899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012
A
Der federführende Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfehlen dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 14. Juni 2012 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 17d Absatz 2 Satz 6 KHG)
In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist in § 17d Absatz 2 der anzufügende Satz 6 wie folgt zu fassen:
"Im Rahmen von Satz 4 ist ein Abschlag je Berechnungs- und Belegungstag für die Nichtteilnahme an der regionalen Pflichtversorgung zu vereinbaren."
Begründung:
Das Gesetz sieht vor, dass zu prüfen ist, ob Regelungen für Zu- oder Abschläge für die Teilnahme an der regionalen Versorgungsverpflichtung zu vereinbaren sind. Die Nichtteilnahme an der regionalen Pflichtversorgung sollte im Interesse der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung durch einen Abschlag berücksichtigt werden. Es würde so zugleich deutlich werden, dass die Teilnahme an der regionalen Pflichtversorgung der Regelfall ist. Für die Einführung eines solchen Abschlags kann im Grundsatz auf die bewährten Vorgaben zum Abschlag für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung in § 4 Absatz 6 KHEntgG zurückgegriffen werden. Allerdings kann noch kein Betrag festgelegt werden, der im Falle einer ausbleibenden Einigung zur Höhe des Abschlags oder einer fehlenden Rechtsverordnung gelten soll. Die vorliegende Änderung setzt den vorstehenden Regelungsvorschlag durch eine entsprechende Änderung des § 17d Absatz 2 Satz 6 KHG um.
2. Zu Artikel 2 Nummer 9 (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 BPflV)
In Artikel 2 Nummer 9 sind in § 9 Absatz 1 Nummer 1 die Wörter "sowie in geeigneten Fällen Regelungen zu Zu- oder Abschlägen, die nach Über- oder Unterschreitung erkrankungstypischer Behandlungszeiten vorzunehmen sind" zu streichen.
Begründung:
Das neue Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen basiert ausdrücklich auf Tagespauschalen und nicht auf Fallpauschalen. Zu- und Abschläge für Über- oder Unterschreitungen von Liegezeiten sind daher nur bei Fallpauschalen gerechtfertigt, da die Verweildauer eine der wichtigsten Bestimmungsgrößen für den Kostenaufwand pro Fall darstellt. Tagespauschalen werden definitionsgemäß gerade ohne Einfluss der Liegezeit kalkuliert. Die vorgesehene Regelung ist daher als systemfremd zu streichen.
3. Zu Artikel 2 Nummer 9 Doppelbuchstabe aa (§ 9 Absatz 1 Nummer 5 BPflV), Artikel 3 Nummer 3 Buchstabe a (§ 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5a KHEntgG),
Nummer 4 Buchstabe c Doppelbuchstabe bb und cc (§ 10 Absatz 5 Satz 2 und 5 KHEntG) und Buchstabe d Doppelbuchstabe bb (§ 10 Absatz 6 Satz 5 und 6 KHEntgG)
Begründung:
Die für die Steigerung der Krankenhauspreise maßgebliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 Satz 1 SGB V bildet die realen Kostenentwicklungen in Krankenhäusern nur unzureichend ab. Insbesondere die steigenden Personalkosten führen nach der bestehenden Regelung zu einem steigenden
Missverhältnis zwischen Kosten- und Einnahmenentwicklung. Zum 1. Januar 2013 ist deshalb der bereits von § 10 Absatz 6 KHEntgG vorgesehene Orientierungswert als Veränderungswert sowohl für somatische als auch für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen verpflichtend einzuführen.
Da bis zur Einführung des Orientierungswerts als Veränderungswert im Jahr 2013 Tariflohnsteigerungen nicht bei der Deckelung des Landesbasisfallwerts berücksichtigt werden, ist für 2012 eine Refinanzierung vorzusehen, die als Basiserhöhung für die Folgejahre wirkt. Damit wird das Missverhältnis zwischen Kosten und Einnahmeentwicklung der Krankenhäuser für den Personalkostenanteil ausgeglichen.
4. Zu Artikel 3 Nummer 02 (§ 4 Absatz 2a KHEntgG) und Nummer 4 Buchstabe a (§ 10 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 bis 6 und Satz 2 bis 4 KHEntgG)
Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nummer 02 ist wie folgt zu fassen:
'02. § 4 Absatz 2a ist wie folgt zu fassen:
(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 erhalten die Krankenhäuser für den Vereinbarungszeitraum für Mehrleistungen gegenüber der nach Satz 2 festzusetzenden Basis eine verminderte Vergütung. Basis für die Bestimmung von Mehrleistungen ist die Summe der vereinbarten Bewertungsrelationen für den Vereinbarungszeitraum 2012. Vereinbarte Mehrleistungen gegenüber der Basis werden, wenn ein Wert von 5 Prozent nicht überschritten wird, mit einem Abschlag in Höhe von 15 Prozent, ansonsten mit einem Abschlag in Höhe von 7,5 Prozent des Landesbasisfalles belegt. Werden mehr als 10 Prozent Mehrleistungen gegenüber der Basis nach Satz 2 vereinbart, ist die Basis für die Bewertung der Mehrleistungen abweichend von Satz 2 ein Wert von 110 Prozent der ursprünglichen Basis. Satz 4 gilt für weitere Steigerungen entsprechend. Mehrleistungen gegenüber einer neuen Basis werden entsprechend der Staffelung nach Satz 3 bis 5 vergütet. Der Vergütungsabschlag ist durch einen einheitlichen Abschlag auf alle mit dem Landesbasisfallwert vergüteten Leistungen des Krankenhauses umzusetzen und auf der Rechnung gesondert auszuweisen. Die näheren Einzelheiten der Umsetzung des Mehrleistungsabschlags vereinbaren die Vertragsparteien. Vom Mehrleistungsabschlag ausgenommen sind zusätzliche Leistungen im Zusammenhang mit der Schaffung zusätzlicher Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung oder dem Investitionsprogramm des Landes oder im Zusammenhang mit Pandemien, Transplantationsleistungen, Entgelte, die ausschließlich Sachkosten vergüten und Leistungen, für die im laufenden Kalenderjahr Entgelte außerhalb des Erlösbudgets, insbesondere krankenhausindividuelle Entgelte nach § 6, vereinbart wurden. Der Mehrleistungsabschlag mindert das Erlösbudget nicht." '
- b) Nummer 4 Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
'a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
- aa) Satz 1 wird wie folgt geändert:
- bb) Satz 2 bis 4 werden aufgehoben.'
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Da die Steigerung der Landesbasisfallwerte hinter den Personal- und Sachkostensteigerungen zurückbleibt, sind Krankenhäuser wirtschaftlich auf die Erhöhung der Fallzahlen angewiesen. Diese Systematik kann nur dadurch durchbrochen werden, dass den Krankenhäusern einerseits eine verlässlichere Abbildung der Kostensteigerungen im Landesbasisfallwert zugestanden wird (vgl. Änderungen in § 10 Absatz 3 KHEntgG), andererseits aber gestaffelte Abschläge auf Mehrleistungen festgeschrieben werden. Dadurch entfällt auf der Ebene der Krankenhäuser der Anreiz, Mehrleistungen zu erbringen.
Zu Buchstabe b:
Die derzeitigen Regelungen zur Vergütung der Krankenhausleistungen sehen vor, dass die Fortschreibung des Landesbasisfallwertes an die Grundlohnsummenentwicklung gekoppelt ist. Folglich besteht eine zu geringe Steigerung des Landesbasisfallwertes, um die Personal- und Sachkosten der Krankenhäuser zu decken. Die Preissteigerungen sind grundsätzlich geringer als die Kostensteigerungen. Die Krankenhäuser sind aus wirtschaftlicher Sicht zu steigenden Fallzahlen gezwungen. Mehrfälle führen zu Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung.
Die Regeln für die Ermittlung des Basisfallwertes sind so zu ändern, dass die allgemeine Sach- und Personalkostenentwicklung im Krankenhausbereich mit dem Landesbasisfallwert finanziert wird. Die Vorgabe, dass Leistungssteigerungen im Lande bei der Berechnung des Landesbasisfallwertes berücksichtigt werden, muss gestrichen werden. Dafür werden einheitliche, gestaffelte Abschläge bei der Vergütung von Mehrleistungen festgelegt, die für jedes Krankenhaus gelten, das Leistungssteigerungen mit den Krankenkassen vereinbart (§ 4 Absatz 2a KHEntgG).
5. Zu Artikel 4 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstabe aaa1 - neu - (§ 64b Absatz 1 Satz 1a - neu - bis 1d - neu - SGB V)
In Artikel 4 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist folgender Dreifachbuchstabe aaa1 einzufügen:
- 'aaa1) Nach Satz 1 sind folgende Sätze einzufügen:
"Modellvorhaben, die auf eine Verbesserung der sektorenübergreifenden Leistungserbringung ausgerichtet sind, können nur von allen gemäß § 18 Absatz 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes an der Pflegesatzvereinbarung beteiligten Krankenkassen gemeinsam vereinbart werden. Zeitlich begrenzte Modellvorhaben aufgrund von regionalen Besonderheiten sind auch mit einzelnen Krankenkassen möglich. Nach Ablauf einer zu vereinbarenden Erprobungszeit mit positivem Ergebnis ist das Modell in einen regelhaften Leistungsbereich zu überführen, der gemeinsam und einheitlich von allen Krankenkassen zu verhandeln ist. In jedem Land soll mindestens ein Modellvorhaben nach Satz 1 in der Erwachsenenpsychiatrie und mindestens ein Modellvorhaben nach Satz 1 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt werden; dabei können einzelne Modellvorhaben auch auf mehrere Länder erstreckt werden." '
Begründung:
Nach der im Gesetz vorgesehenen Fassung des § 64b SGB V können Modellvorhaben, die auf eine Verbesserung der Patientenversorgung oder der sektorenübergreifenden Leistungserbringung ausgerichtet sind, gemeinsam von allen Krankenkassen oder individuell vereinbart werden. Durch den nach § 64b Absatz 1 Satz 1 SGB V eingefügten Satz 1a wird erreicht, dass Modellvorhaben, die auf eine sektorenübergreifende Leistungserbringung ausgerichtet sind, ausschließlich gemeinsam von allen Krankenkassen mit den Leistungserbringern vereinbart werden können. Dadurch wird sichergestellt, dass diese Modellvorhaben nicht auf Versicherte bestimmter Krankenkassen beschränkt bleiben. Durch die neuen Sätze 1b und 1c in § 64b Absatz 1 SGB V wird sichergestellt, dass Vereinbarungen auch mit einzelnen Kassen für zeitlich begrenzte Modellvorhaben abgeschlossen werden können, die geeignet sind, regional bedingte Versorgungslücken zu schließen oder neue Finanzierungsinstrumentarien in der sektorübergreifenden Versorgung zu erproben. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, Erfahrungen mit alternativen Konzepten mit einer kurzen Laufzeit zu gewinnen. Nach der vereinbarten Erprobungszeit mit positivem Ergebnis soll das Modell gemeinsam und einheitlich für alle Kassen gelten, anderenfalls ist das Modell zu beenden. Durch den neuen Satz 1d der Vorschrift soll in der Erwachsenenpsychiatrie und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mindestens ein Modellvorhaben je Land durchgeführt werden.
6. Zu Artikel 4a (§ 142 Absatz 1 und 2 und § 143 Absatz 1 SGB III)
Artikel 4a ist wie folgt zu fassen:
"Artikel 4a
Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
Das Dritte Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997; BGBl. I, S. 594, 595), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- a) § 142 wird wie folgt geändert:
- aa) In Absatz 1 wird das Wort "zwölf" durch das Wort "sechs" ersetzt.
- bb) Absatz 2 wird aufgehoben.
- b) In § 143 Absatz 1 wird das Wort "zwei" durch das Wort "drei" ersetzt.'
Begründung:
Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe aa:
Die anhaltende Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und der damit verbundene Anstieg atypischer Beschäftigungsverhältnisse führt seit einigen Jahren vermehrt zu fragmentierten Erwerbsverläufen, in denen die Arbeitslosenversicherung in der derzeitigen Form ihre Funktion als primäres soziales Sicherungssystem für Arbeitslose immer weniger erfüllt.
Eine Verkürzung der Anwartschaftszeit auf sechs Monate verbessert die soziale Absicherung der atypisch Beschäftigten und stärkt die Arbeitslosenversicherung in ihrer Funktion als primäre soziale Sicherung.
Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe bb:
Die Sonderregelung der Arbeitslosenversicherung zur verkürzten Anwartschaft für überwiegend kurzfristig Beschäftigte hat sich nicht bewährt, was sich unter anderem in ihrer geringen Inanspruchnahme manifestiert. Die Regelung erwies sich als zu kompliziert und nicht praktikabel. Im Zeitraum vom 1. August 2009 bis 3 1. März 2011 wurden lediglich 1319 Anträge gestellt, von denen nur 463 bewilligt wurden. Mit einer Erweiterung der Rahmenfrist auf drei Jahre bei einer Verkürzung der Anwartschaftszeit auf sechs Monate wird eine unkomplizierte und unbürokratische Regelung eingeführt, mit der auch kurzfristig Beschäftigten der Erwerb eines Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund ihrer Beitragszahlung erleichtert wird.
Zu Buchstabe b:
Insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in instabilen Beschäftigungsverhältnissen, wie Befristungen mit kurzer Dauer, Saisonarbeit oder Leiharbeit tätig sind, können nach geltender Rechtslage oftmals keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld aufbauen, weil sie innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jahren keine zwölf Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen können. Eine Rahmenfrist von drei Jahren erleichtert es den genannten Personen, mit ihrer Beitragszahlung auch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben.
B
- 7. Der federführende Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
- a) Der Bundesrat stellt fest:
Mit dem vorliegenden Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen wird eine Verbesserung der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Grundversorgung nicht erreicht. Es bedarf dringend der Ergänzung und Weiterentwicklung, um den erreichten Stand bei der Behandlung psychisch kranker Menschen in Deutschland nicht zu gefährden, sondern nach modernen Maßstäben qualitativ weiterzuentwickeln.
Die weitgehende Anlehnung an die Vorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes und damit an die DRG-Systematik für den Bereich der somatischen Erkrankungen birgt die Gefahr, dass die besonderen Bedürfnisse psychisch kranker Menschen und die Besonderheiten des psychiatrischen und psychosomatischen Versorgungssystems nicht ausreichend Berücksichtigung finden.
Die Einführung eines neuen Entgeltsystems muss deshalb dazu genutzt werden, eine bedarfsorientierte, patientenzentrierte und sektorenübergreifende Versorgung fördern, um eine effiziente und gute Behandlung psychisch kranker Menschen zu ermöglichen. Dazu muss das Finanzierungssystem so gestaltet werden, dass die sektorenübergreifende Behandlung gestärkt und die Fragmentierung der stationären, teilstationären und ambulanten Krankenhausbehandlung zu Gunsten der Behandlung "aus einer Hand" überwunden werden kann.
Besonderes Augenmerk ist auf die spezifischen Bedürfnisse psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und auf die Besonderheiten des Fachgebietes der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu richten. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist bereits heute modern organisiert, mit vielen kleinen Abteilungen und dem Primat einer ambulanten, vernetzten Versorgung. Die zukünftigen Rahmenbedingungen dürfen diese Strukturen nicht gefährden.
Schließlich muss sichergestellt werden, dass die neuen Rahmenbedingungen nicht zu einer Benachteiligung chronisch kranker Patienten führen. Die bisherigen Versuche, die in den psychiatrischen Kliniken erbrachten Leistungen zu messen, erweisen sich als sehr schwierig. Im Klinikalltag kommt dem Leistungskomplex pflegerischmilieutherapeutische Leistungen über 24 Stunden eine Hauptrolle zu. Dieser Leistungskomplex eignet sich aber nicht zur Kostentrennung zwischen einzelnen Patientengruppen. Bisher werden nur etwa 25 bis 30 Prozent aller Leistungen als codierbare Leistungen erfasst. Die Erfahrungen der Pretest-Krankenhäuser zeigen, dass sich der größte Kostenblock gerade nicht leistungsgerecht zuordnen lässt.
Die codierbaren Leistungen (Therapieeinheiten im 25-Minuten-Takt) bilden vor allem für schwerer erkrankte Patienten den tatsächlichen Behandlungsaufwand nicht ab. Gerade bei diesen Patienten sind in der Regel eine Vielzahl, jedoch weitaus kürzerer Interventionen notwendig. In der akutpsychiatrischen Behandlung kann es auch kontraproduktiv sein, die notwendige therapeutische Zuwendung in nicht der Aufnahmefähigkeit und Belastbarkeit der Patienten angemessene Zeittakte zu pressen.
- b) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf:
- aa) in den Auftrag zur Entwicklung des Vergütungssystems explizit die Vorgabe eines Systemvergleichs zwischen der Regelversorgung und den in Modellvorhaben realisierten sektorübergreifenden Ansätzen aufzunehmen. Dazu muss der Entwicklungsauftrag um die Vorgabe erweitert werden, Vergütungsformen zu entwickeln und zu erproben,
die eine patientenzentrierte, bedarfsorientierte und sektorenübergreifende Versorgung ermöglichen. Hierbei sind sowohl die deutschen als auch die internationalen Erfahrungen mit alternativen Finanzierungsformen, wie etwa patientenbezogenen Jahresbudgets oder Regionalbudgets, einzubeziehen,
- bb) im Verfahren zur Einführung des neuen Entgeltsystems die spezifischen Bedürfnisse psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und die Besonderheiten des Fachgebietes der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie besonders zu berücksichtigen. In jedem Land sollte ein Modellvorhaben zur kinder- und jugendpsychiatrischen- und psychotherapeutischen Versorgung vereinbart und die Ergebnisse dieser Modellvorhaben für die Weiterentwicklung des Vergütungssystems unmittelbar genutzt werden,
- cc) den Bedürfnissen chronisch erkrankter Patientinnen und Patienten besonders Rechnung zu tragen. Dazu ist im Entwicklungsauftrag festzuhalten, dass das neue Entgeltsystem keine Anreize zur Schlechterstellung besonders schwer erkrankter Patientinnen und Patienten enthalten darf, die unter anderem in Folge der Privilegierung derjenigen Patienten entstehen kann, die besser als chronisch Erkrankte von strukturierten Behandlungsangeboten profitieren können. Außerdem sind alle Anreize zu verhindern, die eine unsachgemäße Verkürzung von Verweildauern und die Erhöhung der Wiederaufnahmeraten begünstigen,
- dd) umgehend eine trialogisch besetzte Expertenkommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Patienten und ihrer Angehörigen sowie in der psychiatrischen Versorgung Tätigen zu berufen, die eine fachlich fundierte Prozessbegleitung sicherstellt und hierbei vor allem die Auswirkungen der neuen Rahmenbedingungen auf die Qualität der Versorgung überprüft. Der Prüfauftrag soll auch eine Kosten-Nutzen-Bewertung des Dokumentations- und Erhebungsaufwandes enthalten. Die Berichte der Expertenkommission sollen öffentlich zugänglich gemacht werden.