A. Problem und Ziel
Bereits seit Jahren stößt die restriktive Fassung des durch das 28. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. Januar 1994 eingeführten Tatbestands der Abgeordnetenbestechung ( § 108e StGB) in Rechtswissenschaft und öffentlicher Diskussion auf Kritik.
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05 - (vgl. BGHSt 51, 44) darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Regelung der Abgeordnetenbestechung dazu führe, weite Teile von als strafwürdig empfundenen Manipulationen im Zusammenhang mit der Mandatsausübung insbesondere in Volksvertretungen der Gemeinden straflos zu stellen, sodass gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe. An der Ausgestaltung des Tatbestands des § 108e StGB sei die Entwicklung vorbeigegangen, die in allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens infolge des gewandelten Verständnisses einer besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten geführt habe.
Nach allgemeiner Auffassung ist geschütztes Rechtsgut des § 108e StGB die Integrität der Mandatsausübung und die Funktionsfähigkeit des repräsentativen parlamentarischen Systems sowie das darauf bezogene öffentliche Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unkäuflichkeit der Mandatsinhaber und die Sachbezogenheit ihrer Entscheidungen. Den Schutz dieses Rechtsguts gewährleistet die geltende Fassung des § 108e StGB allerdings nur eingeschränkt. Der Anwendungsbereich der Norm beschränkt sich derzeit auf den Stimmenkauf bzw. -verkauf im Hinblick auf künftige Wahlen und Abstimmungen in parlamentarischen Gremien. Daher sind nach herrschender Meinung z.B. Abstimmungen in Fraktionen und Arbeitskreisen ebenso wenig erfasst wie immaterielle oder Dritten gewährte Vorteile. Die nachträgliche Gewährung bzw. Annahme eines Vorteils für ein bestimmtes Verhalten eines Mandatsträgers ist nach dem Wortlaut der Norm de lege lata eindeutig nicht unter Strafe gestellt.
Systemwidrig ist, dass die Bestechung ausländischer Abgeordneter gemäß Artikel 2 § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung vom 10. September 1998, BGBl. 1998 II, S. 2327 (IntBestG) in weiterem Umfang strafbar ist als die Bestechung inländischer Mandatsträger nach § 108e StGB. Denn Artikel 2 § 2 IntBestG umfasst - anders als § 108e StGB - nicht nur den Kauf bzw. Verkauf einer Stimme für eine Wahl oder Abstimmung, sondern auch jede künftige Vornahme einer mit dem Mandat zusammenhängenden, sachfremden Interessenwahrnehmung. Damit genießt die Integrität ausländischer und internationaler Parlamente einen weitergehenden Schutz als die inländischer Volksvertretungen.
Die gegenwärtige Ausgestaltung des § 108e StGB hindert Deutschland, das bereits am 9. Dezember 2003 unterzeichnete Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 zu ratifizieren. Der Ratifikation steht bislang die erforderliche Anpassung (Verschärfung) des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung zur Erfüllung der Vorgaben des Übereinkommens entgegen. Insbesondere verpflichtet das Übereinkommen in Artikel 15 die Vertragsstaaten, das Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines ungerechtfertigten Vorteils an (auch) einen Mandatsträger für diesen selbst oder für eine andere Person oder Stelle und das Fordern oder Annehmen eines ungerechtfertigten Vorteils durch (auch) einen Mandatsträger für sich selbst oder eine andere Person oder Stelle als Gegenleistung dafür, das er in Ausübung seiner "Dienstpflichten" eine Handlung vornimmt oder unterlässt, als Straftat zu umschreiben.
Auch das am 1. Juli 2002 in Kraft getretene Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats wurde von Deutschland zwar am 27. Januar 1999 unterzeichnet, jedoch bislang gleichfalls nicht ratifiziert. Die Artikel 4, 6 und 10 in Verbindung mit Artikel 2 und 3 des Übereinkommens verpflichten die Vertragsstaaten, die aktive und passive Bestechung nationaler und ausländischer Mitglieder einer öffentlichrechtlichen Vertretungskörperschaft oder einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen oder supranationalen Organisation, der die Vertragspartei angehört, unter Strafe zu stellen. In diesem Zusammenhang wird abgestellt auf einen ungerechtfertigten Vorteil für das Mitglied oder einen Dritten dafür, dass es bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
Die für das Monitoring der Umsetzung des Strafrechtsübereinkommens des Europarats eingerichtete "Staatengruppe gegen Korruption - GRECO" hat im Dezember 2009 im Rahmen der dritten Evaluationsrunde ihren Bericht betreffend Deutschland verabschiedet, der unter anderem ausdrücklich eine Erweiterung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung fordert.
Regelungsbedürfnis besteht auch hinsichtlich der Strafbarkeit der Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsbewerbern. Die Integrität der Mandatsausübung und die Funktionsfähigkeit des repräsentativen parlamentarischen Systems sowie das darauf bezogene öffentliche Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unkäuflichkeit der Mandatsinhaber und die Sachbezogenheit ihrer Entscheidungen ist bereits beeinträchtigt, wenn ein Bewerber um ein Mandat sich für den Fall der Wahl als "käuflich" zeigt. Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob es sich um einen Mandatsträger, der sich zur Wiederwahl stellt, oder einen Neubewerber handelt.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf erweitert den Anwendungsbereich des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung unter Berücksichtigung der besonderen Stellung der Abgeordneten, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des freien Mandats ergibt. Er trägt internationalen Vorgaben Rechnung und beseitigt die bestehende Schieflage im Verhältnis zu Artikel 2 § 2 IntBestG.
C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen Zustands, der gegen internationale Vorgaben verstößt und nicht sämtliche strafwürdigen Verhaltensweisen erfasst.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht oder entfällt kein Erfüllungsaufwand.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft entsteht oder entfällt kein Erfüllungsaufwand. Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:
Für Unternehmen werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Aufgrund der Ausweitung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung ist zu erwarten, dass die Anzahl der Ermittlungs- und Strafverfahren in einem begrenzten Ausmaß zunimmt. Dies kann zu nicht näher quantifizierbaren Haushaltsmehrausgaben bei den für die Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren primär zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder führen. Im Zuständigkeitsbereich des Bundes anfallende Haushaltsmehrausgaben sind allenfalls in geringem Umfang zu erwarten.
Der Mehraufwand bei den Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörden ist jedoch angesichts der praktischen Bedeutungslosigkeit des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung in seiner gegenwärtigen Fassung wie auch internationaler Vorgaben, die eine Erweiterung des Tatbestands fordern, gerechtfertigt.
F. Weitere Kosten
Den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft entstehen keine sonstigen Kosten. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Bestechlichkeit und Bestechung der Mitglieder von Volksvertretungen und der Mandatsbewerber
Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Bestechlichkeit und Bestechung der Mitglieder von Volksvertretungen und der Mandatsbewerber
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
2. In § 5 Nummer 14a wird das Wort "Abgeordnetenbestechung" durch die Wörter "Bestechlichkeit und Bestechung der Mitglieder von Volksvertretungen" ersetzt.
3. § 108e wird wie folgt gefasst:
" § 108e Bestechlichkeit und Bestechung der Mitglieder von Volksvertretungen
- (1) Wer als Mitglied
- 1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände oder
- 2. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates, des Europäischen Parlaments oder einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied
- 1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände oder
- 2. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates, des Europäischen Parlaments oder einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation einen Vorteil für dieses Mitglied oder einen Dritten dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse.
- (3) Der Versuch ist strafbar.
- (4) Ein politisches Mandat oder eine politische Funktion, eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Parteispende und eine Zuwendung, die im Rahmen der Wahrnehmung des Mandats in der Volksvertretung, dem Gesetzgebungsorgan des ausländischen Staates, dem Europäischen Parlament oder der parlamentarischen Versammlung der internationalen Organisation anerkannten Gepflogenheiten entspricht, stellen keinen Vorteil im Sinne dieser Vorschrift dar."
4. Nach § 108e werden folgende §§ 108f und 108g eingefügt:
" § 108f Bestechlichkeit und Bestechung der Mandatsbewerber
- (1) Wer als Bewerber um ein Mandat in einer Volksvertretung, einem Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates oder im Europäischen Parlament einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er im Falle der Wahl bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Bewerber um ein Mandat in einer Volksvertretung, einem Gesetzgebungsorgan eines ausländischen Staates oder im Europäischen Parlament einen Vorteil für diesen Bewerber oder einen Dritten dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er im Fall der Wahl bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse.
- (3) Mandatsbewerber im Sinne dieser Vorschrift ist, wer dazu von dem zuständigen Gremium einer Partei oder einer mitgliedschaftlich organisierten Gruppe von Wahlberechtigten in dem vorgesehenen Verfahren bestimmt oder wessen Bewerbung in der dafür vorgesehenen Form einer für die Durchführung der Wahl zuständigen Stelle angezeigt worden ist.
(4) § 108e Absatz 4 gilt entsprechend.
§ 108g Nebenfolgen
Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat nach den §§ 108e und 108f kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Dass es bis heute trotz einer seit langem andauernden Diskussion und von der Bundesregierung unterzeichneter internationaler Übereinkommen mit entsprechenden Vorgaben keine strafrechtliche Regelung gibt, die sämtliche strafwürdigen Verhaltensweisen von Mandatsträgern im Bereich der Annahme und Zuwendung ungerechtfertigter Vorteile erfasst, trägt dazu bei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Unabhängigkeit der Mandatsausübung schwinden zu lassen.
Die besondere Stellung der Abgeordneten, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des freien Mandats ergibt, verbietet es indessen, sie den Amtsträgern nach § 11 Absatz 1 Nummer 2 StGB uneingeschränkt gleichzustellen und die §§ 331 ff. StGB unmittelbar auf sie anzuwenden. Sowohl im Hinblick auf den Status als auch auf die Aufgaben unterscheiden sich Mandatsträger von Amtsträgern. Anders als das Amt ist das freie Mandat in einer Volksvertretung an die Person des Mandatsträgers gebunden. Während Amtsträger im Rahmen eines Dienst- oder Treueverhältnisses nach Weisung tätig sind, sind Mandatsträger an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, und treffen - nur ihrem Gewissen unterworfen (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG) - in diesem Sinne "unvertretbare" Entscheidungen (vgl. BGHSt 51, 44, Rnr. 28).
Abgeordnete können, anders als Amtsträger, ihre Arbeitsgebiete grundsätzlich selbständig festlegen (vgl. Dreier/Morlok, Grundgesetz, 2. Auflage, 2004, Artikel 38, Rnr. 145). Auch das Recht, sich im Rahmen der selbstbestimmten parlamentarischen Arbeit über maßgebliche Sachverhalte zu informieren, wurzelt im freien Mandat. Das selbstbestimmte Informationsrecht ist dabei Voraussetzung für die Wahrnehmung der Kontrollfunktion einer Volksvertretung gegenüber der Exekutive (vgl. Sachs/Magiera, Grundgesetz, 6. Auflage, 2011, Artikel 38, Rnr. 40).
Die von der Verfassung garantierte Freiheit des Mandats macht die Mandatsträger deshalb zu eigenständigen Akteuren im parlamentarischen Prozess mit eigenem, verfassungsrechtlich abgesichertem Status, vgl. BVerfGE 2, 143 <164>; BVerfGE 4, 144 <149>. Da die vom Volk ausgehende Staatsgewalt vom Parlament in seiner Gesamtheit ausgeübt wird, vgl. BVerfGE 44, 308 <315>; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 11. Auflage, 2011, Artikel 38, Rnr. 24), obliegt es den Mandatsträgern, fortlaufend die verschiedensten Einflüsse aus der Gesellschaft aufzunehmen und in parlamentarische Arbeit umzusetzen, um die Responsivität des Parlaments gegenüber der Bevölkerung insgesamt wachzuhalten (vgl. Dreier/Morlok, Grundgesetz, 2. Auflage, 2004, Artikel 38, Rnr. 142). Daher gehören zur legitimen Mandatsausübung auch die Informationsgewinnung, die Kontaktpflege und die Erkundigung über wirtschaftliche, soziale oder politische Umstände vor Ort.
Mandatsträgern ist es nicht verwehrt, Spenden zur Finanzierung bestimmter politischer Ziele oder des Wahlkampfes ihrer Partei oder ihrer Person entgegenzunehmen, solange sie sich innerhalb des dafür geltenden rechtlichen Rahmens, namentlich der dafür geltenden Publizitätsvorschriften bewegen (vgl. BVerfG E 85, 264). Das Grundgesetz gewährleistet für Parteien und Mandatsträger Freiheit vom Staat, nicht jedoch absoluten Schutz vor dem Einfluss finanzkräftiger Einzelpersonen, Unternehmen oder Verbände, vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvF 1/78 -, NJW 1979, 1815, 1816.
Gerade wegen der Unvertretbarkeit parlamentarischer Entscheidungen spielen legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung die Mandatsträger in die Volksvertretung gewählt wurden, bei der Mandatsausübung eine wesentliche Rolle. Mandatsträgern steht es frei, im Hinblick auf ihre zukünftigen Wahlchancen die Interessen derjenigen Wählergruppen in den Mittelpunkt ihrer parlamentarischen Arbeit zu stellen, aus denen sich ihre Wählerschicht vornehmlich zusammensetzt. Umgekehrt ist es das Recht des Bürgers, sich an den Abgeordneten seines Wahlkreises zu wenden und um Unterstützung für sein Anliegen zu werben. Auf diese Weise kommt es außerhalb der periodischen Wahlgänge zu der in der parlamentarischen Demokratie gewünschten ständigen "Rückkopplung" (vgl. Stein, Staatsrecht, 1991, § 12 I) von Mandatsträgern und demokratischer Öffentlichkeit, die für die Legitimität parlamentarischer Willensbildung einen wesentlichen Beitrag leistet.
Allerdings ist - wie der BGH in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 (- 5 StR 453/09 -, NJW 2006, 2050) zutreffend ausgeführt hat - den Entwicklungen, die in allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten geführt haben, im Rahmen einer gebotenen Neuregelung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung Rechnung zu tragen. Insbesondere ergibt sich das Erfordernis einer Neuregelung aus den Vorgaben in dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 und dem Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats vom 27. Januar 1999. Ihre Umsetzung in nationales Recht ist als überfällig zu bezeichnen. Auch gilt es, die bestehende Schieflage im Verhältnis von § 108e StGB zu Artikel 2 § 2 IntBestG zu beseitigen.
Der Gesetzentwurf trägt dem verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus Rechnung. Er sichert insbesondere das verfassungsrechtliche Prinzip der demokratischen Gleichheit der Bürger und gleicher Einflussnahmemöglichkeiten auf den demokratischen Willensbildungsprozess ab und schützt daneben die Unabhängigkeit des Abgeordneten gegen finanzielle Einwirkungsversuche. Er stärkt damit das Vertrauen der Bürger in das demokratische System. Ein unzulässiger Eingriff in die durch Artikel 46 GG normierte Indemnität des Abgeordneten ist damit nicht verbunden, da der Straftatbestand nicht an die Stimmabgabe als solche, sondern an eine konkrete Unrechtsvereinbarung anknüpft.
Zur Neuregelung der Abgeordnetenbestechung haben bereits die Fraktionen der SPD (vgl. BT-Drs. 17/8613), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (vgl. BT-Drs. 17/5933) und die Fraktion die LINKE. (vgl. BT-Drs. 17/1412) Gesetzentwürfe in den Deutschen Bundestag eingebracht. Der vorliegende Gesetzentwurf baut auf dem der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag vom 8. Februar 2012 auf, geht aber über ihn hinaus.
Übernommen wird das zur konkreten Bestimmung und Eingrenzung des strafwürdigen Verhaltens vorzugswürdige Abstellen auf eine enge Unrechtsvereinbarung, die durch das Fordern oder Gewähren eines nicht gerechtfertigten Vorteils gerade dafür, dass der Mandatsträger sich in einer bestimmten Weise im Auftrag oder nach Weisung verhält, gekennzeichnet ist. Wie in dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD knüpft der vorliegende Gesetzentwurf an Handlungen an, die der Mandatsträger "bei Wahrnehmung seines Mandats" vornimmt. Damit entfällt die bisherige Beschränkung auf Wahlen oder Abstimmungen in einer Volksvertretung, mit der nur ein Teilbereich aus dem vielfältigen Wirken der Mandatsträger erfasst wird. Einbezogen werden in den Anwendungsbereich des § 108e StGB-E - wie auch in den drei bereits in den Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfen - neben den Mitgliedern einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände die Mitglieder eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates, des Europäischen Parlaments oder einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation. Festzuhalten ist auch an der Einbeziehung der Gewährung immaterieller Vorteile und der Zuwendungen zugunsten Dritter in den Anwendungsbereich des § 108e StGB-E schon deshalb, weil dies den Vorgaben in den angeführten Übereinkommen entspricht, deren Umsetzung der Gesetzentwurf insbesondere dient.
Übernommen wird auch weitgehend die in dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vorgesehene Regelung zur gebotenen Einschränkung des Vorteilsbegriffs, wobei der Ausklammerung gesetzlich zulässiger - und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich auch gewollter - Parteispenden nur eine klarstellende Funktion zukommt. Der Erweiterung bedarf der Tatbestandsausschluss bzgl. sozialadäquater, weil "parlamentarischen" Gepflogenheiten entsprechender Zuwendungen, weil Kommunalvertretungen keine Parlamente im staatsrechtlichen Sinn sind. Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen stellt der vorliegende Gesetzentwurf daher nicht auf "parlamentarische", sondern die Gepflogenheiten in den Volksvertretungen, den ausländischen Gesetzgebungsorganen, dem Europäischen Parlament und der jeweiligen parlamentarischen Versammlung ab.
Über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD hinausgehend erfasst der Gesetzentwurf auch Zuwendungen, die nachträglich für bereits vorgenommene oder unterlassene Handlungen gewährt werden (sogenannte Dankeschön-Spenden). Andernfalls könnte es leicht zu einer Umgehung der Strafbarkeit bzw. zu Strafbarkeitslücken kommen, wenn eine vorherige Absprache im Sinne einer Unrechtsvereinbarung anders als der später gewährte Vorteil, der regelmäßig nach der auftragsgemäß vorgenommenen oder unterlassenen Handlung zugewandt werden dürfte, nicht nachweisbar ist.
Zur Vermeidung eines Zurückbleibens hinter § 108e StGB in seiner geltenden Fassung, dessen Tatbestand - aufgrund der Ausgestaltung als Unternehmensdelikt - bereits vollendet ist mit auch nur dem Ansetzen zu einer Handlung, die nach der Vorstellung des Täters zu einem Stimmenkauf oder -verkauf führen soll, wird in der für § 108e StGB mit diesem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Neufassung auch eine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen. Die Erwägung, durch die in der Neufassung des Tatbestands des § 108e StGB vorgesehenen Tathandlungen ("fordern, sich versprechen lassen oder annehmen" bzw. "anbieten, versprechen oder gewähren") werde die Strafbarkeit so weit vorverlagert, dass kein Bedürfnis für eine Anordnung der Strafbarkeit des Versuchs bestehe, verfängt nicht. Die Strafbarkeit des Versuchs ist nicht nur de lege lata von § 108e StGB erfasst, sondern ist auch in den Vergehenstatbeständen von § 331 Absatz 2, § 332 Absatz 1 und § 334 Absatz 2 StGB sowie Artikel 2 § 2 IntBestG ausdrücklich vorgesehen, obwohl in diesen Tatbeständen die in Betracht kommenden Tathandlungen wortgleich wie in der vorgeschlagenen Neufassung des § 108e StGB umschrieben werden. Ein Versuch kommt z.B. in Betracht, wenn ein per Brief oder E-Mail abgesandtes Anerbieten zu einer § 108e StGB-E unterfallenden Tathandlung den Adressaten nicht erreicht oder der Zugang jedenfalls nicht zweifelsfrei feststeht.
Weitergehender als der Regelungsvorschlag der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag ist der Gesetzentwurf schließlich auch insoweit, als in einem § 108f StGB-E zusätzlich die Strafbarkeit aktiver und passiver Bestechung von Mandatsbewerbern geregelt wird. Zeigt sich ein Mandatsbewerber bereit, im Fall der Wahl bestimmte Handlungen im Auftrag oder nach Weisung zur Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils für sich oder einen Dritten vorzunehmen oder zu unterlassen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats stehen, ist in gleicher Weise Strafwürdigkeit gegeben wie bei dem entsprechenden Verhalten eines Mandatsträgers, der sich um seine Wiederwahl bemüht.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes.
III. Vereinbarkeit mit völkerrechtlichen Verträgen
Der Gesetzentwurf erfüllt die Anforderungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 und des Strafrechtsübereinkommens über Korruption des Europarats vom 27. Januar 1999, so dass die Ratifikation der Übereinkommen nicht mehr an der Unvereinbarkeit der deutschen Regelung der Abgeordnetenbestechung mit ihnen scheitert.
IV. Auswirkungen
Durch die Ausweitung der Strafbarkeit kann ein Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden entstehen, dessen Umfang derzeitig nicht quantifizierbar ist. Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand.
B. Besonderer Teil
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
In der Inhaltsübersicht ist die bisherige Bezeichnung des Straftatbestands durch die Bezeichnung der Neufassung des § 108e StGB zu ersetzen.
Zu ergänzen sind in der Inhaltsübersicht die Bezeichnungen der §§ 108f - neu - und 100g - neu - StGB.
Zu Nummer 2 (§ 5 Nummer 14a StGB)
In § 5 Nummer 14a StGB ist die bisherige Anführung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung durch die Bezeichnung der Neufassung des § 108e StGB zu ersetzen.
Zu Nummer 3 (§ 108e StGB)
Zu Absatz 1
§ 108e Absatz 1 StGB-E regelt die Bestechlichkeit von Mandatsträgern des Deutschen Bundestages, der Landtage, kommunaler Vertretungskörperschaften und von Angehörigen der Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten, des Europäischen Parlaments sowie parlamentarischer Versammlungen internationaler Organisationen, z.B. der NATO oder des Europarats.
Ein Vorteil im Sinne der Vorschrift ist - wie bei den allgemeinen Korruptionsdelikten der §§ 331 ff. StGB - jede Leistung, die den Empfänger oder einen Dritten materiell oder immateriell in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage objektiv besser stellt und auf die er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat. Auf den Wert der Zuwendung kommt es vorbehaltlich der Anerkennung sozialadäquater Vorteile nicht an.
Tathandlungen sind - wie bei den Tatbeständen der §§ 331f. StGB - das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils.
Der Vorteil muss dafür gefordert, versprochen oder angenommen werden, dass der Mandatsträger bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse. Damit ist im Unterschied zu den allgemeinen Korruptionsdelikten der §§ 331 ff. StGB-E eine engere Unrechtsvereinbarung notwendig. Die Schwelle zur Strafbarkeit wird erst dann überschritten, wenn der Mandatsträger eine solche Bindung eingeht, dass ein Vorteil gerade deshalb gefordert, versprochen oder angenommen wird ("dafür ..., dass"), damit er sich bei der Wahrnehmung seines Mandats in einer bestimmten Weise verhält, also "im Auftrag oder auf Weisung" des Vorteilsgewährenden handelt. Damit wird zugleich dem Grundsatz des freien Mandats Rechnung getragen. Denn die Vornahme oder Unterlassung einer Handlung bei der Wahrnehmung des Mandats "im Auftrag oder auf Weisung" eines Zuwendenden ist hiermit nicht vereinbar. So sind nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes Abgeordnete des Deutschen Bundestages an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Vergleichbare Regelungen sehen die meisten Verfassungen der Länder vor. Beispielsweise sind gemäß Artikel 30 Absatz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Abgeordnete an Aufträge nicht gebunden. Auch kommunale Mandatsträger verfügen wie Parlamentsabgeordnete grundsätzlich über ein freies Mandat (vgl. BVerwGE 90, 104).
Zwar beinhaltet das Begriffspaar "Auftrag oder Weisung" eine Tautologie (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 2010, Artikel 38 Rnr. 194 m.w. N.; Jäckle, ZRP 2012, 97, 98). Gleichwohl bietet es sich an, in die Neufassung des § 108e StGB das Begriffspaar uneingeschränkt zu übernehmen, um den Bezug zur verfassungsrechtlichen Stellung des Mandatsträgers deutlich zu machen.
Da die vorgenommene oder unterlassene Handlung "bei der Wahrnehmung seines Mandats" erfolgen muss, werden sämtliche Tätigkeiten des Abgeordneten in den Parlaments- und Fraktionsgremien erfasst. Gleiches gilt für die Tätigkeiten in Gremien wie der Bundesversammlung, dem Vermittlungsausschuss, dem Gemeinsamen Ausschuss oder dem Richterwahlausschuss. Nicht tatbestandsmäßig hingegen kann das Verhalten des Mandatsträgers als Mitglied eines parteiinternen Gremiums oder im Rahmen der Ausübung einer Nebentätigkeit sein. Auch wenn er lediglich seine "Autorität" als Mandatsträger dazu einsetzt, Verwaltungsabläufe in seinem Wahlkreis zu beeinflussen, handelt er nicht "bei Wahrnehmung seines Mandats".
Die Gleichstellung der Vornahme und Unterlassung einer Handlung des Mandatsträgers entspricht der Regelung in § 336 StGB für die allgemeinen Korruptionsdelikte. Die an entsprechende Tatbestandsumschreibungen in den §§ 331 ff. StGB angelehnte Formulierung "vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse" bezieht die nachträgliche Zuwendung eines ungerechtfertigten Vorteils in den Tatbestand ein, wenn sie eine auftrags- oder weisungsgemäß bereits vorgenommene oder unterlassene Handlung honoriert.
Der Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) entspricht dem des bisherigen § 108e StGB.
Zu Absatz 2
Während § 108e Absatz 1 StGB-E die Strafbarkeit des Mandatsträgers regelt, bildet Absatz 2 des Regelungsvorschlags das Verhalten auf Seiten desjenigen ab, der dem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse.
Zu Absatz 3
§ 108e Absatz 3 StGB-E regelt sowohl mit Blick auf Absatz 1 als auch Absatz 2 der Norm die Strafbarkeit des Versuchs. Sie bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen in den §§ 22 ff. StGB. Dies schließt die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts nach § 24 StGB ein, der nach dem bisherigen § 108e StGB wegen der Ausgestaltung als Unternehmensdelikt nicht möglich ist.
Zu Absatz 4
Wegen der Schwierigkeit, einerseits das strafwürdige Verhalten von und gegenüber Abgeordneten im Bereich der Annahme und Zuwendung von Vorteilen für die Mandatsausübung wirksam zu erfassen und auf der anderen Seite dem Grundsatz des freien Mandats und den Besonderheiten des politischen Alltags Rechnung zu tragen, also im politischen Betrieb sozialadäquate Verhaltensweisen straffrei zu lassen, sieht der Gesetzentwurf die ausdrückliche Ausklammerung bestimmter Zuwendungen und Begünstigungen aus dem Vorteilsbegriff vor:
- - Politisches Mandat oder politische Funktion Fälle, in denen ein Mandatsträger sich parteiinternen politischen Positionierungen unterwirft, um sich die Aufstellung als Kandidat oder die Wahl oder Ernennung in bestimmte politische Funktionen oder Ämter zu sichern, werden aus dem Vorteilsbegriff ausgeklammert. Damit bleiben insbesondere auch politische Tausch- und Gegenseitigkeitsverhältnisse straffrei, in denen Abgeordnete die Ausübung ihres Mandats in der Volksvertretung davon abhängig machen, dass eine Gegenleistung erbracht wird, die sich ebenfalls als eine Ausübung des Mandats in der Volksvertretung darstellt. Denn derartige Absprachen bewegen sich im Bereich der allgemein gültigen politischen "Spielregeln".
- - Nach dem Parteiengesetz (PartG) oder entsprechenden Gesetzen zulässige Parteispenden Klarstellend wird ausdrücklich bestimmt, dass die nach dem Parteiengesetz oder anderen Gesetzen zulässigen Parteispenden nicht unter den Vorteilsbegriff der Strafnorm fallen. Eine Parteispende ist nach dem Parteiengesetz nur dann zulässig, wenn sie erkennbar nicht in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt wird (vgl. § 25 Absatz 2 Nummer 7 PartG). Der Zusatz "oder entsprechender Gesetze" stellt mit Blick auf ausländische Mandatsträger klar, dass auch ausländische Gesetze, die Regelungen über die Zulässigkeit von Parteispenden treffen, zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.
- - Im "parlamentarischen" Verkehr anerkannte Gepflogenheiten Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat für Amtsträger das Anbieten, Versprechen oder Gewähren sozialadäquater Vorteile nur insoweit von der Strafbarkeit ausgenommen, als es sich um gewohnheitsmäßig anerkannte, relativ geringwertige Aufmerksamkeiten handelt, vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2002 - 5 StR 168/04 -, NStZ 2005, 334, 335; BGH, Urteil vom 21. Mai 2011 - 3 StR 492/00 -, StV 2012, 19, 23. Angesichts des notwendigen Dialogs zwischen Mandatsträgern und gesellschaftlichen Gruppen lassen sich diese Grundsätze auf die Kontaktpflege zwischen Parlamentariern und Interessenvertretern nicht uneingeschränkt übertragen (vgl. Hoven, ZIS 2013, 43). Soweit den Mandatsträgern Vorteile zugewendet werden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung von vornherein nicht darauf schließen lassen, mit ihnen könnte der Versuch einer illegitimen Einflussnahme verbunden sein, muss bereits nach dem Sinn und Zweck der Regelung eine Strafbarkeit ausscheiden.
Zuwendungen, die üblicher- und typischerweise im Rahmen ihrer Tätigkeit von Mandatsträgern (unter Einschluss der Mitglieder von Kommunalvertretungen) entgegen genommen werden und die deshalb durch die Mandatswahrnehmung bedingt sind, weil sie den in den jeweiligen Volksvertretungen, ausländischen Gesetzgebungsorganen, dem Europäischen Parlament oder den jeweiligen parlamentarischen Versammlungen anerkannten Gepflogenheiten entsprechen, werden deshalb ebenfalls aus dem Vorteilsbegriff herausgenommen.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Gepflogenheit", auf den der Gesetzgeber auch in anderen Strafnormen Bezug nimmt (vgl. § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 3 Nummer 3 KWG, § 38 Absatz 2 in Verbindung mit § 20a Absatz 1 und 2 WpHG), hat eine normative Komponente, die verdeutlicht, dass sich die Auslegung nicht an rein persönlichen Usancen orientieren darf. Vielmehr muss es sich um eine Konvention handeln, die - als funktionaler Bestandteil des parlamentarischgesellschaftlichen Prozesses - "gepflegt" wird. Es muss sich zudem um anerkannte Gepflogenheiten handeln. Damit wird ausdrücklich die Notwendigkeit von Transparenz betont, denn Anerkennung kann eine Gepflogenheit nur genießen, wenn sie offen praktiziert wird und sich gegebenenfalls auch parlamentarischer oder öffentlicher Kritik zu stellen bereit ist.
Zu Nummer 4 (§ 108f und § 108g StGB)
Zu § 108f StGB
Der Regelungsvorschlag stellt in seinem Absatz 1 hinsichtlich passiver Bestechung Mandatsbewerber den Mandatsträgern im Sinne von § 108e Absatz 1 und 2 StGB-E (mit Ausnahme der nicht gewählten, sondern entsandten Mitglieder von parlamentarischen Versammlungen internationaler Organisationen) gleich. Erfasst werden Fälle, in denen sich ein Mandatsbewerber zur Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils dazu bereit zeigt, im Falle seiner Wahl in eine inländische Volksvertretung, ein ausländisches Gesetzgebungsorgan oder das Europäische Parlament bei der Mandatsausübung Handlungen im Auftrag oder auf Weisung vorzunehmen oder zu unterlassen. Ein solches Verhalten ist bei einem erstmaligen Mandatsbewerber in gleicher Weise strafwürdig wie das entsprechende Verhalten des Mandatsinhabers, der sich um seine Wiederwahl bemüht. Auch der Gleichheitsgrundsatz spricht dagegen, einen Mandatsträger, der sich um seine Wiederwahl bemüht, hinsichtlich der Annahme von Vorteilen gegenüber einem Mitbewerber, der noch kein Mandat innehat, durch die Strafandrohung in § 108e StGB-E schlechter zu stellen.
§ 108f Absatz 2 StGB-E stellt in Bezug auf Mandatsbewerber die aktive Bestechung unter Strafe. Auch sie ist ebenso strafwürdig wie die Bestechung eines Mandatsträgers. In beiden Fällen geht es dem Täter um die illegitime Einflussnahme auf die freie Willensbildung und -betätigung in einer Volksvertretung oder einem ihr gleichstehenden Organ und damit eine Beeinträchtigung des Rechtsguts der Integrität der Mandatsausübung und der Funktionsfähigkeit des repräsentativen parlamentarischen Systems.
Im Verhältnis zu § 108e StGB-E den niedrigeren Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorzusehen, rechtfertigt sich daraus, dass dem bloßen Mandatsbewerber (noch) nicht die besondere Pflichtenstellung zukommt, die ein gewählter Mandatsträger (bereits) innehat.
Aus diesem Grund weist auch der Versuch einer Tat nach § 108f StGB-E einen deutlich geringeren Unrechtsgehalt auf als der Versuch einer Tat nach § 108e StGB-E, weshalb davon abgesehen wird auch für die Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsbewerbern schon den Versuch einer Tatbegehung unter Strafe zu stellen.
Zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes wird in § 108f Absatz 3 StGB-E der Begriff des Mandatsbewerbers im Sinne der Strafvorschrift definiert. Mandatsbewerber ist danach, wer dazu von dem zuständigen Gremium einer Partei oder einer mitgliedschaftlich organisierten Gruppe von Wahlberechtigten in dem vorgesehenen Verfahren bestimmt oder wessen Bewerbung in der dafür vorgesehenen Form einer für die Durchführung der Wahl zuständigen Stelle angezeigt worden ist. Nicht ausreichend ist demnach die bloße, wenn auch ggf. öffentlich gemachte Intention, sich für ein bestimmtes Mandat zur Wahl stellen zu wollen. Es bedarf vielmehr einer objektiv eindeutig eingrenzbaren Manifestation der Wahlbewerbung. Insoweit bietet es sich an, bei den Kandidaten einer Partei oder einer mitgliedschaftlich organisierten Gruppe von Wahlberechtigten auf den Zeitpunkt der Aufstellung und bei "freien" Einzelkandidaten auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Kandidatur bei einer für die Durchführung der Wahl zuständigen Stelle abzustellen.
Um auch im Anwendungsbereich von § 108f StGB-E als sozialadäquat anerkannte Vorteile auszuklammern, wird in Absatz 4 der vorgeschlagenen Regelung die entsprechende Anwendbarkeit von § 108e Absatz 4 StGB-E angeordnet.
Zu § 108g StGB
Bislang ist in § 108e Absatz 2 StGB die Möglichkeit vorgesehen, neben einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts zu erkennen. Die Möglichkeit der Anordnung dieser Nebenfolge wird in § 108g StGB-E sowohl für Straftaten nach § 108e als auch § 108f StGB-E (vgl. auch § 45 Absatz 2 und 5 StGB) zusammengefasst geregelt.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.