A. Problem und Ziel
Eine international wettbewerbsfähige Wissenschafts- und Forschungslandschaft ist für die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland von entscheidender Bedeutung. Den Hochschulen kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Sie sind mit ihrer Einheit aus Forschung und Lehre das zentrale Element des Wissenschaftssystems. In Verbindung mit der Aufgabe des Wissens- und Technologietransfers tragen sie entscheidend zur Innovationsfähigkeit Deutschlands in einer zunehmend globalisierten Welt bei.
Während der Bund gemeinsam mit den Ländern außeruniversitäre Forschungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung nach Artikel 91b Absatz 1 Nummer 1 GG institutionell fördern kann, können Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen derzeit vom Bund nicht in gleicher Weise unterstützt werden. Nach Artikel 91b Absatz 1 Nummer 2 GG können Bund und Länder an Hochschulen bislang nur thematisch und zeitlich begrenzt "Vorhaben der Wissenschaft und Forschung" in Fällen überregionaler Bedeutung gemeinsam fördern. Die Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten schafft für Bund und Länder ein Instrumentarium, mit dem bei gleichzeitiger Wahrung der föderalen Kompetenzordnung langfristig und nachhaltig eine stärkere Leistungsfähigkeit der Hochschulen sowohl im nationalen als auch internationalen Kontext gefördert werden kann.
B. Lösung
Mit der Änderung des Artikels 91b Absatz 1 Nummer 2 GG durch die Einfügung der Worte "Einrichtungen und" wird die verfassungsrechtliche Möglichkeit von Bund und Ländern, im Wissenschaftsbereich zu kooperieren, erweitert.
C. Alternativen
Keine
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die Verfassungsänderung ergeben sich keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen.
E. Erfüllungsaufwand
E.1/ E.2 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger/für die Wirtschaft
Ein Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger bzw. für die Wirtschaft ist nicht zu erwarten.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Durch das Gesetz werden keine Informationspflichten eingeführt oder abgeschafft.
F. Weitere Kosten
Durch das Gesetz entstehen der Wirtschaft keine Kosten, da sie nicht von der Regelung betroffen ist. Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 20. Juli 2012
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) mit Begründung und Vorblatt.
Federführend sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium des Innern.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 21.09.12
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes
Dem Wortlaut des Artikels 91b Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ...geändert worden ist, werden die Wörter "Einrichtungen und" vorangestellt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Ziel des Gesetzentwurfs
Für Deutschland als wissensbasierte Gesellschaft sind neue Forschungserkenntnisse sowie ein effektiver Wissens- und Technologietransfer entscheidend, um die Innovationsdynamik zu erhalten, die die Teilnahme an einer globalisierten Weltwirtschaft erfordert. Den Hochschulen kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu, da sie zum einen Forschungsergebnisse liefern und zum anderen auch die zukünftigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausbilden. Exzellenz an Hochschulen zu stärken und auszubauen, ist daher eine dauerhafte, prioritäre Aufgabe im Wissenschaftsbereich. Damit Standorte in Deutschland ihr ganzes Potential entfalten, nationale und internationale Strahlkraft entwickeln und erfolgreich am Wettbewerb teilnehmen können, muss den Akteuren die strategische Zusammenarbeit ermöglicht werden.
In den letzten Jahren haben die drei großen Initiativen "Hochschulpakt 2020", "Exzellenzinitiative" und "Pakt für Forschung und Innovation" wesentlich zur Weiterentwicklung der Wissenschaftslandschaft beigetragen. Zentrale strategische Prinzipien zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems sind die Stärkung des Wettbewerbs und der Kooperation. So hat insbesondere die Exzellenzinitiative eine differenzierende und strukturbildende Wirkung weit über die geförderten Fächer und Hochschulen hinaus entfaltet. Beispielsweise sind strategisch angelegte Forschungskooperationen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit hohem Entwicklungspotential entstanden.
Gemäß der derzeitigen Ausgestaltung der föderalen Ordnung können Bund und Länder gemeinsam außeruniversitäre Forschungseinrichtungen dauerhaft institutionell fördern, während Hochschulen bislang nur in Form von thematisch und zeitlich begrenzten Projekten gefördert werden können. Mit dieser Grundgesetzänderung wird eine langfristige Förderung von exzellenten Einrichtungen ermöglicht, unabhängig von ihrer institutionellen Anbindung an eine Hochschule oder an eine außeruniversitäre Einrichtung. Darüber hinaus können Verbindungen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen zukünftig wesentlich einfacher als bisher gemeinsam durch Bund und Länder unterstützt und effizienter ausgestaltet werden, da mit der Grundgesetzänderung insbesondere die bisher mit der Trennung der Finanzströme verbundenen rechtlichen und administrativen Probleme entfallen.
Durch die Grundgesetzänderung werden die Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern im Rahmen einer Gemeinschaftsaufgabe erweitert; die föderale Grundordnung wird dadurch nicht berührt. Wie bisher verbleibt die Zuständigkeit für das Hochschulwesen bei den Ländern.
II. Haushaltausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die Verfassungsänderung ergeben sich keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen.
III. Erfüllungsaufwand
Ein Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger bzw. für die Wirtschaft ist nicht zu erwarten. Insoweit werden keine Vorgaben neu eingeführt, geändert oder abgeschafft. Für die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt oder abgeschafft.
IV. Weitere Kosten
Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
V. Gleichstellungspolitische Gesetzesfolgenabschätzung
Die Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern.
VI. Vereinbarkeit mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
Die Managementregeln und Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurden geprüft. Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie ist es, Bildung und Qualifikation kontinuierlich zu verbessern. Der Gesetzentwurf trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland bei.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Deutschlands Zukunft wird maßgeblich durch Wissenschaft und Forschung bestimmt: Gut ausgebildete Menschen mit zunehmend akademischem Abschluss, Forschungszentren der weltweiten Spitzenklasse, Rahmenbedingungen, die wissenschaftliches Arbeiten und die Transformation dieser Erkenntnisse in innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen unterstützen - diese Themen entscheiden über zukünftiges Wachstum und Wohlstand.
Mit dem Gesetzentwurf wird eine langfristige Förderung von Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen auf der Grundlage eines wissenschaftsgeleiteten Verfahrens bei Förderentscheidung und der begleitenden Evaluation möglich. Die kontinuierliche Förderung ist an den Nachweis überregionaler Bedeutung gebunden. Die Erweiterung bedeutet auch, dass eine Förderung von Hochschulen mit Bundesmitteln nicht zwingend von einer Zusammenarbeit oder Fusion mit einer außeruniversitären Einrichtung abhängt.
Der Begriff "Einrichtungen" entspricht dem der Nummer 1 und ist weit zu verstehen. Er ist nicht auf bestimmte Institutionen bezogen.
Gefördert werden können wie im außeruniversitären Forschungsbereich Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen von "überregionaler Bedeutung". Dies heißt, dass es sich um eine Förderung handeln muss, die Ausstrahlungskraft über das einzelne Land hinaus hat und bedeutend ist im nationalen oder internationalen Kontext (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 17). Eine weitere Konkretisierung dieses Begriffs muss im Rahmen der jeweiligen Bund-Länder-Vereinbarung erfolgen; Bund und Ländern steht insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Ziel des Merkmals "überregionale Bedeutung" ist es, dass ein Mehrwert für die deutsche Wissenschaftslandschaft insgesamt entsteht. Einrichtungen, die nur für ein einzelnes Land von Bedeutung sind, fallen nicht darunter.
Wie bisher bedürfen Vereinbarungen nach Artikel 91b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 GG gemäß Artikel 91b Absatz 1 Satz 2 GG der Zustimmung aller Länder.
An den Ergebnissen der Föderalismusreform I von 2006 wird festgehalten. Die Erweiterung bezieht sich allein darauf, dem Bund die Möglichkeit zu eröffnen, künftig gemeinsam mit den Ländern Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung von überregionaler Bedeutung an Hochschulen fördern zu können. Die Förderung des allgemeinen Hochschulbaus bleibt ausgeschlossen. Mit der Föderalismusreform I von 2006 wurde die zuvor in Artikel 91a Absatz 1 Nummer 1 GG geregelte Gemeinschaftsaufgabe "Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken" abgeschafft. Die Förderung von Bauten der studentischen Fürsorge wie Wohnheimen oder Mensen, die bereits im Rahmen der damaligen Gemeinschaftsaufgabe nicht möglich war, bleibt weiterhin Länderaufgabe.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz: NKR-Nr. 2130:
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Der Nationale Normenkontrollrat hat das oben genannte Regelungsvorhaben geprüft.
Mit dem Entwurf wird Artikel 91b Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes geändert. Dadurch wird die verfassungsrechtliche Möglichkeit von Bund und Ländern, im Wissenschaftsbereich zu kooperieren, erweitert.
Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung entsteht nicht. Es werden keine Vorgaben neu eingeführt, geändert oder abgeschafft.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig Grieser
Vorsitzender Berichterstatterin