."
Diese Bestimmung ist mehrstufig: Objektiv vorliegende, belastete Lebensverhältnisse, die sonst häufig durch eine besondere Anstrengung der Betroffenen und ihres sozialen Umfelds überwindbar wären, erweisen sich hier als besonders hartnäckig, weil auf Grund sozialer Schwierigkeiten weder Unterstützungsmöglichkeiten im sozialen Umfeld noch die eigene subjektive Handlungsfähigkeit der Betroffenen ausreichen; deshalb bedürfen diese bei dem Versuch der Überwindung einer besonderen Hilfe.
Besondere Lebensverhältnisse
Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG bestehen besondere Lebensverhältnisse "bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen".
Der Bezug zur Wohnungslosigkeit steht in dieser Definition nicht zufällig an erster Stelle, da die Klienten zum großen Teil hierunter leiden. Neben den explizit genannten können aber auch weitere, "vergleichbare" nachteilige Umstände die besonderen Lebensverhältnisse charakterisieren.
Auf Anregung einiger Sozialhilfeträger im Pretest des eingesetzten Befragungsinstrumentes wurden insbesondere die durch "Migration" und durch "Trennung/ Scheidung" charakterisierten Lebensverhältnisse genannt, die hier weiterhin eine Rolle spielen. Zu beachten ist aber immer, dass nicht eines dieser Merkmale allein schon einen Hilfebedarf nach § 72 BSHG begründet, sondern dass damit nur einzelne Aspekte einer insgesamt schwierigen Lebenslage genannt werden.
Soziale Schwierigkeiten
"Soziale Schwierigkeiten" liegen nach § 1 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG dann vor, "wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit".
Auch hier werden einige zentrale Merkmale genannt, die aber nicht im Sinne einer vollständigen Aufzählung zu verstehen sind. im Zuge der Erstellung des Befragungsinstrumentes wurden als weitere soziale Schwierigkeiten "Überschuldung", "Suchtprobleme" sowie "gesundheitliche" und "psychische Beeinträchtigungen" genannt. im Unterschied zu den objektiv vorliegenden "Lebensverhältnissen" stehen hier die Beeinträchtigungen der subjektiven Handlungsfähigkeit und mangelnde Unterstützungsressourcen im sozialen Umfeld im Vordergrund. Die genannten Merkmale sind daher nicht als Situationsbeschreibung, sondern als Merkmale individuellen und sozialen Handelns innerhalb dieser Situation zu verstehen. Der Akzent liegt hier beispielsweise nicht auf der Situation der Wohnungslosigkeit, sondern auf den in der Person des Klienten oder in seinem Verhalten liegenden Schwierigkeiten, die das Bemühen um Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung immer wieder scheitern lassen.
Die folgende Tabelle (Tabelle 11) gibt zunächst Auskunft über das relative Gewicht der einzelnen Zielgruppen, d.h. über den Anteil einzelner Zielgruppen an der Gesamtheit aller Personen, die Hilfe nach § 72 BSHG beziehen.
Die Komplexität der Belastungen von Personen, die Hilfe nach § 72 BSHG benötigen, kommt darin zum Ausdruck, dass in der Regel mehrere Belastungen im Einzelfall zusammentreffen. Methodisch wurde dies dadurch berücksichtigt, dass bei der Beantwortung Mehrfachnennungen zugelassen wurden. im Ergebnis werden daher relative Gewichtungen deutlich, in denen sich die Einschätzungen von 159 Sozialhilfeträgern widerspiegeln.
Demnach sind (2002 und 2003) die wichtigsten Zielgruppen durch fehlende oder nicht ausreichende Wohnung und/ oder durch eine ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage belastet.
Tabelle 11: Zielgruppen und besondere Lebensverhältnisse (2003)
Zielgruppen der Hilfe nach Lebensverhältnis durchschnittlich geschätzte Anzahl bzw. Anteil in Prozent (Mehrfachnennung möglich) |
besondere | örtlicher SHT | überörtlicher SHT | ört1./überort1. SHT | insgesamt |
Lebensverhältnisse | Anzahl | Frauenanteil | Anzahl | Frauenanteil | Anzahl | Frauenanteil, | Anzahl | Frauenanteil |
fehlende oder nicht ausreichende Wohnung | 64 | 12% | 459 | 17% | 129 | 11% | 108 | 14% |
ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage | 56 | 13% | 373 | 13% | 14 | 14% | 89 | 13% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 9 | 26% | 105 | 75% | --- | --- | 19 | 55% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 14 | 8% | 65 | 8% | 7 | --- | 19 | 8% |
Migration | 2 | 11% | 13 | 12% | 1 | --- | 3 | 11% |
Trennung / Scheidung | 16 | 20% | 292 | 12% | --- | --- | 45 | 14% |
andere nachteilige Umstände | 8 | 22% | 28 | 5% | 29 | 14% | 11 | 17% |
Gesamt | 14% | 19% | 11% | 16% |
Je nach Trägerart ergeben sich in der Rangfolge der relevanten Lebenslagen und Benachteiligungen nur auf den Rängen 4 und 5 unterschiedliche Gewichtungsprofile, und zwar ...
- für örtliche Sozialhilfeträger:
1. fehlende oder nicht ausreichende Wohnung
2. ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage
3. Trennung/ Scheidung
4. Entlassung aus geschlossener Einrichtung
5. gewaltgeprägte Lebensumstände
6. "andere nachteilige Umstände" (z.B. Sucht)
- für überörtliche Sozialhilfeträger:
1. fehlende oder nicht ausreichende Wohnung
2. ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage
3. Trennung/ Scheidung
4. gewaltgeprägte Lebensumstände
5. Entlassung aus geschlossener Einrichtung
6. "andere nachteilige Umstände" (z.B. Sucht)
Für jede Zielgruppe wurde weiterhin gefragt, wie hoch der Frauenanteil an dieser Personengruppe ist. insgesamt machen Frauen 16 % der gesamten Klientel aus (örtliche Träger 14 %, überörtliche Träger 19 %). Dabei sind Frauen von den im Einzelnen aufgeführten Lebensverhältnissen in sehr unterschiedlichem Maße betroffen: Am höchsten ist ihr Anteil im Bereich "gewaltgeprägte Lebensumstände", dieses Merkmal trifft zu 55 % auf Frauen zu. in den anderen Bereichen liegt der Frauenanteil zwischen 8 und 17 % (17 % bei "anderen nachteiligen Umständen", insbesondere Krankheit/ Suchtkrankheit).
Gerade im Bereich der Wohnungslosigkeit machen die Träger aber immer wieder auf die "verdeckte" Wohnungslosigkeit von Frauen aufmerksam, die darauf beruht, dass wohnungslose Frauen zunächst bei Bekannten Unterschlupf suchen und sich erst dann an das Sozialamt wenden, wenn auch in dieser Situation größere Konflikte auftreten.
Diese Daten korrespondieren mit den Expertinnenaussagen aus den Interviews, wonach einerseits der Frauenanteil an den Hilfeempfängern nach § 72 BSHG nicht steigt, und Frauen andererseits im Bedarfsfall zunächst einmal die Hilfeangebote von Frauenhäusern nutzen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass Frauen andere "Unterschlupf- und Überlebensmöglichkeiten" (Unterkunft bei Bekannten; Prostitution) für sich realisieren würden als Männer und dass Männer ohne ausreichenden Wohnraum eher auffällig würden und eher den Weg zu einer Hilfeinstanz finden würden als Frauen.
Vergleicht man die Beschreibung, die auf der Grundlage der neuen Verordnung erfolgte, mit den früheren Bezeichnungen, so treten weitgehende Übereinstimmungen bei den Lebenssituationen "fehlende oder nicht ausreichende Wohnung" sowie "Entlassung aus geschlossener Einrichtung" auf, jeweils rd. 90 % dieses Personenkreises wären nach der früheren Begrifflichkeit ebenso eindeutig zu den "Personen ohne ausreichende Unterkunft" bzw. "aus Freiheitsentziehung Entlassenen" zugeordnet worden (vgl. die fett markierten Prozentanteile in Tabelle 12).
Der Zugewinn an deskriptiver Genauigkeit durch die neue Verordnung wird bei weiteren Lebensverhältnissen deutlich: Die von Trennung/ Scheidung betroffenen Personen wären vorher überwiegend (zu rd. 80 %) der Hauptkategorie "Personen ohne Unterkunft" zugeordnet worden. Auch Klienten mit "ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage" wären bei der früheren Kategorisierung als "Nichtsesshafte" (zu 65 %) oder "Personen ohne Unterkunft" (zu rd. 60 %) weniger differenziert beschrieben worden.4
4 in diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Beschreibungen wie "Migration" oder "Trennung/ Scheidung" selbstverständlich nicht jeweils für sich bereits eine Hilfe nach § 72 BSHG erfordern, sondern als besondere Merkmale zur Beschreibung einer komplexen Problemsituation dienen, wobei eine fehlende oder nicht ausreichende Wohnung in vielen Fällen das Grundproblem darstellt.
Personengruppen, die in "sonstigen nachteiligen Umständen" leben, wären auch zuvor überwiegend der Kategorie "Sonstige" zugeordnet worden, wobei früher wie heute hierunter insbesondere eine (Sucht-) Krankheit verstanden wird. Die Situation von Migranten wäre anhand der früheren Begrifflichkeit vorwiegend mit "fehlender Unterkunft" (68 %) und "Sonstige" (48 %) beschrieben worden. Auch zur Charakterisierung der Personen, die in gewaltgeprägten Lebensverhältnissen leben, wäre diese Restkategorie (ebenso wie "verhaltensgestörte junge Menschen") zur Systematisierung herangezogen worden.
Tabelle 12: Frühere und aktuelle Bezeichnung (2002)
Frühere und aktuelle Bezeichnung der Zielgruppen (in Prozent; Mehrfachnennung möglich) |
aktuelle Bezeichnung | frühere Bezeichnung |
| ohne Unterkunft | Landfahrer | Nicht- Sesshafte | Strafentlassene | verhaltensgestörte jM | Sonstige |
fehlende oder nicht ausreichende Wohnung | 87% | 18% | 73% | 50% | 31% | 21% |
ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage | 61% | 16% | 65% | 51% | 38% | 43% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 43% | 1% | 34% | 41% | 50% | 47% |
Entlassung aus geschlossener Einrichtung | 44% | | 18% | 88% | 33% | 25% |
Migration | 68% | 10% | 42% | 32% | 29% | 48% |
Trennung/ Scheidung | 78% | 2% | 33% | 21% | 11% | 63% |
andere nachteilige Umstände | 48% | 9% | 23% | 29% | 41% | 75% |
Beispiel: Klienten, deren wirtschaftliche Lebensgrundlage ungesichert ist, wären nach der früheren Kategorisierung von 65 % der Sozialhilfeträger als "Nichtsesshafte" bezeichnet worden, von 59 % der Sozialhilfeträger (evt1. zusätzlich) als "Personen ohne Unterkunft", von 36 % der Sozialhilfeträger (evt1. zusätzlich) als "verhaltensgestörte junge Menschen" usw.
Bei den Expertinnengesprächen (2003) wurden die Interviewpartnerinnen danach gefragt, ob die neuen Definitionen der VO (besondere Lebensumstände, soziale Schwierigkeiten) sich eher als vorteilhaft oder als nachteilig erweisen. Die größte Gruppe bildeten die Befragten, die angaben, dass die neuen Definitionen für sie weder vorteilhaft noch nachteilig seien. Begründet wurde dies damit, dass (intern) schon seit einigen Jahren mit lebenslageorientierten Definitionen gearbeitet werde und dass es daher keine große Neuerung darstelle, diese Definitionen nun auch in der VO wieder zu finden.
Wenn die neuen Begrifflichkeiten als vorteilhaft bewertet wurden, dann vor allem deshalb, weil sie nach Einschätzung der Befragten sowohl ihre eigene Arbeit besser abbildeten und absicherten als auch der Situation der Klienten eher entsprechen würden.
Die Wenigen, die die neuen Definitionen als nachteilig empfanden, begründeten dies mit der größeren Interpretationsfähigkeit der Begrifflichkeiten - damit, dass man sich nun mehr Mühe geben müsse, den Hilfebedarf zu begründen.5
Unabhängig von der neuen VO scheint ein Begriff noch klärungsbedürftig zu sein: der Begriff der "nachgehenden Hilfe". Die nachgehende Hilfe nach dem Verständnis des § 6 BSHG kommt für den Personenkreis des § 72 BSHG nur dann in Betracht, wenn der Wiedereintritt besonderer sozialer Schwierigkeiten droht. Der Begriff der nachgehenden Hilfe findet hier also nicht in dem Sinne Verwendung, wie er im Bereich der Wohnungslosenhilfe üblich ist, d.h. als ambulante Hilfe im Anschluss an vollstationäre Maßnahmen.6
(4) Durchschnittliches Alter und Hilfebedarf dieser Zielgruppen
Örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger erbringen ihre Hilfeleistungen für eine teilweise unterschiedlich strukturierte Klientel, was sich beispielsweise anhand der Indikatoren des Durchschnittsalters und der Dauer des Hilfebedarfs aufzeigen lässt. Eher jünger sind die Klienten, die von Migration betroffen sind (Durchschnittsalter 33 Jahre bei den örtlichen und 36 Jahre bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern), dies gilt in ähnlicher Weise für Personen, die in gewaltgeprägten Verhältnissen leben (Durchschnittsalter 35 Jahre bei den örtlichen und 33 Jahre bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern; vgl. Tabelle 10). Etwas älter sind im Durchschnitt die Strafentlassenen (örtliche SHT: 35 Jahre, überörtliche SHT: 38 Jahre) sowie die von Trennung/ Scheidung oder (Sucht-) Krankheit Betroffenen (örtliche SHT: 39 Jahre, überörtliche SHT: 36 bzw. 38 Jahre), deutlich älter die Klienten ohne gesicherte
5 Von Seiten der Fachöffentlichkeit wird wiederholt begrüßt, dass die neuen Definitionen "besondere Lebensverhältnisse" und "soziale Schwierigkeiten" nun objektivierbare Begriffe seien. vgl. hierzu stellvertretend: Falk Roscher, 003/2002: Die neue Rechtsverordnung zu § 72 BSHG - eine kritische Analyse, in: http://Verlagsozialehilfe.de/publi/ w1.phtml
6 siehe dazu: Johannes Lippert: Die rechtliche Entwicklung der Hilfe nach § 72 BSHG. Überlegungen auf der Grundlage der Verordnung vom 24. Januar 2001, in: http://www.rollyman-hp.de wirtschaftliche Lebensgrundlage bzw. ohne ausreichende Wohnung, deren Durchschnittsalter bei 40 Jahren (örtliche Träger) oder höher (überörtliche Träger) liegt.
Tabelle 13: Durchschnittliches Alter (2002)
Durchschnittliches Alter der Zielgruppen |
| Klienten örtlicher Träger | Klienten überörtlicher Träger |
Zielgruppe | ca. von ... bis ... Jahre | Durchschnitt | ca. von ... bis ... Jahre | Durchschnitt |
fehlende oder nicht ausreichende Wohnung | 24 | 56 | 40 | 25 | 60 | 42 |
ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage | 24 | 55 | 40 | 25 | 56 | 41 |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 23 | 47 | 35 | 23 | 43 | 33 |
Entlassung aus geschlossener Einrichtung | 23 | 47 | 35 | 24 | 53 | 38 |
Migration | 21 | 45 | 33 | 31 | 42 | 36 |
Trennung/ Scheidung | 28 | 50 | 39 | 27 | 45 | 36 |
andere nachteilige Umstände | 29 | 50 | 39 | 21 | 55 | 38 |
Gesamt | 25 | 50 | 37 | 25 | 50 | 38 |
(5) Durchschnittliche Dauer des Hilfebedarfs
Was die Dauer des Hilfebedarfs betrifft, so benötigen 46 % der Klienten der örtlichen und 40 % der Klienten der überörtlichen Sozialhilfeträger eine zeitlich intensive Hilfe von mehr als neun Monaten; nur bei einem Fünftel wird der Hilfebedarf auf weniger als drei Monate geschätzt (Tabelle 14).
Die diesbezüglichen Einschätzungen der befragten Sozialhilfeträger variieren nur geringfügig je nach Zielgruppe: Die örtlichen Sozialhilfeträger schätzen die erforderliche Hilfedauer von Migranten und Personen in gewaltgeprägten Lebensverhältnissen etwas niedriger ein als im Durchschnitt, während zu hohen Anteilen Personen ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage (zu 49 %) und vor allem Personen in "anderen nachteiligen Lebensumständen (zu 60 %) länger als 9 Monate Hilfe benötigen.
Aus Sicht der überörtlichen Sozialhilfeträger weisen vor allem Strafentlassene (zu 61 %) und Personen in gewaltgeprägten Lebensverhältnissen einen lange andauernden Hilfebedarf auf (Tabelle 14). in der Vorstudie wurde die zeitliche Dauer des Hilfebedarfs insgesamt niedriger eingeschätzt (37% unter 3 Monaten, nur 36% über 9 Monate). Die Tendenzen hinsichtlich der Zielgruppen stimmen - soweit vergleichbar - in etwa überein mit Ausnahme der aus einer geschlossenen Einrichtung entlassenen Klienten, die nach der aktuellen Einschätzung für einen relativ langen Zeitraum der Hilfe bedürfen, während in der Befragung des Jahres 2001 die (sich weitgehend damit überschneidende) Gruppe der Haftentlassenen als diejenige mit dem zeitlich geringsten Hilfebedarf eingeschätzt worden war. Als mögliche Ursache für den längeren Hilfebedarf wurde von den Sozialhilfeträgern mehrfach der komplexe Hilfebedarf der allein stehenden Klienten genannt, die mit vielfältigen Problemen konfrontiert seien, was teilweise auch die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers erfordere. Diese Entwicklung stehe allerdings nicht in Zusammenhang mit der neuen VO.
Tabelle 14: Dauer des Hilfebedarfs (2002)
Hilfebedarf der Zielgruppen nach geschätzter Dauer |
| Klienten örtlicher Träger | Klienten überörtlicher Träger |
| geschätzter Hilfebedarf in Monaten | geschätzter Hilfebedarf in Monaten |
Zielgruppe | < 3 | 3 - 9 | > 9 | < 3 | 3-9 | > 9 |
fehlende oder nicht ausreichende Wohnung | 22% | 33% | 45% | 18% | 38% | 44% |
ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage | 22% | 30% | 49% | 15% | 43% | 41% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 24% | 38% | 38% | 14% | 36% | 50% |
Entlassung aus geschlossener Einrichtung | 21% | 36% | 43% | 12% | 27% | 61% |
Migration | 28% | 26% | 45% | 30% | 48% | 22% |
Trennung/ Scheidung | 20% | 36% | 44% | 37% | 34% | 29% |
andere nachteilige Umstände | 15% | 25% | 60% | 38% | 28% | 34% |
Gesamt | 22% | 32% | 46% | 23% | 36% | 40% |
Im Rahmen der Expertinnengespräche konnten 2 von 21 Sozialhilfeträgern eine Veränderung der Dauer der Hilfegewährung beobachten: ein Sozialhilfeträger berichtete auf Grund der durch die Hilfeplanung / Gesamtplanung strukturierten Hilfegewährung von einer tendenziellen Verkürzung der Bezugsdauer, ein anderer Sozialhilfeträger berichtete von einer Tendenz zur längeren Hilfegewährung, da eine Zunahme der sog. "Multiproblemfälle" zu beobachten sei.
Bei den Gesprächen wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass es immer mehr Klienten mit hoch problematischen Lebensumständen gebe. Dies zeige sich beispielsweise daran, dass die Freien Träger immer mehr mit Ärzten zu tun hätten, so dass sie teilweise überlegen müssten, ob die Klienten nicht eher in ein Pflegeheim gehörten als in eine Betreuung nach § 72 BSHG. Als weitere Problemgruppe wurden ältere Langzeit-Wohnungslose genannt, die irgendwann eine Lebenssituation erreichten, in der der Aufenthalt in einer § 72-er-Einrichtung nicht mehr zu rechtfertigen sei, sondern vielmehr eine Kommune für die Unterbringung in einem Altenheim zuständig sein müsse.
Über Einzelfälle, in denen die Hilfe nach § 72 BSHG sich zu einer Dauerhilfe zu entwickeln drohe, wussten viele Sozialhilfeträger zu berichten. Einige bemängelten, dass es keinen anderen Träger gebe, an den sie die Hilfesuchenden verweisen könnten, andere bemühten sich, die Anspruchsvoraussetzungen für andere Hilfen zu formulieren.
Ein anderer Aspekt, der im Kontext der längeren Hilfegewährung genannt wurde war die Erfahrung, dass fehlender preisgünstiger Wohnraum und fehlende Arbeitsmöglichkeiten dazu beitragen, dass Personen, die (mittlerweile) eigentlich in der Lage wären selbstständig zu leben, dies auf Grund der fehlenden Wohnung und Arbeit nicht können.
Alle Gesprächspartnerinnen, die in Einzelfällen eine Verlängerung der Hilfedauer feststellen konnten, werteten diese nicht als Auswirkung der neuen DVO, sondern führten sie auf die Zunahmen von Problemfällen bzw. auf die ungünstigen Rahmenbedingungen (z.B. fehlender preisgünstiger Wohnraum) zurück. Nur der Sozialhilfeträger, der eine Tendenz zur kürzeren Hilfegewährung feststellen konnte, brachte dies in Zusammenhang mit der durch die neue DVO stärker akzentuierten Gesamtplanung.
(6) Bedeutung sozialer Schwierigkeiten und zukünftige Entwicklung in einem zweiten Zugang können, auf der Grundlage der neuen Verordnung, die Zielgruppen im Hinblick auf "soziale Schwierigkeiten" beschrieben werden. Unter diesem Begriff versteht die Verordnung eine wesentliche Einschränkung des Lebens in der Gemeinschaft, die sowohl durch selbstausgrenzendes Verhalten der Klienten als auch durch Ausgrenzungen seitens der sozialen Umgebung hervorgerufen sein kann (vgl. VO zu § 72 BSHG, § 1 Abs. 3; vgl. Definition auf S. 12 f). Der Fokus dieser Begrifflichkeit scheint stärker auf die Persönlichkeit und das Verhalten des Klienten und seine psychosoziale Biografie gerichtet zu sein, was im Erhebungsinstrument durch die Deskriptionen "soziale Schwierigkeiten auf Grund von mangelnder beruflicher Qualifizierung", sowie durch "Suchtprobleme", "schwere persönliche oder familiäre Konflikte" und "psychische/ gesundheitliche Beeinträchtigungen" bedingte soziale Schwierigkeiten zum Ausdruck gebracht wird. Aber auch ausgrenzendes bzw. selbstausgrenzendes Verhalten im Zusammenhang mit Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder mit durch Straffälligkeit bedingten Schwierigkeiten werden in diesem Zusammenhang im Verordnungstext genannt, was eine klare Abgrenzung zur Operationalisierung der "besonderen Lebensverhältnisse" erfordert, um Überschneidungen zu vermeiden.
Die Gewichtung einzelner Zielgruppen der Hilfe im Hinblick auf soziale Schwierigkeiten (Tabelle 15) führte zu einer starken Betonung von "Schwierigkeiten bei der "Arbeitssuche" (78 %) und "Schwierigkeiten bei Problemen der Erhaltung/ Beschaffung einer geeigneten Wohnung" (73 %). Weiterhin weisen - nach Einschätzung der befragten Mitarbeiterinnen der Sozialhilfeträger - rd. 60 % der Klienten "Suchtprobleme" oder "mangelnde berufliche Qualifizierung" auf. Etwa die Hälfte der Klienten ist überschuldet; rd. 40 % leiden unter "gesundheitlichen Beeinträchtigungen" und "schweren persönlichen oder familiären Konflikten". Von den überörtlichen Sozialhilfeträgern werden die durch "Straffälligkeit" bedingten sozialen Schwierigkeiten stärker gewichtet als von den örtlichen Sozialhilfeträgern, die anderen Schwierigkeiten werden von den überörtlichen Sozialhilfeträgern eher etwas geringer gewichtet.
Auch in diesem Kontext wurde versucht, zumindest über Einschätzungen eine geschlechtsdifferenzierte Gewichtung der Problemlagen zu gewinnen. Der Anteil der betroffenen Frauen wird auch hier, im Durchschnitt auf knapp 25 % geschätzt, bei den überörtlichen sowie den nicht zuzuordnenden Trägern fällt diese Schätzung etwas niedriger aus. Überdurchschnittliche Frauenanteile werden bei "schweren persönlichen oder familiären Konflikten" (36 %), "mangelnder beruflicher Qualifizierung" (28 %), bei "psychischen Beeinträchtigungen" (26 %) und bei "sonstigen Problemen" (33 %) genannt.
7 Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsfaktors darf nicht als "Personalisierung" der Schwierigkeiten missverstanden werden; eine angemessene Analyse der Problemlagen dieser Klienten muss versuchen, die Faktoren von Persönlichkeit, Sozialisation und aktuellen sozialen Rahmenbedingungen in ihrem Zusammenwirken zu berücksichtigen.
Tabelle 15: Soziale Schwierigkeiten (2002)
Zielgruppen der Hilfe nach sozialer Schwierigkeit geschätzte Anteile (in Prozent; Mehrfachnennung möglich) |
soziale Schwierigkeiten durch / im Hinblick auf | örtlicher SHT | überörtlicher SHT | örtl./überörtl. SHT | insgesamt |
... | Gewicht | Frauenanteil | Gewicht | Frauenanteil | Gewicht | Frauenanteil | Gewicht | Frauenanteil |
Arbeitssuche | 77% | 22% | 78% | 17% | 93% | 20% | 78% | 22% |
mangelnde berufliche Qualifizierung | 58% | 29% | 52% | 31% | 85% | 19% | 59% | 28% |
Erhaltung/ Beschaffung einer Wohnung | 74% | 19% | 58% | 18% | 85% | 16% | 73% | 19% |
Überschuldung | 53% | 25% | 46% | 10% | 70% | 11% | 53% | 22% |
Straffälligkeit | 28% | 11% | 36% | 15% | 25% | 7% | 29% | 11% |
Suchtprobleme | 60% | 19% | 56% | 21% | 80% | 19% | 60% | 19% |
Psychische Beeinträchtigungen | 33% | 26% | 35% | | 60% | 20% | 34% | 26% |
Gesundheitliche Beeinträchtigungen | 40% | 21% | 40% | 21% | 50% | 15% | 41% | 21% |
Schwere persönliche oder familiäre Konflikte | 45% | 38% | 47% | 26% | 35% | 14% | 45% | 36% |
sonstige Probleme* | 46% | 39% | 5% | 10% | | | 41% | 33% |
Insgesamt | 100% | 25% | 100% | 17% | 100% | 14% | 100% | 24% |
* unter sonstigen Problemen wurden genannt:
Lese-Rechtschreib-Schwäche, Isolation, mangelnde Kommunikationsfähigkeit, fehlende Tagesstruktur, fehlender Selbsterhaltungstrieb, unangemessene Verhaltensweisen, Probleme mit Behörden
Tabelle 16: Erwartete Entwicklungen (2002)
Erwartete Entwicklungstendenz der Zielgruppen (in Prozent) |
soziale Schwierigkeiten durch / im Hinblick auf | Einschätzung: Bedeutung dieser Gruppe eher ... |
| zunehmend | abnehmend |
Arbeitssuche | 96% | 4% |
mangelnde berufliche Qualifizierung | 96% | 4% |
Erhaltung/ Beschaffung einer Wohnung | 72% | 28% |
Überschuldung | 97% | 3% |
Straffälligkeit | 72% | 28% |
Suchtprobleme | 97% | 3% |
Psychische Beeinträchtigungen | 98% | 2% |
Gesundheitliche Beeinträchtigungen | 81% | 19% |
Schwere persönliche oder familiäre Konflikte | 86% | 14% |
Fragt man nach der zukünftigen Relevanz dieser sozialen Schwierigkeiten, so sind die Befürchtungen, dass diese an Bedeutung gewinnen werden, weitaus stärker ausgeprägt (zwischen 72 % und 98 %) als die Erwartungen eines Bedeutungsrückgangs (zwischen 2 % und 28 %; vgl. Tabelle 16).8 Auch hier handelt es sich lediglich um Einschätzungen, aber im Vergleich der unterschiedlichen Erwartungen für einzelne Gruppen kommen praktische Erfahrungen zum Ausdruck.
Fast alle Befragten rechnen mit einem zunehmenden Gewicht von psychischen Beeinträchtigungen (98 %), Überschuldung und Suchtproblemen (97 %) sowie mangelnder beruflicher Qualifizierung und Arbeitslosigkeit (96 %). in geringerem Maße wird mit einer Zunahme der Schwierigkeiten bei Suche bzw. Erhalt der Wohnung und bei Straffälligkeit gerechnet.
8 Bei der Fragestellung war allerdings die Kategorie "gleich bleibend" nicht vorgesehen, sodass die Erwartung eines zunehmenden Gewichts wohl eher als "zunehmend oder gleich bleibend" zu interpretieren ist.
Im Rahmen der Expertinnengespräche wurde mehrfach auf die Zunahme der psychischen Erkrankungen bzw. Auffälligkeiten der Klienten hingewiesen, was für die Sozialhilfeträger mit der Schwierigkeit verbunden sei, den Hilfebedarf nach § 39 BSHG bzw. § 72 BSHG zu bestimmen.
Nach den Erfahrungen der meisten befragten Expertinnen gibt es auch einen spürbaren Anstieg des Anteils junger Erwachsener und psychisch kranker junger Erwachsener. Bei den jungen Erwachsenen, die Hilfe nach § 72 BSHG beziehen, lägen oft gewaltgeprägte Lebensumstände vor. Sie hätten nicht selten schon an Maßnahmen aus dem Kinder- und Jugendhilfebereich teilgenommen bzw. in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelebt, ehe sie Hilfe nach § 72 BSHG beziehen. Bei den jungen Erwachsenen sei es vor allem problematisch, dass die meisten über keinerlei formale Qualifikation verfügten - weder über einen schulischen noch über einen beruflichen Abschluss. Sie würden sich zum Teil "recht wohl fühlen" in den 72-er-Einrichtungen und seien allgemein nur schwer zu motivieren, was aber nachvollziehbar sei, da man den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen in der Regel keine Ausbildungs- oder Arbeitsstellen anbieten könne, sondern lediglich tagesstrukturierende Maßnahmen.
Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) stellte bei ihrer Fachtagung im Juni 2003 fest, "dass gerade die Gruppe der jüngeren Personen, meist mit Drogenproblemen, drastisch zunimmt. Dies gilt ebenso für Personen, die auf Grund von Persönlichkeitsveränderungen nicht mehr sozial integriert sind."9
9 Abschlussbericht: Fachtagung zu Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG am 04.04.2003 in Kassel, in: Mitgliederinfo Nr. 6/2004 der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, 13.01.2004, S. 4
3.2 Zuständigkeit und Hilfepraxis
Gewährung, Durchführung und Finanzierung der Hilfen nach § 72 BSHG erfolgen in der Regel nicht aus einer Hand, sondern sind auf verschiedene Akteure verteilt. Um hierüber ein klares Bild zu erhalten, wurden einerseits die jeweiligen Ausführungsgesetze der Länder hinsichtlich der Zuständigkeit für die Gewährung der Hilfe und der Kostenträgerschaft beleuchtet und andererseits wurden die Sozialhilfeträger im Rahmen der schriftlichen Erhebungen dazu befragt.
(1) Unterschiedliche Regelungen in den Ausführungsgesetzen der Länder
Die sachliche Zuständigkeit der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger wird in den §§ 99 und 100 BSHG sowie durch Landesrecht geregelt. Generell liegen die Hilfen nach § 72 BSHG in der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers, soweit sie in (teil- oder vollstationären) Einrichtungen gewährt werden (§ 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG), ambulante Hilfen liegen normalerweise in der Zuständigkeit des örtlichen Trägers. Die einzelnen Bundesländer haben aber in unterschiedlicher Weise davon abweichende Regelungen getroffen (Tabelle 17).
Tabelle 17: Zuständigkeit der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger
Zuständigkeiten der Sozialhilfeträger |
sachlich zuständig für ... | ambulante Hilfe | teilstationäre und stationäre Hilfen | Abweichungen |
Baden-Württemberg | üöTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Bayern | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung* |
Berlin** | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Brandenburg | öTrSH | öTrSH | |
Bremen | öTrSH | uöTrSH | |
Hamburg** | | |
Hessen | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Mecklenburg-Vorpommern | öTrSH | üöTrSH | |
Niedersachsen | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Nordrhein-Westfalen | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Rheinland-Pfalz | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Saarland | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung |
Sachsen | öTrSH | üöTrSH | Sesshaftmachung und soziale Eingliederung |
Sachsen-Anhalt | öTrSH | üöTrSH | |
Schleswig-Holstein | öTrSH | üöTrSH | |
Thüringen | öTrSH | öTrSH | |
* Die Sozialhilfe für Nichtsesshafte in Bayern wird über eine Zweckvereinbarung der bayerischen Bezirke (Bayreuther Vereinbarung) geregelt.
** Die Länder Berlin und Hamburg sind gleichzeitig örtlicher und überörtlicher Träger der Sozialhilfe.
Eine landesrechtliche Übertragung der generellen Zuständigkeit ist in den Ausführungsgesetzen weniger Länder zu finden: in Baden-Württemberg sind die überörtlichen Träger der Sozialhilfe abweichend vom BSHG neben den teil- und vollstationären Hilfen auch sachlich zuständig für ambulante Hilfen nach § 72 BSHG. Laut Ausführungsgesetz sind in Bremen den örtlichen Trägern der Sozialhilfe alle Angelegenheiten nach § 100 BSHG übertragen.
Ein besonderer Stellenwert kommt insgesamt den Maßnahmen zur "Sesshaftmachung" von Nichtsesshaften zu, 10 die in acht Bundesländern auch dann in der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers liegen, wenn sie in ambulanter Form (z.B. als betreutes Wohnen) durchgeführt werden.
In Sachsen sind die überörtlichen Träger der Sozialhilfe darüber hinaus auch zuständig für ambulante Hilfen, die dazu bestimmt sind, Personen ohne ausreichende Unterkunft sozial einzugliedern.
Im Rahmen einer "Fachtagung zu Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG", die im Juni 2003 in Kassel stattfand, wurde von den teilnehmenden überörtlichen Trägern der Sozialhilfe die aktuelle sachliche Zuständigkeit in verschiedenen Bundesländern thematisiert:
Exkurs: Ergänzende information zur Landeszuständigkeit
Baden-Württemberg:
Sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die Hilfen innerhalb und außerhalb einer Anstalt, eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung oder einer Einrichtung zur teilstationären Betreuung einschließlich der nach § 100 Abs. 2 Halbsatz 1 BSHG gleichzeitig zu gewährenden Leistungen. Die Durchführung der Hilfen ist nach § 96 Abs. 2 BSHG auf die örtlichen Träger delegiert. Anmerkung: Diese Zuständigkeit wird sich nach den Vorstellungen des Ministerpräsidenten zur Verwaltungsreform mit einiger Sicherheit zum 01.01.2005 ändern.
Bayern:
Die bundesrechtlich sachliche Zuständigkeit für Hilfen nach § 72 BSHG ist in § 100 Abs. 1a Nr. 5 BSHG geregelt. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe (in Bayern = Bezirke) sachlich für die Hilfe nach § 72 BSHG zuständig, soweit sie vollstationär bzw. teilstationär gewährt wird. Für die ambulante Hilfe nach § 72 BSHG ist nach der bundesrechtlichen Regelung in § 99 BSHG (Grundzuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe, soweit nicht durch § 100 BSHG oder durch Landesrecht die sachliche Zuständigkeit dem überörtlichen Träger zugewiesen ist) der örtliche Träger der Sozialhilfe sach10 in allen Flächenländern außer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein war der überörtliche Träger zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2002 für "Sesshaftmachung" zuständig.
11 Die Ausführungen wurden dem Abschlussbericht Fachtagung zu Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG am 04.04.2003 in Kassel, in: Mitgliederinfo Nr. 6/2004 der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, 13.01.2004, S. 2ff entnommen. Sie geben den Austausch der Mitglieder der Arbeitsgruppe über die jeweiligen Landeszuständigkeiten mit Stand Juni 2003 wieder. lich zuständig. Die landesrechtliche Regelung in Bayern (Art. 7 Abs. 1a AGBSHG), welche für alle vollstationären und teilstationären Hilfen die sachliche Zuständigkeit den Bezirken als überörtliche Träger zuweist, wird im Bereich der Hilfe nach § 72 BSHG bereits durch die vorgenannte bundesrechtliche Regelung überlagert (Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht, Art. 31 GG). Darüber hinaus sieht das Landesrecht in Bayern in Art. 10 Abs. 2 AGBSHG bei bestimmten Hilfen die Heranziehung der örtlichen Träger durch die überörtlichen Träger beim Vollzug dieser Hilfen vor. U. a. ist dabei die Übertragung des Vollzuges von teilstationärer Hilfe mit Ausnahmen auf die Landkreise und kreisfreien Städte (örtliche Träger) geschehen. Eine Übertragung auf kreisangehörige Kommunen, wie in anderen Bundesländern der Fall, ist in Bayern nicht erfolgt. Die bayerischen Bezirke haben, mit Ausnahme von Oberfranken, Oberpfalz und Unterfranken die teilstationäre Hilfe im Rahmen des § 72 BSHG auf die örtlichen Träger zum Vollzug übertragen. im Übrigen gibt es in Bayern so gut wie keine teilstationären Hilfsangebote im Rahmen des § 72 BSHG.
Berlin:
In Berlin ist - durch den Stadt-Staaten-Status bedingt - nach § 100 BSHG geregelt, dass der Sozialhilfeträger das Land Berlin ist. Dabei werden i.d.R. die Aufgaben des örtlichen Sozialhilfeträgers von den 12 Bezirksämtern von Berlin sowie die Aufgaben des überörtlichen Sozialhilfeträgers von der Senatsverwaltung für den Geschäftsbereich Soziales wahrgenommen.
Hessen:
Der LWV Hessen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist gemäß § 100 Abs.1 Nr. 5 BSHG sachlich zuständig für teil- und vollstationäre Hilfen nach § 72 BSHG. Gemäß § 3 HAG/BSHG besteht auch die sachliche Zuständigkeit bei Nichtsesshaften für die Hilfe zum Lebensunterhalt oder in besonderen Lebenslagen außerhalb einer Anstalt, eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung, wenn die Hilfe zur Sesshaftmachung bestimmt ist.
Niedersachsen:
Der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist neben den vollstationären und teilstationären Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG zuständig für die Hilfe zum Lebensunterhalt und für die Hilfe in besonderen Lebenslagen außerhalb einer Anstalt, eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung, wenn die Hilfe dazu bestimmt ist, Nichtsesshaften bei der Überwindung ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten zu helfen (§ 3 Abs. 1 Nds. AG BSHG). im Übrigen sind im ambulanten Bereich die örtlichen Träger der Sozialhilfe zuständig. Die Zuständigkeit der örtlichen Träger der Sozialhilfe ist für sämtliche Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG gegeben, wenn Hilfeempfänger das 60. Lebensjahr vollendet haben, und zwar ab dem darauf folgenden Monat (§ 3 Abs. 2 Nds. AG BSHG).
Nordrhein-Westfalen:
In Nordrhein-Westfalen sind die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig für:
- a) die Hilfen nach § 72 BSHG, wenn es erforderlich ist, die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung zur teilstationären Betreuung zu gewähren (§ 100 Abs. 1 Nr. 7 BSHG - Bundesrecht -)
- b) die Hilfe zum Lebensunterhalt oder die Hilfe in besonderen Lebenslagen außerhalb einer Anstalt, eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung, wenn die Hilfe dazu bestimmt ist, Nichtsesshafte sesshaft zu machen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - Landesrecht -).
Für die Auslegung wird an den § 4 der früheren DVO zu § 72 BSHG sowie die Rechtsprechung des OVG Münster angeknüpft.
Sachsen:
Für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG in teil- und vollstationären Einrichtungen ist der LWV Sachsen sachlich zuständig. Gemäß § 3 Abs. 1 Buchstabe b des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum BSHG (SächsAGBSHG) ist der LWV Sachsen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe auch sachlich zuständig für alle Hilfen außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen, wenn und solange sie dazu bestimmt sind, Nichtsesshafte sesshaft zu machen oder Personen ohne ausreichende Unterkunft sozial einzugliedern. Für die übrigen Personen im Sinne des § 72 BSHG sind im ambulanten Bereich die örtlichen Träger der Sozialhilfe gemäß § 99 BSHG zuständig.
Sachsen-Anhalt:
In Sachsen-Anhalt sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe für die ambulanten Hilfen nach § 72 BSHG, die überörtlichen Träger für teilstationäre und vollstationäre Hilfen nach § 72 BSHG. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1b Heranziehungsverordnung LSA wurde der öTrSH zu den Aufgaben des üöTrSH für die Hilfen nach § 72 BSHG im Rahmen der Zuständigkeit nach § 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG herangezogen.
Thüringen:
Abweichend von § 100 Abs. 1 BSHG sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und 6 BSHG. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe haben in den Fällen des § 100 Abs. 1 Nr. 1 und 5 BSHG auch die Hilfen nach § 100 Abs. 2 zu gewähren (§ 3 ThürAGBSHG vom 24.06.2003).
Die Aufteilung der Zuständigkeit und deren (teils intendierte, teils ungewollte) Konsequenzen werden in den Expertinnengesprächen wiederholt thematisiert und spiegeln sich auch in den quantitativen Auswertungsergebnissen wider (Abschnitte 3.3 und 3.4.6).
(2) Hilfegewährung und Kostenträgerschaft
Die Zuständigkeiten für Hilfegewährung und Kostenträgerschaft unterscheiden sich nicht nur zwischen den Hilfearten der ambulanten, teilstationären und vollstationären Hilfe, sondern können auch für unterschiedliche Zielgruppen differieren. Es wurde eine untypische Aufteilung insbesondere im Zusammenhang mit der "Sesshaftmachung" von "Nichtsesshaften" festgestellt, die zwar meist in der Form des ambulant betreuten Wohnens erfolgt, aber in den meisten Ländern von den überörtlichen Sozialhilfeträgern finanziert wird. Dies führt dazu, dass bei der Kostenträgerschaft ambulanter Hilfe keine eindeutige Zuordnung vorgenommen werden konnte. in der Befragung des Jahres 2002 wurden die Fragen nach Hilfegewährung und Kostenträgerschaft nicht nur nach der Art der Hilfe differenziert, sondern auch nach einzelnen Zielgruppen. Es wurden aber zwischen den Zielgruppen keine größeren Unterschiede deutlich, die Zuständigkeiten scheinen weitgehend nach der Hilfeart strukturiert zu sein.
Tabelle 18: Zuständigkeiten Hilfegewährung (2002)
Hilfegewährung Zuständigkeit unterschiedlicher Träger (in Prozent) |
Hilfeart und Zielgruppe | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | beide SH-Träger |
(a) ambulante Hilfe | 92% | 2% | 5% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 90% | 2% | 7% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 93% | 2% | 5% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 96% | 1% | 3% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 90% | 3% | 6% |
andere nachteilige Umstände | 93% | 1% | 5% |
(b) teilstationäre Hilfe | 70% | 27% | 3% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 71% | 26% | 3% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 72% | 25% | 3% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 71% | 26% | 2% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 64% | 33% | 3% |
andere nachteilige Umstände | 70% | 26% | 4% |
(c) vollstationäre Hilfe | 46% | 49% | 5% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 46% | 49% | 5% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 47% | 49% | 4% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 46% | 50% | 4% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 44% | 50% | 5% |
andere nachteilige Umstände | 49% | 46% | 6% |
Die Gewährung ambulanter Hilfen erfolgt fast ausschließlich durch die örtlichen Träger allein (bei durchschnittlich 92 % der Befragten). Teilstationäre Hilfen werden im Jahr 2002 bei 70 % der befragten Sozialhilfeträger vom örtlichen Träger gewährt, bei 27 % vom überörtlichen Träger und bei 3 % von beiden Trägern. Bei teilstationären Hilfen für Strafentlassene ist der überörtliche Träger etwas stärker involviert als bei den Hilfen für die übrigen Zielgruppen (Tabelle 18). im vollstationären Bereich verschiebt sich die Relation zwischen den Trägern weiter: Bei der einen Hälfte der Befragten werden diese Hilfen durch den örtlichen, bei der anderen Hälfte durch den überörtlichen Sozialhilfeträger gewährt, auch hier ohne nennenswerte Unterschiede bezüglich der Zielgruppen.
Eine ähnliche Tendenz der Zuständigkeitsverlagerung von ambulanter über teilstationäre zu vollstationärer Hilfe lässt sich auch bei der Frage der Kostenträgerschaft beobachten, allerdings in allen Bereichen mit stärkeren Kostenanteilen des überörtlichen Trägers (Tabelle 19).
Tabelle 19: Zuständigkeiten Kostenträgerschaft (2002)
Kostenträgerschaft Zuständigkeit unterschiedlicher Träger (in Prozent) |
Hilfeart und Zielgruppe | ortlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | beide SH-Träger |
(a) ambulante Hilfe | 60% | 25% | 15% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 56% | 25% | 19% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 61% | 25% | 14% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 64% | 23% | 13% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 57% | 27% | 15% |
andere nachteilige Umstände | 62% | 24% | 14% |
(b) teilstationäre Hilfe | 13% | 74% | 13% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 15% | 71% | 13% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 17% | 71% | 12% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 12% | 75% | 13% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 8% | 79% | 13% |
andere nachteilige Umstände | 12% | 73% | 13% |
(c) vollstationäre Hilfe | 3% | 91% | 6% |
fehlende/ nicht ausreichende Wohnung | 4% | 90% | 6% |
ungesicherter wirtschaftliche Lebensgrundlage | 3% | 92% | 6% |
gewaltgeprägte Lebensumstände | 3% | 92% | 5% |
Entlassung aus geschl. Einrichtung | 3% | 93% | 4% |
andere nachteilige Umstände | 5% | 86% | 8% |
Während die ambulanten Hilfen im Jahr 2002 noch von 60 % der örtlichen Träger allein und von weiteren 15 % mitfinanziert werden, geht deren Kostenträgerschaft im teilstationären Bereich auf 13 % (plus 13 % gemeinsame Finanzierung) zurück und verliert im vollstationären Bereich völlig an Bedeutung - dort werden die Hilfen zu 91 % ausschließlich und zu weiteren 6 % anteilig vom überörtlichen Sozialhilfeträger übernommen. Eine gemeinsame Kostenträgerschaft kann etwa so geregelt sein, dass die Hilfeform "betreutes Wohnen" von örtlichem und überörtlichem Träger zu jeweils den Anteilen finanziert wird, zu denen die Angebote auch mit Klienten des einen oder anderen Trägers belegt werden (so eine Regelung im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland).12
12 vgl. Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Empfehlungen und Hinweise des Landschaftsverbandes Rheinland für die Gewährung von Hilfe nach § 72 BSHG durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, Köln 1997, Anlage 1
Exkurs: Ambulant vor Vollstationär
In § 2 Abs. 5 der neuen VO wird die besondere Bedeutung der ambulanten Hilfe im Rahmen des § 72 BSHG betont, wobei die Gewährung vollstationärer Hilfe an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Sie soll befristet gewährt werden und auch nur dann, wenn verfügbare ambulante Angebote nicht geeignet sind.
Ein Drittel der im Rahmen der Expertinnengespräche befragten Sozialhilfeträger gab an, seit Inkrafttreten der neuen VO eine Ausweitung der ambulanten Hilfen beobachtet zu haben, während zwei Drittel dies verneinen. Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass trotz der eindeutigen Priorisierung der ambulanten Hilfe gem. § 3 BSHG "nur" ein Drittel diese Entwicklung beobachtet. Auf den zweiten Blick ergibt sich allerdings ein anderes Bild: von diversen Trägern wurde ausgeführt, dass bereits etliche Jahre vor Inkrafttreten der neuen VO im politischen Raum der Beschluss gefasst wurde, die ambulanten Dienste auszubauen, so dass diese Änderung nicht in Zusammenhang mit der neuen VO stehe.
Allerdings beeinflussen auch hier wiederum Fragen der Finanzierung Ausbau und Ausmaß des ambulanten Angebots. Einige Sozialhilfeträger gaben an, dass es für die Kommunen gegenwärtig nicht realisierbar sei, durch den Ausbau ambulanter Dienste die eigene Kostenbelastung zu erhöhen. Zudem berichteten etliche Träger von Auslastungsproblemen bei vollstationären Einrichtungen. Eine Frage, die in diesem Kontext von verschiedenen Expertinnen angesprochen wurde, war die, ob die ambulante Hilfe tatsächlich immer kostengünstiger sei als die vollstationäre Hilfe. In Fällen längerfristigen Hilfebedarfs sei oftmals die vollstationäre Hilfe die kostengünstigere.
Die innerhalb der Hilfearten vorgenommene Differenzierung nach Zielgruppen weist auch hinsichtlich der Kostenträgerschaft keine größeren Abweichungen vom generellen Trend auf, allenfalls bei Hilfen für Personen in "anderen nachteiligen Lebensumständen" sind die örtlichen Träger auch im vollstationären Bereich etwas stärker gefordert als bei anderen Hilfen, doch diese Abweichung bleibt geringfügig. in der schriftlichen Befragung des Jahres 2003 wurde die Frage nach Hilfegewährung und Kostenträgerschaft nur noch nach der Art der Hilfe differenziert (Tabelle 20), wobei sich - wie in der Befragung des Jahres 2002 - klare Unterschiede zwischen den einzelnen Hilfearten zeigen. Die Gewährung ambulanter Hilfen erfolgt unverändert fast ausschließlich durch die örtlichen Träger allein (bei durchschnittlich 92 % der Befragten), im teilstationären Bereich gewährt mit 54 % gut die Hälfte der örtlichen Träger die Hilfe und im vollstationären Bereich verschiebt sich wiederum die Relation zwischen den Trägern weiter: Bei der einen Hälfte der Befragten werden diese Hilfen durch den örtlichen, bei der anderen Hälfte durch den überörtlichen Sozialhilfeträger gewährt (bzw. durch die Träger, die gleichzeitig örtliche und überörtliche Träger sind).
Tabelle 20: Zuständigkeiten (2003)
Kostenträgerschaft und Hilfegewährung nach Hilfeart (in Prozent) |
SH-Träger (N = 101; Mehrfachnennungen) | Hilfeart |
| ambulante Hilfe | teilstationäre Hilfe | vollstationäre Hilfe |
örtlicher SH Träger | Kostenträgerschaft | 57 | 2 | 1 |
| Hilfegewährung | 92 | 54 | 50 |
überörtlicher SH-Träger | Kostenträgerschaft | 19 | 74 | 77 |
| Hilfegewährung | 2 | 31 | 40 |
beide SH Träger | Kostenträgerschaft | 24 | 24 | 22 |
| Hilfegewährung | 6 | 15 | 10 |
SH-Träger (N = 25; Mehrfachnennungen) | Hilfeart |
| ambulante Hilfe | teilstationäre Hilfe | vollstationäre Hilfe |
| örtlicher SH-Träger | 2 | 20 | 10 |
Hilfe wird nicht angeboten | überörtlicher SH-Träger | | 3 | |
| beide SH-Träger | 1 | |
| 2 | 24 | 10 |
Im Vergleich mit der Vorjahresbefragung hat sich bezüglich der Zuständigkeit für die ambulante Hilfegewährung keine Veränderung ergeben. Bei der teilstationären Hilfe zeigt sich aktuell seltener eine Zuständigkeit der örtlichen Träger als im Vorjahr (54 % im Vergleich zu 70 %) und bei der vollstationären Hilfe zeigt sich bei den überörtlichen Trägern seltener eine Zuständigkeit für die Hilfegewährung (40 % im Vergleich zu 49 %). Beim Vergleich der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass in einzelnen Bundesländern - wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen - eine strukturelle Veränderung der Zuständigkeiten stattgefunden hat und dass teilweise einzelne Angebotssegmente (insbesondere teilstationäre Hilfen) nicht mehr vorgehalten werden. Veränderungen bzw. Verschiebungen, die sich aus der neuen VO zu § 72 BSHG ergeben, sind nicht erkennbar.
Ein ähnliches Bild der Zuständigkeit wie hinsichtlich der Hilfegewährung zeigt sich auch bei der Frage der Kostenträgerschaft. Während die ambulanten Hilfen noch von 57 % der örtlichen Träger allein und von weiteren 24 % mitfinanziert werden, geht deren Kostenträgerschaft im teilstationären Bereich auf 2 % (plus 15 % gemeinsame Finanzierung) zurück und verliert im vollstationären Bereich völlig an
Bedeutung - dort werden die Hilfen zu 77 % ausschließlich und zu weiteren 22 anteilig vom überörtlichen Sozialhilfeträger übernommen. im Vergleich zur Vorjahresbefragung zeigen sich bei der Kostenträgerschaft für die vollstationäre Hilfe Veränderungen: Danach sind 77 % der überörtlichen Träger (zuvor: 91 %) für die Kostenübernahme der vollstationären Hilfe zuständig. Auch hier ist wiederum zu bedenken, dass die Kommunalisierung der Sozialhilfe bzw. der Übergang der Zuständigkeit der überörtlichen Sozialhilfe in die kommunale Zuständigkeit das Ergebnis mit beeinflusst. So wurde beispielsweise die Kommunalisierung der Sozialhilfe zum 01.07.2003 in Thüringen realisiert, die Neuordnung der Landesverwaltung in Sachsen-Anhalt erfolgte zum 01.01.2004 und der Landeswohlfahrtsverband Baden wird zum 01.01.2005 aufgelöst - nicht aber der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern.
(3) Abgrenzung der Hilfen nach § 72 BSHG zu anderen Hilfen
Neben der Frage der generellen Zuständigkeit für Kostenträgerschaft und Hilfegewährung war weiterhin zu klären, inwieweit die bereits seit längerem zu beobachtenden Abgrenzungsprobleme zwischen unterschiedlichen Zuständigkeiten für einzelne Hilfearten fortbestehen.
Angesichts des breiten Spektrums"der Problemlagen von Klienten nach § 72 BSHG können die hier gewährten Hilfen andere Hilfebereiche des BSHG13 oder auch anderer Sozialgesetze berühren. Möglicherweise hängt es auch mit der geringen Aufmerksamkeit zusammen, die innerhalb der Sozialhilfeverwaltung dem (quantitativ wenig gewichtigen) Bereich dieser Hilfen zukommt, dass organisatorische Strukturen häufig nicht ausdifferenziert und Zuständigkeitsbereiche nicht eindeutig abgegrenzt sind. insbesondere drei Schnittstellen sind (unter Anderem auch durch die Vorstudie) deutlich geworden, an denen über Reibungen im Rahmen der Hilfegewährung berichtet wurde. Dies sind:
- 1. erstens der Übergang zur Hilfe zum Lebensunterhalt, in deren Rahmen z.B. nach § 15a BSHG präventive Hilfe zur Erhaltung einer gefährdeten Wohnung geleistet wird;
- 2. zweitens der Übergang zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 39 ff BSHG, in deren Rahmen etwa Therapien oder Rehabilitationsmaßnahmen gewährt werden, die von der Sache her für manche Klienten in besonderen sozialen Schwierigkeiten angebracht wären, die aber möglicherweise
- 3. drittens die Jugendhilfe nach § 41 SGB Viii, zu deren Zielgruppe in bestimmten Fällen auch junge Erwachsene gehören können, die ähnliche Problemkonstellationen wie "typische" Hilfeempfänger nach § 72 BSHG aufweisen. in der Vorstudie (2001) war die Frage zu möglichen Abgrenzungsproblemen als offene Frage gestellt worden, d.h. die angeschriebenen Sozialhilfeträger konnten die Probleme mit eigenen Worten beschreiben. Ein solches Verfahren vermittelt informationen über das Spektrum relevanter Aspekte, ist aber nur schwer quantitativ auszuwerten. Für die nachfolgenden Befragungen konnten diese Antworten als Frage-Vorgaben genutzt werden, deren Beantwortung auch eine Auswertung der quantitativen Gewichtungen der Relevanz erlaubt.
13 vgl. Johannes Lippert: Die Hilfe nach § 72 BSHG im Geflecht der Hilfen in besonderen Lebenslagen, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins 4/2002, S. 134 ff zu hohe Anforderungen an Motivation, Mitwirkungsbereitschaft und soziales Integrationsvermögen stellen; es wird auch berichtet, dass manche Sozialhilfeträger nur Leistungen der Eingliederungshilfe anbieten und bei fehlender Mitwirkungsbereitschaft weitere (niedrigschwellige) Hilfen ausschließen;
- zu 1.
Die Abgrenzung der Hilfen in besonderen sozialen Schwierigkeiten gegenüber der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt funktioniert in der Regel gut: 86 % der Sozialhilfeträger sahen bei der Befragung des Jahres 2002 hier keine Schwierigkeiten gegenüber 14 %, die über Schwierigkeiten berichteten. Gründe dafür, dass keine Schwierigkeiten bestehen, sind eine zentralisierte Bearbeitung/ Fachstellenkonzept, gut funktionierende Absprachen und generell keine Schwierigkeiten an dieser Schnittstelle.
- zu 2.
Ebenfalls überwiegend positiv, aber mit mehr als doppelt so vielen kritischen Bewertungen schätzen die Sozialhilfeträger die Verhältnisbestimmung gegenüber der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ein. Mit 71 % der Sozialhilfeträger sieht auch hier die Mehrheit keine Schwierigkeiten. Die Sozialhilfeträger, die über Probleme bei der Abgrenzung zwischen beiden Hilfearten berichteten, spezifizierten diese vor allem als Missachtung des Nachrangs der Hilfe nach § 72 BSHG.
- zu 3.
Als problematischer erwies sich die Abgrenzung gegenüber der Jugendhilfe. Hier berichtete ein Drittel der Sozialhilfeträger von Schwierigkeiten. Diejenigen Sozialhilfeträger, die an dieser Stelle keine Schwierigkeiten (mehr) haben, verweisen insbesondere auf gut funktionierende Absprachen im Einzelfall, aber auch auf andere Gründe, die sich meist ebenfalls als Hinweise auf eine klare und eindeutige Zuständigkeitstrennung verstehen lassen. Wenn Schwierigkeiten bestehen, werden in erster Linie allgemein "Abgrenzungsprobleme" angeführt; viele spezifizieren diese Aussage aber mit Nichtbeachtung der Nachrangigkeit oder schlecht funktionierenden Absprachen im Einzelfal1.
Bei der Abschlussbefragung des Jahres 2003 zeigte sich, dass die Abgrenzung der Hilfe in besonderen sozialen Schwierigkeiten gegenüber der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auch 2 Jahre nach inkrafttreten der neuen VO zu § 72 BSHG nicht problemlos ist, sondern hier scheinen sich die Schnittstellenprobleme eher in verschärfter Weise zu stellen: Nun gaben 19 % der Sozialhilfeträger uneingeschränkt an, hier mit Abgrenzungsproblemen konfrontiert zu sein - auf weitere 48 % der Sozialhilfeträger traf dies zumindest teilweise zu (Tabelle 17). Nur ein knappes Drittel hatte keinerlei Probleme mit der Abgrenzung der beiden Hilfearten - in der Vorjahresbefragung betrug dieser Anteil noch 71 % - allerdings waren hier die Antwortvorgaben weniger differenziert.14
Bei den Expertinnengesprächen berichtete die Hälfte der befragten Sozialhilfeträger über Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Eingliederungshilfe. Die unterschiedliche finanzielle Zuständigkeit für diese Hilfen spiele eine zentrale Rolle und sei immer wieder eine konflikthafte Entscheidung, wenn es darum gehe, ob der Betreffende schon die Voraussetzungen nach § 39 BSHG erfülle (insbesondere die Krankheitseinsicht) oder ob noch keine Krankeneinsicht erkennbar sei und dann die Hilfe nach § 72 BSHG greife.15 Mehrere Träger berichten übereinstimmend, dass oftmals zunächst die Hilfe nach § 72 BSHG einsetze und man während dieser Zeit mit dem Betroffenen arbeite, um seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken; in der Folge werde dann ein Wechsel zur Hilfe nach § 39 BSHG angestrebt. Nach den Aussagen der Befragten seien bei der deutlichen Mehrheit der Betroffenen psychische Auffälligkeiten - teilweise auch psychische Krankheiten - erkennbar, zusätzlich zu einer vorliegenden Suchtproblematik. Als wenig hilfreich werde es in diesen Fällen erlebt, dass die Hilfe nach § 39 und § 72 BSHG nicht kombiniert
Unverändert problematisch erweist sich die Abgrenzung gegenüber der Jugendhilfe. Hier berichtet gut ein Viertel aller Sozialhilfeträger (20 % der örtlichen und 62 % der überörtlichen Träger; vgl. Tabelle 21) von Schwierigkeiten und ein weiteres Drittel (36 % der örtlichen und 23 % der überörtlichen Träger) von gelegentlichen Schwierigkeiten. insbesondere für die überörtlichen Sozialhilfeträger ergeben sich Probleme bei der Abgrenzung der Hilfe. Diesbezüglich sind zwar auch Vorschläge für eindeutige Abgrenzungskriterien erarbeitet worden, die zu einer Klärung dieser Konflikte beitragen sollen (was aber offensichtlich in den vergangenen Jahren noch nicht hinreichend gelungen ist).16
14 Die Befragten hatten im Jahr 2002 nur die beiden Antwortmöglichkeiten zur Verfügung "es gibt häufig Schwierigkeiten" und "es gibt in der Regel keine Schwierigkeiten." in der Folgebefragung des Jahres 2003 konnten sie auf die Frage, ob es Abgrenzungsschwierigkeiten gibt, mit "ja", "teilweise" und "nein" antworten.
15 Die Eingliederungshilfe leistet vom Grundsatz her dem gleichen Kreis von Hilfesuchenden Hilfe wie § 72 BSHG, allerdings ist sie die weitergehende Hilfe. Während die Hilfe nach § 72 BSHG auf die Förderung der Hilfe zur Selbsthilfe abzielt, d.h. den Hilfesuchenden dazu befähigen will, seine Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu überwinden, hat die Eingliederungshilfe die Integration des Hilfesuchenden selbst zum Zie1. Darüber hinaus setzt die Eingliederungshilfe eine Krankheitseinsicht voraus, während im Rahmen der Hilfe nach § 72 BSHG gemeinsam mit dem Hilfesuchenden an der Motivation und Krankeneinsicht gearbeitet werden kann. werden könnte. Es wurde aber auch von Freien Trägern berichtet, die sukzessive ihr Angebot umgestalten und innerhalb einer Einrichtung einen fließenden Übergang zwischen beiden Hilfearten ermöglichten.
Tabelle 21: Abgrenzungsprobleme (2003)
Abgrenzungsprobleme der Hilfe nach § 72 BSHG (in Prozent) |
SH-Träger | Abgrenzungsprobleme zu: |
| § 39 BSHG | § 41 KJHG | sonstiger Hilfe |
örtlicher SH-Träger | ja | 19% | 20% | 21% |
| teilweise | 43% | 36% | --- |
(N = 83; 80) | nein | 34% | 30% | 79% |
überörtlicher SH-Träger | ja | 15% | 62% | 50% |
| teilweise | 69% | 23% | --- |
(N = 13; 13) | nein | 15% | 15% | 50% |
beide SH-Träger | ja | 33% | 100% | --- |
| teilweise | 67% | --- | --- |
(N = 3; 3) | nein | --- | --- | --- |
Insgesamt | Rest zu 1oo% = | | |
| weiß nicht | 97% | 88% | 100% |
| ja | 19% | 28% | 24% |
| teilweise | 48% | 33% | --- |
| nein | 30% | 27% | 76% |
| N=99 | N=96 | N=21 |
16 vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Kommunalen Landesverbände und der Landeswohlfahrtsverbände Baden-Württemberg: Erste Anwendungsempfehlungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, Stuttgart 1991 sowie das gemeinsame Papier der Kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen "Empfehlungen zur Hilfe für junge Volljährige nach § 41 KJHG / § 72 BSHG" (o.J.).
Abgrenzungsprobleme an den Schnittstellen der Hilfe nach § 72 BSHG und der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII traten mehr oder weniger häufig bei rund zwei Dritteln der befragten Sozialhilfeträger auf, die im Rahmen der Expertinneninterviews befragt wurden. Diejenigen Träger, die angaben, dass an dieser Stelle keine Probleme (mehr) auftreten, praktizierten neue Formen der Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeträger, z.B. in Form von monatlichen Fallbesprechungen oder in Form von schriftlich fixierten Abgrenzungsrichtlinien. Die Träger, bei denen die Finanzierung beider Hilfearten von Seiten desselben Trägers erfolgte bzw. aus derselben Finanzquelle gespeist wurde, verzeichneten ebenfalls keine Schnittstellenprobleme. Ansonsten wurde die unterschiedliche finanzielle Zuständigkeit von den Trägern immer wieder als Konfliktpunkt genannt. Für zusätzliches Konfliktpotenzial sorgte die Frage der Zuständigkeit für junge Erwachsene mit Suchtproblematik.
Die Abgrenzung der Hilfen kann sich im Wesentlichen aus folgenden Gründen schwierig gestalten:
- 1. Die Mehrfachproblematik macht eine Abgrenzung schwierig: wenn sowohl Suchtprobleme und psychische Auffälligkeit vorliegen (oder eine Behinderung) als auch Wohnprobleme, so ist nach der gegenwärtigen Rechtslage zunächst zu entscheiden, welches Problem für die gegenwärtige Situation ursächlich ist um dann eine dementsprechende Hilfe zu leisten.
- 2. Bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen ist zu klären, inwieweit die Aussicht besteht, dass die Hilfeziele, die mit einer Maßnahme nach § 41 SGB Viii angestrebt werden, auch erreicht werden können. Wenn Teilziele realisierbar erscheinen, so hat die Hilfe nach § 41 SGB Viii Vorrang.
- 3. Fiskalische Gründe sollten bei der Entscheidung darüber, um welchen Hilfebedarf es sich handelt, keine Rolle spielen, scheinen aber in der Praxis die Hauptrolle inne zu haben.
Probleme bei der Abgrenzung der Hilfe nach § 72 BSHG zu anderen Hilfen werden nur von insgesamt 5 Sozialhilfeträgern benannt. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten beziehen sich auf § 11 BSHG (Hilfe zum Lebensunterhalt), die Suchtkrankenhilfe, § 68 BSHG (Hilfe zur Pflege) und § 107 BSHG (Kostenerstattung bei Umzug).
Die Sozialhilfeträger wurden nicht nur nach Abgrenzungsproblemen bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und der Hilfe in besonderen sozialen Schwierigkeiten gefragt, sondern sie wurden darüber hinaus gebeten, vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen Statements zu bewerten, die sich alle mit der Hilfe nach § 39 bzw. § 72 BSHG befassen (Tabelle 22). Diese Statements wurden auf der
Grundlage von Aussagen der Expertinnengespräche formuliert, die im Sommer 2003 durchgeführt wurden.
Ein bemerkenswertes Ergebnis zeigt das Ausmaß der Zustimmung zum Statement "Die Hilfen nach § 39 und § 72 BSHG sollten miteinander verzahnt werden." Dieser Aussage stimmen 73 % der Sozialhilfeträger zu. Dies bestätigt die Erfahrungen der Gesprächspartnerinnen, die bei den Interviews angaben, immer wieder Schwierigkeiten zu haben, nicht nur die beiden Hilfearten gegeneinander abzugrenzen, sondern auch zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die eine oder andere Hilfeart die geeignete ist. Auch die Erfahrung, dass die Träger der Freien Wohlfahrtspflege sukzessive dazu übergehen, sowohl Angebote nach § 72 BSHG als auch nach § 39 BSHG vorzuhalten, scheint verbreitet zu sein: Nur ein Viertel der Sozialhilfeträger (26 %) hat diese Erfahrung nicht gemacht. Zwei Fünftel der Befragten (40 %) haben - zumindest teilweise - die Tendenz beobachtet, dass immer häufiger eine Hilfe nach § 39 BSHG bewilligt wird und nicht nach § 72 BSHG. Nahezu 80 % stimmen der Aussage zu, dass für eine Hilfe nach § 39 BSHG häufig die Krankheitseinsicht fehlt und ebenfalls fast 80 % bestätigen, dass der Einstieg in die Hilfe meist über § 72 BSHG erfolgt und dann zur Hilfe nach § 39 BSHG wechselt (Tabelle 22).
Tabelle 22: Hilfen nach § 39 und § 72 BSHG (2003)
Aussagen hinsichtlich der Hilfegewährung nach § 72 und § 39 BSHG (in Prozent) |
| stimme der Aussage zu ... | |
Aussagen | vollkommen | überwiegend | teilweise | gar nicht | Antell Nennungen |
Der Einstieg in die Hilfe erfolgt meist über § 72 BSHG und wechselt dann zu § 39 BSHG | --- | 20% | 58% | 23% | 97% |
Für eine Hilfe nach § 39 BSHG fehlt meist die Krankheitseinsicht | 3% | 22% | 53% | 21% | 90% |
Es besteht die Tendenz, immer häufiger eine Hilfe nach § 39 BSHG zu bewilligen und nicht nach § 72 BSHG | 5% | 3% | 32% | 60% | 92% |
Die Hilfen nach § 39 und § 72 BSHG sollten miteinander verzahnt werden | 22% | 19% | 32% | 27% | 94% |
Die Träger von Hilfeangeboten gehen immer mehr dazu über, sowohl Hilfen nach § 72 als auch nach § 39 BSHG anzubieten | 2% | 17% | 45% | 26% | 89% |
(4) Durchführung der Hilfe durch Sozialhilfeträger und Freie Träger
Verlagert man nun die Blickrichtung von Fragen der Zuständigkeit auf Fragen der Durchführung, so gilt es insbesondere, die unterschiedlichen Kooperationsformen von Sozialhilfeträgern und Freien Trägern zu beschreiben. "Sonstige Akteure" spielen in der Praxis der Hilfegewährung - wie auch schon in der Vorstudie deutlich wurde - keine wesentliche Rolle. Die Frage der Arbeitsteilung zwischen Sozialhilfeträgern und Freien Trägern wurde im Hinblick auf die Hilfeart (ambulant - teilstationär - vollstationär), auf die Form der Hilfe (Geld- oder Sachleistung, persönliche oder organisatorische Hilfen) sowie auf einzelne Angebots-/ Maßnahmetypen untersucht.
Tabelle 23: Durchführung der Hilfe nach Hilfeart (2002)
Durchführung der Hilfe nach Hilfeart Anteile der befragten Sozialhilfeträger (in Prozent) |
Hilfeart und | Durchführung der Hilfe durch: |
Intensität der Durchführung | Sozialhilfeträger selbst | Freie Träger | sonstige Akteure* |
Anzahl der Nennungen | 100 | 102 | 49 |
ambulante Hilfe | | |
vollständig | 25% | 37% | 6% |
überwiegend | 16% | 29% | 4% |
teilweise | 33% | 31% | 31% |
gar nicht | 26% | 2% | 59% |
teilstationäre Hilfe |
vollständig | 6% | 47% | 3% |
überwiegend | 7% | 20% | 14% |
teilweise | 18% | 19% | 32% |
gar nicht | 69% | 14% | 50% |
vollstationäre Hilfe |
vollständig | 17% | 68% | 9% |
überwiegend | 4% | 11% | 10% |
teilweise | 13% | 10% | 32% |
gar nicht | 67% | 11% | 50% |
* sonstige Akteure: z.B. Wohnungsanbieter, Bewährungshilfe, Selbsthilfegruppen
41 % der befragten Sozialhilfeträger gaben bei der Befragung des Jahres 2002 an, dass sie die ambulanten Hilfen (vollständig oder überwiegend) selbst durchführen, während 59 % nur teilweise oder gar nicht in die Durchführung dieser Hilfen involviert waren (Tabelle 23). Die Freien Träger führen diese Hilfeart nach Auskunft von 67 % der Sozialhilfeträger vollständig oder überwiegend durch, nur bei 2 % der Sozialhilfeträger sind sie gar nicht einbezogen. Sonstige Akteure werden nur von der Hälfte der Sozialhilfeträger überhaupt bei der Beantwortung berücksichtigt und von diesen auch kaum (zu 10 %) in die Durchführung ambulanter Hilfen einbezogen.
Tabelle 24: Durchführung nach Form der Hilfe (2002)
Durchführung der Hilfe nach Form der Hilfe Anteile der befragten Sozialhilfeträger (in Prozent) |
Form der Hilfe | Durchführung der Hilfe durch: |
und Intensität der Durchführung | Sozialhilfeträger selbst | Freie Träger | sonstige Akteure* |
Anzahl der Nennungen | 131 | 89 | 46 |
Geldauszahlung | | |
vollständig | 53% | 19% | 2% |
überwiegend | 18% | 17% | 2% |
teilweise | 18% | 39% | 13% |
gar nicht | 10% | 25% | 83% |
Sachleistung allgemein | | |
vollständig | 32% | 23% | 6% |
überwiegend | 22% | 18% | 2% |
teilweise | 23% | 47% | 35% |
gar nicht | 23% | 12% | 56% |
persönliche Hilfen | | |
vollständig | 8% | 30% | 9% |
überwiegend | 14% | 40% | --- |
teilweise | 61% | 30% | 43% |
gar nicht | 18% | --- | 47% |
organisatorische Hilfen |
vollständig | 8% | 26% | 6% |
überwiegend | 14% | 40% | 4% |
teilweise | 59% | 33% | 38% |
gar nicht | 19% | 1% | 51% |
* sonstige Akteure: z.B. Wohnungsanbieter, Bewährungshilfe, Selbsthilfegruppen in den Bereichen der teilstationären und vollstationären Hilfen verlagert sich die Durchführung stärker auf die Freien Träger als im ambulanten Bereich. Teilstationäre Hilfen werden nach Angabe von 68 % der Sozialhilfeträger vollständig oder überwiegend von Freien Trägern durchgeführt, bei vollstationären Hilfen steigt dieser Anteil auf fast 80 %. Nur rd. 13 % der Sozialhilfeträger sehen sich selbst als Hauptakteure der teilstationären und rd. 20 % als Hauptakteure der vollstationären Hilfen.
Eine Auswertung nach der Hilfeform zeigt ebenfalls deutliche Unterschiede in der Arbeitsteilung (Tabelle 24). Die Auszahlung von Geldleistungen wird von 72 % der Sozialhilfeträger (vollständig oder überwiegend) selbst vorgenommen, Freie Träger werden hier zu 36 % genannt.
Bei den Sachleistungen geht der Anteil der durch die Sozialhilfeträger selbst erbrachten Leistungen auf 54 % zurück, die Freien Träger sind hier etwas stärker involviert als bei den Geldzahlungen. Eine ähnliche Verlagerung findet sich aber vor allem bei persönlichen und organisatorischen Hilfen: Diese werden jeweils nach Einschätzung von zwei Dritteln der Befragten vollständig oder überwiegend durch Freie Träger durchgeführt, nur 22 % der Sozialhilfeträger sehen sich selbst hier als Hauptakteure.
Schließlich war noch zu analysieren, wie die Durchführung im Hinblick auf einzelne Angebote organisiert ist. Auch hier werden die Freien Träger überwiegend als die Hauptakteure genannt, die die Hilfen vollständig oder überwiegend durchführen (Tabelle 25). im Falle von Wohnangeboten gaben 48 % der befragten Sozialhilfeträger diese Einschätzung, hier werden zu 24 % "sonstige Akteure" wie z.B. private Wohnanbieter genannt; nur 20 % der Sozialhilfeträger sehen sich selbst als Hauptakteur. Bei den Angeboten zur sozialen Integration werden von 68 % und bei speziellen Maßnahmen von 54 % der Sozialhilfeträger die Freien Träger als Hauptakteure gesehen.
Geringer fällt die Einschätzung nur hinsichtlich der Arbeitsangebote aus (32% durch Freie Träger), die offensichtlich insgesamt nur in vergleichsweise geringem Maße durchgeführt werden, denn auch die Sozialhilfeträger selbst sehen sich nur zu 30 % als Akteure auf diesem Gebiet. in den anderen Angebotsformen werden diese mit Anteilen zwischen 9 % (sonstige Angebote) und 15 % (spezielle Maßnahmen) als die durchführenden Akteure bezeichnet.
Tabelle 25: Durchführung nach einzelnen Angeboten (2002)
Durchführung der Hilfe nach einzelnen Angeboten Anteile der befragten Sozialhilfeträger (in Prozent) |
Angebotsformen | Durchführung der Hilfe durch: |
und Intensität der Durchführung | Sozialhilfeträger selbst | Freie Träger | sonstige Akteure |
Anzahl der Nennungen | 113 | 114 | 66 |
Wohnangebote |
vollständig | 8% | 23% | 12% |
überwiegend | 12% | 25% | 12% |
teilweise | 43% | 49% | 45% |
gar nicht | 36% | 3% | 30% |
Angebot zur sozialen Integration |
vollständig | 4% | 29% | 6% |
überwiegend | 10% | 39% | 2% |
teilweise | 54% | 31% | 48% |
gar nicht | 32% | 1% | 44% |
Arbeitsangebote |
vollständig | 11% | 19% | 3% |
überwiegend | 19% | 13% | 12% |
teilweise | 49% | 60% | 58% |
gar nicht | 21% | 8% | 26% |
spezielle Maßnahmen |
vollständig | 7% | 25% | 2% |
überwiegend | 8% | 29% | 6% |
teilweise | 40% | 40% | 47% |
gar nicht | 45% | 6% | 45% |
sonstige Angebote |
vollständig | 9% | 40% | 10% |
überwiegend | --- | --- | -- |
teilweise | 4% | 13% | 20% |
gar nicht | 87% | 47% | 70% |
(5) Leistungen für einzelne Zielgruppen
Um weitere Transparenz der Hilfepraxis nach § 72 BSHG zu erhalten, wurden die Leistungen für die einzelnen Zielgruppen erhoben. Dabei wurden einerseits die Leistungsinhalte nach unterschiedlichen Lebensbereichen gegliedert, und zwar in:
- - Basisversorgung
- - Hilfe zur selbstständigen Lebensführung
- - Hilfe zur Schule/ Ausbildung/ Arbeit
- - Hilfe zur Tagesstrukturierung
- - begleitende Hilfe bei therapeutischen Maßnahmen
- - sonstige Hilfen.
Andererseits wurden die Leistungsformen in gradueller Abstufung gegliedert, und zwar nach zunehmender Intensität des Hilfebedarfs:
- - Information und Beratung
- - Erschließung/ Erhaltung von Hilfen im Umfeld
- - individuelle Planung/ Beobachtung/ Rückmeldung
- - begleitende/ übende Unterstützung.
Die befragten Sozialhilfeträger wurden gebeten, sowohl die Leistungsinhalte als auch die Leistungsformen einzelnen Zielgruppen in der Weise zuzuordnen, wie die Hilfen schwerpunktmäßig gewährt werden.
Die aus diesem Leistungskatalog am häufigsten angekreuzte Leistung ist die "Basisversorgung", die - nach Einschätzung der Sozialhilfeträger - für alle Zielgruppen an erster Stelle steht (vgl. fett markierte Prozentwerte in Tabelle 26). Damit wird deutlich: Während für "anspruchsvollere" Hilfen wie etwa nach § 39 ff BSHG die Basisversorgung lediglich ein erster Schritt der Hilfeleistung ist, bleibt hier die Hilfegewährung häufig auf diesem Basisniveau. Mit zweiter Priorität folgt für fast alle Zielgruppen die "Hilfe zur selbstständigen Lebensführung", lediglich für Migranten wird die Hilfe zur Schule/ Ausbildung/ Arbeit" etwas stärker gewichtet, die ansonsten auch für Personen in ungesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen und für Haftentlassene als sehr wichtig eingeschätzt wird. Weiterhin haben für die beiden letztgenannten Zielgruppen sowie für Wohnungslose auch "Hilfen zur Tagesstrukturierung" einen relativ hohen Stellenwert.
Was die Leistungsformen betrifft, so besteht durchweg ein hoher Bedarf an "information und Beratung". Die weiteren Leistungsformen differenzieren sich deutlich nach den unterschiedlichen Zielgruppen: "Erschließung von Hilfen im Umfeld" sind wichtig insbesondere für Klientinnen und Klienten, die von Wohnungslosigkeit, von gewaltgeprägten Lebensverhältnissen oder von Trennung/ Scheidung betroffen sind. "Planung/ Beobachtung/ Rückmeldung" werden für die Gruppen der in ungesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen Lebenden sowie der Wohnungslosen, der unter gewaltgeprägten Verhältnissen Leidenden und der aus einer geschlossenen Einrichtung Entlassenen für besonders wichtig erachtet. "Begleitende und übende Unterstützung" benötigen schwerpunktmäßig Personen in ungesicherten Wohnsituationen und in ungesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen.
Tabelle 26: Leistungsschwerpunkte für einzelne Zielgruppen (2002)
Leistungsschwerpunkte für einzelne Zielgruppen (Gewichtung durch die Sozialhilfeträger; Mehrfachnennung, in Prozent) |
Leistungen | Zielgruppe |
| fehlende Wohnung | ungesicherte wirtschaftliche Verhältnisse | gewaltgeprägte Verhältnisse. | Entlassung aus Einr. | Migration | Trennung/ Scheidung | Sonstige |
Anzahl der Antworten | 119 | 115 | 76 | 92 | 46 | 70 | 66 |
Leistungsinhalte |
Basisversorgung | 92% | 88% | 76% | 82% | 76% | 73% | 71% |
Hilfe zur selbständigen Lebensführung | 77% | 79% | 70% | 73% | 39% | 73% | 55% |
Hilfe zur Schule/ Ausbildung/ Arbeit | 42% | 65% | 34% | 54% | 48% | 46% | 48% |
Hilfe zur Tagesstrukturierung | 56% | 54% | 46% | 55% | 30% | 39% | 41% |
begl. Hilfe bei therapeutischen Maßnahmen | 29% | 30% | 51% | 43% | 22% | 41% | 33% |
sonstige Hilfen | 26% | 25% | 28% | 22% | 22% | 24% | 32% |
Leistungformen |
Information und Beratung | 92% | 90% | 86% | 86% | 80% | 90% | 83% |
Erschließung von Hilfen im Umfeld | 70% | 67% | 70% | 67% | 52% | 70% | 59% |
Planung/ Beobachtung/ Rückmeldung | 66% | 69% | 64% | 63% | 48% | 59% | 50% |
begleitende/ übende Unterstützung | 71% | 69% | 62% | 59% | 54% | 56% | 55% |
(6) Hilfeplanung und Gesamtplanung
Der Gesamtplan, der im Sozialhilferecht bislang vorrangig im Kontext der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und ggf. noch im Kontext der Hilfe zur Arbeit Beachtung fand, wurde bereits mit der Novelle von 1996 auch in der individuellen Hilfe des § 72 BSHG verankert. Er ist ein Instrument des Sozialhilfeträgers zur Steuerung von Leistungen und Kosten, das sowohl eine größere Kostentransparenz als auch eine bessere Wirkungskontrolle ermöglicht. Ziel und Planung der Hilfe, Art und Koordinierung der Hilfeerbringung, Wirkungskontrolle der Hilfe sind einige der Aspekte, die zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. in der neuen VO zu § 72 BSHG ist dieser Entwicklung Rechnung getragen worden: die Zielsetzung der Hilfe wird in § 2 Abs. 1 Satz 1 genannt, die Planung der Hilfe ist zu einem den Hilfeplan und die Koordinierung der einzelnen Hilfen umfassenden Gesamtplan weiter ausgebaut worden und die Sozialhilfeträger sind dazu angehalten, eine aktive und steuernde Rolle im Hilfeprozess wahrzunehmen. Nach Möglichkeit ist vor Beginn der vollstationären Hilfe ein Gesamtplan zu erstellen und für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, ist dieser unverzüglich nach Beginn der Hilfegewährung zu erstellen. Die Hilfe ist nach spätestens sechs Monaten zu überprüfen.
Dass der Gesamtplan durch die neue VO ein stärkeres Gewicht erhalten hat, wird auch von (einigen) Sozialhilfeträgern so wahrgenommen. Die aktiv steuernde Rolle, die dem Sozialhilfeträger bei der Gesamtplanung zukommt eröffnet ihm die Möglichkeit, die Hilfe zielgerichtet, effektiv und effizient einzusetzen. Die Verantwortung für den Gesamtplan liegt beim Sozialhilfeträger; die Freien Träger bzw. die Leistungserbringer stellen zusätzlich einen Hilfeplan auf, der die Art und Weise der Umsetzung der im Gesamtplan beschriebenen Maßnahmen und Hilfen festhält. Somit wird eine umfassende fallbezogene Steuerung ermöglicht. Dem strukturierten Gesamtplan, der in regelmäßigen zeitlichen Abständen anzupassen ist, sind deshalb im Idealfall Daten zu den Fragen zu entnehmen: "Wo und wobei ist im sozialhilferechtlichen Sinne für den betreffenden Menschen welche Hilfe erforderlich und erwünscht, wer soll diese in welcher Form erbringen und was soll damit innerhalb welchen Zeitraums bewirkt werden und wer hat welche Verantwortung?"17
Allerdings scheinen die theoretischen Steuerungsmöglichkeiten mittels des Gesamtplans und die praktische Anwendung noch weit auseinander zu liegen. Nach den Ergebnissen der Expertinnengespräche kann die von BRÜHL beschriebene Praxis bestätigt werden: "...(der) Gesamtplan im Sozialhilferecht (führt) ein Kümmerdasein, so dass bislang kaum ein Sozialhilfeträger Gesamtpläne macht, allemal nicht bei der Hilfe gemäß § 72 BSHG."18
Die Anforderungen, die an die Gewährung vollstationärer Hilfen im Rahmen des § 72 BSHG gestellt werden - insbesondere hinsichtlich der Erstellung eines Gesamtplanes - werden noch nicht in vollem Umfang erfüllt. Nach den Ergebnissen der durchgeführten Gespräche wird nur selten ein Gesamtplan aufgestellt (im Ausnahmefall vor Beginn der vollstationären Hilfe), allerdings wird die Hilfe nach sechs Monaten überprüft - zumeist anhand des individuellen Hilfeplans. Oftmals wird keine Unterscheidung zwischen Hilfeplanung und Gesamtplanung vorgenommen.19
17 Gerd Kronenberger 2001: Fallmanagement in der Behindertenhilfe - Was soll das bringen? Kritische Fragen und beherzte Antworten zur Anwendung des Gesamtplans nach § 46 BSHG, in: NDV Heft 8/2001, S. 266
18 Albrecht Brühl 2003: Gesamtplanung bei der Hilfe nach § 72 BSHG gemäß der Verordnung 2001, in: NDV, Februar 2003, S. 60
19 Die BAG Wohnungslosenhilfe verwendet die Begriffe Hilfeplan und Gesamtplan offensiv in synonymer Weise: "Der Terminus Gesamtplan wird hier synonym mit dem Begriff Hilfeplan verwendet. Zwar wird in der Praxis bisweilen Gut der Hälfte der befragten Sozialhilfeträger (und auch der Freien Träger) war ein Unterschied von Hilfeplan und Gesamtplan scheinbar nicht bewusst, so dass sie zum Teil auf die Frage, ob sie bei § 72 BSHG mit dem Instrument des Gesamtplans arbeiten, irritiert reagierten oder zur Antwort gaben: "Das machen wir doch schon immer." Bei näherer Erörterung wurde teilweise ein grundlegendes Unbehagen hinsichtlich einer schriftlich fixierten Planung artikuliert, das gerne mit dem dafür erforderlich hohen Zeitaufwand begründet wurde. Den Trägern war bewusst, dass es in ihrem Zuständigkeitsbereich geeignete Fälle für die Gesamtplanung gibt, der vermeintlich hohe Aufwand, der im Zusammenhang mit der Gesamtplanung vermutet wird, lässt sie aber davon Abstand nehmen.20
Tabelle 27: Hilfeplanung und Gesamtplanung (2002)
Durchführung von Hilfeplanung und Gesamtplanung Nennungen nach Trägern (in Prozent) |
Umfang der Planung | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | beide SH-Träger |
Hilfeplanung wird durchgeführt in Form von ... |
individueller Hilfeplanung | 57% | 79% | 67% |
Gesamtplanung zur Leistungskoordination | 4% | --- | 17% |
individueller Hilfeplanung und Gesamtplanung | 6% | --- | 17% |
Hilfeplanung wird nicht durchgeführt | 33% | 21% | --- |
Schon bei der Befragung im Jahr 2002 wurde ermittelt, in welchem Maße beide Formen der Hilfeplanung in der Praxis umgesetzt werden. Das Ergebnis war ernüchternd: Ein Drittel der örtlichen und ein Fünftel der überörtlichen Sozialhilfeträger führten keine Hilfeplanung durch (Tabelle 27). Die übrigen nannten überwiegend die individuelle Hilfeplanung, während der vorgesehene Gesamtplan erst in gering unter dem Terminus Gesamtplan die Koordination verschiedener Hilfearten verstanden und unter Hilfeplan die Koordination des Hilfeprozesses innerhalb einer Hilfeart. in der Praxis der Sozialarbeit fallen diese Planungsprozesse faktisch zusammen, so dass es sinnvoll ist, Gesamtplan und Hilfeplan synonym zu verwenden.", siehe dazu: wohnungslos 001/03 (PDF) , Clearing - Voraussetzung für die Erstellung eines Gesamtplanes (Hilfeplanes) in der Hilfe nach § 72 BSHG, Empfehlung der BAG Wohnungslosenhilfe zur Ausgestaltung des Clearingverfahrens, S. 32
Unterscheidet man weiter nach einzelnen Personengruppen, für die eine Planung durchgeführt wird, so gaben immerhin drei Viertel der örtlichen und fast alle überörtlichen Sozialhilfeträger an, zumindest in Einzelfällen eine Planung durchzuführen. Die differenziertere Fragestellung ergab:
20 "Ebenso wie im Jugendhilferecht wird auch im Sozialhilferecht die Verbreitung von Gesamtplänen (...) ganz maßgeblich davon abhängen, dass die Fachkräfte von ihrer Sinnhaftigkeit überzeugt sind." Albrecht Brühi 2003: Gesamtplanung bei der Hilfe nach § 72 BSHG gemäß der Verordnung 2001, in: NDV, Februar 2003, S. 62 gem Umfang umgesetzt wurde. in einem Bundesland wird das Fehlen von Durchführungsvorschriften als Begründung dafür angeführt, dass noch nicht mit dem Gesamtplan gearbeitet werde.21 Nur wenige Sozialhilfeträger setzten beide Planungsformen um.
- - Über die Hälfte der befragten Sozialhilfeträger (58 %) führen eine Form der Hilfeplanung in jedem Einzelfall durch, und zwar 6 % als Gesamtplanung, 42 % als individuelle Hilfeplanung und 10 % als Kombination beider Formen.
- - 10 % der Befragten beschränken die Hilfeplanung auf Fälle mit sehr komplexem Hilfebedarf; im Durchschnitt betrifft dies rd. 40 % aller Klienten (mit Unterschieden nach Art des Sozialhilfeträgers).
- - rd. 20 % der Sozialhilfeträger führen die Hilfeplanung nur bei vollstationärem Hilfebedarf durch (und zwar überwiegend in Form von individueller Hilfeplanung).
Einige nannten darüber hinaus andere Fälle, in denen eine Hilfeplanung durchgeführt wird, so z.B. bei bestimmten Hilfeformen oder bei Langzeitklienten.
Bei der schriftlichen Abschlussbefragung 2003 ergab sich ein weiter entwickeltes differenzierteres Bild hinsichtlich der gesamten Planungssituation. Die Befragungsergebnisse bestätigten in der Tendenz die Ergebnisse der Expertinnenbefragung, bei der der Eindruck entstanden war, dass einerseits Hilfepläne zum Standard der
21 Formale Voraussetzung für die Anwendung der VO ist der Erlass der entsprechenden Richtlinie bzw. die Änderung des Ausführungsgesetzes durch das jeweilige Bundesland. Diese Voraussetzung ist in den meisten Bundesländern nicht gegeben. Dennoch findet die neue VO zu § 72 BSHG in allen Bundesländern Anwendung. Das Bundesland, das sich auf Grund der fehlenden formalen Voraussetzung nicht zur Anwendung des Gesamtplanes in der Lage sieht begründet diese Haltung damit, dass zum Gesamtplan nicht nur gehöre, dass man sich mit allen Beteiligten an einen Tisch setze und überlege was zu tun sei, sondern dass dazu auch die genaue Kenntnis der vorherigen Situation gehöre. in der Regel handele es sich im Bereich des § 72 BSHG nicht um eine nennenswerte Anzahl von Neufällen pro Jahr, sondern eher um diejenigen, die schon vorher im Rahmen des § 72 in Erscheinung getreten seien. Hier brauche man informationen darüber, wann derjenige schon einmal im Zuständigkeitsbereich des überörtlichen Trägers Sozialhilfe bezogen habe und in welcher Form. Für einen Informationsaustausch und einen derart weitreichenden Gesamtplan seien Durchführungsvorschriften unerlässliche Voraussetzung.
Hilfegewährung zählen und als Grundlage für die Kostenanerkenntnis durch den Sozialhilfeträger unerlässlich sind, und dass andererseits Gesamtpläne eher zu den Ausnahmeerscheinungen in der Hilfegewährung zählen. (Tabellen 28 und 29).
Tabelle 28: Hilfeplanung (2003)
Aussagen zum Thema Hilfeplanung (in Prozent) |
| stimme der Aussage zu ... | |
Aussagen | vollkommen | überwiegend | teilweise | gar nicht | Anzahl Nennungen |
Hilfepläne sind die Grundlage für die Kostenanerkennung durch den Sozialhilfeträger | 43% | 19% | 20% | 18% | 89% |
Hilfepläne werden grundsätzlich in allen Fällen erstellt | 43% | 23% | 13% | 21% | 70% |
Hilfepläne werden im ambulanten Bereich erstellt | 35% | 18% | 25% | 22% | 72% |
Hilfepläne werden im stationären Bereich erstellt | 55% | 22% | 12% | 11% | 73% |
Hilfepläne werden nur in geeigneten Fällen erstellt | 4% | 19% | 16% | 61% | 57% |
... in geeigneten Fällen im ambulanten Bereich | 8% | 16% | 30% | 46% | 50% |
... in geeigneten Fällen im stationären Bereich | 7% | 16% | 20% | 57% | 44% |
Hilfepläne gehören zum Standard bei der Hilfe nach § 72 | 49% | 25% | 15% | 11% | 88% |
Während gut die Hälfte der überörtlichen Träger (54,5 %) angab, dass Hilfepläne grundsätzlich in allen Fällen erstellt würden, wurde diese Aussage nur von gut einem Drittel (37,5 %) der örtlichen Sozialhilfeträger unterstützt. Dass Hilfepläne nur in geeigneten Fällen erstellt würden, hielten 70 % der überörtlichen Träger für überhaupt nicht zutreffend, aber "nur" 58 % der örtlichen Träger. Als Begründung hierfür sind vor allem die unterschiedlichen Zuständigkeiten und Zielgruppen, mit denen die Träger befasst sind, zu nennen. Während die überörtlichen Sozialhilfeträger fast ausschließlich die vollstationäre Hilfegewährung im Blick haben, sind die örtlichen Träger sowohl mit ambulanter als auch mit vollstationärer Hilfe befasst. Nach den Aussagen der örtlichen Sozialhilfeträger werden Hilfepläne (und Gesamtpläne) häufiger im Rahmen der vollstationären als der ambulanten Hilfe erstellt und hier wiederum oftmals aus dem formalen Grund der Kostenanerkenntnis.
Auf den ersten Blick mag verwundern, dass immerhin 18 % der Sozialhilfeträger angaben, ein Hilfeplan sei nicht Grundlage für die Kostenanerkenntnis durch den Sozialhilfeträger - hier bringt eine Differenzierung nach Art des Sozialhilfeträgers rasche Aufklärung: 20,5 % der örtlichen Sozialhilfeträger gaben an, dass ein Hilfeplan nicht als Grundlage für die Kostenanerkenntnis erforderlich sei, aber kein einziger überörtlicher Sozialhilfeträger stimmte dieser Aussage zu. Hier bestätigten 69 % der überörtlichen Träger, dass ein Hilfeplan die Grundlage für die Kostenanerkenntnis durch den Sozialhilfeträger darstelle (örtliche Träger: 37 %).
Sowohl örtlichen als auch überörtlichen Trägern wird zunehmend bewusst, welche Steuerungsmöglichkeiten ihnen durch die Planungsinstrumente Hilfeplan und Gesamtplan an die Hand gegeben werden und dass sich bei konsequenter Anwendung der Planungsinstrumente Änderungen im Hilfeablauf ergeben und in der Zusammenarbeit von Freien Trägern und Sozialhilfeträgern.
Tabelle 29: Gesamtplanung (2003)
Aussagen zum Thema Gesamtplanung (in Prozent) |
| stimme der Aussage zu ... | Anzahl |
Aussagen | vollkommen | überwiegend | teilweise | gar nicht | Nennungen |
Gesamtpläne werden nicht erstellt | 35% | 11% | 20% | 35% | 75% |
Gesamtpläne werden nur in geeigneten Fällen erstellt | 14% | 12% | 35% | 39% | 51% |
in geeigneten Fällen im ambulanten Bereich | 16% | 13% | 33% | 38% | 45% |
in geeigneten Fällen im stationären Bereich | 14% | 17% | 31% | 38% | 42% |
Am Gesamtplan wird neben dem Sozialhilfeträger noch beteiligt: |
der Freie Träger | 37% | 29% | 17% | 17% | 48% |
der Hilfeempfänger | 49% | 25% | 13% | 13% | 47% |
die Arbeitsverwaltung | 3% | 13% | 30% | 53% | 30% |
das Gesundheitsamt | 8% | 14% | 43% | 35% | 37% |
das Jugendamt | 3% | 3% | 55% | 39% | 33% |
Sonstige* | 27% | --- | 18% | 55% | 11% |
Der Gesamtplan ist mit einem immensen Arbeitsaufwand verbunden | 42% | 26% | 26% | 5% | 57% |
* Sonstige: | |
Betreuer | 4 Nennungen |
Schuldnerberatung | 1 Nennung |
Einrichtung und Kostenträger | 1 Nennung |
Die Gesamtplanung stellt ein hohes Maß an Transparenz in der Hilfegewährung her, was nicht von allen Beteiligten ohne Skepsis aufgenommen wurde. Vor allem Freie Träger äußerten die Befürchtung, dass eine intensivere Planung und Steuerung durch die Sozialhilfeträger eine veränderte Form der Hilfegewährung zur Folge haben werde. Wenn die Sozialhilfeträger verstärkt Steuerungsaufgaben übernähmen, sei zu befürchten, dass die Freien Träger in ihrem Vorgehen weniger frei seien als bisher und eine Veränderung in der Zusammenarbeit zwischen Sozialhilfeträger und Freien Trägern auf Grund der Anwendung des Gesamtplans sehr wahrscheinlich sei. Von den Freien Trägern wird im Kontext der stärkeren Steuerung durch die Sozialhilfeträger insbesondere eine Reduzierung der Leistungen und eine stärkere Kontrolle der Art und Weise der Leistungserbringung erwartet.
"Die Steuerung war in der Vergangenheit immer in der Verantwortung der Freien Träger; in Zukunft wird der Sozialhilfeträger mehr Steuerungsaufgaben übernehmen, wie die Steuerung durch den Gesamtplan. Bei den Freien Trägern bleibt dann die Umsetzung der Hilfeplanschritte" - so die Aussage eines Sozialhilfeträgers.
Mehrere Sozialhilfeträger hielten die Anwendung der Gesamtplanung für eine gravierende Änderung, die mit der neuen VO verbunden sei. Durch die Gesamtplanung werde das ganze Hilfeverfahren strukturiert, die Hilfeerbringung werde besser steuerbar und effizienter. Bislang lägen Berichte oder Hilfepläne eher in Form "unstrukturierter Prosa" vor.
Seitens der Freien Träger wurde (nicht nur positiv) angemerkt, dass durch die Hilfeplanung / Gesamtplanung einige Sozialhilfeträger bereits dazu übergegangen seien, detailliertere Vorgaben zu machen mit dem Ziel, die Hilfe effektiver zu gestalten und die Hilfedauer zu verkürzen.
Die Frage, was ein für die Gesamtplanung "geeigneter Fall" ist, wurde sehr unterschiedlich beantwortet - nachfolgend einige Auszüge aus den geführten Gesprächen. Geeignete Fälle sind:
- - Fälle, in denen das planvolle Handeln mehrerer Stellen erforderlich ist.
- - Fälle, in denen sich der Hilfebedarf auf mehrere Lebensbereiche erstreckt, wobei die Hilfe durchaus nur von einem Träger geleistet werden kann.
- - Fälle in vollstationären Einrichtungen.
- - Vom Grundsatz her ist ein Gesamtplan bei allen kostenwirksamen Leistungen zu erstellen.
"Ein geeigneter Fall ist vor allem indiziert bei mehreren Maßnahmen und / oder mehreren Trägern ("Gesamtplanung"), längerer Dauer, Sesshaftmachung sowie stationärer Hilfe"22 - so die Auffassung von BRÜHL.
22 Albrecht Brühl 2003: Gesamtplanung bei der Hilfe nach § 72 BSHG gemäß der Verordnung 2001, in: NDV, Februar 2003, S. 63
3.3 Verwaltung und Kosten
Angaben zur Zahi der Bearbeiterinnen der Hilfe nach § 72 BSHG sowie zu den in diesem Bereich anfallenden Leistungsausgaben und Verwaltungskosten waren bereits im Rahmen der Vorstudie erhoben worden. Aus der seinerzeitigen Beantwortung dieser Fragen konnten bei der aktuellen Erhebung Schlussfolgerungen für Frageformulierungen gezogen werden, die einerseits möglichst präzise und hinreichend differenziert, andererseits aber auch nicht überdifferenziert waren.
(1) Zahl der Mitarbeiterinnen in vielen Gesprächen mit Mitarbeiterinnen der Sozialhilfeträger wiesen diese immer wieder darauf hin, dass ihr Arbeitsbereich personell unterbesetzt sei, worunter die Sachbearbeitung, aber auch weiter gehende Aufgaben wie Hilfeplanung, Dokumentation und auch die Beteiligung an empirischen Erhebungen leiden. im Rahmen der schriftlichen Erhebungen wurde darum gebeten, die zur Bearbeitung der Hilfen nach § 72 BSHG zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten möglichst genau anzugeben, wobei anteilige Stellen auch als Anteile mit Bezug auf eine Vollzeitstelle ausgewiesen werden sollten ("Umrechnung auf Vollzeitstellen"). Antworten von Trägern, die auch bei telefonischen Nachfragen ihre vagen Angaben nicht präzisieren konnten ("insgesamt 15 Mitarbeiter mit einem Arbeitsumfang für § 72 BSHG von 5 % - 85 %") blieben bei der Auswertung unberücksichtigt.
Tabelle 30: Zahl der Mitarbeiterinnen (2003)
Zahl der Mitarbeiterinnen Durchschnittswerte nach Trägern (umgerechnet auf Vollzeitäquivalente) |
Mitarbeiterinnen | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | ört1./überört1. SH-Träger |
durchschnittliche Zahl der Mitarbelterinnen | 2,6 | 3,1 | 2,8 |
Städte | 4,96 | |
Landkreise | 0,76 | |
unter 1 Mitarbeiterin | 49% | 46% | |
1 Mitarbeiterin | 20% | | |
üb. 1 bis 2 Mitarbeiterinnen | 6% | 18% | |
üb. 2 bis 5 Mitarbeiterinnen | 17% | 9% | 100% |
üb. 5 bis 10 Mitarbeiterinnen | 4% | 18% | |
üb. 10 bis 20 Mitarbeiterinnen | 1% | 9% | |
üb. 20 Mitarbeiterinnen | 3% | |
Fälle pro Mitarbeiterin | 151 | 334 | 21 |
Im Durchschnitt sind im Jahr 2003 bei den örtlichen Sozialhilfeträgern 2,6 Mitarbeiterinnen mit diesem Sachgebiet befasst, bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern durchschnittlich 3,1. im Vergleich zur Vorjahresbefragung ergeben sich hier keine nennenswerten Unterschiede: Bei den. örtlichen Sozialhilfeträgern wurden im Vorjahr durchschnittlich 2,5 Stellen für diesen Bereich dokumentiert - bei den überörtlichen 3,2. Hauptsächlich sind die Mitarbeiterinnen bei Sozialhilfeträgern der Städte beschäftigt, die im Durchschnitt knapp 5 Stellen für die Hilfe nach § 72 BSHG vorhalten, während die Landkreise durchschnittlich auf weniger als eine volle Stelle kommen (3/4 Stelle).
Bis zu maximal einer vollen Stelle haben 69 % der örtlichen und 64 % der überörtlichen Sozialhilfeträger. Nur bei wenigen Sozialhilfeträgern (8 % der örtlichen und 27 % der überörtlichen Sozialhilfeträger) sind in diesem Bereich mehr als 5 Mitarbeiterinnen beschäftigt.
Differenziert man weiter nach Kapazitätsklassen, so zeigt sich, dass fast die Hälfte der Sozialhilfeträger keine volle Stelle für diesen Bereich vorsieht: 49 % der örtlichen und 46 % der überörtlichen Träger haben hier weniger als eine Personalstelle zur Verfügung. Hier zeigen sich bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern im Vergleich zum Vorjahr abweichende Werte: Mit 46 % hat sich der Anteil der Sozialhilfeträger, die weniger als eine volle Stelle für diesen Bereich vorhalten, verdoppelt. in der Vorjahresbefragung waren es 23 % der überörtlichen Träger, die über weniger als eine Stelle für diesen Bereich verfügten (örtliche Träger: 42 %). Dies mag zu einem geringen Teil darauf zurückzuführen sein, dass eine stärkere Akzentuierung der ambulanten Hilfe, die primär im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Sozialhilfeträger liegt, erfolgte. Zu einem größeren Anteil erfolgten bei Sozialhilfeträgern Umstrukturierungen mit entsprechender Zuständigkeitsverlagerung, z.B. bei Wohnprojekten.
Diese Annahme wird durch die Entwicklung der Fallzahlen untermauert. Die Zahl der pro Mitarbeiterin zu bearbeitenden Fälle scheint sich bei den örtlichen Sozialhilfeträgern erhöht (von 94 auf 151) und bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern verringert zu haben (von 379 auf 334) - eine Personalaufstockung oder -reduzierung ist jedoch nur in minimalem Umfang zu verzeichnen: bei den örtlichen Sozialhilfeträgern von durchschnittlich 2,5 auf 2,6 Mitarbeiterinnen und bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern von durchschnittlich 3,2 auf 3,1 Mitarbeiterinnen (Tabelle 30).23
23 siehe hierzu auch den Exkurs: Ambulant vor Stationär im Abschnitt 3.2.2
(2) Leistungsausgaben / Kosten pro Fall
Bei der Ermittlung der Ausgaben hatte die aus der Vorstudie gewonnene Erfahrung zu einem sehr differenzierten Erhebungsraster geführt: Um vergleichbare Werte zu erhalten, sollten geschätzte Angaben von statistisch erfassten Werten unterscheidbar sein und Angaben der Bruttoausgaben von Angaben der Nettoausgaben. Führt man diese Unterscheidung im Einzelnen durch, so wird allerdings die Fallzahl so klein, dass externe Faktoren (wie Größe und Zuständigkeitsbereich) die Ergebnisse überlagern. Ein Drittel der Sozialhilfeträger gab ihre Ausgaben als Bruttowerte, zwei Drittel der Sozialhilfeträger als Nettowerte (reine Ausgaben) an. Um mit beiden Datentypen rechnen zu können, wurden die Bruttoausgaben anhand der statistischen Relation zwischen Brutto- und reinen Ausgaben im Bereich der "sonstigen Hilfen in besonderen Lebenslagen" auf reine Ausgaben umgerechnet. Die reinen Ausgaben betragen in diesem Hilfebereich bundesweit rd. 94 % der Bruttoausgaben. Die nachfolgende Tabelle enthält somit die (teils genannten, teils berechneten) reinen Ausgaben. Filtert man weiterhin nur diejenigen heraus, die vollständige Angaben zu aufeinander folgenden Jahren gemacht haben, so kann sich die Auswertung des Jahres 2002 auf die Angaben von 60 Sozialhilfeträgern (52 örtlichen, 5 überörtlichen und 3 aus den Stadtstaaten) stützen.
Tabelle 31: Leistungsausgaben (2002)
Leistungsausgaben für die Hilfe nach § 72 BSHG Nennungen nach Trägern (Jahresdurchschnitt in € und jährliche Veränderung) |
| Durchschnitt je Sozialhilfeträger |
Ausgabenposition | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | ört1./überörtl. SH-Träger |
Anzahl der Antworten: | 52 | 5 | 3 |
Leistungsausgaben im Jahr 1999 (in 1.000 €) | 302 | 15.168 | 1.645 |
Leistungsausgaben im Jahr 2000 (in 1.000 €) | 329 | 15.614 | 2.061 |
Leistungsausgaben im Jahr 2001 (in 1.000 €) | 350 | 15.442 | 2.418 |
Veränderung 2000 gegenüber 1999 | 9% | 3% | 25% |
Veränderung 2001 gegenüber 2000 | 6% | -1% | 17% |
Die nach diesen Bearbeitungsschritten gewonnenen Daten bildeten eine verlässliche Grundlage zur Bewertung der Ausgabenentwicklung. Die Angaben von 60 Sozialhilfeträgern führten zu dem Ergebnis, dass die jährlichen Ausgaben der örtlichen Träger von durchschnittlich 302.000 € im Jahr 1999 auf 350.000 € im Jahr 2001 angestiegen sind, dies entspricht einer jährlichen Steigerung von etwa 8 %. Die Leistungsausgaben der in die Auswertung einbezogenen überörtlichen Träger sind im gleichen Zeitraum von durchschnittlich 15,2 Mio. € auf 15,4 Mio. € angestiegen, was einer Steigerung von 3 % zwischen 1999 und 2000 sowie einem Rückgang um 1 % zwischen 2000 und 2001 entspricht. in der Befragung des Jahres 2002 wurden Daten zu den Jahren 1999 - 2001 erhoben, in der Folgebefragung des Jahres 2003 Daten zu den Jahren 2001 und 2002. Hintergrund für die "doppelte" Abfrage der Kosten des Jahres 2001 war die Annahme, dass ein großer Teil derjenigen Sozialhilfeträger, die bereits an der Vorjahresbefragung teilgenommen hatten, sich auch an der Befragung des Jahres 2003 beteiligen würde und man über die Variable "Ausgaben 2001" eine Verknüpfung der Fälle vornehmen könnte, um die Kostenentwicklung über einen Zeitraum von maximal 4 Jahren darstellen zu können.
Von allen Sozialhilfeträgern, die sich 2003 an der Erhebung beteiligten, hatten 43 (38 %) bereits an der Vorjahresbefragung teilgenommen. Die Befragungsergebnisse dieser Träger wurden mit ihren Daten des Jahres 2002 zusammengeführt und einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Dabei ergab sich bei einigen Trägern Klärungsbedarf hinsichtlich scheinbarer Unstimmigkeiten der Nettoausgaben der Jahre 2001 und 2002. Durch die Nach-Recherche konnten starke Abweichungen bei den Leistungsausgaben geklärt werden - die oftmals durch strukturelle Änderungen der Hilfe bzw. durch eine Neuorganisation des Hilfeangebots bedingt waren:
- - die Zuständigkeit für Hilfe in Einrichtungen ging vom überörtlichen auf den örtlichen Sozialhilfeträger über,
- - die Kostenerstattung durch den überörtlichen Sozialhilfeträger hat sich verändert,
- - die Fallzusammensetzung hat sich geändert / Aufgabenzuschnitt hat sich geändert,
- - das Leistungsangebot wurde erweitert / neue Projekte wurden aufgelegt,
- - die vollstationäre Auslastung ist gestiegen / eine vollstationäre Einrichtung wurde neu eröffnet,
- - ambulante Hilfen wurden aufgebaut,
- - bei einem sehr kostenintensiven Fall konnte die Hilfe eingestellt werden.
Letztlich verblieb nur eine geringe Anzahl von Sozialhilfeträgern, die in beiden Befragungen vollständige und verwertbare Angaben zu dem Themenkomplex "Kosten" gemacht haben, so dass auf eine separate Auswertung dieser Träger verzichtet wurde. Die nachfolgende Tabelle bildet die Ergebnisse der letzten schriftlichen Erhebung ab, bei der sich 81 Träger zu den Leistungsausgaben der Jahre 2001 und 2002 äußerten (Tabelle 32).
Tabelle 32: Leistungsausgaben (2003)
Leistungsausgaben für die Hilfe nach § 72 BSHG Nennungen nach Trägern (Jahresdurchschnitt in € und jährliche Veränderung) |
| Durchschnitt je Sozialhilfeträger |
Ausgabenposition | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | ört1./überörtl. SH-Träger |
Anzahl der Antworten: | 65 | 13 | 3 |
Leistungsausgaben im Jahr 2001 (in 1.000 €) | 493 | 12.559 | 836 |
Leistungsausgaben im Jahr 2002 (in 1.000 €) | 525 | 13.156 | 984 |
Veränderung 2002 gegenüber 2001 | 6% | 5% | 18% |
Die Angaben von 81 Sozialhilfeträgern führen zu dem Ergebnis, dass die jährlichen Ausgaben der örtlichen Träger von 2001 auf 2002 um durchschnittlich 6 % angestiegen sind, womit sich die Tendenz aus der Vorjahresbefragung fortsetzt.24 Diese Steigerung entspricht in etwa der Kostensteigerung im gesamten Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen.25
Die personenbezogenen Ausgaben, d.h. die Kosten pro Fall, lagen im Jahr 2002 bei durchschnittlich 8.052 € - bei den örtlichen Trägern bei 6.871 € und bei den überörtlichen Sozialhilfeträgern bei 16.549 € (Tabelle 33).26
Tabelle 33: Durchschnittliche Fallkosten für die Hilfe nach § 72 BSHG (2003)
Durchschnittliche Fallkosten für die Hilfe nach § 72 BSHG Angabe nach Trägern (in €) |
Nettoausgaben pro Fall | insgesamt | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | örtl./überörtl. SH-Träger |
Anzahl der Antworten: | 69 | 59 | 8 | 2 |
Fallkosten im Jahr 2002 | 8.052 € | 6.871 € | 16.549 € | 8.890 € |
24 Eine Fortschreibung der Tabelle 26 mit diesen Daten ist nicht möglich, da die Daten von unterschiedlichen Trägern stammen.
25 vgl. dazu den Abschnitt 3.1 (1): "Die Hilfe nach § 72 BSHG im Spiegel der amtlichen Statistik"
26 vgl. dazu den Abschnitt 3.1 (1)
(3) Leistungsausgaben nach weiterer Untergliederung
Bei der schriftlichen Befragung der Sozialhilfeträger wurde der Versuch unternommen, die Leistungsausgaben eines Jahres in tieferer Aufgliederung zu erfassen. Dies ist im Hinblick auf die Hilfeform gelungen, nicht aber in der weiteren Differenzierung der Ausgaben nach einzelnen Zielgruppen. Die Ausgaben für einzelne Zielgruppen wurden nur von so wenigen Befragten (und dann auch noch meist unvollständig) angegeben, dass eine tiefer gegliederte Auswertung dieser Dimension nicht möglich ist.
In Tabelle 34 sind die Ausgaben der Jahre 2001 und 2002 für ambulante, teilstationäre und vollstationäre Hilfen aufgegliedert;27 diese Auswertung beruht auf den Angaben von insgesamt 72 (Befragung 2002) bzw. 67 Sozialhilfeträgern (Befragung 2003).28
Tabelle 34: Leistungsausgaben nach Hilfeform
Leistungsausgaben 2001 und 2002 für die Hilfe nach § 72 BSHG Nennungen nach Trägern (Jahresdurchschnitt pro Träger in 1.000 €) |
| Durchschnitt je Sozialhilfeträger |
Ausgabenposition | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | örtl./überörtl. SH-Träger |
Anzahl der Sozialhilfeträger | 62 | 8 | 2 |
Ausgaben 2001 insgesamt | Durchschnitt: | 376 | 11.481 | 5.607 |
| Anteil: | 100% | 100% | 100% |
darunter: |
ambulant (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 126 | 3.497 | 2.348 |
| Anteil: | 33% | 30% | 42% |
Teilstationär (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 35 | 583 |
| Anteil: | 9% | 10% |
vollstationär (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 215 | 7.984 | 2.677 |
| Anteil: | 57% | 70% | 48% |
Anzahl der Sozialhilfeträger | 54 | 11 | 2 |
Ausgaben 2002 insgesamt | Durchschnitt: | 390 | 371 | 748 |
| Anteil: | 100% | 100% | 100% |
darunter: |
ambulant (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 128 | 5.880 | 381 |
| Anteil: | 33% | 41% | 51% |
teilstationär (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 10 | --- | 217 |
| Anteil: | 3% | --- | 29% |
vollstationär (in 1.000 €) | Durchschnitt: | 252 | 8.445 | 150 |
| Anteil: | 65% | 59% | 20% |
27 vgl. dazu den Abschnitt 3.1
28 Diese Stichprobe ist nicht identisch mit derjenigen, die Angaben für den Drei-Jahres-Zeitraum machen konnte (vgl. Tabelle 27), dadurch sind Differenzen in den Beträgen bedingt. Die Träger, die örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger zugleich sind, waren in der Befragung 2002 andere als in der Befragung 2003.
Das Ergebnis lässt die Ausgabenstruktur nach Art des Sozialhilfeträgers erkennen: Die örtlichen Träger haben im Jahr 2001 durchschnittlich 376.000 € ausgegeben, davon 33 % für ambulante Hilfen, 9 % für teilstationäre und 57 % für vollstationäre Hilfen. Die Ausgabenstruktur der überörtlichen Sozialhilfeträger (im Durchschnitt 11,5 Mio. € je Sozialhilfeträger) unterscheidet sich davon vor allem darin, dass dort keine Ausgaben für teilstationäre Hilfen angefallen sind, der Anteil für vollstationäre Hilfen fällt entsprechend höher aus. Die Sozialhilfeträger aus den Stadtstaaten unterscheiden sich von beiden dadurch, dass dort der Ausgabenanteil für ambulante Hilfen höher und der für vollstationäre Hilfen niedriger ist; dort liegen beide Hilfeformen in einer Hand.
(4) Verwaltungskosten
Bei den Verwaltungskosten konnten nur wenige Sozialhilfeträger ihre Daten auf exakter statistischer Basis benennen. in die Auswertung der Folgetabelle sind alle Angaben der Sozialhilfeträger eingeflossen, die vollständige Angaben für drei Jahre machen konnten. Damit basieren die folgenden Ergebnisse auf den Daten von 57 Sozialhilfeträgern: 50 örtlichen und 7 überörtlichen Trägern.29
Die je Sozialhilfeträger durchschnittlichen Gesamtausgaben im Verwaltungsbereich (Tabelle 35, oberes Drittel) sind bei den örtlichen Trägern von 102.000 € im Jahr 1999 über 109.000 € (2000; Steigerung um 7 %) auf 121.000 € im Jahr 2001 (Steigerung um 11 %) gestiegen. in etwas geringerem Maße und mit anderem zeitlichen Verlauf sind die Personalkosten der überörtlichen Sozialhilfeträger gestiegen, sie haben von 145.000 € (1999) über 161.000 € (2000, +11 %) auf 165.000 € (2001, +2 %) zugenommen.
Um die Verwaltungskosten zwischen den Sozialhilfeträgern besser vergleichbar zu machen, können sie weiterhin auf die Zahi der eingesetzten Mitarbeiterinnen bezogen werden. Dieser Wert wird zusätzlich nach "reinen Personalkosten" und "Personal- und Sachkosten" differenziert, da 20 Sozialhilfeträger ihre Angaben als reine Personalkosten machten, während 31 Sozialhilfeträger Personal- und Sachkosten als zusammengefassten Wert angaben.
Betrachtet man nur Sozialhilfeträger mit Angaben zu den reinen Personalkosten (mittlerer Bereich der Tabelle 35), so ergeben sich Werte, die beim örtlichen Sozialhilfeträger zwischen 32.000 € (1999) und 36.000 € (2001) pro Mitarbeiterin liegen,
29 Von den Sozialhilfeträgern aus den Stadtstaaten wurde diese Frage nicht beantwortet, daher werden in der dritten Spalte der Tabelle die Summen bzw. Gesamtdurchschnitte ausgewiesen. beim überörtlichen Sozialhilfeträger zwischen 35.000 € (1999) und 37.000 € (2001) pro Mitarbeiterin. Betrachtet man die Sozialhilfeträger mit zusammengefassten Angaben zu Personal- und Sachkosten (unterer Bereich der Tabelle 35), so liegen die Angaben um rd. 50 % bis 60 % über den reinen Personalkosten. Die örtlichen Träger kommen bei dieser Berechnung auf Werte zwischen 49.000 € (1999) und 54.000 € (2001), die überörtlichen Träger auf Werte zwischen 56.000 € (1999) und 58.000 € (2001).30
Tabelle 35: Verwaltungskosten
Verwaltungskosten für die Hilfe nach § 72 BSHG Nennungen nach Trägern (Jahresdurchschnitt in 1.000 € und jährliche Veränderung) |
| Durchschnitt je Sozialhilfeträger |
Ausgabenposition | örtlicher SH-Träger | überörtlicher SH-Träger | insgesamt |
Anzahl der Antworten : | 50 | 7 | 57 |
alle Sozialhilfeträger |
Verwaltungskosten im Jahr 1999 (in 1.000 €) | 102 | 145 | 107 |
Verwaltungskosten im Jahr 2000 (in 1.000 €) | 109 | 161 | 116 |
Verwaltungskosten im Jahr 2001 (in 1.000 €) | 121 | 165 | 126 |
Veränderung 2000 gegenüber 1999 | 7% | 11% | 8% |
Veränderung 2001 gegenüber 2000 | 11% | 2% | 9% |
Anzahl der Antworten: | 17 | 3 | 20 |
reine Personalkosten pro Mitarbeiterin |
Verwaltungskosten im Jahr 1999 | 32 | 35 | 33 |
Verwaltungskosten im Jahr 2000 | 33 | 36 | 33 |
Verwaltungskosten im Jahr 2001 | 36 | 37 | 36 |
Veränderung 2000 gegenüber 1999 | 2% | 1% | 2% |
Veränderung 2001 gegenüber 2000 | 9% | 5% | 8% |
Anzahl der Antworten: | 27 | 4 | 31 |
Personal- und Sachkosten pro Mitarbeiterin |
Verwaltungskosten im Jahr 1999 | 49 | 56 | 50 |
Verwaltungskosten im Jahr 2000 | 53 | 57 | 53 |
Verwaltungskosten im Jahr 2001 | 54 | 58 | 54 |
Veränderung 2000 gegenüber 1999 | 8% | 2% | 7% |
Veränderung 2001 gegenüber 2000 | 1% | 2% | 1% |
Die Steigerung der Verwaltungskosten im beobachteten Zeitraum lässt sich somit weitgehend durch die Personalkostensteigerung pro vorhandener Stelle erklären; eine Aufstockung des Personals ist dagegen kaum erfolgt, der Stamm der Mitarbeiterinnen ist in diesem Bereich weitgehend unverändert geblieben.
30 Auf die zusätzliche tabellarische Darstellung der Ergebnisse der Träger, die sich an beiden schriftlichen Erhebungen beteiligt haben und die zu den Verwaltungskosten vollständige und verwertbare Angaben machen konnten, wird auf Grund der geringen Fallzahl verzichtet.
3.4 Veränderungen durch die neue Verordnung zu § 72 BSHG in der Voruntersuchung (2001),
in beiden schriftlichen Erhebungen der Hauptuntersuchung (2002 und 2003) und in den Expertinnengesprächen (2003) wurden die Sozialhilfeträger jeweils nach Veränderungen gefragt, die auf die neue VO zurückzuführen sind.
(1) Veränderung der Hilfe
Bei den schriftlichen Erhebungen wurden den Sozialhilfeträgern zunächst einige Aspekte zur Beurteilung vorgegeben, die sich im Zusammenhang mit der Hilfegewährung möglicherweise verändert haben könnten. Das Ergebnis zeigte bei allen Befragungen die gleiche Tendenz: der größte Teil der Befragten konnte keine nennenswerten Veränderungen durch die Einführung der neuen VO feststellen (vgl. Tabelle 36 - die Antworten sind nach dem Grad der Zustimmung sortiert): 67 h sehen keine wesentliche Veränderung gegenüber nur 10 %, die eine wesentliche Veränderung festgestellt haben.
Tabelle 36: Veränderung der Hilfe (2003)
Veränderung der Hilfe nach § 72 BSHG Bewertung nach Anteilen und Anzahl der Antworten |
Einschätzungen der Sozlalhilfeträger | trifft zu | teils / teils | trifft nicht zu | Anzahl Antworten |
Auf Grund der neuen Verordnung zu § 72 BSHG ... |
gab es keine wesentliche Veränderung | 67% | 23% | 10% | 101 |
hat die ambulante Hilfe im Vergleich zur stationären Hilfe ein größeres Gewicht erhalten | 24% | 28h | 48% | 86 |
wurden die Verfahren der Hilfeplanung verbessert | 19% | 35% | 46% | 85 |
wurde die genaue Bezeichnung d. Zielgruppe erleichtert | 17% | 40% | 43% | 88 |
wurde die Gestaltung der Hilfe gründlicher und genauer | 17% | 37% | 46% | 91 |
wurde die Abgrenzung zu anderen Hilfearten erleichtert | 9% | 27% | 64% | 89 |
wurde die Organisation v. Komplexleistungen erleichtert | 5% | 32% | 63% | 81 |
wurde die Hilfegewährung einfacher | 3% | 31% | 66% | 91 |
hat sich die Dauer der Hilfegewährung verkürzt | 2% | 21% | 77% | 87 |
andere Veränderungen: (jeweils eine Nennung)
- Zunahme von Statistiken
- Erweiterung der Personengruppe
Die weiteren Aspekte, die alle eine Veränderung unterstellen, fanden dementsprechend nur geringe Zustimmung. Allenfalls noch die stärkere Gewichtung ambulanter gegenüber der vollstationären Hilfeform wird in diesem Zusammenhang als Veränderung gewertet (24 %), aber auch hier verneinte mit 48 % knapp die Hälfte der
Befragten diese Aussage. Dass die Verfahren zur Hilfeplanung verbessert wurden, sahen 19 % der Befragten so und dass durch die neue VO die genaue Bezeichnung der Zielgruppen erleichtert wurde, hielten 17 % für zutreffend. Ebenso, dass die Gestaltung der Hilfe durch die neue VO gründlicher und genauer wurde. Allen weiteren in der Fragestellung vorgegebenen Aussagen stimmten nur weniger als 10 °to der Sozialhilfeträger zu, während sich die ablehnenden Anteile zwischen 63 % und 77 % (im Falle der Aussage, die Dauer der Hilfegewährung habe sich in Folge der neuen Verordnung verkürzt) bewegten.
(2) Veränderung des Personenkreises durch die neue Verordnung
Auch hinsichtlich des betroffenen Personenkreises sehen die meisten Sozialhilfeträger keine Veränderung. Dies wird zum Teil damit begründet, dass bereits zuvor die Begrifflichkeit der früheren Verordnung nicht mehr als handlungsleitend betrachtet worden war.
Die größte Gruppe der Befragten bilden hier diejenigen, die angaben, dass die neuen Definitionen der VO (besondere Lebensumstände, soziale Schwierigkeiten) für sie weder vorteilhaft noch nachteilig seien. Begründet wurde dies damit, dass (intern) schon seit Jahren mit lebenslageorientierten Definitionen gearbeitet werde und dass es daher keine große Neuerung darstelle, diese Definitionen nun auch in der VO wieder zu finden und anzuwenden.
Bei der Expertinnenbefragung bestätigten vier Fünftel der Befragten, dass sich durch die neue Verordnung keinerlei Änderungen ergeben hätten: weder in Hinsicht auf den Personenkreis noch im Hinblick auf die Kostenentwicklung. Gesprächspartnerinnen, die in den letzten 2 Jahren Veränderungen der Hilfepraxis nach § 72 BSHG beobachtet haben, legten dies in aller Regel nicht als Auswirkungen der neuen VO aus, sondern als Folge von sonstigen geänderten Rahmenbedingungen.
Auch die Frage, ob es in Folge der neuen VO - z.B. bedingt durch die Umschreibung "gewaltgeprägte Lebensumstände" - einen Anstieg des Frauenanteils gegeben habe, wurde von den Sozialhilfeträgern ebenfalls verneint.
Nur 3 von 21 Sozialhilfeträgern, die zu diesem Aspekt im Rahmen der Expertinnengespräche befragt wurden, konnten überhaupt einen Anstieg der weiblichen Hilfesuchenden feststellen, und auch dies nur bezogen auf wenige Einzelfälle. Ein Träger (der den Anstieg des Frauenanteils verneinte) gab an, dass ein (minimaler) Anstieg nicht auf die VO zu § 72 BSHG zurück zu führen sei, sondern auf das seit dem 01.01.2002 geltende Gewaltschutzgesetz (Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen).
Nach den Erfahrungen der Befragten seien die Hilfen, die von Frauenhäusern angeboten werden, diejenigen, die Frauen zunächst nutzen würden. Darüber hinaus würden Männer ohne ausreichenden Wohnraum eher auffällig und fänden eher den Weg zu einer Hilfeinstanz als Frauen.
(3) Veränderung der Kosten durch die neue Verordnung
Eine Veränderung der Kosten auf Grund der neuen Verordnung hatten im Vorfeld des In-Kraft-Tretens der VO nur die wenigsten Sozialhilfeträger erwartet und auch 2 Jahre nach inkrafttreten kann keine durch die VO bedingte Kostensteigerung dokumentiert werden. Als Begründung für gleich bleibende Kosten wurde angeführt, dass die Kostensätze konstant geblieben seien, dass sich die Klientel nicht verändert habe und dass steigende Kosten, wenn sie denn festzustellen wären, dem allgemeinen Trend entsprächen, aber nicht durch die neue Verordnung verursacht seien.
Wenn ein Kostenanstieg zu verzeichnen war, so beinhaltete dieser auch anderweitige Kosteneffekte wie z.B. den Ausbau ambulanter Hilfestrukturen, die nicht mit der neuen Verordnung in Verbindung stehen.
(4) Anderweitige Veränderungen
Auf die Frage, ob es außerhalb der Sozialhilfeverwaltung andere Entwicklungen gegeben habe, von denen die Hilfegewährung indirekt betroffen sei, antworteten 59 % der Befragten, dass sie solche Entwicklungen nicht hätten feststellen können (gegenüber 63 % im Vorjahr; Tabelle 37).
Zwei Fünftel der Befragten (41 %) benennen entsprechende Einflussfaktoren, wobei die politischen Rahmenbedingungen hier den ersten Platz einnehmen. Aus den Expertinnengesprächen ist bekannt, dass vor allem die Vorgaben seitens der Kommunalpolitik die Praxis der Hilfegewährung beeinflussen. Beispielsweise die Entscheidung, für allein stehende Hilfeempfänger keine präventiven Angebote mehr vorzuhalten, sondern diese auf Eltern(teile) mit Kindern zu fokussieren; die Wohnungslosenhilfe neu zu strukturieren; vollstationäre Angebote sukzessive abzubauen - alles Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Hilfegewährung nach § 72 BSHG haben, ohne jedoch im Zusammenhang mit der neuen VO zu stehen.
Tabelle 37: Anderweitige Veränderungen der Hilfe (2003)
Anderweitige Entwicklungen mit Einfluss auf die Hilfegewährung Bewertung nach Anteilen und Anzahl der Antworten |
Antworten der Sozialhilfeträger (N = 92) | Anteil Antworten | Anzahl Antworten |
Keine anderweitigen Entwicklungen mit Einfluss auf die Hilfegewährung | 59% | 54 |
anderweitige Entwicklungen mit Einfluss auf die Hilfegewährung | 41% | 38 |
Beispiele: |
die politischen Rahmenbedingungen | --- | 11 |
Finanzierungsprobleme bei der Hilfe nach § 72 BSHG | - | 7 |
Wegfall der Finanzierung ambulanter Hilfen durch örtlichen Träger ab 2003 |
Kommunalisierung der Sozialhilfe ab Juli 2003 | |
Wohnungsmarkt-/Unterbringungsprobleme |
verschlechterter Wohnungsmarkt in Ballungsräumen | - | 6 |
finanzielle Probleme auf dem Wohnungsmarkt |
Ausgliederung von betreutem Wohnen in allg. Wohnungsmarkt schwierig |
fehlende Alternative zur Unterbringung |
Arbeitsmarktprobleme | - | 6 |
kompliziertes Antragsverfahren beim Arbeitsamt |
immer größere Arbeitslosigkeit |
schlechte Vermittlungschancen |
Trägerschaft: Umstrukturierungen, Auseinandersetzungen | - | 5 |
Zuständigkeitsprobleme zwischen örtlichen und überörtlichen SH-Trägern |
Hilfe nach § 72 BSHG erst im Aufbau |
in Landkreisen ist trotz neuer VO keine Bewegung |
sonstige Gründe | - | 3 |
(5) Weitere Anmerkungen
Wie bereits bei der schriftlichen Erhebung des Jahres 2002 wurde auch bei der abschließenden Befragung 2003 am Ende des Fragebogens Gelegenheit zu weiteren Anmerkungen gegeben. Soweit diese von allgemeinem Interesse sein könnten, werden sie in der nachfolgenden Auflistung stichwortartig wiedergegeben.
- - in den letzten Jahren keine Fälle mehr nach § 72, sondern vieles jetzt über § 39 BSHG örtlicher Träger.
- - Beim örtlichen Träger (hier: einem Landkreis) beschränkt sich die Hilfe nach § 72 BSHG auf sehr wenige Einzelfälle. Die Hilfe hat damit eine geringe Bedeutung.
- - Durch Zuständigkeitsprobleme zwischen örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger ist trotz der neue VO keine Bewegung in die Hilfe nach § 72 BSHG gekommen.
- - Durch die neue VO ergeben sich eher keine Veränderungen, da auch vorher schon mit den lebenslagenorientierten Begriffen gearbeitet wurde.
- - in vollstationären Einrichtungen besteht die Tendenz zur Hilfegewährung von mehr als 6 Monaten.
- - Die Hilfeempfänger werden immer jünger.
(6) Die "Bundeskanzlerfrage"
Die Bundeskanzlerfrage: Was würden Sie tun, wenn Sie alle Kompetenzen hätten - auch gesetzgeberische - um der neuen Verordnung zu § 72 BSHG (alternativ: um § 72 BSHG) zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen?"
Mit der sog. Bundeskanzlerfrage wird das kreative Potenzial der Befragten "ausgekundschaftet". Oft ergeben sich aus den Antworten auf die "Bundeskanzlerfrage" wertvolle Hinweise aus der Praxis für die Praxis. Häufig ist auch festzustellen, dass sich die Praktikerinnen vor Ort weit reichende Gedanken zu ihrem Arbeitsfeld und angrenzenden Bereichen machen und so in der Lage sind, die Diskussion um eine mögliche Weiterentwicklung und Optimierung der Hilfe voranzutreiben.
Die Antworten, die im Rahmen der durchgeführten Expertinnenbefragung gegeben wurden, weisen eine hohe Bandbreite auf. Sie reichen vom Wunsch, die Hilfe bundeseinheitlich zu gestalten über die Vorstellung, die Hilfe aus einer Hand zu gewähren, die nachgehende Betreuung zu verbessern, fließende Übergänge von der vollstationären zur ambulanten Betreuung zu schaffen, bis hin zu Finanzierungsideen für Beschäftigungsprojekte bzw. Arbeitsplätze. Die Notwendigkeit, Arbeits- oder Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten zu können, wurde seitens der befragten Sozialhilfeträger immer wieder betont - fast immer kamen dabei auch die Finanzierungsprobleme zur Sprache: bei denjenigen, die Arbeitslosenhilfe beziehen und grundsätzlich eine subventionierte Arbeit aufnehmen könnten, stellt sich das Problem, dass die Arbeitsplätze immer nur teilfinanziert sind bzw. dass es nur einen Zuschuss zu den Lohnkosten gibt und keine vollständige Finanzierung. Andererseits können Arbeitslosenhilfebezieher nicht im Rahmen der Hilfe zur Arbeit beschäftigt werden, da diese ausschließlich Sozialhilfeempfängern vorbehalten sei, die über keinerlei weitere Einkünfte verfügten.
Der zeitliche Aufwand, der mit der Kostenerstattung verbunden ist, wurde von einigen Sozialhilfeträgern kritisch aufgegriffen. Da bei § 72 BSHG nicht nur der allgemeine Nachrang der Sozialhilfe zum Tragen kommt, sondern auch der interne Nachrang, schließt § 2 Abs. 1 Satz 4 der VO Kostenerstattungsansprüche von Trägern der Sozialhilfe untereinander mit ein. in der folgenden Auflistung werden die Antworten auf die "Bundeskanzlerfrage" nach Themen strukturiert wiedergegeben.
Tabelle 38: Antworten auf die Bundeskanzlerfrage (2003) "Bundeskanzlerfrage"
Antworten:
Als Bundeskanzler kann man gar nicht auf die Frage antworten, denn beim BSHG haben immer die Länder mitzureden ...
Da fehlt mir die Phantasie, denn ich kann mir aus dem BSHG immer das raussuchen, was ich brauche.
bundesweit sollten die gleichen Verfahrensregeln gelten.
- - Die Hilfe nach § 72 sollte im Einvernehmen mit den Ländern zur Bundeshilfe gemacht werden.
- - Es sollte eine länderübergreifende gemeinsame statistische Auswertung der Wirksamkeit der Hilfen geben. → Kostenträgerschaft ändern / gewöhnlicher Aufenthalt.
- - Die Auseinandersetzung mit Kostenerstattungsansprüchen ist ein unheimlicher Verwaltungsaufwand, z.B. auch in den Fällen, in denen es darum geht, § 109 (Schutz des Anstaltsortes) zu realisieren.
→ Hilfe aus einer Hand einführen.
- - Die gesplittete Zuständigkeit ist das größte Problem im 72-er-Bereich. Der überörtliche Träger sollte für die Finanzierung der Hilfe zuständig sein und die Aufgabenverantwortung sollte bei den örtlichen Trägern liegen.
- - Die Zuständigkeit aus einer Hand ist auf jeden Fall sinnvoll und zwar die Finanzzuständigkeit und die Planungszuständigkeit beim überörtlichen Träger und die Abwicklung der Hilfen im Rahmen der Delegation durch die örtlichen Sozialhilfeträger. Wenn alles in einer Hand liegt schaut man eher, dass es optimal läuft und gut miteinander verzahnt ist.
- - Man sollte die Hilfe aus einer Hand einführen und zwar in der alleinigen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers.
- - Es sollte nur eine Zuständigkeit geben und zwar die des örtlichen Sozialhilfeträgers. Der wird sich davor hüten, gleich mit der höchsten Form der Versorgung einzusteigen, wenn er es selbst finanzieren muss.
- - Die Hilfe aus einer Hand sollte aus fachlichinhaltlichen Gründen bei der Kommune liegen, denn die Mitarbeiter des Sozialamtes kennen die Klienten persönlich.
- - Die unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern sind unsinnig. Ein Träger sollte für die Gesamt-Klientel zuständig sein. Ich würde den überörtlichen Sozialhilfeträger abschaffen, denn zwischen den Trägern gibt es nur ein Hin- und Herschieben der Klienten und Zuständigkeiten und alles ist mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden.
→ Ausbau der Fachstelle; mehr Personal, um dann auch an der Hilfeplanung mitwirken zu können.
- - mehr Personal, dann könnte die Aufnahmeeinrichtung wieder genutzt werden und man hätte mehr Zeit für Hilfeplanung.
- - Fachstellenkonzept wieder einführen. Haftung der Mitarbeiter des Sozialamtes bei unterlassener Hilfeleistung: wenn durch Ablehnung eines Hilfeantrags nachweislich Folgekosten entstehen (Erweiterung von § 102 BSHG).
→ Die Personengruppensichtweise muss konsequent verlassen werden zugunsten einer Problemsichtweise.
→ Auf Mitwirkungsbereitschaft pochen.
- - Den Grundsatz "fordern und fördern" konsequent anwenden. Solange es keine Verpflichtung zur Teilnahme an der Beratung gibt, sollte keine Hilfe gezahlt werden.
- - Die Gewährung der Hilfe sollte an die Bereitschaft zur Arbeit gekoppelt werden.
- - Man muss heute mehr zur Pflicht machen. Im BSHG gibt es zwar die Mitwirkungspflicht und im § 72 auch, aber das ist alles so lax, das interessiert doch keinen.
→ Man braucht mehr Prävention und kleinräumige Strukturen, in denen frühzeitig Hilfe angeboten werden kann.
- - Die Hilfen müssen früher präventiv einsetzen und es muss verpflichtend sein, die Hilfe anzubieten: die Landkreise tun oft so, als ob es die Probleme nicht gäbe und praktizieren dann eine vertreibende Hilfe.
- - Jeder Landkreis sollte ambulante Wohnformen vorhalten.
→ Eine Hospitalisierung in vollstationären Einrichtungen ist immer schädlich. Man sollte die Betroffenen für maximal 3 Monate vollstationär aufnehmen und in der Zeit überlegen, wie es ambulant in einer Wohngemeinschaft oder in einer eigenen Wohnung weitergehen kann.
→ Die Zugänge zu den Märkten (z.B. Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt) müssen so gestaltet sein, dass auch Menschen, die zeitweise am Rande der Gesellschaft stehen, wieder Zugang finden.
- - Im ambulanten Bereich müsste überall eine enge Zusammenarbeit von Freien Trägern und Kommunen erreicht werden.
- - Es sollte gemeinsam von Sozialhilfeträgern und Freien Trägern ein fachliches Steuerungsinstrument / fachliche Standards entwickelt werden.
→ Eine § 72-Einrichtung (für Frauen und Männer) schaffen, die sowohl über eine integrierte Schuldnerberatung verfügt als auch über eine ärztliche Betreuung. An diese Einrichtung sollte eine Einrichtung nach § 39 angegliedert sein.
→ Es sollte ein nachgehender Betreuungsdienst eingerichtet werden.
- - Fließende Übergänge vom vollstationären zum ambulanten Bereich schaffen; der bisherige Sprung ist zu groß: von der 24-Stunden-Betreuung zum Anspruch auf 2 Stunden Betreuung pro Woche.
- - Es müsste sichergestellt werden, dass im Rahmen der nachgehenden Hilfe administrative Hilfen durch die örtlichen Träger geleistet werden.
- - Es muss geregelt sein, dass niemand aus einer geschlossenen Unterbringung entlassen wird, dessen anschließender Verbleib nicht geklärt ist. Überall wird gespart: früher hat eine Suchttherapie im Krankenhaus schon mal 6 - 12 Monate gedauert, aber heute werden sie dort nur entgiftet, medikamentös eingestellt und dann kriegen wir sie vor die Tür gestellt. Die passende Unterbringung kann oft nicht ad hoc organisiert werden und dann landen sie im Obdachlosenheim - genau in dem Milieu, aus dem sie raus sollen. Die ganze Therapie / Entgiftung ist dann sinnlos, wenn anschließend keine geeignete Wohnform verfügbar ist.
→ Die Vielfalt der angebotenen Hilfen sollte trotz Sparzwang erhalten und niedrigschwellige Angebote (wie Wärmestuben) weiter ausgebaut oder zumindest erhalten werden.
Mehr Wohnprojekte, denn die derzeitigen Kapazitäten sind überlastet.
→ Es sollten mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verfügbar sein.
- - Das Hauptproblem ist die Integration in Beschäftigung. Man sollte nicht so viele Mittel an Weiterbildungsträger geben, sondern richtige Arbeitsprojekte auflegen. Da könnten z.B. kleine Handwerksbetriebe in die Lage versetzt werden, Kräfte einzustellen, z.B. Spülhilfen und dafür erhalten sie einen Lohnkostenzuschuss.
- - Man braucht eine weitere Differenzierung der Angebote nach §§ 5 und 6 der VO.
- - Die Hilfe zur Arbeit für den Personenkreis nach § 72 gehört in die Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers und müsste von diesem auch finanziert werden.
- - Ein über § 72 finanziertes Beschäftigungsprojekt.
→ Einrichtung eines ärztlichen Dienstes und Verpflichtung der Hilfeempfänger, ausschließlich diesen ärztlichen Dienst zu konsultieren.
5 Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Hilfsangebote und Unterstützungsmaßnahmen muss verbessert werden.
5 Hilfegewährung sollte "für mindestens 2 Jahre möglich sein.
- - Es gibt Etliche, die in vollstationären Einrichtungen beheimatet sind, weil sie in keine andere Hilfe reinpassen. Ich würde die Möglichkeit einer längerfristigen Hilfe im vollstationären Bereich einbauen.
- - Man braucht eine Entfristung der Hilfen. Gerade im vollstationären Bereich ist es schwierig eine Perspektive aufzubauen, wenn durch die Befristung der Hilfen schon wieder eine Zäsur gemacht werden muss.
→ Verzicht auf Erstellung eines Gesamtplanes.
§ 39 BSHG § 72 BSHG
- - Der Focus liegt bei den örtlichen Sozialhilfeträgern auf § 39. Das ist so nicht zulässig, denn es wird dem Hilfebedarf nicht gerecht.
- - § 72 müsste mehr Eigenständigkeit aufweisen und besser von der Eingliederungshilfe abgegrenzt werden.
- - Bei § 39 wird die Hilfe vollständig durch die überörtlichen Träger finanziert und das sollte auch bei § 72 so gemacht werden - allerdings legt da der Landkreistag sein Veto ein.
- - Es sollte geklärt werden, ob nicht auch beim § 72 die Hilfe aus einer Hand möglich ist, so wie sie auch für die Eingliederungshilfe für Behinderte eingeführt wurde.
- - Als Bundeskanzler würde ich mal über den Sinn und Unsinn der Trennung von § 39 und § 72 BSHG nachdenken.
- - Ich würde den § 72 abschaffen. Was bringt der angesichts der Abgrenzungsproblematik? Für Sucht ist die Krankenkasse zuständig, Verhaltensgestörte sind behindert, alle anderen Hilfen sind auch vorrangig. Selbst bei den Haftentlassenen ist zunächst das Strafvollzugsgesetz anzuwenden. Da es aber mit den vorrangigen Hilfen nicht so klappt, nimmt man dann den § 72.
§ 41 SGB VIII
- - Mitwirkung des Jugendamtes bei Klienten zwischen 18 und 25 Jahren gesetzlich regeln.
- - Es müsste in die VO aufgenommen werden, dass die Zuständigkeit für 18 - 21-Jährige grundsätzlich beim Jugendhilfeträger liegt.
- - Die gesetzlichen Betreuer müssen stärker kontrolliert werden - insbesondere die Berufsbetreuer. Wir haben Fälle, die seit 2 Jahren betreut werden und ihren Betreuer überhaupt nicht kennen.
→ Man kann nicht immer der liebe Gott sein und alles richten wollen. Es gibt Menschen, die man nicht erreicht und das ist auch bei dieser Zielgruppe so.
→ Die 3-Tage-Regelung ("vertreibende Hilfe") muss abgeschafft werden.
4. Zusammenfassung
Die Neufassung der Durchführungs-Verordnung zu § 72 BSHG vom 24. Januar 2001 trat am 1. August 2001 in Kraft und löste die bisherige VO aus dem Jahr 1976 ab, die zunehmend Kritik auf sich gezogen hatte. in der neu gefassten Verordnung wird die Zielgruppe allgemeiner bestimmt und durch die Kombination von "besonderen Lebensverhältnissen" und "sozialen Schwierigkeiten" definiert. Die Hilfemaßnahmen werden nun weniger an bestimmten Ursachen als vielmehr an den Zielen der Hilfe orientiert.
Gegen die Neufassung der Verordnung wurden Bedenken geäußert, es könnten sich "Unwägbarkeiten in Bezug auf die Abgrenzung des Personenkreises und die Kostenentwicklung" ergeben (Beschluss des Bundesrates vom 22.12.2000). Um vor diesem Hintergrund die Auswirkungen der Neufassung beurteilen zu können, war auf der Ebene der Sozialhilfepraxis zu klären, welche Abgrenzung der Gruppen von Hilfeempfängern nach § 72 BSHG vorgenommen wird, in welcher Beziehung diese Form der Hilfe zu anderen Hilfeformen steht und welche Relation zwischen Hilfen und Kostenstrukturen bestehen.
Diese Aspekte waren Gegenstand einer zweistufigen Untersuchung, in der zunächst eine Bestandsaufnahme der bis zum 31.7.2001 bestehenden Praxis der Hilfen nach § 72 BSHG erstellt wurde. Auf dieser Grundlage wurden mögliche Veränderungen (in Folge der neuen Verordnung ab August 2001) der Zielgruppen, der inhalte und Formen sowie der Kosten dieser Hilfen empirisch ermittelt. Diese Studie, die die Effekte einer gesetzlichen Neugestaltung im Vorher-Nachher-Vergleich analysiert, bildet die empirische Grundlage für den vom Bundesrat geforderten "Bericht über die praktischen Auswirkungen der neuen Verordnung, die eingetretene Kostenentwicklung und ihre Ursachen".
Das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (iSG) wurde im Mai 2001 vom heutigen Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt. Projektbegleitend wurde ein informeller Beraterkreis eingerichtet, mit dem das methodische Vorgehen und die jeweiligen Ergebnisse der Erhebungen erörtert wurden. Der nun vorgelegte Endbericht enthält die abschließende Auswertung der quantitativen und qualitativen Untersuchungsschritte, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden.
- • Auch zwei Jahre nach inkrafttreten der neuen VO sind keine kostenrelevanten Veränderungen feststellbar - so die Erfahrung, die von den befragten Sozialhilfeträgern nahezu ausnahmslos bestätigt wird.
- - Unter Hinweis darauf, dass durch die VO "lediglich" Definitionen geändert worden seien, d.h. dass die Personengruppenbeschreibung zugunsten einer Beschreibung von besonderen Lebensumständen und sozialen Schwierigkeiten aufgegeben worden sei, wurden Auswirkungen der neuen VO verneint.
- - Eine Ausweitung des Hilfeempfängerkreises in Folge der neuen VO wird nicht bestätigt.
- - Ein Anstieg des Frauenanteils bei der Hilfe nach § 72 BSHG kann nicht beobachtet werden.
- - Sollten seit inkrafttreten der neuen VO Veränderungen hinsichtlich des Personenkreises oder der Kosten festgestellt worden sein, so lassen sich diese nicht auf die VO zurückführen, sondern auf andere (kommunalpolitische) Rahmenbedingungen und auch auf die allgemeine Zunahme psychischer Auffälligkeiten und deren Folgeerscheinungen.
- - Die Kostensteigerungen im Bereich des § 72 BSHG liegen bei den örtlichen Sozialhilfeträgern bei jährlich durchschnittlich 6 % und bleiben damit im Rahmen der durchschnittlichen Kostensteigerung im Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt.
- - Eine Steigerung der Personalkapazitäten ist nicht festzustellen.
- - Die explizite Bezugnahme auf den Gesamtplan wird von einigen Sozialhilfeträgern als gravierendste Auswirkung der neuen VO erlebt, da dadurch die steuernde Rolle des Sozialhilfeträgers eingefordert und hervorgehoben werde. Allerdings wird der Gesamtplan nur sehr zögerlich umgesetzt.
- - Eine stärkere Verzahnung der Angebote und Hilfen nach § 39 und § 72 BSHG wird von etwa der Hälfte der Befragten für wünschenswert gehalten. Hintergrund ist die Erfahrung, dass einerseits die Mehrfachproblematik (Sucht, psychische Auffälligkeit oder Behinderung, Wohnprobleme) eine Abgrenzung schwierig macht und dass andererseits die psychischen Erkrankungen bzw. Auffälligkeiten bei dem Personenkreis nach § 72 BSHG zunehmen. Daher wird es als sinnvoll erachtet, dort anzusetzen und eine Einstufung und Hilfe nach § 39 BSHG einzuleiten. Gewünscht wird ein Hilfeansatz, der sich am aktuellen Hilfebedarf orientiert und nicht an der Ursache des Hilfebedarfs.
- - Die Hilfe entwickelt sich immer mehr zu einer langjährigen Hilfe: Es ist eine Zunahme an psychischen Auffälligkeiten und Suchterkrankungen zu verzeichnen sowie eine Zunahme jüngerer Klienten.
- - Die Überschuldung der Klienten stellt ein großes Problem dar, für das geeignete Lösungswege noch zu erarbeiten sind.
- - Die Frage, nach welchen Kriterien die Hilfegewährung für junge Volljährige erfolgen soll, ist noch nicht einheitlich geklärt.
- - Von den meisten Befragten wird die "Hilfe aus einer Hand" / die Kostenträgerschaft und Zuständigkeit bei einem Träger gewünscht. Kein einheitliches Bild ergab sich hinsichtlich der Frage, bei welchem Träger diese angesiedelt werden sollte.
Anhang
- Fragebogen 2002
- Fragebogen 2003
- Leitfaden für Expertinnengespräche
Auswirkung der neuen VO zu § 72 BSHG auf die Hilfepraxis
Befragung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) damit beauftragt, die Auswirkungen der zum August 2001 in Kraft getretenen neuen Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG auf den Empfängerkreis und die Kosten dieser Hilfeart empirisch zu untersuchen. Das ISG hat zwischen Mai und Oktober 2001 die erste Teiluntersuchung in Form einer Bestandsaufnahme der Sozialhilfepraxis vor Geltung der neuen Verordnung durchgeführt und konzentriert sich nun im zweiten Teil der Untersuchung auf die Analyse der seither erfolgten Entwicklung. Diese Befragung richtet sich an alle örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger. Diesen Auftrag können wir nur mit Ihrer Hilfe erfüllen. Daher möchten wir Sie freundlich bitten, den vorliegenden Fragebogen auszufüllen (bzw. an die zuständigen Bearbeiter/innen von Hilfen nach § 72 BSHG weiter zu leiten) und möglichst bis zum 21. Oktober 2002 zurück zu senden an das
Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik,
Postfach 26 02 44,
50515 Köln
Damit Ihre Belastung nicht zu groß wird, genügen uns auch geschätzte Angaben bei den Fragen, die ansonsten eine umfangreiche Recherche erfordern würden. Für Ihre Unterstützung danken wir Ihnen im Voraus ganz herzlich! Falls Sie Rückfragen haben, stehen Ihnen im ISG Herr Dr. Engels oder Frau Sellin unter der Te1.-Nr. 0221 - 235473 zur Verfügung.
A. Empfänger der Hilfe
B. Zuständigkeit und Hilfepraxis
C. Verwaltung und Kosten
D. Veränderungen durch die neue Verordnung zu § 72 BSHG
Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung!
Auswirkung der neuen VO zu § 72 BSHG auf die Hilfepraxis
Befragung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. (ISG) damit beauftragt, die Auswirkungen der zum August 2001 in Kraft getretenen neuen Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG auf den Empfängerkreis und die Kosten dieser Hilfeart empirisch zu untersuchen. Das ISG hat 2001 eine erste Teiluntersuchung in Form einer Bestandsaufnahme der Sozialhilfepraxis vor in Kraft treten der neuen Verordnung durchgeführt, 2002 eine zweite Teiluntersuchung nach in Kraft treten der VO und beschließt nun die Untersuchung mit einer letzten Kurzbefragung aller örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger. Auch dieses Mal möchten wir Sie bitten, die Untersuchung zu unterstützen indem Sie den beiliegenden Fragebogen ausfüllen und möglichst bis zum 21. Oktober 2003 zurück senden an das
- Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Postfach 26 02 44, 50515 Köln
Für Ihre Unterstützung danken wir Ihnen im Voraus ganz herzlich! Falls Sie Rückfragen haben, stehen Ihnen im ISG Herr Dr. Engels oder Frau Sellin unter der Te1.-Nr. 0221 - 235473 gerne zur Verfügung.
A. Empfänger der Hilfe
B. Zuständigkeit und Hilfepraxis
C. Verwaltung und Kosten
D. Veränderungen durch die neue Verordnung zu 72 BSHG
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Umsetzung der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG
- Gesprächsleitfaden -
I. Veränderungen durch die neue VO zu § 72 BSHG (in Kraft seit 01.08.2001)
1. Die in der Voruntersuchung (Juli - September 2001) befragten Sozialhilfeträger (SHT) äußerten überwiegend die Erwartung, dass sich durch die neue Verordnung (VO) in der Praxis nichts ändern wird, da der Personenkreis der Hilfesuchenden auch bei anderer Beschreibung identisch bleibe. Hat sich durch die VO tatsächlich nichts geändert? Personenkreis (a), Kosten (b), Dauer der Hilfegewährung (c)?
2. Hat sich durch die neue VO die Zusammenarbeit zwischen SHT und freien Trägern verändert?
3. Die neue VO enthält abstraktere Definitionen, die man "mit Leben" füllen muss. Sehen Sie das eher als Nachteil oder eher als Vorteil?
II. Hilfestrukturen, Konzeption und Organisation des Hilfeprozesses
4. Wann setzt die Hilfegewährung nach § 72 in der Regel ein: eher im Notfall oder eher präventiv?
Gibt es konzeptionelle Unterschiede zwischen SHT und freien Trägern?
5. ist die Hilfegewährung generell mit einem gewissen Maß an Beratung und begleitender Betreuung verknüpft oder beschränkt sie sich in der Regel auf die Gewährung von Unterkunft? wenn Beratung: wer berät?
6. Welches Verständnis haben Sie von Gesamtplan (GP) und Hilfeplan (Verwaltungsakt als Grundlage für Kostenanerkenntnis?)?
- a) Wenden Sie diese Form der Planung bei ihren Klientinnen an? in wieviel Prozent der Fälle? Wann ist ein Fall ein "geeigneter Fall", in dem ein Gesamtplan erstellt wird - wann nicht?
- b) Wird der GP vor Aufnahme in eine stationäre Einrichtung aufgestellt? in den Fällen der eigentlichen Hilfegewährung eine Klärungs- und Motivationsphase vorgeschaltet? wenn ja: wie lange dauert diese Phase?
- c) Wer wird beim Hilfeplan / Gesamtplan beteiligt?
- d) Wer erstellt den GP? Wie wird der gesamte Hilfeprozess dokumentiert (per EDV)?
- e) Welche Ergebnisse liegen aus der Anwendung der Hilfeplanung vor?
7. im Rahmen der Hilfe nach § 72 gibt es unterschiedliche Personengruppen. Haben diese Personengruppen auch einen unterschiedlichen Hilfebedarf, d.h. sind die Leistungsinhalte unterschiedlich und sind die Leistungsformen unterschiedlich?
Leistungsinhalte:
- a) Basisversorgung
- b) Hilfe zur selbstständigen Lebensführung
- c) Hilfe zur Schule / Ausbildung / Arbeit
- d) Hilfe zur Tagesstrukturierung
- e) begleitende Hilfe bei therapeutischen Maßnahmen
- f) sonstige Hilfen
Leistungsformen:
- g) Information und Beratung
- h) Erschließung von Hilfen im Umfeld
- i) Planung / Beobachtung / Rückmeldung
- j) begleitende / übende Unterstützung
Welche Personengruppe erhält welche Art von Leistung und in welcher Form?
8. ist bei ihnen eine Tendenz zur Ausweitung ambulanter, ortsnaher Hilfen feststellbar (z.B. Ausbau des betreuten Wohnens) bei gleichzeitiger Abkehr von stationären Hilfeformen? Wenn ja: welche Auswirkungen hat das für SHT (a), freie Träger (b) und Klientinnen (c)?
9. Wie ist das Verhältnis der Hilfen nach § 72 BSHG
- a) gegenüber der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren?
- b) wie zur Eingliederungshilfe für Behinderte nach § 39ff BSHG (welche Kriterien entscheiden über die Zuweisung)?
- c) und wie zur HLU?
Gibt es hier (noch) Abgrenzungsprobleme oder konnten zwischenzeitlich konstruktive Lösungen gefunden werden?
III. Personenkreis
10. Welche Personengruppe ist in ihrem Zuständigkeitsbereich die wichtigste Gruppierung, die Hilfe nach § 72 BSHG erhält und welche sind die Kernthemen? (wie werden die "alten" Zielgruppen heute bezeichnet?)
Nach den Ergebnissen der schriftlichen Befragung von SHT wären z.B. Klientinnen, deren wirtschaftliche Lebensgrundlage ungesichert ist, nach der früheren Kategorisierung von 65% der SHT als "Nichtsesshafte" bezeichnet worden, von 59% der SHT (evt1. zusätzlich) als "Personen ohne Unterkunft", von 36% der Sozialhilfeträger (evt1. zusätzlich) als "verhaltensgestörte junge Menschen" usw.
- frühere Bezeichnung:
- 1. ohne Unterkunft
- 2. Landfahrer
- 3. Nichtsesshafte
- 4. Strafentlassene
- 5. verhaltensgestörte junge Menschen
- 6. sonstige aktuelle Bezeichnung:
- 7. fehlende oder nicht ausreichende Wohnung
- 8. ungesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage
- 9. gewaltgeprägte Lebensumstände
- 10. Entlassung aus geschlossener Einrichtung
- 11. Migration
- 12. Trennung / Scheidung
- 13. sonstiger nachteiliger Umstand (z.B. Sucht, Krankheit)
- 11. Falls Sie unter den Hilfesuchenden einen steigenden Anteil von Frauen feststellen: in welcher Größenordnung etwa und welche Konsequenzen hat das für die Angebots- und Personalplanung?
- 12. Von verschiedenen SHT wurden Migrantinnen als Personengruppe genannt, die Hilfe nach § 72 BSHG erhält. Können Sie dies bestätigen? wenn ja: welcher Personenkreis ist damit gemeint - die deutschstämmigen Aussiedlerinnen oder auch Ausländerinnen, die nach § 120 Abs. 1 Hilfe nach § 72 als Kann-Leistung erhalten?
IV. Zu guter Letzt
13. Was haben wir vergessen, was im Zusammenhang mit der neuen VO unbedingt noch angesprochen werden sollte?
Bundeskanzlerfrage:
14. Was würden Sie tun wenn Sie alle Kompetenzen hätten - auch gesetzgeberische - um der neuen VO zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen (alternativ: um § 72 BSHG optimal zur Anwendung bringen zu können)?
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: | Rücklauf der schriftlichen Befragung 2002 |
Tabelle 2: | Rücklauf der schriftlichen Befragung 2003 |
Tabelle 3: | Befragte Träger (2003) |
Tabelle 4: | Gesprächspartnerinnen (2003) |
Tabelle 5: | Anzahl der Gespräche (2003) |
Tabelle 6: | Befragte Träger nach Bundesländern (2003) |
Tabelle 7: | Sozialhilfestatistik 1995 - 2002 |
Tabelle 8: | Fallkosten der Hilfe nach § 72 BSHG |
Tabelle 9: | Geschlecht der Empfänger von Hilfe nach § 72 BSHG |
Tabelle 10: | Durchschnittliche Anzahl und Quote der Hilfeempfänger (2003) |
Tabelle 11: | Zielgruppen und besondere Lebensverhältnisse (2003) |
Tabelle 12: | Frühere und aktuelle Bezeichnung (2002) |
Tabelle 13: | Durchschnittliches Alter (2002) |
Tabelle 14: | Dauer des Hilfebedarfs (2002) |
Tabelle 15: | Soziale Schwierigkeiten (2002) |
Tabelle 16: | Erwartete Entwicklungen (2002) |
Tabelle 17: | Zuständigkeit der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger |
Tabelle 18: | Zuständigkeiten Hilfegewährung (2002) |
Tabelle 19: | Zuständigkeiten Kostenträgerschaft (2002) |
Tabelle 20: | Zuständigkeiten (2003) |
Tabelle 21: | Abgrenzungsprobleme (2003) |
Tabelle 22: | Hilfen nach § 39 und § 72 BSHG (2003) |
Tabelle 23: | Durchführung der Hilfe nach Hilfeart (2002) |
Tabelle 24: | Durchführung nach Form der Hilfe (2002) |
Tabelle 25: | Durchführung nach einzelnen Angeboten (2002) |
Tabelle 26: | Leistungsschwerpunkte für einzelne Zielgruppen (2002) |
Tabelle 27: | Hilfeplanung und Gesamtplanung (2002) |
Tabelle 28: | Hilfeplanung (2003) |
Tabelle 29: | Gesamtplanung (2003) |
Tabelle 30: | Zahl der Mitarbeiterinnen (2003) |
Tabelle 31: | Leistungsausgaben (2002) |
Tabelle 32: | Leistungsausgaben (2003) |
Tabelle 33: | Durchschnittliche Fallkosten für die Hilfe nach § 72 BSHG (2003) |
Tabelle 34: | Leistungsausgaben nach Hilfeform |
Tabelle 35: | Verwaltungskosten |
Tabelle 36: | Veränderung der Hilfe (2003) |
Tabelle 37: | Anderweitige Veränderungen der Hilfe (2003) |
Tabelle 38: | Antworten auf die Bundeskanzlerfrage (2003) |
Literaturverzeichnis
Abschlussbericht: Fachtagung zu Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 72 BSHG am 04.04.2003 in Kassel, in: Mitglieder-Info Nr. 6/2004 der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, 13.01.2004
BAG Wohnungslosenhilfe (Hrsg.): Clearing - Voraussetzung für die Erstellung eines Gesamtplanes (Hilfeplanes) in der Hilfe nach § 72 BSHG, Empfehlung der BAG Wohnungslosenhilfe zur Ausgestaltung des Clearingverfahrens, in: wohnungslos 1/2003
Brühl, Albrecht: Gesamtplanung bei der Hilfe nach § 72 BSHG gemäß der Verordnung 2001, in: NDV, Februar 2003
Engels, Dietrich: Vorarbeiten für einen Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der neuen VO zu § 72 BSHG, über die Kostenentwicklung und deren Ursachen - Abschlussbericht zu Teil I: Bestandsaufnahme vor dem 1. August 2001, ISG Köln, Dezember 2001
Gemeinsames Rundschreiben der Kommunalen Landesverbände und der Landeswohlfahrtsverbände Baden-Württemberg: Erste Anwendungsempfehlungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, Stuttgart 1991
Gemeinsames Papier der Kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen "Empfehlungen zur Hilfe für junge Volljährige nach § 41 KJHG / § 72 BSHG" (o.J.)
Kronenberger, Gerd: Fallmanagement in der Behindertenhilfe - Was soll das bringen? Kritische Fragen und beherzte Antworten zur Anwendung des Gesamtplans nach § 46 BSHG, in: NDV Heft 8/2001
Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Empfehlungen und Hinweise des Landschaftsverbandes Rheinland für die Gewährung von Hilfe nach § 72 BSHG durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, Köln 1997, Anlage 1
Lippert, Johannes: Die rechtliche Entwicklung der Hilfe nach § 72 BSHG. Überlegungen auf der Grundlage der Verordnung vom 24. Januar 2001, in: http://www.rollvman-hp.de Lippen, Johannes: Die Hilfe nach § 72 BSHG im Geflecht der Hilfen in besonderen Lebenslagen, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins 4/2002
Roscher, Falk: Die neue Rechtsverordnung zu § 72 BSHG - eine kritische Analyse, März 2002, in: http://Verlagsozialehilfe.de/publi/w1.phtml