1. Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) schätzt, dass weltweit immer noch 165 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren unter ausbeuterischen und sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten müssen, die ihre physische und psychische Entwicklung in erheblichem Maße beeinträchtigen. Berichte aus indischen Steinbrüchen zeigten zum Beispiel, unter welch dramatischen Arbeitsbedingungen Kinder dort Steine brechen müssen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Rund 69% der Kinder arbeiten in der Landwirtschaft, 22% im Dienstleistungssektor. Etwa 9% der ausgebeuteten Kinder sind in der Industrie beschäftigt. Ein Teil der unter Einsatz von ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellten landwirtschaftlichen und industriellen Produkte wird für den Exportmarkt produziert.
Kinderarbeit ist eine direkte Folge von Armut - wenn der geringe Verdienst der Eltern nicht für das Überleben der Familie ausreicht, werden oft auch die Kinder gezwungen, zu arbeiten. Viele Kinder geraten zudem in langjährige Schuldknechtschaft, weil ihre Familien die Arbeitskraft der Kinder aufgrund von nicht bezahlbaren Schulden verkaufen müssen. Die von ausbeuterischer Kinderarbeit und Schuldknechtschaft betroffenen Kinder haben in der Regel keinen Zugang zu einer ordentlichen Schul- und/oder Berufsausbildung, und damit keine Möglichkeit mehr, den Kreislauf aus Armut und Unterentwicklung zu durchbrechen.
Alle Strategien zur Bekämpfung der Kinderarbeit müssen daher gleichzeitig von wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut als der unmittelbaren Ursache der Kinderarbeit begleitet werden.
Vor diesem Hintergrund sollte geprüft werden, wie internationale Zusammenarbeit einen Beitrag dazu leisten kann, Armut und die daraus resultierende Kinderarbeit einzudämmen indem Sozialprogramme wie z.B. in Mexiko und Brasilien unterstützt oder falls noch nicht vorhanden, angeregt werden können.
Eine solche Unterstützung würde besonders Artikel 6 Ziffer 1 des Übereinkommens 182 der Internationalen Arbeitsorganisation entsprechen.
Länder wie Mexiko und Brasilien haben Sozialprogramme geschaffen, die armen Familien Sozialleistungen in Form von Geldzahlungen gewähren, die an den Schulbesuch von schulpflichtigen Kindern geknüpft sind. Diese Programme wirken in zweierlei Richtungen, wie Evaluierungen u. a. der Weltbank gezeigt haben: Arme Familien müssen Kinder nicht zur Arbeit schicken, damit sie ein oder zwei Kindern der Familie den Schulbesuch ermöglichen können und Kinder, welche die Schule besuchen, haben keine Zeit für Kinderarbeit, auch nicht für solche, die ausbeuterisch ist.
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse lassen es zweifelhaft erscheinen, dass Boykotte und Marktzugangssperren in den Industriestaaten allein bereits geeignet sind, Kinderarbeit in den betroffenen Ländern zurückzudrängen. Diese Maßnahmen könnten in der Tendenz teilweise gegenläufige Effekte haben. Deshalb sollten Marktzugangssperren in Industriestaaten für Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit durch besondere komplementäre Sozialprogramme in den betroffenen Ländern begleitet werden.