Ratsdok. 5597/05
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Rechtsausschuss (R)
empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem Rahmenbeschluss verfolgte Anliegen, den Vollstreckungshilfeverkehr innerhalb der EU zu erleichtern und zu beschleunigen. Die Ausweitung der Vollstreckungshilfe ist ein besonderes Anliegen der Länder. Die Erleichterung der Vollstreckung im Heimatstaat der verurteilten Person oder in dem Staat, in dem diese ihren rechtmäßigen ständigen Aufenthalt hat, dient in erster Linie dem Grundsatz der Resozialisierung, der in Deutschland Verfassungsrang genießt.
Der Ansatz, mit dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl kohärente Regelungen zur Sicherung der Rücküberstellung eigener Staatsangehöriger und sich rechtmäßig im Vollstreckungsstaat aufhaltender Ausländer, die nach den Regeln des Europäischen Haftbefehls ausgeliefert worden sind, zu schaffen, findet Unterstützung.
Dass an der beiderseitigen Strafbarkeit grundsätzlich festgehalten wird, entspricht dem Ziel der Initiative, die Chancen für eine Wiedereingliederung der verurteilten Person zu verbessern.
2. Soweit auf der Grundlage einer 32 Deliktskategorien umfassenden Liste die beiderseitige Strafbarkeit zukünftig nicht mehr geprüft werden soll, geht der Bundesrat davon aus, dass eine Strafbarkeit in allen Mitgliedstaaten prinzipiell gegeben ist. Indes sind die Bezeichnungen der listenmäßig erfassten Straftaten wenig präzise (z.B. "Korruption", "Cyberkriminalität"). Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich aus Gründen der Rechtsklarheit für stringente und fassbare Begrifflichkeiten einzusetzen, wobei darauf zu achten wäre, bei dieser Gelegenheit auch eine Präzisierung der Liste zum Europäischen Haftbefehl herbeizuführen.
Eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist entscheidend von der Bereitschaft der verurteilten Person, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten, abhängig. Erfolgt die Überstellung gegen ihren Willen, kann dies ihrer hierauf gerichteten Motivation abträglich sein. Nachvollziehbare Gründe für ein weiteres Verbleiben der verurteilten Person im Urteilsstaat sind beispielsweise eine begonnene Therapie oder Berufsausbildung, die diese in dem Vollstreckungsstaat nicht fortsetzen könnte. Auf der anderen Seite kann die ablehnende Haltung der verurteilten Person auf lediglich vordergründigen Stimmungen beruhen. Im Hinblick darauf, dass inzwischen in allen Mitgliedstaaten der EU vergleichbare vollstreckungs- und vollzugsrechtliche Rahmenbedingungen herrschen, kann auf das Zustimmungskriterium um so eher verzichtet werden, als die Vollzugs-Standards überall ein über die Mindeststandards des Europarats hinausgehendes hohes Niveau erreicht haben. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass auch dann, wenn die Überstellung nicht der Zustimmung der verurteilten Person bedarf, deren Stellungnahme in jedem Fall in die Entscheidung mit einbezogen wird, ungeachtet dessen, dass die Überstellungsentscheidung auch von anderen Kriterien wie etwa der Nachhaltigkeit der Vollstreckung abhängt.
Ob das Kriterium "sonstige enge Verbindungen" als Anknüpfungspunkt für eine Überstellung geeignet ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Es bedürfte in dem angedachten Vollstreckungsstaat regelmäßig aufwändiger Überprüfungen, ob die entsprechenden Angaben der verurteilten Person zutreffen. "Enge Verbindungen" können durchaus zu mehreren Staaten bestehen. Da eine Überstellung in diesem Fall von der Zustimmung der verurteilten Person abhängen soll, käme dieser ein - offensichtlich nicht gewolltes - faktisches Auswahlrecht zu. Aller Voraussicht nach wird sie sich dabei für den Staat mit den für sie besten Vollstreckungs- und Vollzugsbedingungen entscheiden.
3. Nach der Konzeption des Rahmenbeschlusses ist der Vollstreckungsstaat verpflichtet, einem Überstellungsersuchen des Urteilsstaats grundsätzlich zu entsprechen. In der Initiative wird indes nicht hinreichend deutlich, ob und inwieweit auch der Urteilsstaat (völkerrechtlich) verpflichtet sein soll, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Rahmenbeschlusses und gegebenenfalls auf Wunsch der verurteilten Person hin eine Europäische Vollstreckungsanordnung an den Vollstreckungsstaat zu richten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es grundsätzlich allein dem pflichtgemäßen Ermessen des Urteilsstaats überlassen bleiben muss, eine Europäische Vollstreckungsanordnung auf den Weg zu bringen und diese gegebenenfalls (vor Überstellung der verurteilten Person und z.B. in Fällen, in denen eine ausreichende Verbüßungsdauer der Freiheitsstrafe im Heimatland nicht mehr sichergestellt wäre) wieder zurückzunehmen. Es wird keine Notwendigkeit gesehen, der verurteilten Person einen Anspruch auf Überstellung einzuräumen. Ebenso wenig kommt eine Überprüfungsmöglichkeit der diesbezüglichen Ermessensentscheidung durch den Vollstreckungsstaat - z.B. im Wege des Einräumens eines entsprechenden Ablehnungsgrunds - in Betracht.
B
4. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten
empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.