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Der federführende Ausschuss für Familie und Senioren (FS), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Finanzausschuss (Fz) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Staat erbringt in vielfältiger Weise Leistungen, die Familien mit Kindern entlasten. Dennoch leben in Deutschland viele Familien unter schwierigen ökonomischen Bedingungen. Die Zahl der armen Kinder steigt seit Jahren, bundesweit leben aktuell rund zwei Millionen Kinder von Leistungen nach dem SGBII und SGB XII. Staatliche Leistungen zur Unterstützung von Familien müssen daher zielgenauer als bisher gestaltet werden. Keine Familie darf nur deshalb weil sie die Kosten für den Unterhalt ihrer Kinder nicht aufbringen kann auf Sozialhilfe angewiesen sein.
Von Einkommensarmut sind Haushalte von Alleinerziehenden in besonderem Maße betroffen. Verglichen mit anderen Haushaltstypen sind sie in der wirtschaftlich schwierigsten Lage: Ihre Armutsrate liegt bei knapp 40 Prozent, ist das jüngste Kind höchstens drei Jahre alt, liegt die Armutsrate sogar über 60 Prozent.
Alleinerziehende müssen daher entlastet werden.
Die Schaffung einer bedarfsorientierten, transparenten und unbürokratischen Förderung muss dabei im Vordergrund stehen.
Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz einen neuen Anknüpfungspunkt für die Höhe der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) schafft.
Er begrüßt darüber hinaus die Absicht der Bundesregierung, eine Wirksamkeitsanalyse durchzuführen auf deren Grundlage eine Harmonisierung der familienpolitischen Leistungen angestrebt wird.
Gleichwohl sieht der Bundesrat noch Handlungsbedarf. Es ist zu bezweifeln, ob das UhVorschG seinen Ursprungszweck noch erfüllt. Es ist mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden, beinhaltet ein komplexes Mischfinanzierungsmodell zwischen Bund, Ländern und Kommunen und produziert durch den doppelten Nachrang in Verbindung mit der Gewährung von Transferleistungen nach SGB II und SGB XII erhebliche Verschiebungen von Mitteln. Der Nutzen für die Familien ist dabei kaum noch erkennbar.
Der Bundesrat bittet vor diesem Hintergrund die Bundesregierung, nach neuen Möglichkeiten für die Förderung von allein erziehenden Elternteilen und mit ihnen zusammenlebenden Kindern zu suchen, das UhVorschG in die geplante Harmonisierung der familienpolitischen Leistungen einzubeziehen und ein Gesamtkonzept für die Familienförderung zu entwickeln.
Eine schnelle und wirksame Unterhaltssicherung sowie die tatsächliche Realisierung des Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Barunterhaltspflichtigen müssen dabei sichergestellt sein.
2. Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a - neu - (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UhVorschG)
Buchstabe b - neu - (§ 1 Abs. 2 Satz 2 - neu - bis Satz 4 - neu UhVorschG)
Buchstabe c - neu - ( § 1 Abs. 3 UhVorschG)
Artikel 1 Nr. 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. § 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 Nr. 2 werden die Wörter "seiner Elternteile" durch die Wörter "allein stehenden Elternteil" ersetzt sowie nach dem Wort "Ehegatten" die Wörter "oder Lebenspartner" eingefügt.
- b) Dem Absatz 2 werden folgende Sätze angefügt:
"Ein Elternteil gilt als allein stehend im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2, wenn er keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bildet. Ist die andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Elternteils gemeldet, wird vermutet, dass sie mit ihm gemeinsam wirtschaftet (Haushaltsgemeinschaft). Die Vermutung ist nicht widerlegbar, wenn der Elternteil und die andere Person in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben."
- c) In Absatz 3 werden die Wörter "mit dem anderen Elternteil zusammenlebt oder" gestrichen."
Begründung
Mit den Änderungen in § 1 Abs. 1 bis 3 UhVorschG wird über die im Gesetzentwurf enthaltene redaktionelle Änderung hinaus eine Schlechterstellung ehelicher Lebensgemeinschaften gegenüber nichtehelicher Lebensgemeinschaft im Unterhaltsvorschussgesetz vermieden. Nach den gegenwärtigen Bestimmungen des Unterhaltsvorschussgesetzes führt eine Heirat des allein erziehenden Elternteils, bei dem das Kind lebt, zum Leistungsausschluss. Geht der allein erziehende Elternteil dagegen eine nichteheliche Partnerschaft ein und ist der nichteheliche Partner nicht gleichzeitig Vater oder Mutter des leistungsberechtigten Kindes, wird Unterhaltsvorschuss weitergewährt. Insofern liegt eine Ungleichbehandlung zwischen ehelicher Lebensgemeinschaft und nichtehelicher Lebensgemeinschaft vor. Mit der Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UhVorschG wird der Begriff "allein stehend", der bisher nur im Titel des Unterhaltsvorschussgesetzes ("Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern allein stehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen") verwendet wird, als anspruchsbegründende Voraussetzung in den Gesetzestext aufgenommen. Damit wird bei jeglicher Haushaltsgemeinschaft mit einer volljährigen Person widerleglich ein gemeinsames Wirtschaften vermutet und ein Anspruch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeschlossen. Die Vermutung kann widerlegt werden. Widerlegt ist die Vermutung dann, wenn der Elternteil glaubhaft darlegen kann, dass kein gemeinsames Wirtschaften vorliegt.
Dies ist z.B. der Fall, wenn der Elternteil mit einem volljährigen Kind zusammenlebt, das sich selbst nur geringfügig oder überhaupt nicht an den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beteiligt. Soweit es sich um eine eheähnliche Gemeinschaft handelt, ist ein Anspruch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeschlossen auch wenn Umstände vorgebracht werden, die ein gemeinsames Wirtschaften widerlegen. Die Regelung lehnt sich damit eng an Regelungen im Bereich des Steuerrechts ( § 24b Abs. 2 EStG) an.
3. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a (§ 2 Abs. 1 Satz 1a - neu - UhVorschG)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a ist in § 2 Abs. 1 nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:
- Abweichend von Satz 1 beträgt die Unterhaltsleistung in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet 265 Euro für ein Kind, das das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet und 305 Euro für ein Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Begründung
Eine Anhebung der für die neuen Länder geltenden Mindestbeträge für die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf das Niveau der alten Länder ist nicht gerechtfertigt. Es gibt immer noch deutliche Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten in den alten und den neuen Ländern. Eine Differenzierung bei der Höhe des Unterhaltsvorschusses ist deshalb weiterhin geboten.
Dass es zu der von der Bundesregierung erwarteten teilweisen Kompensation der Mehrausgaben der neuen Länder durch einen Rückgang der Fallzahlen kommen soll, ist angesichts der derzeit steigenden Fallzahlen nicht nachvollziehbar.
4. Zu Artikel 1 Nr. 3 - neu - (§ 6 Abs. 1 Satz 2 - neu - und Satz 3 - neu - UhVorschG)*)
Dem Artikel 1 ist folgende Nummer anzufügen:
3. Dem § 6 Abs. 1 werden die folgenden Sätze angefügt:
- Er soll auf Verlangen der zuständigen Stelle zur mündlichen Erörterung seiner Auskünfte, insbesondere seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse, persönlich erscheinen. Dies gilt nicht, soweit das persönliche Erscheinen aus einem wichtigen Grund unzumutbar ist oder die zuständige Stelle sich die erforderlichen Kenntnisse selbst mit geringerem Aufwand als der betroffene Elternteil beschaffen kann.
Begründung
Probleme im Umgang mit dem Unterhaltsschuldner sind vermeidbar, wenn es den zuständigen Stellen möglich ist, das persönliche Erscheinen des Unterhaltsschuldners anzuordnen. Hierzu soll die vorgeschlagene Gesetzesänderung die rechtliche Grundlage bereiten.
5. Zu Artikel 1 Nr. 3 - neu - (§ 6 Abs. 6 - neu - UhVorschG)*)
Dem Artikel 1 ist folgende Nummer anzufügen:
- "3. Dem § 6 wird folgender Absatz 6 angefügt:
(6) Die zuständigen Stellen und die mit der Durchsetzung der nach § 7 Abs. 1 übergegangenen Ansprüche befassten Stellen dürfen den in Absatz 1 bezeichneten Elternteil auch regelmäßig im Wege des automatisierten Datenabgleichs daraufhin überprüfen, ob und welche Daten nach § 45d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes dem Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind. Zu diesem Zweck dürfen sie Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Anschrift des in Absatz 1 bezeichneten Elternteils sowie die zuständige Stelle und das Aktenzeichen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln. Die Übermittlung kann auch über eine von der zuständigen Landesbehörde bestimmte zentrale Landesstelle erfolgen. Das Bundeszentralamt für Steuern hat die ihm überlassenen Daten und Datenträger nach Durchführung des Auftrages unverzüglich zurückzugeben, zu löschen oder zu vernichten. Die zuständigen Stellen und die mit der Durchsetzung der nach § 7 Abs. 1 übergegangenen Ansprüche befassten Stellen dürfen die ihnen übermittelten Daten nur zur Überprüfung nach Satz 1 nutzen. Die übermittelten Daten der Person, bei der die Überprüfung zu keinen abweichenden Feststellungen führt, sind unverzüglich zu löschen."
Begründung
Die Gesetzesänderung soll den für die Festsetzung und Beitreibung der Rückgriffsforderung gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Elternteil zuständigen Stellen die Möglichkeit eines Datenabgleichs mit dem Bundeszentralamt für Steuern geben. Ob diese Möglichkeit schon nach bestehender Gesetzeslage besteht ist nicht ganz zweifelsfrei, da einzelne Datenschutzbeauftragte sowie auch der Bayerische Oberste Rechnungshof der Meinung sind, dass die ohne die Neuregelung in Betracht kommenden Vorschriften des § 6 Abs. 5 UhVorschG und des § 21 Abs. 4 SGB X keine ausreichend konkretisierte Rechtsgrundlage darstellen. Es ist auch zu konstatieren, dass - neben technischen Hindernissen - Datenabrufe im Bereich des § 6 UhVorschG auf Grund der dargestellten rechtlichen Unsicherheit unterbleiben. Eine vergleichbare Situation hat den Bundesgesetzgeber im Jahr 2004 beim Bundesausbildungsförderungsgesetz zu einer Klarstellung veranlasst, die Vorbild für die vorliegende Neuregelung ist (vgl. amtliche Begründung zu § 41 Abs. 4 BAföG, BT-Drs. 015/3655, Teil B Nr. 13).
Von der Einführung des Kontenabrufs ist eine Verbesserung der Rückgriffsquote beim Unterhaltsvorschuss zu erwarten.
6. Zu Artikel 1 Nr. 3 - neu - (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a - neu - UhVorschG)*)
Dem Artikel 1 ist folgende Nummer anzufügen:
Begründung
Da bei fehlender Mitwirkung, anders als beim Antragssteller, die in § 66 SGB I geregelten Rechtsfolgen (insbesondere Leistungsversagung) nicht greifen, ist die Einführung eines entsprechenden Ordnungswidrigkeitstatbestandes erforderlich.
(setzt die Annahme von Ziffer 4 voraus)
*) Bei Annahme der Ziffern 4 bis 6 werden diese redaktionell zusammengefasst.
7. Zu Artikel 1a - neu - (§ 45d Abs. 2 Satz 3 - neu - EStG)
Nach Artikel 1 ist folgender Artikel 1a einzufügen:
(setzt die Annahme von Ziffer 5 voraus)
Dem § 45d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4210), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:
Folgeänderung:
Der Titel des Gesetzentwurfs ist durch folgenden Titel zu ersetzen:
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussrechts
Begründung
Die Ergänzung des § 45d Abs. 2 EStG trägt dem Umstand Rechnung, dass der hier vorgesehene Datenabruf nicht der Überprüfung der Angaben zu Einkommen und Vermögen des Leistungsempfängers dient, sondern des unterhaltsverpflichteten Elternteils.
B
- 8. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.